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EuGH 04.09.2014 - C-474/12
EuGH 04.09.2014 - C-474/12 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer) - 4. September 2014 ( *1) - „Vorabentscheidungsersuchen — Niederlassungsfreiheit — Freizügigkeit der Arbeitnehmer — Nichtdiskriminierung — Art. 346 Abs. 1 Buchst. b AEUV — Schutz wesentlicher Sicherheitsinteressen eines Mitgliedstaats — Regelung eines Mitgliedstaats, wonach die gesetzlichen Vertreter einer in diesem Staat das Gewerbe des Handels mit Waffen, Munition und Kriegsmaterial ausübenden Gesellschaft seine Staatsangehörigkeit besitzen müssen“
Leitsatz
In der Rechtssache C-474/12
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 25. September 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 22. Oktober 2012, in dem Verfahren
Schiebel Aircraft GmbH
gegen
Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz sowie der Richter E. Juhász, A. Rosas (Berichterstatter), D. Šváby und C. Vajda,
Generalanwalt: M. Wathelet,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und T. Müller als Bevollmächtigte,
der spanischen Regierung, vertreten durch A. Rubio González als Bevollmächtigten,
der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Falk und U. Persson als Bevollmächtigte,
der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Enegren und V. Kreuschitz als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 18 AEUV, 45 AEUV, 49 AEUV und 346 Abs. 1 Buchst. b AEUV.
Dieses Ersuchen ergeht in einem Rechtsstreit zwischen der Schiebel Aircraft GmbH (im Folgenden: Schiebel Aircraft) und dem Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend (im Folgenden: Bundesminister) wegen dessen Weigerung, Schiebel Aircraft die Genehmigung zur Ausübung von Tätigkeiten im Waffengewerbe zu erteilen.
Rechtlicher Rahmen
§ 94 Z 80 der österreichischen Gewerbeordnung 1994 in ihrer auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (BGBl. I Nr. 111/2010, im Folgenden: GewO 1994) bestimmt:
„Folgende Gewerbe sind reglementierte Gewerbe:
…
Waffengewerbe (Büchsenmacher) einschließlich des Waffenhandels“.
§ 95 GewO 1994 sieht vor:
„(1) Bei den im § 94 Z 5, 10, 16, 18, 25, 32, 36, 56, 62, 65, 75, 80 und 82 angeführten Gewerben ist von der Behörde zu überprüfen, ob der Bewerber oder, falls sich eine juristische Person oder eingetragene Personengesellschaft um die Gewerbeberechtigung bewirbt, die im § 13 Abs. 7 genannten Personen die für die Ausübung des Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit (§ 87 Abs. 1 Z 3) besitzen. Mit der Gewerbeausübung darf der Anmelder erst mit der Rechtskraft des Bescheides gemäß § 340 beginnen.
(2) Bei den im Abs. 1 angeführten Gewerben ist die Bestellung eines Geschäftsführers oder eines Filialgeschäftsführers für die Ausübung des Gewerbes genehmigungspflichtig. Die Genehmigung ist auf Ansuchen des Gewerbeinhabers zu erteilen, wenn die im § 39 Abs. 2 bzw. § 47 Abs. 2 angeführten Voraussetzungen erfüllt sind.“
§ 139 GewO 1994 bestimmt:
„(1) Einer Gewerbeberechtigung für das Waffengewerbe (§ 94 Z 80) bedarf es für folgende Tätigkeiten:
hinsichtlich nichtmilitärischer Waffen und nichtmilitärischer Munition
die Erzeugung, Bearbeitung und Instandsetzung (einschließlich der Tätigkeit der Büchsenmacher),
den Handel,
das Vermieten,
die Vermittlung des Kaufes und Verkaufes;
hinsichtlich militärischer Waffen und militärischer Munition
die Erzeugung, Bearbeitung und Instandsetzung,
den Handel,
die Vermittlung des Kaufes und Verkaufes.
…
(4) Das Vermieten und die Instandsetzung von Schusswaffen sowie der Verkauf des dazugehörigen Schießbedarfes auf behördlich genehmigten Schießstätten ist den gemäß Abs. 1 Z 1 lit. a, b oder c oder Z 2 lit. a oder b berechtigten Gewerbetreibenden gestattet. Ansonsten ist das Vermieten von militärischen Waffen unzulässig.“
In § 141 der GewO 1994 heißt es:
„(1) Die Erteilung einer Gewerbeberechtigung für die im § 139 Abs. 1 angeführten Waffengewerbe erfordert zusätzlich zur Überprüfung der Zuverlässigkeit (§ 95) folgende Voraussetzungen:
bei natürlichen Personen die österreichische Staatsbürgerschaft und ihren Wohnsitz im Inland und
bei juristischen Personen und eingetragenen Personengesellschaften
ihren Sitz oder ihre Hauptniederlassung im Inland und
die österreichische Staatsbürgerschaft der Mitglieder der zur gesetzlichen Vertretung berufenen Organe oder der geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Gesellschafter und deren Wohnsitz im Inland sowie
dass die Gewerbeausübung vom Standpunkt der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit keinen Bedenken begegnet. …
…
(3) Die im Abs. 1 normierte Voraussetzung der österreichischen Staatsbürgerschaft gilt in Bezug auf Staatsangehörige von [Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR)] nicht hinsichtlich der im § 139 Abs. 1 Z 1 genannten Tätigkeiten.“
§ 340 GewO 1994 bestimmt:
„(1) Auf Grund der Anmeldung des Gewerbes (§ 339 Abs. 1) hat die Behörde zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung des angemeldeten Gewerbes durch den Anmelder in dem betreffenden Standort vorliegen. …
…
(3) Liegen die im Abs. 1 genannten Voraussetzungen nicht vor, so hat die Behörde – unbeschadet eines Verfahrens nach § 366 Abs. 1 Z 1 – dies mit Bescheid festzustellen und die Ausübung des Gewerbes zu untersagen.“
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage
Mit Eingabe vom 27. September 2010 meldete Schiebel Aircraft beim Bundesminister u. a. das Waffengewerbe hinsichtlich des Handels mit militärischen Waffen und militärischer Munition und der Vermittlung des Kaufs und Verkaufs militärischer Waffen und militärischer Munition an, bei dem es sich nach § 94 Z 80 GewO 1994 um ein reglementiertes Gewerbe handelt.
Mit Bescheid vom 16. Februar 2011, der vor dem vorlegenden Gericht angefochten wird, stellte der Bundesminister fest, dass Schiebel Aircraft die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung dieses Gewerbes nicht erfülle, und untersagte ihr dessen Ausübung.
Zur Begründung führte der Bundesminister im Wesentlichen aus, im Firmenbuch sei – neben zwei weiteren Personen – Herr H. als handelsrechtlicher Geschäftsführer von Schiebel Aircraft eingetragen. Herr H. sei britischer Staatsangehöriger und besitze nicht die österreichische Staatsbürgerschaft. Weil eine der zur gesetzlichen Vertretung von Schiebel Aircraft berufenen Personen nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitze, seien die in § 141 Abs. 1 Z 2 lit. b und Abs. 3 GewO 1994 festgelegten Voraussetzungen für die Ausübung der in § 139 Abs. 1 Z 2 lit. b und c GewO 1994 angeführten Tätigkeiten nicht erfüllt.
In ihrer vor dem vorlegenden Gericht gegen diesen Bescheid eingelegten Beschwerde macht Schiebel Aircraft geltend, dass nach Art. 18 AEUV jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsbürgerschaft verboten sei. Herr H., der als ihr Geschäftsführer tätig sei, falle als britischer Staatsbürger jedenfalls unter die Gewährleistung der Niederlassungsfreiheit durch Art. 49 AEUV, weil er grenzüberschreitend eine Tätigkeit gegen Vergütung ausüben wolle. Der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens falle in den Anwendungsbereich des Unionsrechts, so dass das Diskriminierungsverbot nach Art. 18 AEUV zum Tragen komme. Die Voraussetzung der österreichischen Staatsbürgerschaft in § 141 Abs. 1 Z 2 lit. b und Abs. 3 GewO 1994 (im Folgenden: Staatsangehörigkeitserfordernis) stelle eine unmittelbare Diskriminierung dar, die gegen das Unionsrecht verstoße.
Zwar enthalte das Primärrecht in Art. 346 AEUV eine Derogationsbefugnis der Mitgliedstaaten von sämtlichen Vorschriften der Verträge. Als Ausnahmebestimmung sei dieser Artikel jedoch eng auszulegen. Zudem könnten Ausnahmen von den Grundsätzen der Freizügigkeit und der Gleichbehandlung nicht weiter reichen, als der Zweck es erfordere, um dessentwillen sie vorgesehen seien.
In Anbetracht der Worte „seines Erachtens“ in Art. 346 AEUV hätten zwar die Mitgliedstaaten zu beurteilen, ob wesentliche Sicherheitsinteressen gefährdet seien, doch habe der Gerichtshof klargestellt, dass die aufgrund dieser Vorschrift getroffenen Maßnahmen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen müssten. Daher gebe es für das Staatsangehörigkeitserfordernis keine Rechtfertigung. Dieses Erfordernis, das zu anderen bereits bestehenden strengen Vorkehrungen hinzukomme, könne nicht als notwendig angesehen werden, um die wesentlichen Sicherheitsinteressen der Republik Österreich zu wahren, die entscheidend durch ihre Neutralität bestimmt würden.
Der Bundesminister hat vor dem vorlegenden Gericht angegeben, er sei bei seiner Entscheidung an den Wortlaut der innerstaatlichen Rechtsvorschrift gebunden und nicht zur Stellung eines Antrags auf Vorabentscheidung beim Gerichtshof befugt.
Das vorlegende Gericht führt aus, der österreichische Gesetzgeber habe sich bei der Normierung des Staatsangehörigkeitserfordernisses ohne weitere Begründung auf die Ausnahmebestimmung in Art. 223 Abs. 1 Buchst. b EWG-Vertrag berufen, die sich nunmehr in Art. 346 Abs. 1 Buchst. b AEUV finde.
Die genannte Bestimmung erlaube unilaterale Schutzmaßnahmen der Mitgliedstaaten in Abweichung von ihren Vertragspflichten, um ihren wesentlichen Sicherheitsinteressen angemessen Rechnung zu tragen. Zu diesen Interessen gehörten sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit. Der den Mitgliedstaaten dabei eingeräumte Ermessensspielraum sei durch den unionsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und die allgemeinen Rechtsgrundsätze begrenzt.
Es sei nicht ersichtlich, dass „wesentliche Sicherheitsinteressen“ der Republik Österreich im Sinne von Art. 346 Abs. 1 Buchst. b AEUV bestünden, die das Staatsangehörigkeitserfordernis und damit eine Abweichung von dem in den Art. 18 AEUV, 45 AEUV und 49 AEUV aufgestellten Diskriminierungsverbot rechtfertigen könnten.
Unter diesen Bedingungen hat der Verwaltungsgerichtshof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Steht das Unionsrecht, insbesondere die Art. 18 AEUV, 45 AEUV und 49 AEUV in Verbindung mit Art. 346 Abs. 1 Buchst. b AEUV, einer nationalen Vorschrift eines Mitgliedstaats wie jener im Ausgangsverfahren anzuwendenden Regelung entgegen, wonach die Mitglieder der zur gesetzlichen Vertretung berufenen Organe oder der geschäftsführungs- und vertretungsbefugte Gesellschafter von gewerbetreibenden Gesellschaften, die das Gewerbe des Handels mit militärischen Waffen und militärischer Munition und der Vermittlung des Kaufs und Verkaufs militärischer Waffen und militärischer Munition ausüben wollen, die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen müssen und die Staatsangehörigkeit zu einem anderen Mitgliedstaat des EWR nicht ausreicht?
Zur Vorlagefrage
Vorbemerkungen
Einleitend ist festzustellen, dass sich die vom vorlegenden Gericht gestellte Frage sowohl auf Art. 18 AEUV bezieht, der den allgemeinen Grundsatz des Verbots der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit aufstellt, als auch auf die Art. 45 AEUV und 49 AEUV, die die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und die Niederlassungsfreiheit betreffen.
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Art. 18 AEUV, der den allgemeinen Grundsatz des Verbots der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit aufstellt, eigenständig nur auf unionsrechtlich geregelte Fallgestaltungen angewendet werden kann, für die der Vertrag keine besonderen Diskriminierungsverbote vorsieht (vgl. Urteile Attanasio Group, C-384/08, EU:C:2010:133, Rn. 37, und Hervis Sport- és Divatkereskedelmi, C-385/12, EU:C:2014:47, Rn. 25).
Das Diskriminierungsverbot ist aber in den Bereichen der Freizügigkeit der Arbeitnehmer und der Niederlassungsfreiheit durch die Art. 45 Abs. 2 AEUV und 49 AEUV umgesetzt worden (vgl. in diesem Sinne Urteile Cassa di Risparmio di Firenze u. a., C-222/04, EU:C:2006:8, Rn. 99, Lyyski, C-40/05, EU:C:2007:10, Rn. 34, UTECA, C-222/07, EU:C:2009:124, Rn. 38, und Hervis Sport- és Divatkereskedelmi, EU:C:2014:47, Rn. 25).
Der Gerichtshof hat sich daher nicht zu Art. 18 AEUV zu äußern.
Zu den Art. 45 AEUV und 49 AEUV ist festzustellen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung nicht danach unterscheidet, ob die Geschäftsführertätigkeit als Arbeitnehmer ausgeübt wird oder nicht. Überdies enthält weder die Vorlageentscheidung noch die dem Gerichtshof unterbreitete Akte einen Anhaltspunkt, der die Klärung der Frage ermöglichen würde, unter welche der genannten Bestimmungen der Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits fällt. Infolgedessen ist davon auszugehen, dass eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende sowohl die Freizügigkeit der Arbeitnehmer als auch die Niederlassungsfreiheit berühren kann und deshalb sowohl anhand von Art. 45 AEUV als auch anhand von Art. 49 AEUV zu prüfen ist.
Folglich ist die gestellte Frage so zu verstehen, dass mit ihr geklärt werden soll, ob die Art. 45 AEUV, 49 AEUV und 346 Abs. 1 Buchst. b AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegenstehen, nach der die Mitglieder der zur gesetzlichen Vertretung berufenen Organe oder der geschäftsführende Gesellschafter von Gesellschaften, die das Gewerbe des Handels mit militärischen Waffen und militärischer Munition und der Vermittlung des Kaufs und Verkaufs militärischer Waffen und militärischer Munition ausüben wollen, die Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedstaats besitzen müssen.
Zum Vorliegen von Beschränkungen der Freizügigkeit der Arbeitnehmer und der Niederlassungsfreiheit
Bevor geprüft wird, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Rechtsvorschriften eine gegen die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und die Niederlassungsfreiheit verstoßende Maßnahme darstellen, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass sich auch ein Arbeitgeber, der im Mitgliedstaat seiner Niederlassung Angehörige eines anderen Mitgliedstaats als Arbeitnehmer beschäftigen will, auf den in Art. 45 AEUV verankerten Grundsatz der Gleichbehandlung auf dem Gebiet der Freizügigkeit der Arbeitnehmer berufen kann (Urteil Clean Car Autoservice, C-350/96, EU:C:1998:205, Rn. 25).
Diese Erwägung zu einem Fall, in dem eine in einem Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft durch eine nationale Vorschrift an der Ausübung einer Tätigkeit gehindert wurde, weil ihr Geschäftsführer, bei dem es sich um einen Arbeitnehmer handelte, keinen Wohnsitz in diesem Mitgliedstaat hatte, gilt entsprechend, wenn die streitige Voraussetzung einen selbständigen Geschäftsführer betrifft. Der Gerichtshof hat nämlich festgestellt, dass die Vorschriften über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer leicht um ihre Wirkung gebracht werden könnten, wenn die Mitgliedstaaten die darin enthaltenen Verbote schon dadurch umgehen könnten, dass sie den Arbeitgebern die Einstellung eines Arbeitnehmers verböten, der gewisse Voraussetzungen nicht erfüllte, die, wenn er unmittelbar zu ihrer Erfüllung verpflichtet würde, Beschränkungen seines Rechts auf Freizügigkeit nach Art. 45 AEUV darstellen würden (vgl. in diesem Sinne Urteil Clean Car Autoservice, EU:C:1998:205, Rn. 21). Eine solche Feststellung ist aber auch dann geboten, wenn der Arbeitgeber keinen Arbeitnehmer beschäftigen möchte, sondern einen Selbständigen, der unter Art. 49 AEUV fällt (vgl. auch, in Bezug auf die Möglichkeit für die Mitarbeiter eines Dienstleisters, sich auf den freien Dienstleistungsverkehr zu berufen, Urteil Abatay u. a., C-317/01 und C-369/01, EU:C:2003:572, Rn. 106).
Die Niederlassungsfreiheit, die Art. 49 AEUV den Bürgern der Europäischen Union zuerkennt, umfasst für sie die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen unter den gleichen Bedingungen wie denen, die nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats der Niederlassung für dessen eigene Angehörige gelten. Nach ständiger Rechtsprechung soll Art. 49 AEUV auf diese Weise die Vergünstigung der Inländerbehandlung jedem Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats garantieren, der sich in einem anderen Mitgliedstaat niederlässt, um dort eine selbständige Erwerbstätigkeit auszuüben, und untersagt jede Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit, die sich aus den nationalen Rechtsvorschriften als Beschränkung der Niederlassungsfreiheit ergibt (vgl. u. a. Urteile Kommission/Frankreich, 270/83, EU:C:1986:37, Rn. 14, und Kommission/Belgien, C-47/08, EU:C:2011:334, Rn. 80).
Überdies umfasst die Freizügigkeit der Arbeitnehmer schon nach dem Wortlaut von Art. 45 Abs. 2 AEUV die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen.
Folglich ist festzustellen, dass eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende eine grundsätzlich sowohl durch Art. 49 AEUV als auch durch Art. 45 Abs. 2 AEUV verbotene Ungleichbehandlung aufgrund der Staatsangehörigkeit schafft, da sie die Erteilung einer Berechtigung für die Ausübung eines Gewerbes im Bereich des Handels mit militärischen Waffen und militärischer Munition und der Vermittlung des Kaufs und Verkaufs militärischer Waffen und militärischer Munition davon abhängig macht, dass die Mitglieder der zur gesetzlichen Vertretung berufenen Organe oder der geschäftsführende Gesellschafter einer Gesellschaft, die dieses Gewerbe ausüben will, die österreichische Staatsangehörigkeit besitzen.
Das Staatsangehörigkeitserfordernis hindert nämlich die Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten unmittelbar daran, in Österreich als Mitglieder der zur gesetzlichen Vertretung berufenen Organe oder als geschäftsführende Gesellschafter einer das Gewerbe des Handels mit militärischen Waffen und militärischer Munition und der Vermittlung des Kaufs und Verkaufs militärischer Waffen und militärischer Munition ausübenden Gesellschaft tätig zu werden oder ein solches Gewerbe als Arbeitnehmer in diesem Mitgliedstaat auszuüben.
Zur Möglichkeit, die Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und der Freizügigkeit der Arbeitnehmer auf der Grundlage von Art. 346 Abs. 1 Buchst. b AEUV zu rechtfertigen
Wie der Vorlageentscheidung zu entnehmen ist, hat sich der österreichische Gesetzgeber bei der Normierung des Staatsangehörigkeitserfordernisses ohne weitere Begründung auf die Ausnahmebestimmung in Art. 223 Abs. 1 Buchst. b EWG-Vertrag berufen, die sich nunmehr in Art. 346 Abs. 1 Buchst. b AEUV findet.
Somit ist zu prüfen, ob Art. 346 Abs. 1 Buchst. b AEUV – wonach die Vorschriften der Verträge dem nicht entgegenstehen, dass ein Mitgliedstaat die Maßnahmen ergreift, die seines Erachtens für die Wahrung seiner wesentlichen Sicherheitsinteressen erforderlich sind, soweit sie die Erzeugung von Waffen, Munition und Kriegsmaterial oder den Handel damit betreffen – geeignet ist, die Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und der Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu rechtfertigen, die mit einer Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden verbunden sind.
Insoweit ist zum einen die in Art. 346 AEUV vorgesehene Ausnahme, im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung zu Abweichungen von den Grundfreiheiten, eng auszulegen (vgl. in diesem Sinne Urteile Kommission/Finnland, C-284/05, EU:C:2009:778, Rn. 46, und Insinööritoimisto InsTiimi, C-615/10, EU:C:2012:324, Rn. 35).
Zum anderen spricht Art. 346 Abs. 1 Buchst. b AEUV zwar von Maßnahmen, die ein Mitgliedstaat als für die Wahrung seiner wesentlichen Sicherheitsinteressen erforderlich ansehen kann, doch kann er nicht als Ermächtigung der Mitgliedstaaten verstanden werden, durch bloße Berufung auf diese Interessen von den Bestimmungen des Vertrags abzuweichen (vgl. in diesem Sinne Urteile Kommission/Finnland, EU:C:2009:778, Rn. 47, und Insinööritoimisto InsTiimi, EU:C:2012:324, Rn. 35). Ein Mitgliedstaat, der sich auf diese Bestimmung beruft, muss nämlich nachweisen, dass eine Inanspruchnahme der dort vorgesehenen Ausnahme erforderlich ist, um seine wesentlichen Sicherheitsinteressen zu wahren (vgl. in diesem Sinne Urteile Kommission/Finnland, EU:C:2009:778, Rn. 49, und Insinööritoimisto InsTiimi, EU:C:2012:324, Rn. 45).
Zwar fällt das Gewerbe, für dessen Ausübung Schiebel Aircraft eine Berechtigung begehrt – der Handel mit militärischen Waffen und militärischer Munition und die Vermittlung des Kaufs und Verkaufs militärischer Waffen und militärischer Munition –, in den Anwendungsbereich der in Art. 346 Abs. 1 Buchst. b AEUV vorgesehenen Ausnahme, doch ergibt sich weder aus der Vorlageentscheidung noch aus der dem Gerichtshof vorliegenden Akte, dass die Republik Österreich, deren Regierung beim Gerichtshof keine Erklärungen eingereicht hat, den Beweis erbracht hätte, dass zur Wahrung ihrer wesentlichen Sicherheitsinteressen das dieser Gesellschaft auferlegte Staatsangehörigkeitserfordernis erforderlich ist, wobei es letztlich Sache des vorlegenden Gerichts ist, dies zu prüfen.
Damit das vorlegende Gericht eine sachdienliche Antwort erhält, kann ihm der Gerichtshof jedoch im Geist der Zusammenarbeit mit den nationalen Gerichten alle Hinweise geben, die er für erforderlich hält (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil AES-3C Maritza East 1, C-124/12, EU:C:2013:488, Rn. 42).
Sofern dargetan würde, dass die insbesondere von der tschechischen und der schwedischen Regierung sowie von der Europäischen Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen angesprochenen Ziele – das Ziel, die Zuverlässigkeit der zur Ausübung eines Gewerbes im Bereich des Handels mit militärischen Waffen und militärischer Munition und der Vermittlung des Kaufs und Verkaufs militärischer Waffen und militärischer Munition berechtigten Personen zu gewährleisten, das Ziel der Liefersicherheit bei Verteidigungsmaterial und das Ziel, die Preisgabe strategischer Informationen zu verhindern – wesentliche Sicherheitsinteressen der Republik Österreich im Sinne von Art. 346 Abs. 1 Buchst. b AEUV darstellen, dürfte zudem nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit das Staatsangehörigkeitserfordernis nicht über das zur Erreichung des verfolgten Ziels angemessene und erforderliche Maß hinausgehen (vgl. in diesem Sinne Urteile Johnston, 222/84, EU:C:1986:206, Rn. 38, und Albore, C-423/98, EU:C:2000:401, Rn. 19).
Wie die tschechische Regierung und die Kommission ausführen, könnten aber, selbst wenn das Staatsangehörigkeitserfordernis zur Verwirklichung der in der vorstehenden Randnummer genannten Ziele geeignet wäre, diese Ziele im konkreten Fall durch weniger einschränkende Maßnahmen wie etwa regelmäßige Kontrollen der Waffenproduktion und des Waffenhandels, eine verwaltungsrechtlich auferlegte Pflicht zur Vertraulichkeit oder auch die strafrechtliche Ahndung der Preisgabe strategischer Informationen erreicht werden.
Nach alledem ist auf die vorgelegte Frage zu antworten, dass die Art. 45 AEUV und 49 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegenstehen, nach der die Mitglieder der zur gesetzlichen Vertretung berufenen Organe oder der geschäftsführende Gesellschafter von Gesellschaften, die das Gewerbe des Handels mit militärischen Waffen und militärischer Munition und der Vermittlung des Kaufs und Verkaufs militärischer Waffen und militärischer Munition ausüben wollen, die Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedstaats besitzen müssen. Es ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob der Mitgliedstaat, der sich auf Art. 346 Abs. 1 Buchst. b AEUV beruft, nachzuweisen vermag, dass eine Inanspruchnahme der dort vorgesehenen Ausnahme erforderlich ist, um seine wesentlichen Sicherheitsinteressen zu wahren.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:
Die Art. 45 AEUV und 49 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegenstehen, nach der die Mitglieder der zur gesetzlichen Vertretung berufenen Organe oder der geschäftsführende Gesellschafter von Gesellschaften, die das Gewerbe des Handels mit militärischen Waffen und militärischer Munition und der Vermittlung des Kaufs und Verkaufs militärischer Waffen und militärischer Munition ausüben wollen, die Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedstaats besitzen müssen. Es ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob der Mitgliedstaat, der sich auf Art. 346 Abs. 1 Buchst. b AEUV beruft, nachzuweisen vermag, dass eine Inanspruchnahme der dort vorgesehenen Ausnahme erforderlich ist, um seine wesentlichen Sicherheitsinteressen zu wahren.
Unterschriften
( *1)Verfahrenssprache: Deutsch.
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