Rechtsdatenbank
Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
Rechtsdatenbank
Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
EuGH 06.10.2020 - C-181/19
EuGH 06.10.2020 - C-181/19 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer) - 6. Oktober 2020 ( *1) - „Vorlage zur Vorabentscheidung – Freizügigkeit – Arbeitnehmer – Verordnung (EU) Nr. 492/2011 – Art. 7 Abs. 2 – Gleichbehandlung – Soziale Vergünstigungen – Art. 10 – Kinder, die zur Schule gehen – Richtlinie 2004/38/EG – Art. 24 – Sozialhilfeleistungen – Verordnung (EG) Nr. 883/2004 – Art. 4 – Art. 70 – Besondere beitragsunabhängige Geldleistungen – Wanderarbeitnehmer mit unterhaltsberechtigten Kindern, die im Aufnahmemitgliedstaat zur Schule gehen“
Leitsatz
In der Rechtssache C-181/19
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (Deutschland) mit Entscheidung vom 14. Februar 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 25. Februar 2019, in dem Verfahren
Jobcenter Krefeld – Widerspruchsstelle
gegen
JD
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, der Vizepräsidentin R. Silva de Lapuerta, des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, der Kammerpräsidentin A. Prechal (Berichterstatterin), der Kammerpräsidenten M. Vilaras, M. Safjan und P. G. Xuereb, der Kammerpräsidentin L. S. Rossi, des Kammerpräsidenten I. Jarukaitis, der Richter J. Malenovský, L. Bay Larsen und T. von Danwitz, der Richterin C. Toader sowie der Richter N. Piçarra und A. Kumin,
Generalanwalt: G. Pitruzzella,
Kanzler: D. Dittert, Referatsleiter,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 26. Februar 2020,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
des Jobcenters Krefeld – Widerspruchsstelle, vertreten durch S. Schwickert als Bevollmächtigten,
von JD, vertreten durch Rechtsanwalt J. Kruse,
der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller und S. Eisenberg als Bevollmächtigte,
der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna, A. Siwek-Ślusarek und E. Borawska-Kędzierska als Bevollmächtigte,
der Europäischen Kommission, vertreten durch E. Montaguti, B.-R. Killmann, J. Tomkin und M. Kellerbauer als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 14. Mai 2020
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 18 AEUV, der Art. 7 und 10 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (ABl. 2011, L 141, S. 1), von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. 2004, L 158, S. 77, berichtigt im ABl. 2004, L 229, S. 35) und von Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. 2004, L 166, S. 1, berichtigt im ABl. 2004, L 200, S. 1).
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Jobcenter Krefeld – Widerspruchsstelle (im Folgenden: Jobcenter) und JD wegen der Weigerung des Jobcenters, JD und dessen beiden Töchtern Leistungen der sozialen Grundsicherung nach den deutschen Rechtsvorschriften zu bewilligen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 2004/38
In den Erwägungsgründen 3, 4, 10, 16 und 21 der Richtlinie 2004/38 heißt es:
Die Unionsbürgerschaft sollte der grundsätzliche Status der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten sein, wenn sie ihr Recht auf Freizügigkeit und Aufenthalt wahrnehmen. Daher müssen die bestehenden Gemeinschaftsinstrumente, die Arbeitnehmer und Selbstständige sowie Studierende und andere beschäftigungslose Personen getrennt behandeln, kodifiziert und überarbeitet werden, um das Freizügigkeits- und Aufenthaltsrecht aller Unionsbürger zu vereinfachen und zu verstärken.
Um diese bereichsspezifischen und fragmentarischen Ansätze des Freizügigkeits- und Aufenthaltsrechts zu überwinden und die Ausübung dieses Rechts zu erleichtern, ist ein einziger Rechtsakt erforderlich, in dem die Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft [(ABl. 1968, L 257, S. 2)] geändert und die folgenden Rechtsakte aufgehoben werden ...
...
… Personen, die ihr Aufenthaltsrecht ausüben, [sollten] während ihres ersten Aufenthalts die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats nicht unangemessen in Anspruch nehmen. Daher sollte das Aufenthaltsrecht von Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen für eine Dauer von über drei Monaten bestimmten Bedingungen unterliegen.
...
Solange die Aufenthaltsberechtigten die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats nicht unangemessen in Anspruch nehmen, sollte keine Ausweisung erfolgen. … In keinem Fall sollte eine Ausweisungsmaßnahme gegen Arbeitnehmer, Selbstständige oder Arbeitsuchende in dem vom Gerichtshof definierten Sinne erlassen werden, außer aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit.
...
Allerdings sollte es dem Aufnahmemitgliedstaat überlassen bleiben, zu bestimmen, ob er anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbstständigen, Personen, die diesen Status beibehalten, und ihren Familienangehörigen Sozialhilfe während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder im Falle von Arbeitsuchenden für einen längeren Zeitraum gewährt oder vor Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt Unterhaltsbeihilfen für die Zwecke des Studiums, einschließlich einer Berufsausbildung, gewährt.“
Art. 7 („Recht auf Aufenthalt für mehr als drei Monate“) bestimmt in den Abs. 1 und 3:
„(1) Jeder Unionsbürger hat das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von über drei Monaten, wenn er
Arbeitnehmer oder Selbstständiger im Aufnahmemitgliedstaat ist
...
(3) Für die Zwecke des Absatzes 1 Buchstabe a) bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft dem Unionsbürger, der seine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer oder Selbstständiger nicht mehr ausübt, in folgenden Fällen erhalten:
...
er stellt sich bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrags oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung; in diesem Fall bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten aufrechterhalten;
…“
Art. 14 („Aufrechterhaltung des Aufenthaltsrechts“) der Richtlinie 2004/38 bestimmt in den Abs. 2 und 4:
„(2) Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen steht das Aufenthaltsrecht nach den Artikeln 7, 12 und 13 zu, solange sie die dort genannten Voraussetzungen erfüllen.
...
(4) Abweichend von den Absätzen 1 und 2 und unbeschadet der Bestimmungen des Kapitels VI darf gegen Unionsbürger oder ihre Familienangehörigen auf keinen Fall eine Ausweisung verfügt werden, wenn
...
die Unionsbürger in das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats eingereist sind, um Arbeit zu suchen. In diesem Fall dürfen die Unionsbürger und ihre Familienangehörigen nicht ausgewiesen werden, solange die Unionsbürger nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und dass sie eine begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden.“
Art. 24 („Gleichbehandlung“) der Richtlinie 2004/38 sieht vor:
„(1) Vorbehaltlich spezifischer und ausdrücklich im Vertrag und im abgeleiteten Recht vorgesehener Bestimmungen genießt jeder Unionsbürger, der sich aufgrund dieser Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufhält, im Anwendungsbereich des Vertrags die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats. ...
(2) Abweichend von Absatz 1 ist der Aufnahmemitgliedstaat jedoch nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbstständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder gegebenenfalls während des längeren Zeitraums nach Artikel 14 Absatz 4 Buchstabe b) einen Anspruch auf Sozialhilfe … zu gewähren.“
Verordnung Nr. 883/2004
Art. 2 („Persönlicher Geltungsbereich“) der Verordnung Nr. 883/2004 sieht in Abs. 1 vor:
„Diese Verordnung gilt für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort in einem Mitgliedstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen.“
Art. 3 („Sachlicher Geltungsbereich“) dieser Verordnung bestimmt:
„(1) Diese Verordnung gilt für alle Rechtsvorschriften, die folgende Zweige der sozialen Sicherheit betreffen:
...
Leistungen bei Arbeitslosigkeit;
...
Familienleistungen.
...
(3) Diese Verordnung gilt auch für die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen gemäß Artikel 70.“
Art. 4 („Gleichbehandlung“) der Verordnung Nr. 883/2004 lautet:
„Sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, haben Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates.“
Titel III der Verordnung Nr. 883/2004 enthält ein Kapitel 9 („Besondere beitragsunabhängige Geldleistungen“). In diesem Kapitel sieht Art. 70 („Allgemeine Vorschrift“) vor:
„(1) Dieser Artikel gilt für besondere beitragsunabhängige Geldleistungen, die nach Rechtsvorschriften gewährt werden, die aufgrund ihres persönlichen Geltungsbereichs, ihrer Ziele und/oder ihrer Anspruchsvoraussetzungen sowohl Merkmale der in Artikel 3 Absatz 1 genannten Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit als auch Merkmale der Sozialhilfe aufweisen.
(2) Für die Zwecke dieses Kapitels bezeichnet der Ausdruck ‚besondere beitragsunabhängige Geldleistungen‘ die Leistungen:
die dazu bestimmt sind:
einen zusätzlichen, ersatzweisen oder ergänzenden Schutz gegen die Risiken zu gewähren, die von den in Artikel 3 Absatz 1 genannten Zweigen der sozialen Sicherheit gedeckt sind, und den betreffenden Personen ein Mindesteinkommen zur Bestreitung des Lebensunterhalts garantieren, das in Beziehung zu dem wirtschaftlichen und sozialen Umfeld in dem betreffenden Mitgliedstaat steht,
allein dem besonderen Schutz des Behinderten zu dienen, der eng mit dem sozialen Umfeld dieser Person in dem betreffenden Mitgliedstaat verknüpft ist,
und
deren Finanzierung ausschließlich durch obligatorische Steuern zur Deckung der allgemeinen öffentlichen Ausgaben erfolgt und deren Gewährung und Berechnung nicht von Beiträgen hinsichtlich der Leistungsempfänger abhängen. Jedoch sind Leistungen, die zusätzlich zu einer beitragsabhängigen Leistung gewährt werden, nicht allein aus diesem Grund als beitragsabhängige Leistungen zu betrachten,
und
die in Anhang X aufgeführt sind.
(3) Artikel 7 und die anderen Kapitel dieses Titels gelten nicht für die in Absatz 2 des vorliegenden Artikels genannten Leistungen.
(4) Die in Absatz 2 genannten Leistungen werden ausschließlich in dem Mitgliedstaat, in dem die betreffenden Personen wohnen, und nach dessen Rechtsvorschriften gewährt. Die Leistungen werden vom Träger des Wohnorts und zu seinen Lasten gewährt.“
Anhang X der Verordnung Nr. 883/2004, in dem die „besondere[n] beitragsunabhängige[n] Geldleistungen“ im Sinne von Art. 70 Abs. 2 Buchst. c dieser Verordnung aufgeführt sind, sieht in Bezug auf die Bundesrepublik Deutschland vor, dass „Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts der Grundsicherung für Arbeitsuchende, soweit für diese Leistungen nicht dem Grunde nach die Voraussetzungen für den befristeten Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld (§ 24 Absatz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch) erfüllt sind“, zu diesen Leistungen zählen.
Verordnung Nr. 492/2011
Im ersten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 492/2011 heißt es:
„Die Verordnung … Nr. 1612/68 … wurde mehrfach und erheblich geändert. Aus Gründen der Klarheit und der Übersichtlichkeit empfiehlt es sich, die genannte Verordnung zu kodifizieren.“
Art. 7 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 492/2011 lautet:
„(1) Ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, darf aufgrund seiner Staatsangehörigkeit im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten hinsichtlich der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf Entlohnung, Kündigung und, falls er arbeitslos geworden ist, im Hinblick auf berufliche Wiedereingliederung oder Wiedereinstellung, nicht anders behandelt werden als die inländischen Arbeitnehmer.
(2) Er genießt dort die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen wie die inländischen Arbeitnehmer.“
Art. 10 dieser Verordnung bestimmt:
„Die Kinder eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt ist oder beschäftigt gewesen ist, können, wenn sie im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats wohnen, unter den gleichen Bedingungen wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats am allgemeinen Unterricht sowie an der Lehrlings- und Berufsausbildung teilnehmen.
Die Mitgliedstaaten fördern die Bemühungen, durch die diesen Kindern ermöglicht werden soll, unter den besten Voraussetzungen am Unterricht teilzunehmen.“
Deutsches Recht
§ 7 des Sozialgesetzbuchs (Zweites Buch) in der Fassung vom 22. Dezember 2016 (BGBl. I, S. 3155) (im Folgenden: SGB II) bestimmt:
„(1) 1Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
erwerbsfähig sind,
hilfebedürftig sind und
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
2Ausgenommen sind
...
Ausländerinnen und Ausländer,
die kein Aufenthaltsrecht haben,
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt oder
die ihr Aufenthaltsrecht allein oder neben einem Aufenthaltsrecht nach Buchstabe b aus Artikel 10 der Verordnung … Nr. 492/2011 … ableiten,
und ihre Familienangehörigen,
...
(2) 1Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. ...
(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
...
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.“
In § 2 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern in der Fassung vom 2. Dezember 2014 (BGBl. I, S. 1922) (im Folgenden: FreizügG) heißt es:
„(1) Freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger und ihre Familienangehörigen haben das Recht auf Einreise und Aufenthalt nach Maßgabe dieses Gesetzes.
(2) Unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt sind:
Unionsbürger, die sich als Arbeitnehmer oder zur Berufsausbildung aufhalten wollen,
Unionsbürger, die sich zur Arbeitsuche aufhalten, für bis zu sechs Monate und darüber hinaus nur, solange sie nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden,
...
Familienangehörige unter den Voraussetzungen der §§ 3 und 4,
(3) ... 2 Bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit nach weniger als einem Jahr Beschäftigung bleibt das Recht aus Absatz 1 während der Dauer von sechs Monaten unberührt.“
§ 3 FreizügG sieht vor:
„(1) 1Familienangehörige der in § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 genannten Unionsbürger haben das Recht nach § 2 Abs. 1, wenn sie den Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen. ...
(2) Familienangehörige sind
der Ehegatte, der Lebenspartner und die Verwandten in gerader absteigender Linie der in § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 und 7 genannten Personen oder ihrer Ehegatten oder Lebenspartner, die noch nicht 21 Jahre alt sind,
...
(4) Die Kinder eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers und der Elternteil, der die elterliche Sorge für die Kinder tatsächlich ausübt, behalten auch nach dem Tod oder Wegzug des Unionsbürgers, von dem sie ihr Aufenthaltsrecht ableiten, bis zum Abschluss einer Ausbildung ihr Aufenthaltsrecht, wenn sich die Kinder im Bundesgebiet aufhalten und eine Ausbildungseinrichtung besuchen.“
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
JD ist polnischer Staatsangehöriger und war mit einer polnischen Staatsangehörigen verheiratet, mit der er zwei Töchter hat. Diese wurden in den Jahren 2005 und 2010 geboren. Seit 2012 oder 2013 lebt JD von seiner Ehefrau getrennt. Ende 2012/Anfang 2013 zog die Familie nach Deutschland. Die beiden Töchter leben im Wesentlichen bei ihrem Vater, bei dem sie seit 2015 gemeldet sind. Die Ehefrau von JD kehrte 2016 nach Polen zurück.
Die Töchter besuchen seit dem 1. August 2016 die Schule in Deutschland.
Seit März 2015 übte JD abhängige Beschäftigungen in Deutschland aus. Vom 6. März bis 1. September 2015 war er als Schlosserhelfer und vom 18. Januar bis 31. Oktober 2016 als Produktionsmitarbeiter in Vollzeit beschäftigt. Vom 4. Oktober bis 7. Dezember 2016 war JD arbeitsunfähig. Er erhielt von seiner Arbeitgeberin bis zum Ende seines Arbeitsverhältnisses am 31. Oktober 2016 Lohnfortzahlung und anschließend von der Sozialversicherung bis zum 7. Dezember 2016 Krankengeld.
Vom 23. Februar bis 13. April 2017 und vom 12. Juni bis 23. Oktober 2017 bezog er Arbeitslosengeld.
Seit dem 2. Januar 2018 übt JD erneut eine Vollzeitbeschäftigung aus.
JD und seine beiden Töchter bezogen vom 1. September 2016 bis 7. Juni 2017 Leistungen der sozialen Grundsicherung nach dem SGB II, nämlich Arbeitslosengeld II für JD und Sozialgeld für die beiden Töchter (im Folgenden zusammen: im Ausgangsverfahren in Rede stehende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts).
Im Juni 2017 beantragte JD für sich selbst und seine Töchter die Weiterbewilligung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Mit Bescheid vom 13. Juni 2017, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 27. Juli 2017, lehnte das Jobcenter diesen Antrag unter Berufung auf § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II mit der Begründung ab, dass JD den Arbeitnehmerstatus nicht behalten habe und sich allein zum Zweck der Arbeitsuche in Deutschland aufhalte.
JD und seine beiden Töchter erhoben anschließend Klage beim Sozialgericht Düsseldorf (Deutschland), mit der sie beantragten, den fraglichen Bescheid aufzuheben und das Jobcenter zu verurteilen, ihnen die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 8. Juni bis 31. Dezember 2017 (im Folgenden: streitiger Zeitraum) zu bewilligen.
Mit Urteil vom 8. Mai 2018 gab das Sozialgericht Düsseldorf dieser Klage statt und verurteilte das Jobcenter, die beantragten Leistungen zu bewilligen. Zwar könne sich JD für den streitigen Zeitraum nicht mehr auf einen fortwirkenden Arbeitnehmerstatus und damit ein Aufenthaltsrecht nach § 2 FreizügG berufen. Er leite jedoch ein Aufenthaltsrecht aus dem seinen Töchtern gemäß Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 zustehenden Aufenthaltsrecht ab. Da diese in Deutschland wohnten und die Schule besuchten, hätten sie als minderjährige Kinder eines früheren Wanderarbeitnehmers, der in diesem Mitgliedstaat beschäftigt gewesen sei, ein Aufenthaltsrecht nach diesem Art. 10. Dieses begründe ein Aufenthaltsrecht ihres Vaters als Elternteil, der die elterliche Sorge für sie tatsächlich ausübe. Das Aufenthaltsrecht zum Zweck des Schulbesuchs und der Ausbildung von Kindern eines (früheren) Wanderarbeitnehmers nach Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 sei eigenständig und unabhängig von den Aufenthaltsrechten nach der Richtlinie 2004/38. Somit finde die in Art. 24 Abs. 2 dieser Richtlinie enthaltene Regel, die eine Abweichung vom Gleichbehandlungsgrundsatz im Bereich der Sozialhilfe vorsehe, keine Anwendung, wenn das Aufenthaltsrecht des betreffenden Unionsbürgers auf Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 beruhe. Daher sei § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. c SGB II, wonach Ausländer und ihre Familienangehörigen, die ihr Aufenthaltsrecht aus Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 herleiteten, von den Leistungen der Sozialhilfe ausgenommen seien, nicht unionsrechtskonform.
Am 4. Juli 2018 legte das Jobcenter gegen dieses Urteil Berufung beim vorlegenden Gericht ein.
Das vorlegende Gericht führt erstens aus, dass in der innerstaatlichen Rechtsprechung umstritten sei, ob die in Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 für den Bereich der Sozialhilfe vorgesehene Ausnahmeregel – unmittelbar oder analog – auch auf Unionsbürger anwendbar sei, die über ein Aufenthaltsrecht nach Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 verfügten und die Bewilligung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beantragt hätten, die Sozialhilfeleistungen im Sinne von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 darstellten.
Der deutsche Gesetzgeber sei beim Erlass von § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. c SGB II davon ausgegangen, dass Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 auch auf Sachverhalte anzuwenden sei, in denen die Unionsbürger neben dem Aufenthaltsrecht zum Zweck der Arbeitsuche auch über ein Aufenthaltsrecht nach Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 verfügten, um zu verhindern dass die Vorschriften der Richtlinie 2004/38 leerliefen und diese Unionsbürger die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats unangemessen in Anspruch nähmen.
Das vorlegende Gericht ist jedoch der Auffassung, dass das Aufenthaltsrecht aus Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 nicht den Bestimmungen der Richtlinie 2004/38 unterliege. Es stützt sich hierzu auf die Urteile vom 23. Februar 2010, Ibrahim und Secretary of State for the Home Department (C-310/08, EU:C:2010:80), und vom 23. Februar 2010, Teixeira (C-480/08, EU:C:2010:83), mit denen der Gerichtshof die Autonomie des Aufenthaltsrechts nach Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68, einer mit Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 inhaltsgleichen Vorschrift, anerkannt habe. Im Übrigen habe der Unionsgesetzgeber den Erlass der letztgenannten Verordnung, durch die die Verordnung Nr. 1612/68 aufgehoben und ersetzt worden sei, nicht zum Anlass genommen, den sich aus der Verordnung Nr. 1612/68 ergebenden Gleichbehandlungsgrundsatz, wie er vom Gerichtshof ausgelegt worden sei, einzuschränken.
Zweitens stelle sich die Frage der Anwendbarkeit von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 auch im Licht von Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004. Diese Verordnung finde im vorliegenden Fall Anwendung, da JD in Deutschland in einem Familienleistungssystem im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. j dieser Verordnung und einem Sozialversicherungssystem für Leistungen bei Arbeitslosigkeit im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. h dieser Verordnung eingebunden sei. Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II seien besondere beitragsunabhängige Geldleistungen im Sinne von Art. 3 Abs. 3 und Art. 70 Abs. 2 der Verordnung Nr. 883/2004, auf die der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 4 dieser Verordnung Anwendung finde.
Vor diesem Hintergrund hat das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (Deutschland) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Ist der Ausschluss von Unionsbürgern, die über ein Aufenthaltsrecht aus Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 verfügen, vom Bezug von Sozialhilfeleistungen im Sinne von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 mit dem Gleichbehandlungsgebot aus Art. 18 AEUV in Verbindung mit den Art. 7 und 10 der Verordnung Nr. 492/2011 vereinbar?
Stellt eine Sozialhilfeleistung im Sinne von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 eine soziale Vergünstigung im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 dar?
Findet die Schrankenregelung des Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 auf das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 18 AEUV in Verbindung mit den Art. 7 und 10 der Verordnung Nr. 492/2011 Anwendung?
Ist der Ausschluss von Unionsbürgern vom Bezug von besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen im Sinne von Art. 3 Abs. 3 und Art. 70 Abs. 2 der Verordnung Nr. 883/2004 mit dem Gleichbehandlungsgebot aus Art. 18 AEUV in Verbindung mit Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 vereinbar, wenn diese über ein Aufenthaltsrecht aus Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 verfügen und in einem Sozialversicherungssystem oder Familienleistungssystem im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 eingebunden sind?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage
Mit der ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 18 Abs. 1 AEUV sowie Art. 7 Abs. 2 und Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 dahin auszulegen sind, dass sie in Anbetracht von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 einer Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegenstehen, nach der ein Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaats und seine minderjährigen Kinder, die alle im erstgenannten Mitgliedstaat ein Aufenthaltsrecht aufgrund von Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 genießen, weil die Kinder dort die Schule besuchen, unter allen Umständen automatisch von einem Anspruch auf Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts ausgeschlossen sind.
Aufenthaltsrecht aufgrund von Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011
Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 sieht vor, dass die Kinder eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt ist oder beschäftigt gewesen ist, im Aufnahmemitgliedstaat, wenn sie dort wohnen, hinsichtlich der Teilnahme am Unterricht Anspruch auf gleiche Behandlung haben wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats. Vor dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 492/2011 war dieses Recht in Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 normiert, der mit Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 inhaltsgleich war. Die Verordnung Nr. 1612/68 wurde durch die Verordnung Nr. 492/2011 aufgehoben und ersetzt, um – wie aus dem ersten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 492/2011 hervorgeht – aus Gründen der Klarheit und der Übersichtlichkeit kodifiziert zu werden. Somit ist die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 auch für die Auslegung von Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 maßgeblich.
Aus dieser Rechtsprechung geht hervor, dass zum einen das Kind eines Wanderarbeitnehmers oder früheren Wanderarbeitnehmers aufgrund des Rechts auf Gleichbehandlung hinsichtlich des Zugangs zum Unterricht ein eigenes Aufenthaltsrecht im Aufnahmemitgliedstaat hat, wenn es weiter am allgemeinen Unterricht in diesem Mitgliedstaat teilnehmen möchte. Zum anderen erfordert die Anerkennung eines eigenen Aufenthaltsrechts dieses Kindes, dass ein entsprechendes Aufenthaltsrecht des Elternteils, der die elterliche Sorge für dieses Kind tatsächlich wahrnimmt, anerkannt wird (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. September 2002, Baumbast und R, C-413/99, EU:C:2002:493, Rn. 63 und 75, sowie vom 23. Februar 2010, Teixeira, C-480/08, EU:C:2010:83, Rn. 36).
Das sowohl mit der Verordnung Nr. 1612/68 als auch mit der Verordnung Nr. 492/2011 verfolgte Ziel, nämlich die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, erfordert bestmögliche Bedingungen für die Integration der Familie des Arbeitnehmers im Aufnahmemitgliedstaat, und die Kinder könnten das ihnen vom Unionsgesetzgeber zuerkannte Recht verlieren, wenn den die elterliche Sorge für sie wahrnehmenden Eltern die Möglichkeit versagt würde, während der Schulausbildung ihrer Kinder im Aufnahmemitgliedstaat zu bleiben (Urteil vom 23. Februar 2010, Ibrahim und Secretary of State for the Home Department, C-310/08, EU:C:2010:80, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Somit räumt Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 dem Kind im Zusammenhang mit dessen Anspruch auf Zugang zum Unterricht ein eigenständiges Aufenthaltsrecht ein, das nicht davon abhängig ist, dass der Elternteil oder die Eltern, die die elterliche Sorge für sie wahrnehmen, weiterhin Wanderarbeitnehmer im Aufnahmemitgliedstaat sind. Ebenso wenig hat der Umstand, dass der betreffende Elternteil nicht mehr Wanderarbeitnehmer ist, Auswirkungen auf dessen Aufenthaltsrecht nach Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011, das demjenigen des Kindes entspricht, für das er die elterliche Sorge tatsächlich wahrnimmt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. September 2002, Baumbast und R, C-413/99, EU:C:2002:493, Rn. 63, 70 und 75, sowie vom 23. Februar 2010, Teixeira, C-480/08, EU:C:2010:83, Rn. 37, 46 und 50).
Insoweit ist hinzuzufügen, dass Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 autonom gegenüber den unionsrechtlichen Bestimmungen anzuwenden ist, die – wie die Bestimmungen der Richtlinie 2004/38 – die Voraussetzungen für die Ausübung des Rechts auf Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat regeln (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 23. Februar 2010, Ibrahim und Secretary of State for the Home Department, C-310/08, EU:C:2010:80, Rn. 42, und vom 23. Februar 2010, Teixeira, C-480/08, EU:C:2010:83, Rn. 53 und 54).
Daraus folgt, dass den Kindern eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der im Aufnahmemitgliedstaat beschäftigt ist oder gewesen ist, und dem Elternteil, der die elterliche Sorge für sie tatsächlich wahrnimmt, ein eigenständiges Recht auf Aufenthalt in diesem Staat auf der Grundlage allein von Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 zusteht, ohne dass sie die Voraussetzungen nach der Richtlinie 2004/38 – u. a., dass der Betreffende über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz in diesem Staat verfügen muss – erfüllen müssten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. Februar 2010, Ibrahim und Secretary of State for the Home Department, C-310/08, EU:C:2010:80, Rn. 59).
Recht auf Gleichbehandlung nach Art. 7 der Verordnung Nr. 492/2011
Das vorlegende Gericht teilt offenbar die Auffassung der Europäischen Kommission, dass sich Personen, die ein Aufenthaltsrecht aus Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 herleiten, hinsichtlich der sozialen Vergünstigungen, die den inländischen Arbeitnehmern zustehen, auf den in Art. 7 – insbesondere Abs. 2 – dieser Verordnung vorgesehenen Gleichbehandlungsgrundsatz berufen können. Die deutsche Regierung vertritt dagegen die Ansicht, dass dies nicht der Fall ist.
Was erstens den sachlichen Anwendungsbereich der letztgenannten Vorschrift betrifft, umfasst der Begriff „soziale Vergünstigung“ im Sinne dieser Vorschrift alle Vergünstigungen, die – ob sie an einen Arbeitsvertrag anknüpfen oder nicht – den inländischen Arbeitnehmern im Allgemeinen gewährt werden, und zwar hauptsächlich wegen ihrer objektiven Arbeitnehmereigenschaft oder einfach wegen ihres Wohnorts im Inland, und deren Erstreckung auf die Arbeitnehmer, die Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaats sind, deshalb als geeignet erscheint, deren Mobilität innerhalb der Union und daher auch ihre Integration im Aufnahmemitgliedstaat zu fördern (Urteil vom 18. Dezember 2019, Generálny riaditeľ Sociálnej poisťovne Bratislava u. a., C-447/18, EU:C:2019:1098, Rn. 47).
Da die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, wie das vorlegende Gericht ausgeführt hat, bezwecken, den Lebensunterhalt ihrer Empfänger sicherzustellen, tragen sie zu deren Integration im Aufnahmemitgliedstaat bei. Diese Leistungen stellen daher soziale Vergünstigungen im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 dar (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. März 1985, Hoeckx, 249/83, EU:C:1985:139, Rn. 22).
Was zweitens den persönlichen Anwendungsbereich von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 betrifft, entspricht dieser zum einen, wie sich aus dem Wortlaut dieser Bestimmung, insbesondere aus der Verwendung des Worts „Er“ ergibt, demjenigen von Art. 7 Abs. 1 dieser Verordnung, der sich nach seinem Wortlaut auf Arbeitnehmer erstreckt, die – wie JD – im Aufnahmemitgliedstaat „arbeitslos geworden [sind]“. Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 gewährt somit, wie der Generalanwalt in Nr. 63 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, einen Schutz, der über den bloßen Zeitraum ihrer Beschäftigung hinausgeht.
Zum anderen ist Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 eine besondere Ausprägung des in Art. 45 Abs. 2 AEUV niedergelegten Gleichbehandlungsgrundsatzes auf dem spezifischen Gebiet der Gewährung sozialer Vergünstigungen und daher ebenso auszulegen wie Art. 45 Abs. 2 AEUV (Urteil vom 18. Dezember 2019, Generálny riaditeľ Sociálnej poisťovne Bratislava u. a., C-447/18, EU:C:2019:1098, Rn. 39).
Somit fallen Arbeitnehmer im Sinne von Art. 45 AEUV in den Anwendungsbereich von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011. Während allerdings für Angehörige der Mitgliedstaaten, die zuwandern, um eine Beschäftigung zu suchen, der Grundsatz der Gleichbehandlung nur für den Zugang zum Arbeitsmarkt gilt, genießen diejenigen, die bereits Zugang zum Arbeitsmarkt gefunden haben, aufgrund von Art. 7 Abs. 2 dieser Verordnung die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen wie die inländischen Arbeitnehmer (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. März 2004, Collins, C-138/02, EU:C:2004:172, Rn. 31).
Nun steht zwar fest, dass JD im streitigen Zeitraum in Deutschland arbeitslos war, doch steht ebenso fest, dass er vorher abhängige Beschäftigungen in Deutschland ausgeübt hatte.
Folglich kann der Umstand allein, dass JD in diesem Zeitraum erwerbslos wurde, die Anwendung des in Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 vorgesehenen Gleichheitsgrundsatzes nicht ausschließen.
Im Übrigen können, wie sich aus der insbesondere in Rn. 37 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ergibt, die Rechte eines Arbeitnehmers aus der Union und seiner Familienangehörigen aus der Verordnung Nr. 492/2011 unter bestimmten Umständen auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses fortgelten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. September 2002, Baumbast und R, C-413/99, EU:C:2002:493, Rn. 70).
Wie der Generalanwalt in den Nrn. 54 und 55 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, erwachsen somit das den Kindern eines solchen Arbeitnehmers aufgrund von Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 zustehende Aufenthaltsrecht und folglich das Aufenthaltsrecht des Elternteils, der die elterliche Sorge für diese Kinder wahrnimmt, wenn die Rechte einmal erworben sind, zu gegenüber dem ursprünglichen, durch die Arbeitnehmereigenschaft des betreffenden Elternteils begründeten Aufenthaltsrecht eigenständigen Rechten und können über den Verlust dieser Eigenschaft hinaus fortbestehen; dadurch wird diesen Kindern ein verstärkter rechtlicher Schutz geboten und verhindert, dass ihrem Recht auf Gleichbehandlung hinsichtlich des Zugangs zum Unterricht die praktische Wirksamkeit genommen wird.
Das Gleiche muss in einem Sachverhalt, in dem die Kinder und der Elternteil, der die elterliche Sorge für sie tatsächlich wahrnimmt, ein Aufenthaltsrecht aufgrund von Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 haben, für das in Art. 7 Abs. 2 dieser Verordnung vorgesehene Recht auf Gleichbehandlung im Bereich der Gewährung sozialer Vergünstigungen gelten. Bei einem solchen Sachverhalt geht nämlich das letztgenannte Recht ebenso wie die genannten „abgeleiteten“ Aufenthaltsrechte ursprünglich auf die Arbeitnehmereigenschaft des betreffenden Elternteils zurück und muss nach dem Verlust dieser Eigenschaft aus den gleichen Gründen, die die Aufrechterhaltung dieser Aufenthaltsrechte rechtfertigen, fortbestehen.
Eine solche Auslegung von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 in Verbindung mit deren Art. 10 trägt zu dem mit dieser Verordnung verfolgten Ziel bei, die Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu fördern, da sie es erlaubt, bestmögliche Bedingungen für die Integration der Familienangehörigen von Unionsbürgern zu schaffen, die von der Freizügigkeit Gebrauch gemacht und im Aufnahmemitgliedstaat eine Berufstätigkeit ausgeübt haben.
Diese Auslegung verhindert nämlich, dass eine Person wie JD, die beabsichtigt, gemeinsam mit ihrer Familie ihren Herkunftsmitgliedstaat zu verlassen, um in einem anderen Mitgliedstaat zu arbeiten, und die ihre Kinder dort zur Schule schicken möchte, dem Risiko ausgesetzt ist, bei Verlust ihrer Arbeitnehmereigenschaft den Schulbesuch ihrer Kinder unterbrechen und in ihr Herkunftsland zurückkehren zu müssen, weil sie nicht die Sozialleistungen in Anspruch nehmen kann, die der Aufnahmemitgliedstaat seinen eigenen Staatsangehörigen gewährleisten würde und die den Lebensunterhalt der Familie in diesem Mitgliedstaat sicherstellen würden.
Ebenfalls in diesem Sinne hat der Gerichtshof bei einem Sachverhalt, in dem das Kind eines Arbeitnehmers aus einem Mitgliedstaat, der in einem anderen Mitgliedstaat beschäftigt war und in sein Herkunftsland zurückkehrte, entschieden, dass dieses Kind, das im Aufnahmemitgliedstaat ein Aufenthaltsrecht aus Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 hatte, den Anspruch auf eine – als „soziale Vergünstigung“ im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 einzustufende – Förderung für Unterhalt und Ausbildung zur Absolvierung einer sekundären oder postsekundären Ausbildung behält, da Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 sonst wirkungslos wäre (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. März 1989, Echternach und Moritz, 389/87 und 390/87, EU:C:1989:130, Rn. 23 und 34).
Somit genießt ein Kind, wenn es im Aufnahmemitgliedstaat ein Aufenthaltsrecht aufgrund von Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 hat, ebenso wie sein Elternteil, der die elterliche Sorge tatsächlich wahrnimmt, das Recht auf Gleichbehandlung nach Art. 7 Abs. 2 dieser Verordnung selbst dann, wenn dieser Elternteil seine Arbeitnehmereigenschaft verloren hat.
Daraus folgt, dass Personen, denen ein Aufenthaltsrecht aufgrund von Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 zusteht, auch das Recht auf Gleichbehandlung im Bereich der Gewährung sozialer Vergünstigungen aus Art. 7 Abs. 2 dieser Verordnung genießen, selbst wenn sie sich nicht mehr auf die Arbeitnehmereigenschaft berufen können, aus der sie ihr Aufenthaltsrecht ursprünglich herleiteten.
Zur Anwendbarkeit von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 auf Unionsbürger, die ein Aufenthaltsrecht aufgrund von Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 haben
Nach Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 genießt jeder Unionsbürger, der sich aufgrund dieser Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufhält, im Anwendungsbereich des Vertrags die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats. Art. 24 Abs. 2 dieser Richtlinie bestimmt, dass abweichend von Abs. 1 der Aufnahmemitgliedstaat nicht verpflichtet ist, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder gegebenenfalls während des längeren Zeitraums nach Art. 14 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 einen Anspruch auf Sozialhilfe zu gewähren.
Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass Leistungen wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, die ihren Empfängern das Minimum an Existenzmitteln gewährleisten sollen, das erforderlich ist, um ein Leben zu führen, das der Menschenwürde entspricht, als „Sozialhilfe“ im Sinne von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 anzusehen sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. September 2015, Alimanovic, C-67/14, EU:C:2015:597, Rn. 44 bis 46, und vom 25. Februar 2016, García-Nieto u. a., C-299/14, EU:C:2016:114, Rn. 37).
Der Gerichtshof hat in den Rn. 57 und 58 seines Urteils vom 15. September 2015, Alimanovic (C-67/14, EU:C:2015:597), zudem entschieden, dass sich der Aufnahmemitgliedstaat auf die Ausnahmebestimmung von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 berufen kann, um einem Unionsbürger, dem ein Aufenthaltsrecht allein aufgrund von Art. 14 Abs. 4 Buchst. b dieser Richtlinie zusteht, die Bewilligung von Sozialhilfeleistungen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu verweigern.
Im genannten Urteil ist der Gerichtshof jedoch, wie sich aus Rn. 40 dieses Urteils ergibt, von der Feststellung des nationalen Gerichts ausgegangen, dass den betroffenen Personen lediglich ein Aufenthaltsrecht als Arbeitsuchende aufgrund von Art. 14 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 zustand. Er hat sich nicht zu dem Sachverhalt geäußert, in dem die Betroffenen – wie im vorliegenden Fall – ein Aufenthaltsrecht aufgrund von Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 haben.
In Bezug auf einen solchen Sachverhalt ist darauf hinzuweisen, dass zum einen der Gerichtshof bereits mehrfach entschieden hat, dass Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 als Ausnahme von dem in Art. 18 Abs. 1 AEUV normierten Grundsatz der Gleichbehandlung, der in Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 lediglich einen besonderen Ausdruck findet, eng und im Einklang mit den Vertragsbestimmungen, einschließlich derjenigen über die Unionsbürgerschaft und die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, auszulegen ist (Urteil vom 21. Februar 2013, N., C-46/12, EU:C:2013:97, Rn. 33).
Zum anderen sind bei der Auslegung einer Unionsrechtsvorschrift nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden, zu berücksichtigen (Urteil vom 18. Januar 2017, NEW WAVE CZ, C-427/15, EU:C:2017:18, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Erstens ergibt sich bereits aus dem Wortlaut von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38, dass die Mitgliedstaaten „[a]bweichend von Absatz 1“ dieses Art. 24 bestimmten Kategorien von Personen die Gewährung eines Anspruchs auf Sozialhilfe versagen können. Diese Bestimmung ist somit ausdrücklich als Ausnahme von dem in Art. 24 Abs. 1 dieser Richtlinie vorgesehenen Gleichbehandlungsgrundsatz zu verstehen. Indessen ist diese Ausnahme nur auf Personen anwendbar, die unter diesen Abs. 1 fallen, also Unionsbürger, die sich „aufgrund dieser Richtlinie“ im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufhalten.
Zweitens ergibt sich aus dem Regelungszusammenhang dieser Bestimmung, dass die Richtlinie 2004/38 zwar erlassen wurde, um – wie der Unionsgesetzgeber in ihren Erwägungsgründen 3 und 4 ausgeführt hat – „die bestehenden [Unionrechts]sinstrumente“, die Arbeitnehmer und Selbständige sowie Studierende und andere beschäftigungslose Personen getrennt behandeln, zu kodifizieren und zu überarbeiten, um das Freizügigkeits- und Aufenthaltsrecht aller Unionsbürger zu vereinfachen und zu verstärken, wobei die früheren bereichsspezifischen und fragmentarischen Ansätze überwunden werden sollen.
Diese Kodifizierung war jedoch nicht erschöpfend. Beim Erlass der Richtlinie 2004/38 wurde Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68, der inhaltsgleich in Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 übernommen wurde, nämlich weder aufgehoben noch geändert. Vielmehr wurde diese Richtlinie so ausgestaltet, dass sie mit Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 und mit der Rechtsprechung, durch die dieser ausgelegt wurde, in Einklang steht. Folglich kann die Richtlinie 2004/38 als solche weder die Autonomie der auf Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 beruhenden Rechte in Frage stellen noch deren Tragweite ändern (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. Februar 2010, Teixeira, C-480/08, EU:C:2010:83, Rn. 54 und 56 bis 58).
Somit wird durch die Berücksichtigung des Zusammenhangs, in den sich Art. 24 der Richtlinie 2004/38 einfügt, die Auslegung bestätigt, wonach die in dessen Abs. 2 niedergelegte Ausnahme vom Gleichbehandlungsgrundsatz nur auf Sachverhalte Anwendung findet, die unter Art. 24 Abs. 1 fallen, d. h. auf Sachverhalte, in denen das Aufenthaltsrecht auf dieser Richtlinie beruht, und nicht auf solche, in denen dieses Recht seine eigenständige Grundlage in Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 findet.
Drittens schließlich wird eine solche Auslegung nicht durch den Zweck von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 widerlegt, nämlich – wie aus deren zehntem Erwägungsgrund hervorgeht – das finanzielle Gleichgewicht des Sozialhilfesystems der Mitgliedstaaten zu wahren, indem verhindert wird, dass Personen, die ihr Aufenthaltsrecht ausüben, die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats unangemessen in Anspruch nehmen.
Hinsichtlich dieses Zwecks unterscheidet sich nämlich die Situation eines Unionsbürgers wie JD, der, bevor er im Aufnahmemitgliedstaat arbeitslos wurde, dort gearbeitet und seine Kinder eingeschult hatte und dem damit ein Aufenthaltsrecht aufgrund von Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 zusteht, deutlich von der Situation der Unionsbürger, die Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 ausdrücklich von dem Anspruch auf Sozialhilfeleistungen ausschließt, nämlich zum einen diejenigen, die – wie in der Rechtssache, in der das Urteil vom 25. Februar 2016, García-Nieto u. a. (C-299/14, EU:C:2016:114), ergangen ist – ein auf drei Monate begrenztes Aufenthaltsrecht im Aufnahmemitgliedstaat aufgrund von Art. 6 Abs. 1 dieser Richtlinie haben, und zum anderen diejenigen, die dort lediglich ein Aufenthaltsrecht zum Zweck der Arbeitsuche aufgrund von Art. 14 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 haben.
Der Sachverhalt der vorliegenden Rechtssache unterscheidet sich auch von dem der Rechtssache, in der das Urteil vom 11. November 2014, Dano (C-333/13, EU:C:2014:2358), ergangen ist. Diese betraf nämlich erwerbslose Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, die ihre Freizügigkeit allein zu dem Zweck ausgeübt hatten, Sozialhilfe in einem anderen Mitgliedstaat zu erhalten, und denen im Aufnahmemitgliedstaat kein Aufenthaltsrecht nach der Richtlinie 2004/38 oder einer anderen Bestimmung des Unionsrechts zustand. Unter diesen Umständen hat der Gerichtshof entschieden, dass es dem in Rn. 66 des vorliegenden Urteils genannten Zweck zuwiderliefe, diesen Personen einen Anspruch auf Sozialhilfeleistungen unter den gleichen Voraussetzungen wie Inländern zu gewähren.
Im Übrigen fallen Personen wie JD und seine Töchter zwar auch in den Anwendungsbereich von Art. 24 der Richtlinie 2004/38 einschließlich der Ausnahme in dessen Abs. 2, da sie ein Aufenthaltsrecht aufgrund von Art. 14 Abs. 4 Buchst. b dieser Richtlinie genießen. Doch kann ihnen diese Ausnahme nicht entgegengehalten werden, da sie sich auch auf ein eigenständiges Aufenthaltsrecht aufgrund von Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 berufen können.
So hat nämlich zum einen der Gerichtshof in Bezug auf Arbeitsuchende bereits entschieden, dass die in Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 vorgesehene Ausnahme nur auf Unionsbürger Anwendung findet, denen ein Aufenthaltsrecht allein aufgrund von Art. 14 Abs. 4 Buchst. b dieser Richtlinie zusteht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. September 2015, Alimanovic, C-67/14, EU:C:2015:597, Rn. 58). Zum anderen kann der Umstand, dass Arbeitsuchende besondere Rechte nach der genannten Richtlinie genießen, in Anbetracht der Eigenständigkeit der Regelungen, die durch diese Richtlinie und durch die Verordnung Nr. 492/2011 jeweils geschaffen wurden, nicht zu einer Minderung der Rechte führen, die diese Personen aus dieser Verordnung herleiten können.
Im Übrigen wäre es, wie die Kommission zutreffend vorgetragen hat, paradox, Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 dahin auszulegen, dass Sozialhilfeleistungen Personen zu versagen sind, die nicht nur ein Aufenthaltsrecht als Eltern gemäß der Verordnung Nr. 492/2011, sondern auch ein Aufenthaltsrecht als Arbeitsuchende gemäß der Richtlinie 2004/38 geltend machen können. Eine solche Auslegung hätte nämlich zur Folge, den Elternteil und seine Kinder, denen ein Aufenthaltsrecht gemäß Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 zusteht, im Bereich der Sozialhilfe von der Gleichbehandlung mit Inländern auszuschließen, wenn dieser Elternteil beschließt, im Aufnahmemitgliedstaat eine Beschäftigung zu suchen.
Zum Vorliegen einer Ungleichbehandlung im Licht von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011
Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011, auf den sich Personen, denen ein Aufenthaltsrecht aufgrund von Art. 10 dieser Verordnung zusteht, berufen können, wie in Rn. 55 des vorliegenden Urteils ausgeführt, bestimmt im Wesentlichen, dass ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, auch wenn er arbeitslos geworden ist, im Aufnahmemitgliedstaat die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen genießt wie inländische Arbeitnehmer.
Es stellt eine Ungleichbehandlung gegenüber Inländern im Bereich der sozialen Vergünstigungen dar, wenn Personen, die wie JD und seine Töchter Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaats sind und ihr Aufenthaltsrecht aus Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 herleiten, gemäß einer innerstaatlichen Bestimmung wie § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. c SGB II von jeglichem Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen werden.
Insoweit ist in Rn. 44 des vorliegenden Urteils darauf hingewiesen worden, dass Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 eine besondere Ausprägung des Gleichbehandlungsgrundsatzes und des Verbots der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit auf dem spezifischen Gebiet der Gewährung sozialer Vergünstigungen ist.
Hinzuzufügen ist erstens, dass ein eigenständiges Aufenthaltsrecht aufgrund von Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 im Aufnahmemitgliedstaat, das Kindern, die die Schule besuchen, und ihrem Elternteil, der die elterliche Sorge für sie tatsächlich ausübt, zuerkannt wird, voraussetzt, dass – wie sich aus der in Rn. 37 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ergibt – dieser Elternteil Zugang zum Arbeitsmarkt dieses Mitgliedstaats gefunden hat. Somit entspricht der Kreis der potenziellen Begünstigten eines solchen Aufenthaltsrechts, wie in Rn. 67 dieses Urteils ausgeführt, nicht dem der Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten, die in den Aufnahmemitgliedstaat eingereist sind, um dort eine erste Beschäftigung zu suchen. Dieses Recht ist im Übrigen begrenzt, da es spätestens endet, wenn das Kind seine Ausbildung abgeschlossen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Mai 2013, Alarape und Tijani, C-529/11, EU:C:2013:290, Rn. 24).
Zweitens ist die Situation eines Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats, der bereits Zugang zum Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedstaats gefunden hat und auch ein Aufenthaltsrecht aufgrund von Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 genießt, von der Situation zu unterscheiden, in der Hinweise darauf vorliegen, dass der betreffende ehemalige Arbeitnehmer einen Rechtsmissbrauch, der von den Vorschriften des Unionsrechts nicht gedeckt ist, begangen hat, indem er die Voraussetzungen für den Erhalt der fraglichen sozialen Vergünstigungen nach Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 willkürlich herbeigeführt hat (vgl. entsprechend Urteil vom 17 Juli 2014, Torresi, C-58/13 und C-59/13, EU:C:2014:2088, Rn. 42 und 46). Wie auch die Kommission vorgetragen hat, ist den Akten, die dem Gerichtshof vorliegen, nichts zu entnehmen, was im vorliegenden Fall auf das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs oder eines Betrugs schließen ließe.
Somit verstößt der Ausschluss nicht erwerbstätiger Staatsangehöriger anderer Mitgliedstaaten, die ein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 genießen, von jeglichem Anspruch auf die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gegen Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 in Verbindung mit deren Art. 10.
Was schließlich Art. 18 Abs. 1 AEUV angeht, soll diese Bestimmung nach ständiger Rechtsprechung eigenständig nur bei unionsrechtlich geregelten Fallgestaltungen zur Anwendung kommen, für die der AEU-Vertrag keine besonderen Diskriminierungsverbote vorsieht (Urteil vom 11. Juni 2020, TÜV Rheinland LGA Products und Allianz IARD, C-581/18, EU:C:2020:453, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung). Im Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit ist aber das Diskriminierungsverbot durch Art. 45 AEUV umgesetzt worden (Urteil vom 10. Oktober 2019, Krah, C-703/17, EU:C:2019:850, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung), der, wie in Rn. 44 des vorliegenden Urteils ausgeführt, in Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 eine besondere Ausprägung auf dem spezifischen Gebiet der Gewährung sozialer Vergünstigungen findet. Folglich ist Art. 18 AEUV nicht auszulegen.
Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 7 Abs. 2 und Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 dahin auszulegen sind, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, nach der ein Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaats und seine minderjährigen Kinder, die alle im erstgenannten Mitgliedstaat ein Aufenthaltsrecht aufgrund von Art. 10 dieser Verordnung genießen, weil die Kinder dort die Schule besuchen, unter allen Umständen automatisch vom Anspruch auf Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts ausgeschlossen sind. Diese Auslegung wird durch Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 nicht in Frage gestellt.
Zur zweiten Frage
Mit der zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 in Verbindung mit deren Art. 3 Abs. 3 und Art. 70 Abs. 2 dahin auszulegen ist, dass er in Anbetracht von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 einer Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegensteht, nach der ein Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaats und seine minderjährigen Kinder, die alle im erstgenannten Mitgliedstaat ein Aufenthaltsrecht aus Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 genießen, weil die Kinder dort die Schule besuchen, und die dort in einem Sozialversicherungssystem im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 eingebunden sind, unter allen Umständen automatisch vom Anspruch auf besondere beitragsunabhängige Geldleistungen ausgeschlossen sind.
Das vorlegende Gericht präzisiert, dass JD und seine Töchter im streitigen Zeitraum als in einem Sozialversicherungssystem im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. h und j der Verordnung Nr. 883/2004 eingebunden anzusehen seien, da sie während ihres Aufenthalts in Deutschland Leistungen wegen Arbeitslosigkeit und Familienleistungen bezogen hätten. Somit fallen sie gemäß Art. 2 Abs. 1 dieser Verordnung in deren persönlichen Anwendungsbereich.
Wie das vorlegende Gericht zudem angegeben hat, stellen die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, die ihren Empfängern die notwendigen Existenzmittel sichern sollen, besondere beitragsunabhängige Geldleistungen im Sinne von Art. 3 Abs. 3 und Art. 70 Abs. 2 der Verordnung Nr. 883/2004 dar, die in Anhang X dieser Verordnung genannt sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. September 2015, Alimanovic, C-67/14, EU:C:2015:597, Rn. 43).
Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 auch für solche besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen gilt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. November 2014, Dano, C-333/13, EU:C:2014:2358, Rn. 55).
Zwar ergibt sich aus ständiger Rechtsprechung, dass Art. 70 der Verordnung Nr. 883/2004 nicht die inhaltlichen Voraussetzungen für das Vorliegen eines Anspruchs auf diese Leistungen festlegen soll und dass nichts dagegen spricht, die Gewährung von Sozialleistungen an Unionsbürger, die wirtschaftlich nicht aktiv sind, von dem Erfordernis abhängig zu machen, dass diese die Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat erfüllen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Juni 2016, Kommission/Vereinigtes Königreich, C-308/14, EU:C:2016:436, Rn. 65 und 68 sowie die dort angeführte Rechtsprechung), doch verfügten JD und seine Töchter im streitigen Zeitraum über ein Aufenthaltsrecht aufgrund von Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011.
Daraus folgt, dass JD und seinen Töchtern gemäß Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 das Recht auf Gleichbehandlung hinsichtlich der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zusteht.
Indessen stellt es eine Ungleichbehandlung gegenüber Inländern im Bereich der Leistungen der sozialen Sicherheit dar, wenn Personen, die wie JD und seine Töchter Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaats sind und ihr Aufenthaltsrecht aus Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 herleiten, gemäß einer innerstaatlichen Vorschrift wie § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. c SGB II von jeglichem Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen werden.
Wie bereits im Rahmen der Beantwortung der ersten Frage festgestellt worden ist, findet die in Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 vorgesehene Ausnahme vom Grundsatz der Gleichbehandlung im Bereich der Sozialhilfe im Übrigen keine Anwendung auf einen Sachverhalt wie den des Ausgangsverfahrens, in dem Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten über ein Aufenthaltsrecht nach Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 verfügen. Insoweit unterscheidet sich der Sachverhalt, der die vorliegende Rechtssache kennzeichnet, von denen der Rechtssachen, in denen die Urteile vom 15. September 2015, Alimanovic (C-67/14, EU:C:2015:597), und vom 25. Februar 2016, García-Nieto u. a. (C-299/14, EU:C:2016:114), ergangen sind, in denen der Gerichtshof aufgrund der Anwendbarkeit dieser Ausnahme eine entsprechende Ausnahme von dem in Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 niedergelegten Gleichbehandlungsgrundsatz anerkannt hat.
In diesem Zusammenhang verstößt der in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. c SGB II vorgesehene Ausschluss, soweit er dazu führt, dass Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten, die ein Aufenthaltsrecht aufgrund von Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 genießen, jeglicher Anspruch auf die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts kategorisch und automatisch versagt wird, aus den gleichen wie den im Rahmen der ersten Frage dargelegten Gründen gegen Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004.
Nach diesen Erwägungen ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 in Verbindung mit deren Art. 3 Abs. 3 und Art. 70 Abs. 2 dahin auszulegen ist, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der ein Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaats und seine minderjährigen Kinder, die alle im erstgenannten Mitgliedstaat ein Aufenthaltsrecht aufgrund von Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 genießen, weil die Kinder dort die Schule besuchen, und die dort in einem Sozialversicherungssystem im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 eingebunden sind, unter allen Umständen automatisch vom Anspruch auf besondere beitragsunabhängige Geldleistungen ausgeschlossen sind.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:
Art. 7 Abs. 2 und Art. 10 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union sind dahin auszulegen, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, nach der ein Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaats und seine minderjährigen Kinder, die alle im erstgenannten Mitgliedstaat ein Aufenthaltsrecht aufgrund von Art. 10 dieser Verordnung genießen, weil die Kinder dort die Schule besuchen, unter allen Umständen automatisch vom Anspruch auf Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts ausgeschlossen sind. Diese Auslegung wird durch Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG nicht in Frage gestellt.
Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 und Art. 70 Abs. 2 dieser Verordnung ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der ein Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaats und seine minderjährigen Kinder, die alle im erstgenannten Mitgliedstaat ein Aufenthaltsrecht aufgrund von Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 genießen, weil die Kinder dort die Schule besuchen, und die dort in einem Sozialversicherungssystem im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 eingebunden sind, unter allen Umständen automatisch vom Anspruch auf besondere beitragsunabhängige Geldleistungen ausgeschlossen sind.
Unterschriften
( *1)Verfahrenssprache: Deutsch.
Kontakt zur AOK Bayern
Persönlicher Ansprechpartner
E-Mail-Service
Bankdaten