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EuGH 11.06.2020 - C-581/18
EuGH 11.06.2020 - C-581/18 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer) - 11. Juni 2020 ( *1) - „Vorlage zur Vorabentscheidung – Recht der Europäischen Union – Allgemeine Grundsätze – Art. 18 AEUV – Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit – Anwendbarkeit des Unionsrechts – Fehlerhafte Brustimplantate – Haftpflichtversicherung für die Herstellung von Medizinprodukten – Versicherungsvertrag, der eine geografische Beschränkung des Versicherungsschutzes enthält“
Leitsatz
In der Rechtssache C-581/18
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Deutschland) mit Entscheidung vom 11. September 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 19. September 2018, in dem Verfahren
RB
gegen
TÜV Rheinland LGA Products GmbH,
Allianz IARD SA
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, der Vizepräsidentin R. Silva de Lapuerta, des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Kammerpräsidenten M. Vilaras, M. Safjan und P. G. Xuereb, der Kammerpräsidentin L. S. Rossi (Berichterstatterin), der Richter L. Bay Larsen und T. von Danwitz, der Richterin C. Toader, des Richters F. Biltgen, der Richterin K. Jürimäe sowie der Richter C. Lycourgos und N. Piçarra,
Generalanwalt: M. Bobek,
Kanzler: M. Krausenböck, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. Oktober 2019,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
der Allianz IARD SA, vertreten durch die Rechtsanwälte R.-T. Wittmann, F. Witzke und D. Strotkemper sowie durch J.-M. Coste-Floret und B. Esquelisse, avocats,
der dänischen Regierung, vertreten durch J. Nymann-Lindegren, M. Wolff und P. Z. L. Ngo als Bevollmächtigte,
der französischen Regierung, vertreten durch R. Coesme und A. Daly als Bevollmächtigte,
der finnischen Regierung, vertreten durch J. Heliskoski und S. Hartikainen als Bevollmächtigte,
der Europäischen Kommission, vertreten durch F. Erlbacher, L. Malferrari und A. C. Becker als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 6. Februar 2020
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 18 Abs. 1 AEUV.
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der deutschen Staatsangehörigen RB auf der einen Seite und der TÜV Rheinland LGA Products GmbH (im Folgenden: TÜV Rheinland) sowie der Versicherungsgesellschaft Allianz IARD SA (im Folgenden: Allianz), der Rechtsnachfolgerin der AGF IARD SA, auf der anderen Seite. Gegenstand des Rechtsstreits ist eine Klage auf Ersatz der Schäden, die der Klägerin durch das Einsetzen fehlerhafter Brustimplantate entstanden sind.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
In den Erwägungsgründen 2 und 18 und der Richtlinie 85/374/EWG des Rates vom 25. Juli 1985 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte (ABl. 1985, L 210, S. 29) heißt es:
„Nur bei einer verschuldensunabhängigen Haftung des Herstellers kann das unserem Zeitalter fortschreitender Technisierung eigene Problem einer gerechten Zuweisung der mit der modernen technischen Produktion verbundenen Risiken in sachgerechter Weise gelöst werden.
…
Mit dieser Richtlinie lässt sich vorerst keine vollständige Harmonisierung erreichen, sie öffnet jedoch den Weg für eine umfassendere Harmonisierung. …“
Art. 1 der Richtlinie 85/374 bestimmt:
„Der Hersteller eines Produkts haftet für den Schaden, der durch einen Fehler dieses Produkts verursacht worden ist.“
In den Erwägungsgründen 3, 6 und 12 der Richtlinie 93/42/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über Medizinprodukte (ABl. 1993, L 169, S. 1) heißt es:
„Die einzelstaatlichen Bestimmungen, die der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz der Patienten, der Anwender und gegebenenfalls Dritter im Hinblick auf die Anwendung der Medizinprodukte dienen, bedürfen der Harmonisierung, um den freien Verkehr dieser Erzeugnisse auf dem Binnenmarkt zu gewährleisten.
…
Bestimmte Medizinprodukte sind dafür ausgelegt, Arzneimittel … abzugeben. In diesen Fällen wird das Inverkehrbringen des Medizinprodukts in der Regel durch die vorliegende Richtlinie geregelt …
…
Zum Nachweis der Übereinstimmung mit den grundlegenden Anforderungen und zur Ermöglichung der Kontrolle dieser Übereinstimmung sind auf europäischer Ebene harmonisierte Normen zur Verhütung von Risiken im Zusammenhang mit der Auslegung, Herstellung und Verpackung medizintechnischer Produkte wünschenswert. …“
Art. 16 Abs. 1 Unterabs. 1 dieser Richtlinie sieht vor:
„Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission und den anderen Mitgliedstaaten die Stellen mit, die sie für die Durchführung der Aufgaben im Zusammenhang mit den Verfahren gemäß Artikel 11 benannt haben; sie teilen außerdem die spezifischen Aufgaben mit, mit denen die Stellen betraut wurden. Die Kommission weist diesen Stellen, im Folgenden als ‚benannte Stellen‘ bezeichnet, Kennnummern zu.“
Anhang XI Abschnitt 6 der Richtlinie bestimmt:
„Die Stelle muss eine Haftpflichtversicherung abschließen, es sei denn, diese Haftpflicht wird vom Staat aufgrund nationalen Rechts gedeckt oder die Prüfungen werden unmittelbar von dem Mitgliedstaat durchgeführt.“
In Art. 2 Abs. 2 Bucht. b der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. 2006, L 376, S. 36) heißt es:
„Diese Richtlinie findet auf folgende Tätigkeiten keine Anwendung:
…
Finanzdienstleistungen wie Bankdienstleistungen und Dienstleistungen im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung, Versicherung und Rückversicherung, betrieblicher oder individueller Altersversorgung, Wertpapieren, Geldanlagen, Zahlungen, Anlageberatung, einschließlich der in Anhang I der Richtlinie 2006/48/EG aufgeführten Dienstleistungen“.
Französisches Recht
Der Code de la santé publique (Gesetzbuch über die öffentliche Gesundheit) in der durch die Loi no 2002-1577 du 30 décembre 2002 relative à la responsabilité civile médicale (Gesetz Nr. 2002-1577 vom 30. Dezember 2002 über die medizinische Haftpflicht) (JORF vom 31. Dezember 2002) geänderten Fassung (im Folgenden: Gesundheitsgesetzbuch) enthält Bestimmungen über die Entschädigung für die Folgen der gesundheitlichen Risiken, die sich für die Menschen aus der Funktionsweise des Gesundheitssystems ergeben. Art. L. 1142-2 des Gesundheitsgesetzbuchs bestimmt insoweit:
„Freiberufliche Angehörige der Gesundheitsberufe, die in Art. L. 1142-1 genannten Gesundheitseinrichtungen, Gesundheitsdienste und Stellen sowie alle sonstigen juristischen Personen außer dem Staat, die präventive, diagnostische oder pflegerische Tätigkeiten ausüben, sowie die Hersteller, Betreiber und Lieferanten von Gesundheitserzeugnissen in fertigem Zustand im Sinne von Art. L. 5311-1 mit Ausnahme von Nr. 5 und vorbehaltlich der Bestimmungen von Art. L. 1222-9 sowie der Nrn. 11, 14 und 15, die bei diesen Tätigkeiten verwendet werden, sind verpflichtet, eine Versicherung zur Deckung ihrer zivilrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Haftpflicht abzuschließen, die aufgrund von Schäden, die Dritten im Rahmen dieser Tätigkeit infolge von Verletzungen der Person erleiden, ausgelöst werden kann.
…
Die nach Abs. 1 abgeschlossenen Versicherungsverträge können Deckungsobergrenzen vorsehen. Die Voraussetzungen, unter denen die Deckungssumme für freiberufliche Angehörige der Gesundheitsberufe nach oben begrenzt werden kann, werden durch Dekret des Conseil d’État [(Staatsrat, Frankreich)] festgelegt.
Die Versicherung der in Abs. 1 genannten Einrichtungen, Dienste und Stellen umfasst deren Arbeitnehmer im Rahmen der diesen übertragenen Aufgaben, auch wenn diese bei der Ausübung der ärztlichen Heilkunde unabhängig sind.
…
Bei einem Verstoß gegen die Versicherungspflicht nach diesem Artikel kann die zuständige Disziplinarstelle disziplinarische Maßnahmen verhängen.“
Art. L. 252-1 des Code des assurances (Versicherungsgesetzbuch) in der durch die Loi no 2002-303 du 4 mars 2002 relative aux droits des malades et à la qualité du système de santé (Gesetz Nr. 2002-303 vom 4. März 2002 über Patientenrechte und die Qualität des Gesundheitssystems) (JORF vom 5. März 2002) geänderten Fassung bestimmt:
„Jede Person, die der Versicherungspflicht nach Art. L. 1142-2 des Gesundheitsgesetzbuchs unterliegt und die, nachdem sie bei einer Versicherungsgesellschaft um Abschluss eines in Frankreich die Risiken der in demselben Artikel genannten Haftpflicht abdeckenden Vertrags nachgesucht hat, zweimal abgewiesen wurde, kann sich an ein Bureau central de tarification [(Zentrales Amt für die Festlegung von Versicherungstarifen, Frankreich)] wenden; die Modalitäten seiner Gründung und die Regelung seiner Arbeitsweise werden durch ein Dekret des Conseil d’État [(Staatsrat)] festgelegt.
Das Zentrale Amt für die Festlegung von Versicherungstarifen hat die ausschließliche Funktion, die Höhe des Versicherungsbeitrags festzulegen, zu dem die betreffende Versicherungsgesellschaft zur Versicherung des ihr angetragenen Risikos verpflichtet ist. Es kann nach den Bedingungen, die im Dekret des Conseil d’État [(Staatsrat)] festgelegt sind, die Höhe einer Selbstbeteiligung des Versicherten bestimmen.
Das Zentrale Amt für die Festlegung von Versicherungstarifen unterrichtet den Vertreter des Staates im Departement, wenn eine Person, die der Versicherungspflicht nach Art. L. 1142-2 des Gesundheitsgesetzbuchs unterliegt, ein ungewöhnlich hohes Versicherungsrisiko aufweist. Es teilt dies der betreffenden Person mit. In diesem Fall legt es die Höhe des Versicherungsbeitrags für einen Vertrag fest, dessen Laufzeit sechs Monate nicht überschreiten darf.
Vertragsbestimmungen in Rückversicherungsverträgen, mit denen bestimmte Risiken der Rückversicherungsdeckung aufgrund der Beitragsfestsetzung des Zentralen Amtes für die Festlegung von Versicherungstarifen ausgeschlossen werden sollen, sind nichtig.“
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
Am 30. Oktober 2006 ließ sich die Klägerin des Ausgangsverfahrens in Deutschland Brustimplantate einsetzen, die von der Poly Implant Prothèses SA (im Folgenden: PIP), einer Gesellschaft mit Sitz in Frankreich, hergestellt und von dem niederländischen Unternehmen Rofil Medical Netherlands BV vertrieben worden waren.
Seit Oktober 1997 beauftragte PIP TÜV Rheinland als „benannte Stelle“ im Sinne der Richtlinie 93/42 mit der nach Anhang II der Richtlinie vorzunehmenden Bewertung des Qualitätssicherungssystems, das für die Entwicklung, Herstellung und Endkontrolle der von ihr hergestellten Brustimplantate geschaffen worden war, sowie mit der Prüfung der entsprechenden Auslegungsdokumentation. TÜV Rheinland führte in der Zeit von 1997 bis 2010 mehrere Inspektionen bei PIP durch, die alle zuvor angekündigt wurden. Im Anschluss an diese Inspektionen genehmigte sie das Qualitätssicherungssystem und erneuerte die EG-Prüfungsbescheinigungen nach Anhang II der Richtlinie, die die Konformität der Brustimplantate mit den Anforderungen der Richtlinie garantieren.
PIP hatte mit dem Unternehmen AGF IARD, deren Nachfolgerin die Allianz ist, einen Versicherungsvertrag abgeschlossen, der ihre Haftpflicht wegen der Herstellung dieser Produkte abdeckte. Den Abschluss dieses Versicherungsvertrags hatte das Bureau central de tarification (Zentrales Amt für die Festlegung von Versicherungstarifen, Frankreich, im Folgenden: BCT), die auf diesem Gebiet zuständige nationale Behörde, im Jahr 2005 angeordnet. Nachdem PIP von verschiedenen Versicherungsgesellschaften abgewiesen worden war, hatte das BCT nämlich mit Entscheidung vom 28. Juni 2005 AGF IARD aufgegeben, PIP für die Dauer eines Jahres eine Versicherungspolice auszustellen, die mehrfach verlängert wurde.
Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten geht hervor, dass der Versicherungsvertrag auf der Grundlage eines Vorschlags abgeschlossen worden war, den AGF IARD dem BCT unterbreitet hatte, und eine Klausel enthielt, die die geografische Reichweite des Versicherungsschutzes auf im metropolitanen Frankreich oder in den „französischen überseeischen Departements und Gebieten“ eingetretene Schadensfälle beschränkte. Nach französischem Recht räumte der Vertrag den Geschädigten einen Direktanspruch gegen den Versicherer ein.
Im März 2010 stellte die Agence française de sécurité sanitaire des produits de santé (Französische Agentur für die gesundheitliche Sicherheit von Gesundheitserzeugnissen) bei einer Kontrolle fest, dass die von PIP hergestellten Brustimplantate mit nicht zugelassenem Industriesilikon befüllt waren. Aufgrund dessen empfahl das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (Deutschland) am 1. April 2010 den Ärzten, die solche Implantate eingesetzt hatten, zum einen, die betroffenen Patientinnen hierüber zu informieren, und zum anderen, diese Implantate nicht mehr zu verwenden.
PIP wurde 2010 für zahlungsunfähig erklärt und anschließend 2011 liquidiert.
Am 6. Januar 2012 empfahl das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte den betroffenen Patientinnen, die von PIP hergestellten Implantate wegen der Gefahr ihres vorzeitigen Reißens und der Entzündungswirkung des verwendeten Silikons vorsorglich entfernen zu lassen.
Daraufhin ließ die Klägerin des Ausgangsverfahrens im Jahr 2012 die fraglichen Implantate durch neue Implantate ersetzen.
Im Dezember 2013 wurde der Geschäftsführer von PIP von einem französischen Gericht wegen Herstellung und Vertriebs gesundheitsgefährdender Produkte zu vier Jahren Haft verurteilt.
Die Klägerin des Ausgangsverfahrens erhob beim Landgericht Frankfurt am Main (Deutschland) eine Schadensersatzklage, die sich gegen den Arzt, der ihr die fehlerhaften Brustimplantate eingesetzt hatte, sowie TÜV Rheinland und Allianz als Gesamtschuldner richtete.
Im Rahmen dieser Klage machte die Klägerin des Ausgangsverfahrens erstens geltend, der Arzt habe sie nicht ausreichend über die Risiken des Eingriffs selbst sowie über die Art der einzusetzenden Implantate aufgeklärt. Zweitens habe TÜV Rheinland weder die erforderlichen Prüfungen noch die jährlichen Audits ordnungsgemäß durchgeführt. Insbesondere hätte ihrer Ansicht nach TÜV Rheinland die Räumlichkeiten von PIP unangekündigt besuchen müssen, um deren Lagerbestände zu kontrollieren, was es ermöglicht hätte, erhebliche Unterschiede zwischen, zum einen, der nicht ordnungsgemäß verwendeten Menge des industriellen Silikons und, zum anderen, der für die Herstellung der Brustimplantate erforderlichen Silikonmenge festzustellen. Drittens stehe ihr nach französischem Recht ein Direktanspruch gegen Allianz zu, obwohl der Versicherungsvertrag eine Klausel enthalte, die den Versicherungsschutz auf im metropolitanen Frankreich oder in den französischen überseeischen Departements und Gebieten eingetretene Schadensfälle beschränke, da diese Klausel gegen das Unionsrecht verstoße.
TÜV Rheinland machte geltend, sie sei zur Durchführung unangekündigter Besuche nicht verpflichtet. Aufgrund des von PIP errichteten strukturierten Täuschungs- und Verschleierungssystems habe sie keinen Verdacht in Bezug auf den begangenen Betrug haben können. Allianz brachte vor, sie treffe keine Einstandspflicht, da ihre Versicherungsverträge mit PIP ausschließlich im französischem Hoheitsgebiet eingetretene Schäden abdeckten.
Nachdem die Klage in erster Instanz mit Urteil vom 21. Dezember 2016 abgewiesen worden war, legte die Klägerin des Ausgangsverfahrens beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Deutschland) gegen dieses Urteil Berufung ein.
Dieses Gericht fragt sich im Wesentlichen, ob die in dem Versicherungsvertrag zwischen PIP und Allianz enthaltene Klausel, die die Deckung auf im metropolitanen Frankreich oder in den französischen überseeischen Departements und Gebieten eingetretene Schadensfälle begrenze, mit dem Verbot jeder Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit nach Art. 18 Abs. 1 AEUV vereinbar sei. Es weist jedoch darauf hin, dass sich der Gerichtshof noch nicht ausdrücklich zu der Frage geäußert habe, ob dieser Bestimmung eine unmittelbare Drittwirkung dahin zukomme, dass sie im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Privatpersonen geltend gemacht werden könne. Nach Ansicht des Gerichts lässt sich diese Frage im Licht der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofs bejahen.
Des Weiteren fragt sich das vorlegende Gericht, ob für den Fall, dass Art. 18 Abs. 1 AEUV im Verhältnis zwischen Privatpersonen nicht anwendbar sein sollte, diese Bestimmung einer Klausel entgegenstehe, die den Versicherungsschutz auf im metropolitanen Frankreich oder in den französischen überseeischen Departements und Gebieten eingetretene Schadensfälle beschränke, insbesondere unter Berücksichtigung des Umstands, dass das BCT die betreffende Klausel offensichtlich nicht beanstandet habe.
Im umgekehrten Fall möchte das vorlegende Gericht schließlich wissen, unter welchen Voraussetzungen die mittelbare Diskriminierung, die sich seiner Ansicht nach aus dieser Klausel ergibt, gerechtfertigt sein könne. Zudem fragt es danach, ob der Versicherer der Klägerin des Ausgangsverfahrens entgegenhalten könne, dass die Obergrenze der Versicherungssumme zur Deckung von im metropolitanen Frankreich oder in den französischen überseeischen Departements und Gebieten eingetretenen Schadensfällen bereits erreicht worden sei.
Unter diesen Umständen hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Sind Adressaten des Diskriminierungsverbots des Art. 18 Abs. 1 AEUV nicht nur die EU-Mitgliedstaaten und die Unionsorgane, sondern auch Private (unmittelbare Drittwirkung des Art. 18 Abs. 1 AEUV)?
Sollte Frage 1 zu verneinen und Art. 18 Abs. 1 AEUV im Verhältnis zwischen Privaten unanwendbar sein: Ist Art. 18 Abs. 1 AEUV dahin auszulegen, dass diese Bestimmung einer Beschränkung des Deckungsschutzes auf Schadensfälle, die im metropolitanen Frankreich und in den französischen Überseegebieten eintreten, deswegen entgegensteht, weil die zuständige französische Behörde, das BCT, die entsprechende Klausel nicht beanstandet hat, obwohl diese Klausel deswegen gegen Art. 18 Abs. 1 AEUV verstößt, weil sie eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit beinhaltet?
Sollte Frage 1 zu bejahen sein: Unter welchen Voraussetzungen kann in Drittwirkungsfällen eine mittelbare Diskriminierung gerechtfertigt werden? Insbesondere: Kann eine territoriale Begrenzung des Versicherungsschutzes auf Schadensfälle, die innerhalb eines bestimmten EU-Mitgliedstaats auftreten, dann mit dem Argument der Begrenzung der Einstandspflicht des Versicherungsunternehmens und der Prämienhöhe gerechtfertigt werden, wenn zugleich die einschlägigen Versicherungsverträge vorsehen, dass im Fall von Serienschäden die Deckung pro Schadensfall und die Deckung pro Versicherungsjahr summenmäßig begrenzt sind?
Für den Fall, dass Frage 1 zu bejahen ist: Ist Art. 18 Abs. 1 AEUV dahin auszulegen, dass dem Versicherer dann, wenn dieser unter Verstoß gegen Art. 18 Abs. 1 AEUV nur bei Schadensfällen, die im metropolitanen Frankreich und in den französischen Überseegebieten eingetreten sind, in die Regulierung eingetreten ist, der Einwand, eine Zahlung könne nicht erfolgen, weil die Deckungshöchstsumme nunmehr bereits erreicht sei, verwehrt ist, wenn der Schadensfall außerhalb dieser Gebiete eingetreten ist?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage
Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit gemäß Art. 18 Abs. 1 AEUV unmittelbare Drittwirkung entfaltet, so dass diese Bestimmung im Verhältnis zwischen Privatpersonen geltend gemacht werden kann.
Zunächst ist zu prüfen, ob Art. 18 Abs. 1 AEUV auf das Ausgangsverfahren anwendbar ist.
Art. 18 Abs. 1 AEUV bestimmt, dass unbeschadet besonderer Bestimmungen der Verträge in ihrem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten ist.
Nach ständiger Rechtsprechung soll diese Bestimmung eigenständig nur bei unionsrechtlich geregelten Fallgestaltungen zur Anwendung kommen, für die die Verträge keine besonderen Diskriminierungsverbote vorsehen (Urteil vom 18. Juni 2019, Österreich/Deutschland, C-591/17, EU:C:2019:504, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Anwendung von Art. 18 Abs. 1 AEUV hängt somit davon ab, dass zwei kumulative Voraussetzungen erfüllt sind.
Nach der ersten Voraussetzung muss der Sachverhalt, der der geltend gemachten Diskriminierung zugrunde liegt, in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen.
Nach der zweiten Voraussetzung darf auf einen solchen Sachverhalt kein in den Verträgen vorgesehenes besonderes Diskriminierungsverbot aus Gründen der Staatsangehörigkeit anwendbar sein. Wie der Gerichtshof klargestellt hat, können die nationalen Maßnahmen nur insoweit im Hinblick auf Art. 18 Abs. 1 AEUV geprüft werden, als sie auf Sachverhalte Anwendung finden, die nicht unter vom AEU-Vertrag vorgesehene besondere Diskriminierungsverbote fallen (vgl. Urteil vom 18. Juni 2019, Österreich/Deutschland, C-591/17, EU:C:2019:504, Rn. 41).
Im vorliegenden Fall ging es im Ausgangsrechtsstreit um einen Versicherungsvertrag zwischen Allianz und der Herstellerin von Brustimplantaten PIP, der eine Klausel enthielt, wonach die geografische Reichweite der Deckung der Haftpflichtversicherung für die Herstellung der Brustimplantate auf Schäden, die im metropolitanen Frankreich oder in den französischen überseeischen Departements und Gebieten eintraten, beschränkt war. Das vorlegende Gericht wirft in diesem Zusammenhang die Frage auf, ob diese Klausel mit Art. 18 Abs. 1 AEUV vereinbar sei, da sie den Versicherungsschutz nicht auch auf Schäden erstrecke, die im gesamten Unionsgebiet eingetreten seien, was zu einer mittelbaren Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit führen könnte, die nach dieser Bestimmung grundsätzlich verboten sei.
Angesichts der Erwägungen in den Rn. 30 bis 34 des vorliegenden Urteils setzt die Anwendung von Art. 18 Abs. 1 AEUV auf diesen Rechtsstreit zum einen voraus, dass er sich auf einen Sachverhalt bezieht, der in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt, und zum anderen, dass für diesen Sachverhalt kein besonderes Diskriminierungsverbot des AEU-Vertrags gilt.
Um zu ermitteln, ob die erste Voraussetzung vorliegend erfüllt ist, ist als Erstes zu prüfen, ob der fragliche Sachverhalt unionsrechtlich geregelt ist.
Hierzu ist festzustellen, dass es im sekundären Unionsrecht keine Bestimmung gibt, die einen Hersteller von Medizinprodukten dazu verpflichtet, eine Haftpflichtversicherung zur Deckung von Risiken abzuschließen, die mit Medizinprodukten verbunden sind, oder die eine solche Versicherung auf die eine oder andere Weise regelt.
Insbesondere enthält die Richtlinie 93/42, die nach ihrem dritten Erwägungsgrund die einzelstaatlichen Bestimmungen, die der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz der Patienten und der Anwender von Medizinprodukten dienen, harmonisieren soll, um den freien Verkehr dieser Erzeugnisse im Binnenmarkt zu gewährleisten, keine Bestimmung der in der vorstehenden Randnummer genannten Art.
Diese Richtlinie regelt, wie sich aus ihren Erwägungsgründen 6 und 12 ergibt, das Inverkehrbringen von Medizinprodukten und legt auf Unionsebene harmonisierte Normen zur Verhütung von Risiken im Zusammenhang mit der Auslegung, Herstellung und Verpackung von Medizinprodukten fest.
In diesem Rahmen verpflichtet Anhang XI Abschnitt 6 der genannten Richtlinie nur die nach Art. 16 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie „benannte Stelle“, die für die Überwachung der Auslegung und Herstellung von Medizinprodukten zuständig ist, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen, es sei denn, diese Haftpflicht wird vom Staat aufgrund des nationalen Rechts gedeckt oder die Prüfungen, die den benannten Stellen nach der Richtlinie obliegen, werden unmittelbar von dem Mitgliedstaat durchgeführt. Dagegen ist für den Hersteller von Medizinprodukten eine solche Versicherungspflicht nicht vorgesehen.
Auch die Richtlinie 85/374, die den Grundsatz der verschuldensunabhängigen Haftung des Herstellers für Schäden, die durch die Fehlerhaftigkeit seiner Produkte verursacht wurden, aufstellt, verpflichtet den Hersteller der Produkte nicht zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung für etwaige Schäden im Zusammenhang mit diesen Produkten und regelt eine solche Versicherung auch nicht anderweitig.
Wie aus ihrem 18. Erwägungsgrund hervorgeht, soll diese Richtlinie den Bereich der Haftung für fehlerhafte Produkte nicht über die von ihr geregelten Punkte hinaus abschließend harmonisieren (Urteil vom 21. Juni 2017, W u. a., C-621/15, EU:C:2017:484, Rn. 21 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
Ferner findet die Richtlinie 2006/123 nach ihrem Art. 2 Abs. 2 Buchst. b auf Finanzdienstleistungen wie Dienstleistungen im Zusammenhang mit einer Versicherung keine Anwendung. Daher ist die Richtlinie 2006/123 in einer Rechtssache wie der des Ausgangsverfahrens nicht anwendbar.
Daraus folgt, dass die Haftpflichtversicherung der Hersteller von Medizinprodukten für Schäden im Zusammenhang mit diesen Produkten durch das Unionsrecht nach seinem gegenwärtigen Stand nicht geregelt ist, anders als beispielsweise der Bereich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung, die in der Richtlinie 2009/103/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und die Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht (ABl. 2009, L 263, S. 11) geregelt ist, nach der jeder Mitgliedstaat verpflichtet ist, geeignete Maßnahmen zu treffen, damit der Versicherungsvertrag auch Schäden abdeckt, die im Gebiet anderer Mitgliedstaaten verursacht wurden.
Als Zweites ist jedoch zu prüfen, ob der Sachverhalt, der der Diskriminierung, die in der vorliegenden Rechtssache geltend gemacht wird, zugrunde liegt, in den Anwendungsbereich einer der im AEU-Vertrag geregelten Grundfreiheiten fällt.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ermöglicht die Ausübung einer dieser Freiheiten nämlich, den Sachverhalt, in dem diese Freiheit ausgeübt wird, in den Anwendungsbereich der Verträge im Sinne von Art. 18 Abs. 1 AEUV einzubeziehen. Dies setzt außerdem voraus, dass zwischen der Person, der Dienstleistung oder der Ware, die sich bewegt hat bzw. empfangen oder befördert worden ist, und der behaupteten Diskriminierung ein konkreter Bezug besteht. Ein solcher Bezug besteht u. a. dann, wenn die Person, der die geltend gemachte Diskriminierung widerfahren ist, diejenige ist, die sich innerhalb der Union bewegt hat (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 2. Februar 1989, Cowan, 186/87, EU:C:1989:47, Rn. 20, sowie vom 13. Juni 2019, TopFit und Biffi, C-22/18, EU:C:2019:497, Rn. 29 und 30), oder wenn sich eine Ungleichbehandlung unmittelbar aus der nationalen Regelung ergibt, die für Waren aus anderen Mitgliedstaaten gilt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Oktober 1993, Phil Collins u. a., C-92/92 und C-326/92, EU:C:1993:847, Rn. 22, 23 sowie 27).
Im vorliegenden Fall ist daher zu prüfen, ob ein konkreter Bezug des besonderen Sachverhalts, der der geltend gemachten Diskriminierung zugrunde liegt, zu den Bestimmungen des AEU-Vertrags über die Verkehrsfreiheiten, insbesondere denen über den freien Personen-, Waren- und Dienstleistungsverkehr, besteht.
Was zunächst die Freizügigkeit der Unionsbürger betrifft, hat der Gerichtshof entschieden, dass die Situation eines Unionsbürgers, der von seiner Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat, in den Anwendungsbereich von Art. 18 AEUV fällt (Urteile vom 13. November 2018, Raugevicius, C-247/17, EU:C:2018:898, Rn. 27, und vom 13. Juni 2019, TopFit und Biffi, C-22/18, EU:C:2019:497, Rn. 29).
Jedoch ist festzustellen, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und die Zahlung einer Versicherungsentschädigung wegen der Schäden beansprucht, die durch das Einsetzen von Brustimplantaten in Deutschland, dem Mitgliedstaat, in dem sie wohnt, verursacht wurden, von ihrer Freizügigkeit keinen Gebrauch gemacht hat. Folglich besteht kein konkreter Bezug der im Ausgangsverfahren in Frage stehenden Situation zur Freizügigkeit der Unionsbürger.
Was sodann den freien Dienstleistungsverkehr nach Art. 56 AEUV angeht, ist zum einen darauf hinzuweisen, dass, wie der Generalanwalt in Nr. 82 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, diese Freiheit auch die Freiheit der Empfänger umfasst, sich in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben, um eine Dienstleistung in Anspruch zu nehmen, und dass Personen, die eine medizinische Behandlung in Anspruch nehmen, als Empfänger von Dienstleistungen anzusehen sind (Urteil vom 31. Januar 1984, Luisi und Carbone, 286/82 und 26/83, EU:C:1984:35, Rn. 16). Es steht indessen fest, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens in Deutschland, d. h. in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat, und nicht in einem anderen Mitgliedstaat, medizinische Leistungen erhalten hat.
Zum anderen entspricht der freie Dienstleistungsverkehr im Versicherungswesen der Freiheit der Versicherer, ihre Dienstleistungen Versicherungsnehmern, die in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind, anzubieten, und umgekehrt der Freiheit der Personen, die um einen Versicherungsvertrag nachsuchen, sich an einen Versicherer zu wenden, der in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 28. April 1998, Safir, C-118/96, EU:C:1998:170, Rn. 22, 26 und 30, vom 3. Oktober 2002, Danner, C-136/00, EU:C:2002:558, Rn. 31, sowie vom 26. Juni 2003, Skandia und Ramstedt, C-422/01, EU:C:2003:380, Rn. 27 und 28).
Der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Versicherungsvertrag, der die Haftpflicht des Herstellers der betreffenden Brustimplantate für Schäden, die mit diesen zusammenhängen, decken soll, wurde allerdings zwischen PIP, einem Prothesenhersteller mit Sitz in Frankreich, und der Versicherungsgesellschaft AGF IARD mit Sitz in Frankreich geschlossen. Der Abschluss des Versicherungsvertrags fällt daher nicht unter die Ausübung der Dienstleistungsfreiheit.
Was die Tatsache angeht, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens in Deutschland wohnt, ist festzustellen, dass sie nicht Partei des Versicherungsvertrags ist. Allein diese Tatsache kann deshalb nicht die Annahme ermöglichen, dass der im Ausgangsverfahren fragliche Sachverhalt unter den freien Dienstleistungsverkehr im Versicherungswesen fällt.
Unter diesen Umständen weist der im Ausgangsverfahren fragliche Sachverhalt keinen konkreten Bezug zum freien Dienstleistungsverkehr gemäß Art. 56 AEUV auf.
Was schließlich den freien Warenverkehr nach Art. 34 AEUV angeht, ist unstreitig, dass der grenzüberschreitende Verkehr der im Ausgangsverfahren fraglichen Brustimplantate durch keine diskriminierende Beschränkung beeinträchtigt wurde. Vielmehr wurden diese in Frankreich hergestellten Produkte anschließend in den Niederlanden von einem niederländischen Unternehmen vertrieben und später in Deutschland verkauft.
In diesem Kontext betrifft der Ausgangsrechtsstreit nicht den grenzüberschreitenden Warenverkehr als solchen, sondern die Schäden, die durch Waren verursacht wurden, die Gegenstand eines solchen Verkehrs waren. Im Ausgangsrechtsstreit geht es nämlich darum, ob eine Person wie die Klägerin des Ausgangsverfahrens die Möglichkeit hat, aufgrund der Schäden, die Folge des Einsetzens fehlerhafter Brustimplantate sind, von der Versicherungsgesellschaft, die mit dem Hersteller der Implantate einen Vertrag geschlossen hat, der die mit der Verwendung der Implantate im metropolitanen Frankreich oder in den französischen überseeischen Departements und Gebieten verbundenen Risiken abdeckt, entschädigt zu werden. Es ist hinzuzufügen, dass eine in dieser Form abgeschlossene Haftpflichtversicherung weder den Vertrieb der Produkte, deren Risiken sie abdecken soll, in einem anderen Mitgliedstaat noch den Verkehr der Produkte innerhalb der Union beeinträchtigt. Mangels Auswirkungen auf den Handel mit Waren und Dienstleistungen in der Union ist der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens somit nicht mit dem vergleichbar, der der Rechtssache zugrunde lag, in der das Urteil vom 20. Oktober 1993, Phil Collins u. a. (C-92/92 sowie C-326/92, EU:C:1993:847, Rn. 22 und 23), ergangen ist.
Folglich weist der im Ausgangsverfahren fragliche Sachverhalt auch keinen konkreten Bezug zu den Bestimmungen des AEU-Vertrags über den freien Warenverkehr auf.
Aus den Rn. 36 bis 57 des vorliegenden Urteils ergibt sich, dass dieser Sachverhalt nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts im Sinne von Art. 18 Abs. 1 AEUV fällt.
Die erste der Voraussetzungen nach Art. 18 Abs. 1 AEUV ist somit im vorliegenden Fall nicht erfüllt, so dass unter Berücksichtigung der Umstände des Ausgangsverfahrens die Anwendung dieser Bestimmung auf die vorliegende Rechtssache ausgeschlossen ist, ohne dass geprüft zu werden braucht, ob es ein auf sie anwendbares besonderes Diskriminierungsverbot des AEU-Vertrags gibt und ob die Bestimmung im Verhältnis zwischen Privatpersonen geltend gemacht werden kann.
Folglich ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 18 Abs. 1 AEUV dahin auszulegen ist, dass er keine Anwendung auf eine in einem Vertrag zwischen einem Versicherungsunternehmen und einem Hersteller von Medizinprodukten enthaltene Klausel findet, die die geografische Reichweite der Deckung der Haftpflichtversicherung für diese Produkte auf Schäden beschränkt, die im Gebiet eines einzigen Mitgliedstaats eintreten, da ein solcher Sachverhalt nach dem gegenwärtigen Stand des Unionsrechts nicht in dessen Anwendungsbereich fällt.
Zu den Fragen zwei bis vier
In Anbetracht der Antwort auf die erste Frage brauchen die weiteren Fragen nicht geprüft zu werden.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:
Art. 18 Abs. 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass er keine Anwendung auf eine in einem Vertrag zwischen einem Versicherungsunternehmen und einem Hersteller von Medizinprodukten enthaltene Klausel findet, die die geografische Reichweite der Deckung der Haftpflichtversicherung für diese Produkte auf Schäden beschränkt, die im Gebiet eines einzigen Mitgliedstaats eintreten, da ein solcher Sachverhalt nach dem gegenwärtigen Stand des Unionsrechts nicht in dessen Anwendungsbereich fällt.
Unterschriften
( *1)Verfahrenssprache: Deutsch.
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