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BAG 12.02.2019 - 1 AZR 279/17
BAG 12.02.2019 - 1 AZR 279/17 - Anrechnung Nachteilsausgleich auf Sozialplanabfindung
Normen
Art 6 EGRL 59/98, Art 2 Abs 1 EGRL 59/98, § 362 Abs 1 BGB, § 112 Abs 1 S 2 BetrVG, § 113 Abs 3 BetrVG, § 113 Abs 1 BetrVG
Vorinstanz
vorgehend ArbG Berlin, 10. August 2016, Az: 12 Ca 16673/15, Urteil
vorgehend LArbG Berlin-Brandenburg, 29. März 2017, Az: 4 Sa 1619/16, Urteil
Leitsatz
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Abfindungen aufgrund eines Sozialplans und aufgrund eines gesetzlichen Nachteilsausgleichs sind - im Wege der Erfüllungswirkung gemäß § 362 Abs. 1 BGB - verrechenbar.
Tenor
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Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 29. März 2017 - 4 Sa 1619/16 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Zahlung einer Sozialplanabfindung.
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Der Kläger war bei der Beklagten unter Anrechnung einer Vorbeschäftigungszeit seit dem 2. September 1991 beschäftigt. Im März 2014 beschloss die Beklagte, den Beschäftigungsbetrieb in K stillzulegen. Hierüber unterrichtete sie den Betriebsrat und verhandelte mit ihm am 8. April 2014 über einen Interessenausgleich. Mit Schreiben vom 16. April 2014 übermittelte sie dem Betriebsrat eine „Anzeige von beabsichtigten anzeigepflichtigen Entlassungen gem. § 17 Abs. 2 KSchG“. Noch bevor das Arbeitsgericht Berlin auf Antrag der Beklagten mit Beschluss vom 2. Mai 2014 einen Vorsitzenden für eine Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand „Interessenausgleich und Sozialplan für die beabsichtigte Stilllegung der Betriebsstätte K“ bestellt hatte, kündigte die Beklagte die Arbeitsverhältnisse aller im Betrieb beschäftigten Mitarbeiter, so auch das des Klägers zum 30. November 2014. Nach Rücknahme der dagegen erhobenen Kündigungsschutzklage verlangte der Kläger die Zahlung eines Nachteilsausgleichs. Daraufhin verurteilte das Arbeitsgericht Berlin die Beklagte mit Urteil vom 2. April 2015 (- 11 Ca 7053/14 -) zur Zahlung einer Abfindung von 12.230,40 Euro brutto. Auf die Berufung des Klägers verurteilte das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg mit rechtskräftig gewordenem Urteil vom 8. September 2015 (- 7 Sa 870/15 -) die Beklagte zur Zahlung einer Abfindung iHv. weiteren 4.076,80 Euro brutto. Die Beklagte kehrte an den Kläger - deklariert als „Abschlag“ - 4.000,00 Euro im Mai 2015 sowie - deklariert jeweils als „Abfindung“ - 4.000,00 Euro im Juni 2015, 4.076,80 Euro im September 2015 und 4.230,40 Euro im November 2015, mithin insgesamt den ausgeurteilten Nachteilsausgleich iHv. 16.307,20 Euro, aus. Zuvor - am 13. September 2014 - hatte sie mit dem Betriebsrat einen Sozialplan vereinbart, nach dessen §§ 1, 2 Nr. 1 dem Kläger 9.000,00 Euro brutto als Abfindung für den Verlust seines Arbeitsplatzes zustehen. Deren Zahlung lehnte die Beklagte unter Verweis auf den beglichenen Nachteilsausgleich ab.
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Der Kläger hat mit seiner Klage die Sozialplanabfindung verlangt und die Auffassung vertreten, auf diese sei die aufgrund der gerichtlichen Festsetzung des Nachteilsausgleichs gezahlte Abfindung schon deshalb nicht anzurechnen, weil das Gericht deren Höhe zu gering bemessen habe. Darüber hinaus verbiete sich eine Anrechnung aus unionsrechtlichen Gründen.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 9.000,00 Euro brutto zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Dieser verfolgt mit seiner Revision den Zahlungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass die Beklagte den Anspruch des Klägers auf Zahlung der Sozialplanabfindung erfüllt hat, § 362 Abs. 1 BGB.
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I. Der Kläger hat - darüber besteht zwischen den Parteien kein Streit - einen Anspruch auf Abfindung nach dem Sozialplan vom 13. September 2014 iHv. 9.000,00 Euro brutto erworben.
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II. Dieser Anspruch ist im Hinblick auf die Zahlung von 16.307,20 Euro brutto durch die Beklagte jedoch gemäß § 362 Abs. 1 BGB erloschen.
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1. Nach § 362 Abs. 1 BGB erlischt ein Schuldverhältnis, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird. Das Bewirken der geschuldeten Leistung besteht in der Herbeiführung des geschuldeten Leistungserfolgs. Bei einer Geldschuld - wie einer Abfindung - wird dieser Erfolg regelmäßig erzielt, wenn der Gläubiger den Geldbetrag, den er beanspruchen kann, endgültig zur freien Verfügung übereignet oder überwiesen erhält (vgl. BGH 27. Juni 2008 - V ZR 83/07 - Rn. 26).
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2. Die Beklagte hat an den Kläger im Mai 2015, Juni 2015, September 2015 und November 2015 als „Abschlag“ und „Abfindung“ bezeichnete Geldbeträge iHv. insgesamt 16.307,20 Euro brutto geleistet. Diesbezüglich hat sie eine Tilgungsbestimmung für den Sozialplanabfindungsanspruch weder vorgenommen noch behauptet. Aus den Zeitpunkten der Zahlung folgt vielmehr, dass sie damit den vom Kläger erstrittenen Nachteilsausgleich tilgen wollte. Dennoch kommt den Zahlungen materiell-rechtliche Erfüllungswirkung iSv. § 362 Abs. 1 BGB (auch) hinsichtlich der - den Nachteilsausgleich nicht übersteigenden - Sozialplanforderung zu.
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a) Gemäß § 362 Abs. 1 BGB tritt nach der Theorie der realen Leistungsbewirkung die Erfüllungswirkung als objektive Folge der Leistungsbewirkung ein. Die Erfüllungswirkung ist kraft Gesetzes objektive Tatbestandsfolge der Leistung. Ein zusätzliches subjektives Tatbestandsmerkmal ist grundsätzlich nicht erforderlich. Kann die Leistung des Schuldners einem bestimmten Schuldverhältnis im engeren Sinn, dh. einer bestimmten Leistungspflicht, zugeordnet werden oder reicht sie zur Tilgung aller Verbindlichkeiten aus mehreren Schuldverhältnissen (im engeren Sinn) aus, bedarf es zum Erlöschen der Forderungen keiner Tilgungsbestimmung (vgl. BAG 17. Januar 2018 - 5 AZR 69/17 - Rn. 14 mwN). Erfüllungswirkung - auch ohne ausdrückliche Tilgungsbestimmung - ist daher grundsätzlich anzunehmen bei jeglicher erfüllungsgeeigneter, inhaltlich dem Schuldverhältnis entsprechender Leistung (vgl. zur Erfüllung des gesetzlichen Mindestlohnanspruchs durch mindestlohnwirksame Leistungen grdl. BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 20 ff., BAGE 155, 202). Wird im Fall einer Anspruchskonkurrenz - etwa bei einem Zusammentreffen von deliktischen und vertraglichen Schadensersatzansprüchen - der Berechtigte aus einem der beiden Ansprüche befriedigt, erlischt auch der andere Anspruch, soweit und weil er auf dasselbe Interesse gerichtet ist (vgl. bereits BGH 16. Dezember 1968 - III ZR 179/67 - zu 1 der Gründe, BGHZ 51, 226). Demnach erfüllt etwa bei gesetzlichem Mindest- und übergesetzlichem Mehrurlaub der Arbeitgeber mit der Freistellung des Arbeitnehmers auch ohne ausdrückliche oder konkludente Tilgungsbestimmung beide Ansprüche ganz oder teilweise, soweit sie sich decken (grdl. BAG 7. August 2012 - 9 AZR 760/10 - Rn. 10 ff., BAGE 143, 1). Ähnliches gilt bei einer aus Rechtsgründen erfolgenden Anrechen- oder Verrechenbarkeit von geschuldeten Leistungen (vgl. BGH 11. Oktober 1973 - IX ZR 130/70 - zu 3 c der Gründe). Allerdings kann der Schuldner mittels einer negativen Tilgungsbestimmung die durch die Leistungsbewirkung an sich eintretende Erfüllungswirkung ausschließen (vgl. BGH 3. Dezember 1990 - II ZR 215/89 - zu III der Gründe).
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b) Nach diesen Grundsätzen hat die Beklagte mit der Zahlung von 16.307,20 Euro brutto Nachteilsausgleich an den Kläger auch dessen Anspruch auf Abfindung nach dem Sozialplan iHv. 9.000,00 Euro brutto erfüllt. Der Zahlung eines Nachteilsausgleichs an den Arbeitnehmer kommt von Rechts wegen Erfüllungswirkung auch für einen ihm zustehenden Anspruch auf Sozialplanabfindung zu, da beide betriebsverfassungsrechtlich begründeten Leistungen weitgehend auf dasselbe Interesse gerichtet sind. Eine - hiervon ausnahmsweise abweichende - ausdrückliche negative Tilgungsbestimmung hat die Beklagte bei Bewirkung der Zahlungsbeträge nicht vorgenommen.
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aa) Der Anspruch auf Zahlung einer Abfindung aus einem Sozialplan nach § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG einerseits und der Nachteilsausgleich nach § 113 Abs. 3 iVm. Abs. 1 BetrVG andererseits stehen nicht beziehungslos nebeneinander und können nicht kumulativ verlangt werden (so bereits BAG 18. Dezember 1984 - 1 AZR 176/82 - BAGE 47, 329 und 13. Juni 1989 - 1 AZR 819/87 - BAGE 62, 88). Zwischen ihnen besteht insoweit Zweckidentität, als sie beide dem Ausgleich wirtschaftlicher Nachteile dienen.
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(1) Von den Betriebsparteien geschlossenen Sozialplänen kommt eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion zu. Festgelegte Geldleistungen in Form einer Abfindung sind kein zusätzliches Entgelt für die in der Vergangenheit erbrachten Dienste. Vielmehr sollen sie die voraussichtlich entstehenden wirtschaftlichen Nachteile eines Arbeitsplatzverlustes infolge einer Betriebsänderung ausgleichen oder zumindest abmildern (vgl. etwa BAG 8. Dezember 2015 - 1 AZR 595/14 - Rn. 17, BAGE 153, 333).
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(2) Diesem Zweck dient auch der Nachteilsausgleich nach § 113 Abs. 3 iVm. Abs. 1 BetrVG. Durch die Verpflichtung zur Gewährung eines Nachteilsausgleichs soll zum einen das betriebsverfassungswidrige Verhalten eines Arbeitgebers, der seiner gesetzlichen Beratungspflicht bei Betriebsänderungen nicht genügt hat, sanktioniert werden. Der Anspruch will - präventiv - die vorgeschriebene Beteiligung des Betriebsrats an einer unternehmerischen Maßnahme sicherstellen. Ist diese Beteiligung unzureichend, erhalten die betroffenen Arbeitnehmer einen gesetzlichen Anspruch auf den Ausgleich bestimmter Nachteile. Die Anspruchsnorm schützt die Beachtung der gesetzlichen Beteiligungsrechte des Betriebsrats bei Betriebsänderungen zum anderen aber nicht ausnahmslos. Sie sanktioniert ein betriebsverfassungswidriges Verhalten nur in den Fällen, in denen die von der unternehmerischen Maßnahme betroffenen Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz verlieren oder sonstige wirtschaftliche Nachteile erleiden. Auch wenn das Ausmaß der Verletzung von Beteiligungsrechten des Betriebsrats durch den Arbeitgeber bei der Festsetzung der Höhe des Nachteilsausgleichs Bedeutung zukommt (vgl. BAG 7. November 2017 - 1 AZR 186/16 - Rn. 35 mwN), setzt das Entstehen eines solchen Anspruchs voraus, dass der Arbeitnehmer „infolge“ der ohne Beachtung der Mitbestimmung des Betriebsrats durchgeführten Maßnahme wirtschaftliche Nachteile - entweder in Form einer Entlassung oder in sonstiger Art und Weise - erleidet. Deshalb ist der gesetzliche Nachteilsausgleich keine bußgeldähnliche Verpflichtung mit Strafcharakter. Vielmehr sollen die Arbeitnehmer eine gewisse Entschädigung dafür erhalten, dass eine im Gesetz vorgesehene Beteiligung unterblieben und damit eine Chance nicht genutzt worden ist, einen Interessenausgleich zu finden, der Entlassungen vermeidet oder andere wirtschaftliche Nachteile abmildert (grdl. BAG 20. November 2001 - 1 AZR 97/01 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 99, 377; vgl. auch BAG 23. September 2003 - 1 AZR 576/02 - zu II 3 c aa der Gründe, BAGE 107, 347).
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(3) Diese Zweckidentität hat zur Folge, dass eine gezahlte Sozialplanabfindung auch auf einen Anspruch auf gesetzlichen Nachteilsausgleich anzurechnen ist und ihr insoweit Erfüllungswirkung zukommt. Der insoweit auch von § 113 Abs. 3 BetrVG verfolgte Sanktionszweck wird dadurch nicht aufgehoben (vgl. grdl. BAG 20. November 2001 - 1 AZR 97/01 - zu II 1 b und c der Gründe, BAGE 99, 377; vgl. auch BAG 24. August 2006 - 8 AZR 317/05 - und 16. Mai 2007 - 8 AZR 693/06 -; zust. Annuß in Richardi BetrVG 16. Aufl. § 113 Rn. 65; H/W/G/N/R/H/Hess 10. Aufl. § 112 Rn. 368; krit. DKKW/Däubler 16. Aufl. §§ 112, 112a Rn. 123; ErfK/Kania 19. Aufl. BetrVG § 113 Rn. 2; zT auch Oetker GK-BetrVG 11. Aufl. § 113 Rn. 109 f. mwN; Fitting BetrVG 29. Aufl. § 113 Rn. 32 mwN; HaKo-BetrVG/Steffan 5. Aufl. § 113 Rn. 2). Das gilt ebenso für den - umgekehrten und hier vorliegenden - Fall der Erfüllungswirkung eines gezahlten Nachteilsausgleichs bezüglich des Anspruchs auf Sozialplanabfindung (im Ergebnis ebenso bereits BAG 13. Juni 1989 - 1 AZR 819/87 - zu B III 3 a der Gründe, BAGE 62, 88).
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bb) Die Verrechnung von Nachteilsausgleich und Sozialplanabfindung - im Wege der Erfüllungswirkung - verbietet sich nicht im Hinblick auf die Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen (MERL). Deren Art. 6 als Ausprägung des allgemeinen unionsrechtlichen Gebots des effet utile gibt es nicht vor, den Nachteilsausgleich nach § 113 BetrVG auf jeden Fall (in voller Höhe) neben einer Sozialplanabfindung fordern zu können.
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(1) Art. 2 der ausweislich ihrer Erwägungsgründe 2, 4 und 6 die Verstärkung des Arbeitnehmerschutzes und die Verbesserung des Funktionierens des Binnenmarktes bezweckenden MERL verlangt im Fall einer Massenentlassung die Durchführung eines Konsultationsverfahrens mit der Arbeitnehmervertretung (vgl. im Einzelnen zB EuArbR/Spelge 2. Aufl. RL 98/59/EG Rn. 5 und Rn. 8 ff.). Nach Art. 2 Abs. 1 MERL hat ein Arbeitgeber, der beabsichtigt, eine Massenentlassung iSd. Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie durchzuführen, die Arbeitnehmervertreter rechtzeitig zu konsultieren, um zu einer Einigung zu gelangen. Diese Verhandlungen haben sich nach Art. 2 Abs. 2 MERL mindestens darauf zu erstrecken, Massenentlassungen zu vermeiden oder zu beschränken sowie ihre Folgen durch soziale Begleitmaßnahmen zu mildern. Nach Art. 2 Abs. 3 MERL hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmervertretern - damit sie konstruktive Vorschläge unterbreiten können - rechtzeitig im Verlauf der Konsultationen zweckdienliche Auskünfte zu erteilen und sie schriftlich über die in Art. 2 Abs. 3 Buchst. b MERL aufgezählten Angaben zu unterrichten. Insgesamt bezweckt die MERL eine Teilharmonisierung und überlässt es dem nationalen Recht, die materiell-rechtlichen Voraussetzungen festzulegen, unter denen der Arbeitgeber ggf. Massenentlassungen vornehmen kann oder nicht (EuGH 21. Dezember 2016 - C-201/15 - [AGET Iraklis] Rn. 29 ff.; BAG 26. Oktober 2017 - 2 AZR 298/16 - Rn. 24). Gemäß Art. 6 MERL müssen die Mitgliedstaaten aber Verfahren einrichten, mit denen die Einhaltung der von der Richtlinie vorgesehenen Verpflichtungen gewährleistet werden kann. Sie haben dabei darauf zu achten, dass die Verstöße gegen das Unionsrecht nach sachlichen und verfahrensrechtlichen Regeln geahndet werden, die denjenigen entsprechen, die für nach Art und Schwere gleichartige Verstöße gegen nationales Recht gelten. Die Sanktion muss wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein (vgl. EuGH 8. Juni 1994 - C-383/92 - [Kommission/Vereinigtes Königreich] Rn. 40). Die den Mitgliedstaaten überlassene Umsetzung dieser Maßgabe darf der Richtlinie nicht ihre praktische Wirksamkeit nehmen (vgl. EuGH 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 34, 36).
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(2) Dem unionsrechtlich determinierten Massenentlassungsschutz und der Konsultationspflicht entspricht das in § 17 Abs. 2 KSchG geregelte Konsultationsverfahren (vgl. BAG 22. September 2016 - 2 AZR 276/16 - Rn. 47, BAGE 157, 1; zu § 17 KSchG insgesamt vgl. auch BAG 26. Januar 2017 - 6 AZR 442/16 - Rn. 23, BAGE 158, 104). Verstößt der Arbeitgeber gegen dessen gesetzliche Anforderungen, ist die im Zusammenhang mit einer Massenentlassung erfolgte Kündigung nach § 134 BGB rechtsunwirksam (BAG 20. Januar 2016 - 6 AZR 601/14 - Rn. 16 mwN, BAGE 154, 53; 21. März 2013 - 2 AZR 60/12 - Rn. 23 ff., BAGE 144, 366). Diese Rechtsfolge verhindert, dass der Arbeitgeber durch den Ausspruch von Kündigungen unumkehrbare Fakten schafft, bevor das Konsultationsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt wurde (vgl. BAG 21. März 2013 - 2 AZR 60/12 - Rn. 26, aaO).
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(3) Damit existiert eine Rechtsfolge, die eine wirksame Sanktion iSv. Art. 6 MERL darstellt (Preis/Sagan/Naber/Sittard EuArbR 2. Aufl. Rn. 14.123). Die Sanktionswirkung einer Geldentschädigung ist weder geboten noch adäquat. Sie ließe unabhängig von der Höhe eines Entschädigungsbetrags den Bestand der Kündigung unberührt und könnte den Ausspruch von Kündigungen vor Abschluss des Konsultationsverfahrens nicht effektiv verhindern (vgl. BAG 21. März 2013 - 2 AZR 60/12 - Rn. 26 f., BAGE 144, 366). Auch wären unterschiedliche Sanktionen für Konsultations- und Anzeigeverfahren - einerseits Unwirksamkeit der Kündigung bei fehlender oder fehlerhafter Anzeige der Massenentlassung gegenüber der Agentur für Arbeit (dazu vgl. BAG 22. November 2012 - 2 AZR 371/11 - BAGE 144, 47) und andererseits Geldentschädigung für Verstöße gegen die Konsultationspflicht - nach Ziel und Ausgestaltung der MERL nicht zu rechtfertigen (vgl. EuArbR/Spelge 2. Aufl. Art. 6 RL 98/59/EG Rn. 5; Schubert EWiR 2013, 693, 694).
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(4) Gegenteiliges ergibt sich nicht aus der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Gerichtshof) vom 8. Juni 1994 (- C-383/92 - [Kommission/Vereinigtes Königreich]). Danach ist eine Entschädigung für entlassene Arbeitnehmer, die mit Beträgen verrechenbar ist, deren Zahlung ein Arbeitnehmer ohnehin aufgrund des Arbeitsvertrags oder wegen dessen Bruchs verlangen kann, keine hinreichend abschreckende Sanktion für einen Arbeitgeber, der im Fall einer Massenentlassung seiner Pflicht zur Information und Konsultation der Arbeitnehmervertreter nicht nachkommt. Darum geht es vorliegend aber nicht, weil die nach nationalem Recht vorgesehene Sanktionierung eines Verstoßes gegen die unionsrechtlich determinierte Konsultationspflicht in der Unwirksamkeit der Kündigung und nicht in der Zahlung einer Abfindung liegt. Zu dieser Frage ist keine Vorlage nach Art. 267 AEUV veranlasst. Art. 6 MERL verpflichtet nicht zu spezifischen Sanktionen, sondern unterstellt die Regelung der Rechtsfolgen eines unterbliebenen oder nicht hinreichend beachteten Konsultationsverfahrens vor einer Massenentlassung der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten. Für das darin ausgedrückte allgemeine Gebot des effet utile unterliegt die unionsrechtliche Rechtslage, wonach nationalrechtliche Sanktionen effektiv, abschreckend und verhältnismäßig sein müssen (vgl. EuGH 2. Mai 2018 - C-574/15 [Scialdone] - Rn. 29; 7. März 2018 - C-494/16 - [Santoro] Rn. 28 f.; 7. September 2006 - C-53/04 - [Marrosu und Sardino] Rn. 51), keinen Zweifeln.
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cc) Sollte die Beklagte vorliegend das Konsultationsverfahren des § 17 Abs. 2 KSchG nicht ordnungsgemäß durchgeführt haben, steht dies der Erfüllungswirkung der Nachteilsausgleichszahlung (auch) für die streitbefangene Sozialplanforderung daher nicht entgegen. Zwar geht der Kläger - in Übereinstimmung mit der Beklagten - hiervon nicht aus, weil nach seiner Ansicht § 17 Abs. 2 KSchG lediglich Anzeige- und Unterrichtungspflichten regele. Diese Auffassung ist aber bereits vor dem Hintergrund des Wortlauts von § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG, wonach Arbeitgeber und Betriebsrat „insbesondere die Möglichkeiten zu beraten“ haben, „Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern“, nicht haltbar. Entsprechend ist das Vorbringen des Klägers widersprüchlich, die Beklagte habe mit dem Unterrichtungsschreiben an den Betriebsrat vom 16. April 2014 der Pflicht des § 17 Abs. 2 KSchG genügt, während eine rechtzeitige und umfassende Unterrichtung des Betriebsrats sowie eine Konsultation und Verhandlung mit ihm zum Zwecke der Abmilderung, Vermeidung und Beschränkung von Folgen der Betriebsstilllegung nicht erfolgt seien. Unterstellte man dennoch, die Beklagte habe das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG durchgeführt, sprächen erst recht keine unionsrechtlichen Gründe gegen die Verrechnung von Nachteilsausgleich und Sozialplanabfindung im Wege einer Erfüllungswirkung. Denn die Beklagte hätte in diesem Fall ihrer Konsultationspflicht in dem von der MERL vorgegebenen Umfang entsprochen. Die Verletzung von Beteiligungsrechten des Betriebsrats im Zusammenhang mit §§ 111 ff. BetrVG, welche über den von der MERL vorgegebenen Schutzstandard hinausgehen - wie die Einschaltung eines unparteiischen Dritten (Einigungsstellenverfahren) im Zusammenhang mit einem Interessenausgleichsversuch (vgl. auch BAG 20. November 2001 - 1 AZR 97/01 - zu II 2 c der Gründe, BAGE 99, 377) - erfordert keine den Vorgaben des Art. 6 MERL entsprechende Sanktion.
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dd) Schließlich ist die Rüge der Revision unbegründet, im Streitfall bliebe bei der Annahme einer Verrechenbarkeit der Forderungen unberücksichtigt, dass die Beklagte besonders massiv gegen die Beteiligungsrechte des Betriebsrats nach §§ 111, 112 BetrVG verstoßen habe. Das Ausmaß des betriebsverfassungswidrigen Verhaltens eines Arbeitgebers ist ein bei der Bemessung der Abfindungshöhe im Rahmen des § 113 Abs. 3 iVm. Abs. 1 BetrVG durch das Tatsachengericht einzustellendes Moment (vgl. BAG 7. November 2017 - 1 AZR 186/16 - Rn. 36 mwN). Die den Nachteilsausgleich titulierende(n) Entscheidung(en) der Gerichte für Arbeitssachen sind rechtskräftig und nicht - auch nicht mittelbar - Gegenstand der revisionsrechtlichen Überprüfung im hiesigen Rechtsstreit.
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