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EuGH 07.06.2018 - C-589/16
EuGH 07.06.2018 - C-589/16 - BESCHLUSS DES GERICHTSHOFS (Achte Kammer) - 7. Juni 2018 ( *1) - „Vorlage zur Vorabentscheidung – Art. 53 Abs. 2 und Art. 94 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs – Fehlen ausreichender Angaben zum tatsächlichen und rechtlichen Kontext des Ausgangsrechtsstreits sowie zu den Gründen, die eine Beantwortung der Vorlagefrage erforderlich machen – Offensichtliche Unzulässigkeit“
Leitsatz
In der Rechtssache C-589/16
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (Österreich) mit Entscheidung vom 16. November 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 21. November 2016, in den Verfahren von
Mario Alexander Filippi,
Christian Guzy,
Martin Klein,
Game Zone Entertainment AG,
Shopping Center Wels Einkaufszentrum GmbH,
Martin Manigatterer,
Play For Me GmbH,
ATG GmbH,
Fortuna Advisory Kft.,
Christian Vöcklinger,
Gmalieva s. r. o.,
PBW GmbH,
Felicitas GmbH,
Celik KG,
Finanzamt Linz,
Klara Matyiko,
Beteiligte:
Landespolizeidirektion Oberösterreich,
Bezirkshauptmann von Eferding,
Bezirkshauptmann von Ried im Innkreis,
Bezirkshauptmann von Linz-Land,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. Malenovský (Berichterstatter) sowie der Richter M. Safjan und D. Šváby,
Generalanwalt : N. Wahl,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
von Herrn Filippi, Herrn Manigatterer, der Play For Me GmbH, der ATG GmbH, Herrn Vöcklinger, der Gmalieva s. r. o., der PBW GmbH, der Felicitas GmbH und der Celik KG, vertreten durch Rechtsanwalt F. Maschke,
der Game Zone Entertainment AG, vertreten durch die Rechtsanwälte M. Paar und H. Zwanzger,
der Fortuna Advisory Kft., vertreten durch die Rechtsanwälte G. Schmid und R. Hochstöger,
der österreichischen Regierung, vertreten durch G. Hesse als Bevollmächtigten,
der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Braun und H. Tserepa-Lacombe als Bevollmächtigte,
aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 53 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,
folgenden
Entscheidungsgründe
Beschluss
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 56 ff. AEUV im Licht von Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen von Verfahren, die seitens der Betreiber von Gaststätten, Kaffeehäusern und Tankstellengeschäften aufgrund gegen sie verhängter Verwaltungsstrafen wegen des Betreibens von Glücksspielgeräten ohne behördliche Bewilligung angestrengt wurden.
Rechtlicher Rahmen
§ 38a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (BGBl. 10/1985) lautet in seiner auf die Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung (im Folgenden: VwGG):
„(1) Ist beim Verwaltungsgerichtshof eine erhebliche Anzahl von Verfahren über Revisionen anhängig, in denen gleichartige Rechtsfragen zu lösen sind, oder besteht Grund zur Annahme, dass eine erhebliche Anzahl solcher Revisionen eingebracht werden wird, so kann der Verwaltungsgerichtshof dies mit Beschluss aussprechen. Ein solcher Beschluss hat zu enthalten:
die in diesen Verfahren anzuwendenden Rechtsvorschriften;
die auf Grund dieser Rechtsvorschriften zu lösenden Rechtsfragen;
die Angabe, welche der Revisionen der Verwaltungsgerichtshof behandeln wird.
Die Beschlüsse werden von dem nach der Geschäftsverteilung zuständigen Senat gefasst.
(2) Beschlüsse gemäß Abs. 1 verpflichten, soweit es sich bei den darin genannten Rechtsvorschriften zumindest auch um Gesetze, politische, gesetzändernde oder gesetzesergänzende Staatsverträge oder Staatsverträge, durch die die vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union geändert werden, handelt, den Bundeskanzler oder den zuständigen Landeshauptmann, ansonsten die zuständige oberste Behörde des Bundes oder des Landes zu ihrer unverzüglichen Kundmachung.
(3) Mit Ablauf des Tages der Kundmachung des Beschlusses gemäß Abs. 1 treten folgende Wirkungen ein:
in Rechtssachen, in denen ein Verwaltungsgericht die im Beschluss genannten Rechtsvorschriften anzuwenden und eine darin genannte Rechtsfrage zu beurteilen hat:
Es dürfen nur solche Handlungen vorgenommen oder Anordnungen und Entscheidungen getroffen werden, die durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes nicht beeinflusst werden können oder die die Frage nicht abschließend regeln und keinen Aufschub gestatten.
Die Revisionsfrist beginnt nicht zu laufen; eine laufende Revisionsfrist wird unterbrochen.
Die Frist zur Stellung eines Fristsetzungsantrages sowie in den Bundes- oder Landesgesetzen vorgesehene Entscheidungsfristen werden gehemmt.
in allen beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahren gemäß Abs. 1, die im Beschluss gemäß Abs. 1 nicht genannt sind:
Es dürfen nur solche Handlungen vorgenommen oder Anordnungen und Entscheidungen getroffen werden, die durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes nicht beeinflusst werden können oder die die Frage nicht abschließend regeln und keinen Aufschub gestatten.
(4) In seinem Erkenntnis fasst der Verwaltungsgerichtshof seine Rechtsanschauung in einem oder mehreren Rechtssätzen zusammen, die nach Maßgabe des Abs. 2 unverzüglich kundzumachen sind. Mit Ablauf des Tages der Kundmachung beginnt eine unterbrochene Revisionsfrist neu zu laufen und enden die sonstigen Wirkungen des Abs. 3.“
§ 42 Abs. 4 VwGG bestimmt:
„Der Verwaltungsgerichtshof kann in der Sache selbst entscheiden, wenn sie entscheidungsreif ist und die Entscheidung in der Sache selbst im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis liegt. In diesem Fall hat er den maßgeblichen Sachverhalt festzustellen und kann zu diesem Zweck auch das Verwaltungsgericht mit der Ergänzung des Ermittlungsverfahrens beauftragen.“
§ 63 VwGG lautet:
„(1) Wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Revision stattgegeben hat, sind die Verwaltungsgerichte und die Verwaltungsbehörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
(2) In einem Erkenntnis, mit dem der Verwaltungsgerichtshof in der Sache selbst entscheidet, hat er auch das Gericht oder die Verwaltungsbehörde zu bestimmen, das bzw. die das Erkenntnis zu vollstrecken hat. Das Vollstreckungsverfahren richtet sich nach den für dieses Gericht bzw. diese Verwaltungsbehörde sonst geltenden Vorschriften.“
§ 86a Abs. 1 des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 (BGBl. 85/1953) lautet in seiner auf die Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung (im Folgenden: VfGG):
„(1) Ist beim Verfassungsgerichtshof eine erhebliche Anzahl von Verfahren über Beschwerden anhängig, in denen gleichartige Rechtsfragen zu lösen sind, oder besteht Grund zur Annahme, dass eine erhebliche Anzahl solcher Beschwerden eingebracht werden wird, so kann der Verfassungsgerichtshof dies mit Beschluss aussprechen. Ein solcher Beschluss hat zu enthalten:
die in diesen Verfahren anzuwendenden Rechtsvorschriften;
die auf Grund dieser Rechtsvorschriften zu lösenden Rechtsfragen;
die Angabe, welche der Beschwerden der Verfassungsgerichtshof behandeln wird.
(2) Beschlüsse gemäß Abs. 1 verpflichten, soweit es sich bei den darin genannten Rechtsvorschriften zumindest auch um Gesetze, politische, gesetzändernde oder gesetzesergänzende Staatsverträge oder Staatsverträge, durch die die vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union geändert werden, handelt, den Bundeskanzler oder den zuständigen Landeshauptmann, ansonsten die zuständige oberste Behörde des Bundes oder des Landes zu ihrer unverzüglichen Kundmachung.
(3) Mit Ablauf des Tages der Kundmachung des Beschlusses gemäß Abs. 1 treten folgende Wirkungen ein:
in Rechtssachen, in denen ein Verwaltungsgericht die im Beschluss genannten Rechtsvorschriften anzuwenden und eine darin genannte Rechtsfrage zu beurteilen hat:
Es dürfen nur solche Handlungen vorgenommen oder Anordnungen und Entscheidungen getroffen werden, die durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes nicht beeinflusst werden können oder die die Frage nicht abschließend regeln und keinen Aufschub gestatten.
Die Beschwerdefrist beginnt nicht zu laufen; eine laufende Beschwerdefrist wird unterbrochen.
in allen beim Verfassungsgerichtshof anhängigen Verfahren gemäß Abs. 1, die im Beschluss gemäß Abs. 1 nicht genannt sind:
Es dürfen nur solche Handlungen vorgenommen oder Anordnungen und Entscheidungen getroffen werden, die durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes nicht beeinflusst werden können oder die die Frage nicht abschließend regeln und keinen Aufschub gestatten.
(4) In seinem Erkenntnis fasst der Verfassungsgerichtshof seine Rechtsanschauung in einem oder mehreren Rechtssätzen zusammen, die nach Maßgabe des Abs. 2 unverzüglich kundzumachen sind. Mit Ablauf des Tages der Kundmachung beginnt eine unterbrochene Beschwerdefrist neu zu laufen und enden die sonstigen Wirkungen des Abs. 3.“
§ 87 VfGG bestimmt:
„(1) Das Erkenntnis hat auszusprechen, ob der Beschwerdeführer durch das angefochtene Erkenntnis in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung, einer gesetzwidrigen Kundmachung über die Wiederverlautbarung eines Gesetzes (Staatsvertrages), eines verfassungswidrigen Gesetzes oder eines rechtswidrigen Staatsvertrages in seinen Rechten verletzt worden ist, und bejahendenfalls das angefochtene Erkenntnis aufzuheben.
(2) Wenn der Verfassungsgerichtshof einer Beschwerde stattgegeben hat, sind die Verwaltungsgerichte und die Verwaltungsbehörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
(3) Lehnt der Verfassungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde ab oder weist er die Beschwerde ab, so hat, wenn bis dahin ein darauf abzielender Antrag des Beschwerdeführers gestellt worden ist, der Verfassungsgerichtshof, wenn dieser Antrag innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes gestellt wird, der Referent auszusprechen, dass die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 [des Bundes-Verfassungsgesetzes] dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten wird.“
Ausgangsverfahren und Vorlagefrage
Bei Betreibern von Gaststätten, Kaffeehäusern und Tankstellengeschäften, die verdächtigt wurden, in ihren Lokalen einen oder mehrere Glücksspielautomaten aufgestellt zu haben, ohne über die nach dem Glücksspielgesetz (BGBl. 620/1989) in seiner auf die Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung (im Folgenden: GSpG) erforderliche behördliche Bewilligung zu verfügen, wurden von Beamten der Finanzpolizei und der Bundespolizei Kontrollen durchgeführt, bei denen die ohne Bewilligung betriebenen Glücksspielgeräte vorläufig in Beschlag genommen wurden.
Diese vorläufigen Beschlagnahmen wurden mit Bescheid bestätigt, gegen die betreffenden Verantwortlichen wurden Geldstrafen verhängt, und die Glücksspielgeräte wurden eingezogen.
Die Parteien der Ausgangsverfahren haben gegen diese Maßnahmen Beschwerden beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erhoben.
Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass sowohl der Verfassungsgerichtshof als auch der Verwaltungsgerichtshof mit Entscheidungen vom 15. Oktober bzw. 16. März 2016 festgestellt haben, dass das Glücksspielmonopol nach dem GSpG nicht unionsrechtswidrig sei.
Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts hat der österreichische Oberste Gerichtshof jedoch im Anschluss an Klagen von Monopolinhabern nach dem Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 (BGBl. 448/1984) in seiner auf die Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung gegen Unternehmer, die ohne behördliche Bewilligung Ausspielungen nach dem GSpG vornahmen, mit Entscheidung vom 30. März 2016 die Unvereinbarkeit des GSpG mit dem Unionsrecht festgestellt.
Das vorlegende Gericht stellt ferner fest, dass nach dem in der österreichischen Verfassung vorgesehenen Rechtsschutzsystem jede Partei eines Verfahrens vor einem Verwaltungsgericht beim Verwaltungsgerichtshof oder beim Verfassungsgerichtshof ein Rechtsmittel gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts einlegen könne. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe allerdings mehrfach entschieden, dass der Verwaltungsgerichtshof und der Verfassungsgerichtshof kein Gericht im Sinne von Art. 6 EMRK seien, weil der Verfassungsgerichtshof nur eine beschränkte Kognitionsbefugnis habe und der Verwaltungsgerichtshof an den von der Unterinstanz angenommenen Sachverhalt und an ihre Beweiswürdigung gebunden sei bzw. weil er in concreto nicht den verfahrensrechtlichen Anforderungen von Art. 6 EMRK entsprochen habe.
Im Übrigen müsse das Rechtsmittelgericht die bei ihm anhängig gemachte Rechtssache anders als die Unterinstanz entscheiden können, und zwar sowohl hinsichtlich der Aufnahme und Würdigung der Beweise als auch hinsichtlich der Abhaltung eines kontradiktorischen Verfahrens, insbesondere in Form einer öffentlichen mündlichen Verhandlung. Anders ließe sich kein in allen Belangen dem Grundsatz des fairen Verfahrens nach Art. 6 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 47 der Charta entsprechendes Ergebnis gewährleisten.
So sei im Rahmen der Verfahren, die zu den Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs vom 16. März 2016 und des Verfassungsgerichtshofs vom 15. Oktober 2016 geführt hätten, der Grundsatz des fairen Verfahrens nicht eingehalten worden. Der Verwaltungsgerichtshof habe den vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich festgestellten Sachverhalt übernommen und auf dieser Grundlage eine gegenteilige Beurteilung ohne eigenständige Ermittlungsmaßnahme vorgenommen, obwohl er dazu gemäß § 42 Abs. 4 VwGG die Möglichkeit gehabt hätte. Der Verfassungsgerichtshof habe sich wiederum ausschließlich auf die Sachverhaltsfeststellungen des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich gestützt, ohne eigene Beweise zu erheben oder wenigstens die Gegenargumente inhaltlich zu prüfen. Darüber hinaus sei in beiden Fällen keine öffentliche Verhandlung durchgeführt worden.
In diesem Zusammenhang hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Ist Art. 47 der Charta in Verbindung mit den Art. 56 ff. AEUV dahin auszulegen, dass mit diesen unionsrechtlichen Vorschriften in jenen Fallkonstellationen, in denen die Vornahme einer Kohärenzprüfung geboten ist, nationale Regelungen (wie § 86a Abs. 4 VfGG, § 38a Abs. 4 VwGG, § 87 Abs. 2 VfGG oder § 63 Abs. 1 VwGG) nicht vereinbar sind, die es – als Teil eines Gesamtsystems, das sich in der Praxis dahin auswirkt, dass Höchstgerichte keine autonome Sachverhaltsprüfung und Beweiswürdigung vornehmen sowie bei zahlreichen, in Bezug auf eine konkrete Rechtsfrage gleichartig gelagerten Fällen lediglich in einem von diesen eine singuläre Sachentscheidung treffen und davon ausgehend alle übrigen Beschwerden a limine zurückweisen – zulassen bzw. nicht zuverlässig ausschließen, dass gerichtliche (im Sinne von Art. 6 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 47 der Charta) Entscheidungen – insbesondere, wenn diese in zentralen unionsrechtlichen Anliegen wie z. B. des Marktzugangs oder der Marktöffnung ergangen sind – in der Folge durch Entscheidungen von instanzenmäßig übergeordneten Institutionen, die ihrerseits nicht den Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 47 der Charta gerecht werden, ohne ein vorangegangenes Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union eliminiert werden können?
Zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens
Gemäß Art. 53 Abs. 2 seiner Verfahrensordnung kann der Gerichtshof, wenn ein Vorabentscheidungsersuchen offensichtlich unzulässig ist, nach Anhörung des Generalanwalts jederzeit die Entscheidung treffen, durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden, ohne das Verfahren fortzusetzen.
Diese Bestimmung ist in der vorliegenden Rechtssache anzuwenden.
Nach ständiger Rechtsprechung ist das mit Art. 267 AEUV eingerichtete Verfahren ein Instrument der Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten, mit dem der Gerichtshof diesen Gerichten Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts gibt, die sie zur Entscheidung des bei ihnen anhängigen Rechtsstreits benötigen (vgl. u. a. Urteil vom 5. Juli 2016, Ognyanov, C-614/14, EU:C:2016:514, Rn. 16 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Die Notwendigkeit, zu einer dem nationalen Gericht dienlichen Auslegung des Unionsrechts zu gelangen, macht es insbesondere erforderlich, dass dieses Gericht den Sachverhalt und den rechtlichen Rahmen, in dem sich seine Fragen stellen, darlegt oder zumindest die tatsächlichen Annahmen erläutert, auf denen diese Fragen beruhen (vgl. u. a. Urteil vom 5. Juli 2016, Ognyanov, C-614/14, EU:C:2016:514, Rn. 18 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 94 der Verfahrensordnung Folgendes enthalten muss:
eine kurze Darstellung des Streitgegenstands und des maßgeblichen Sachverhalts, wie er vom vorlegenden Gericht festgestellt worden ist, oder zumindest eine Darstellung der tatsächlichen Umstände, auf denen die Fragen beruhen;
…
eine Darstellung der Gründe, aus denen das vorlegende Gericht Zweifel bezüglich der Auslegung oder der Gültigkeit bestimmter Vorschriften des Unionsrechts hat, und den Zusammenhang, den es zwischen diesen Vorschriften und dem auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren nationalen Recht herstellt“.
Überdies muss ein Vorabentscheidungsersuchen nach Nr. 22 der Empfehlungen des Gerichtshofs der Europäischen Union an die nationalen Gerichte bezüglich der Vorlage von Vorabentscheidungsersuchen (ABl. 2012, C 338, S. 1) „ausführlich genug sein und alle relevanten Informationen enthalten, damit der Gerichtshof und die zur Einreichung von Erklärungen Berechtigten den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen des Ausgangsrechtsstreits richtig erfassen können“.
Im vorliegenden Fall genügt das Vorabentscheidungsersuchen diesen Anforderungen offensichtlich nicht.
Erstens ist in Bezug auf die in Art. 94 Buchst. a der Verfahrensordnung aufgestellten Erfordernisse festzustellen, dass das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen es zwar ermöglicht, den Gegenstand der Ausgangsverfahren zu ermitteln, doch enthält es so gut wie keine Angaben zu ihrem tatsächlichen Kontext.
Zweitens ist hinsichtlich des in Art. 94 Buchst. c der Verfahrensordnung aufgestellten Erfordernisses, dass das Vorabentscheidungsersuchen eine Darstellung der Gründe enthalten muss, aus denen das vorlegende Gericht Zweifel bezüglich der Auslegung oder der Gültigkeit bestimmter Vorschriften des Unionsrechts hat, darauf hinzuweisen, dass das vorlegende Gericht um die Auslegung von Art. 47 der Charta in Verbindung mit den Art. 56 ff. AEUV ersucht.
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Charta nach ihrem Art. 51 Abs. 1 für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union gilt. In Art. 6 Abs. 1 EUV wird ebenso wie in Art. 51 Abs. 2 der Charta klargestellt, dass durch deren Bestimmungen der Geltungsbereich des Unionsrechts nicht über die in den Verträgen festgelegten Zuständigkeiten der Union hinaus ausgedehnt wird (Beschluss vom 10. November 2016, Pardue, C-321/16, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:871, Rn. 18 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Folglich ist die vom vorlegenden Gericht gestellte Frage so zu verstehen, dass sie auf die Auslegung der Art. 56 ff. AEUV im Licht von Art. 47 der Charta abzielt.
Im vorliegenden Fall wird in der Vorlageentscheidung aber nicht mit der erforderlichen Genauigkeit und Klarheit dargestellt, aus welchen Gründen das vorlegende Gericht im Rahmen der Ausgangsverfahren Zweifel bezüglich der Auslegung der Art. 56 ff. AEUV hat. Zudem wird der Zusammenhang zwischen dem Unionsrecht und den in den Ausgangsverfahren anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften nicht erläutert.
Das vorlegende Gericht verweist zwar auf die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs, wonach die Prüfung, ob nationale Rechtsvorschriften wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden die mit ihnen verfolgten Ziele in kohärenter Weise erfüllen, den nationalen Gerichten obliegt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. April 2014, Pfleger u. a., C-390/12, EU:C:2014:281, Rn. 49).
Hierzu führt es aus, im Glücksspielbereich könne nicht davon ausgegangen werden, dass die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften dieses Kohärenzgebot erfüllten, insbesondere weil sich der Verwaltungsgerichtshof und der Verfassungsgerichtshof darauf beschränkten, den Sachverhalt und dessen Würdigung von den Untergerichten zu übernehmen, und somit keine echte Kohärenzprüfung durchführten, obwohl ihre Rechtsprechung für die Entscheidungen der Untergerichte maßgebend sei.
Das vorlegende Gericht legt jedoch nicht dar, aus welchen Gründen es der Ansicht ist, dass die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften, mit denen die Zuständigkeiten komplementär zwischen den Untergerichten, denen die Zuständigkeit für die Feststellung und Würdigung des Sachverhalts eingeräumt wird, und den Höchstgerichten, deren Zuständigkeit auf die Prüfung allein von Rechtsfragen oder von Fragen im Zusammenhang mit Grundrechten beschränkt wird, aufgeteilt werden, deshalb die mit ihnen im Glücksspielbereich verfolgten Ziele nicht in kohärenter Weise erfüllen.
Ferner ist in Bezug auf das in Art. 94 Buchst. c der Verfahrensordnung aufgestellte Erfordernis der Angabe des auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren nationalen Rechts festzustellen, dass im vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen zwar der Inhalt einiger Bestimmungen des VwGG und des VfGG dargestellt, aber nicht hinreichend klar angegeben wird, wie diese Bestimmungen auf die beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten, die Gegenstand seines Ersuchens sind, Anwendung finden könnten.
Folglich ist auch dem in Art. 94 Buchst. c der Verfahrensordnung aufgestellten Erfordernis, wonach ein Zusammenhang zwischen den betreffenden Bestimmungen des Unionsrechts und dem auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren nationalen Recht dargelegt werden muss, nicht Genüge getan.
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs liegt die Rechtfertigung für ein Vorabentscheidungsersuchen aber nicht in der Abgabe von Gutachten zu allgemeinen oder hypothetischen Fragen, sondern darin, dass das Ersuchen für die tatsächliche Entscheidung eines Rechtsstreits über das Unionsrecht erforderlich ist (Urteil vom 27. September 2017, Puškár, C-73/16, EU:C:2017:725, Rn. 123).
Der Vollständigkeit halber ist hinzuzufügen, dass, wenn die Beurteilung eines nationalen Gerichts nicht dem Unionsrecht entspricht, ein anderes nationales Gericht, das nach dem innerstaatlichen Recht vorbehaltlos an die Auslegung des Unionsrechts durch das erstgenannte Gericht gebunden ist, nach dem Unionsrecht verpflichtet ist, aus eigener Entscheidungsbefugnis die innerstaatliche Rechtsvorschrift unangewandt zu lassen, die von ihm verlangt, sich an die vom erstgenannten Gericht herangezogene Auslegung des Unionsrechts zu halten (Beschluss vom 15. Oktober 2015, Naderhirn, C-581/14, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:707, Rn. 35).
Dies wäre u. a. dann der Fall, wenn ein nationales Gericht aufgrund einer solchen innerstaatlichen Rechtsvorschrift, an die es gebunden ist, daran gehindert wäre, in den bei ihm anhängigen Rechtssachen dem Umstand, dass eine nationale Vorschrift nach einem Urteil des Gerichtshofs als unionsrechtswidrig anzusehen ist, angemessen Rechnung zu tragen und sicherzustellen, dass der Vorrang des Unionsrechts ordnungsgemäß gewährleistet wird, indem es alle hierfür erforderlichen Maßnahmen ergreift (Beschluss vom 15. Oktober 2015, Naderhirn, C-581/14, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:707, Rn. 36).
Angesichts aller vorstehenden Erwägungen ist festzustellen, dass das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen offensichtlich unzulässig im Sinne von Art. 53 Abs. 2 der Verfahrensordnung ist.
Kosten
Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren Teil der beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahren; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Achte Kammer) beschlossen:
Das vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (Österreich) mit Entscheidung vom 16. November 2016 vorgelegte Vorabentscheidungsersuchen ist offensichtlich unzulässig.
Luxemburg, den 7. Juni 2018
Der Kanzler
A. Calot Escobar
Der Präsident der Achten Kammer
J. Malenovský
( *1)Verfahrenssprache: Deutsch.
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