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BAG 14.05.2019 - 3 AZR 274/18
BAG 14.05.2019 - 3 AZR 274/18 - Betriebliche Altersversorgung - unzulässige Berufung
Normen
Vorinstanz
vorgehend ArbG Magdeburg, 1. April 2015, Az: 5 Ca 1470/14, Urteil
vorgehend Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt, 1. März 2018, Az: 2 Sa 297/15, Urteil
Tenor
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Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 1. März 2018 - 2 Sa 297/15 - aufgehoben, soweit es der Berufung der Klägerin stattgegeben hat.
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Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 1. April 2015 - 5 Ca 1470/14 - wird insgesamt zurückgewiesen.
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Die Klägerin hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten im Revisionsverfahren noch über die Frage, ob die Beklagte zum Einbehalt von Beträgen für betriebliche Altersversorgung berechtigt war.
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Die Klägerin war als Fachschwester für Anästhesie und Intensivmedizin seit dem 1. April 2011 bei der S Klinikum GmbH (S Klinikum) beschäftigt. Zuvor befand sich das Krankenhaus in der Trägerschaft des Landkreises O. Dieser war Mitglied der Zusatzversorgungskasse Sachsen-Anhalt (im Folgenden ZVK) und wendete die einschlägigen Tarifverträge des öffentlichen Dienstes an. Die betriebliche Altersversorgung erfolgte auch bei dem S Klinikum weiterhin über die ZVK. Das S Klinikum behielt aufgrund einer Entgeltumwandlungsvereinbarung vom Bruttolohn der Klägerin monatlich 2 vH ein und führte diesen Betrag an die ZVK ab.
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Mit Wirkung zum 1. November 2013 ging das Arbeitsverhältnis der Klägerin aufgrund eines Betriebsübergangs auf die Beklagte, damals firmierend unter „A Krankenhausgesellschaft mbH“, über. Die betriebliche Altersversorgung wurde von der ZVK auf das Versorgungswerk des Dachverbandes der Unterstützungskassen für deutsche Krankenhäuser e.V. (im Folgenden DUK) überführt. Im Zuge dessen schlossen die Beklagte und die Unterstützungskasse Sachsen-Anhaltinischer Krankenhäuser e.V. einen „Leistungsplan Betriebliche Altersversorgung (Ablöse ZVK)“. Im Dezember 2013 und Februar 2014 fanden Informationsveranstaltungen statt, bei denen der DUK über die neue betriebliche Altersversorgung informierte.
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Mit Schreiben vom 4. Februar 2014 erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten Folgendes:
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„… hiermit widerspreche ich ausdrücklich einer Übernahme meiner bisher erworbenen Versorgungsanwartschaften der betrieblichen Altersversorgung durch den Dachverband der Unterstützungskassen e.V. (DUK). Ebenfalls widerspreche ich ausdrücklich einem Vertragsabschluss mit der DUK für meine Person. Somit entfällt auch die Abführung des Arbeitnehmerbeitragssatzes.“
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Mit Schreiben vom 25. Juli 2014 antwortete die Beklagte auf das Schreiben der Klägerin wie folgt:
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„… wir nehmen Bezug auf den von Ihnen eingereichten Widerspruch gegen die betriebliche Altersvorsorge durch das Versorgungswerk der DUK e.V. und möchten Ihnen das Folgende mitteilen:
Die A Gruppe ist als Arbeitgeber an die Versorgungszusage der S Klinikum GmbH über § 613a BGB gebunden. Wir als Arbeitgeber sind im Leistungsfall vor allem in echten Versicherungsfällen wie Invalidität oder Erwerbsunfähigkeit in vollem Umfang leistungsverpflichtet. Eine Teilnahme an der betrieblichen Altersversorgung ist somit verbindlich.
Aus diesem Grund informieren wir Sie darüber, dass in der Lohn- bzw. Gehaltsabrechnung für Juli 2014 erstmals die Abbuchung des Arbeitnehmerbeitrags für die betriebliche Altersversorgung ausgewiesen ist. Zusätzlich zu dieser Beitragsabführung wurde die Abbuchung einer Rate eingerichtet für Ihre seit dem 01.11.2013 bis zum 30.06.2014 aufgelaufenen bzw. fälligen Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung. Die Höhe der monatlichen Rate beträgt 50,00 Euro.
…“
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Die von der Beklagten einbehaltenen Beträge belaufen sich für den Zeitraum von November 2013 bis Oktober 2015 auf insgesamt 1.444,97 Euro netto und für den Zeitraum von November 2015 bis Juni 2016 auf 446,87 Euro netto.
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Die Parteien schlossen am 15. Juli 2016 eine Änderungsvereinbarung, in der es ua. heißt:
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„Auf Wunsch des Beschäftigten wird ab 01.07.2016 keine betriebliche Altersversorgung (derzeit über den DUK) mehr gewährt.“
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Die Klägerin hat gemeint, sie habe durch ihren Widerspruch die betriebliche Altersversorgung beendet. Die Beklagte sei nicht berechtigt, diese gegen ihren ausdrücklichen Willen fortzuführen. In der Betriebsversammlung im Dezember 2013 sei die Altersversorgung bei dem DUK als freiwilliges System erläutert worden. In der weiteren Betriebsversammlung im Februar 2014 sei erklärt worden, dass der DUK-Beitritt verpflichtend sei.
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Erstinstanzlich hat die Klägerin noch die Feststellung begehrt, dass die - konkret bezifferten - Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung weiterhin an die ZVK zu zahlen seien bzw. dass die Beklagte verpflichtet sei, die monatlichen Beträge an die ZVK zu zahlen, hilfsweise diese an die Klägerin zurückzuzahlen.
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Zuletzt hat die Klägerin - soweit für die Revision von Interesse - beantragt,
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1.
die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.444,97 Euro netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen;
2.
die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 446,87 Euro netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen und gemeint, sie sei gezwungen gewesen, das Versorgungswerk für die betriebliche Altersversorgung zu ändern. Eine Fortführung des Versorgungsvertrags mit der ZVK sei ihr rechtlich unmöglich gewesen. Bei der Wahl der konkreten Durchführung der Altersversorgung sei sie frei, sofern sie eine inhaltlich gleichwertige Altersversorgung anbiete. Eines Einverständnisses der Klägerin bezüglich des Wechsels des Versorgungswerks habe es nicht bedurft.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr auf die Berufung der Klägerin insoweit stattgegeben, als die Klägerin Nachzahlung des einbehaltenen Entgeltes für den Zeitraum Februar 2014 bis Juni 2016 iHv. 1.715,48 Euro begehrt hat. Im Übrigen - auch im Hinblick auf Zahlungsansprüche für November 2013 bis Januar 2014 - hat es die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Die Klägerin - die ihrerseits keine Revision eingelegt hat - begehrt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
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I. Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts sei - soweit streitentscheidend - zulässig. Es hätte die Berufung betreffend den in die Revision gelangten Streitgegenstand als unzulässig behandeln und die Berufung der Klägerin insgesamt zurückweisen müssen.
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1. Die Revision hat nicht schon deshalb teilweise Erfolg, weil die Klägerin ihre Anträge in der Berufungsinstanz geändert bzw. erweitert hat und die Berufung insoweit unzulässig war. Das Landesarbeitsgericht hat die Voraussetzungen der Klageänderung zumindest stillschweigend bejaht bzw. angenommen, es liege keine Klageänderung vor. Diese Entscheidung bindet das Revisionsgericht (vgl. statt vieler BAG 14. Dezember 2017 - 2 AZR 86/17 - Rn. 23 mwN, BAGE 161, 198).
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Die Änderung der Klageanträge hat auch nicht dazu geführt, dass die Berufung der Klägerin gegen die Abweisung der erstinstanzlichen Anträge mangels Beschwer unzulässig geworden wäre (vgl. zu einer solchen Konstellation BAG 24. Oktober 2017 - 1 ABR 45/16 - Rn. 9 ff., BAGE 160, 386). Wie die Klagebegründung und der Hilfsantrag zeigen, verfolgt die Klägerin mit ihren Zahlungsanträgen nicht erstmals in der Berufung einen neuen, bisher nicht zur Entscheidung gestellten Anspruch gegen die Beklagte. Vielmehr erstrebt sie auch nach der Klageänderung und -erweiterung iSd. § 264 Nr. 2 ZPO ohne Änderung des Klagegrunds von der Beklagten die Zahlung der an den DUK e.V. abgeführten Beträge an sich selbst entsprechend des zuvor gestellten Hilfsantrags. Sie hat lediglich ihr Ziel, die Beiträge weiter an die ZVK Sachsen-Anhalt abzuführen, aufgegeben.
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2. Der Revision war aber deshalb stattzugeben, weil die Berufung der Klägerin - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - mangels einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Begründung unzulässig war.
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a) Die Zulässigkeit der Berufung ist Prozessvoraussetzung für das gesamte weitere Verfahren nach der Berufungseinlegung und deshalb vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen. Das gilt auch dann, wenn das Berufungsgericht das Rechtsmittel für zulässig gehalten hat (BAG 20. März 2018 - 3 AZR 861/16 - Rn. 37; 26. April 2017 - 10 AZR 275/16 - Rn. 11 mwN).
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aa) Eine Berufungsbegründung muss gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergeben. Die Berufungsbegründung muss auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will. Eine schlüssige, rechtlich haltbare Begründung kann zwar nicht verlangt werden. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es aber nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (BAG 20. März 2018 - 3 AZR 861/16 - Rn. 38; 26. April 2017 - 10 AZR 275/16 - Rn. 12 f. mwN).
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bb) Hat das erstinstanzliche Gericht seine Entscheidung hinsichtlich eines Streitgegenstands auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, muss die Berufungsbegründung das Urteil in allen diesen Punkten angreifen. Es ist deshalb für jede der rechtlichen oder tatsächlichen Erwägungen darzulegen, warum sie nach Auffassung des Berufungsführers die Entscheidung nicht rechtfertigt. Andernfalls ist das Rechtsmittel insgesamt unzulässig, da der Angriff gegen eine der Begründungen nicht ausreicht, um die Entscheidung insgesamt in Frage zu stellen (BAG 26. April 2017 - 10 AZR 275/16 - Rn. 14 mwN).
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b) Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung der Klägerin für den in die Revision gelangten Streitgegenstand nicht. Da das arbeitsgerichtliche Urteil insoweit zwei tragende Begründungen enthält und sich die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung jedenfalls mit der zweiten Begründung nicht auseinandergesetzt hat, ist ihre Berufung in Bezug auf den im Revisionsverfahren vorliegenden Streitgegenstand insgesamt unzulässig.
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aa) Das Arbeitsgericht hat sein insgesamt klageabweisendes Urteil unter I 2 der Entscheidungsgründe zum einen darauf gestützt, dass die Beklagte nicht Mitglied der ZVK ist, aber einen Verschaffungsanspruch der Klägerin auf eine wertgleiche Versorgung zu erfüllen gehabt habe. Dem sei die Beklagte mit der Durchführung der betrieblichen Altersversorgung über das Versorgungswerk des DUK e.V. nachgekommen und habe damit ihre Verpflichtung erfüllt. Zum anderen hat es seine Entscheidung damit begründet, dass die Arbeitnehmerbeiträge zum Versorgungswerk für die Monate November 2013 bis einschließlich Juli 2014 „auch“ nicht an die Klägerin selbst auszuzahlen gewesen seien. Die von der Beklagten insoweit vorgenommene Rückforderung sei daher nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zu Recht erfolgt. Damit liegen - entgegen der Ansicht der Klägerin - mehrere selbständig tragende Begründungen vor.
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bb) Die Klägerin hat sich jedenfalls mit der zweiten tragenden Erwägung des Arbeitsgerichts nicht auseinander gesetzt. Sie geht insoweit in ihrer Berufungsbegründung an keiner Stelle ausdrücklich auf das erstinstanzliche Urteil ein und erläutert nicht, warum aus der angeblichen Unwirksamkeit der Abwicklung über den DUK e.V. ein Anspruch auf Zahlung an sie entstehen soll. Die Klägerin behauptet nicht einmal, dass und warum das Urteil an dieser Stelle fehlerhaft sein soll. In ihrer Berufungsbegründung trägt sie lediglich vor, mit ihrem Antrag zu Ziffer 5 mache sie „sodann“ diejenigen Beträge geltend, welche ihr die Beklagte unberechtigt als Zahlung an den DUK e.V. abgezogen habe. Ihr in diesem Zusammenhang einziges Argument, sie habe zu keinem Zeitpunkt eine Vereinbarung über eine betriebliche Altersversorgung durch den DUK e.V. mit der Beklagten abgeschlossen, tatsächlich habe sie einer solchen Versorgung ausdrücklich widersprochen, kann ggf. als Gegenargument zur ersten Begründung des arbeitsgerichtlichen Urteils aufgefasst werden. Es richtet sich aber nicht gegen dessen zweite Begründung, eine Auszahlung an die Klägerin käme auch nicht in Betracht.
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II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
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