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BAG 29.08.2018 - 7 AZR 144/17
BAG 29.08.2018 - 7 AZR 144/17 - Zulässigkeit der Revision - Revisionsbegründung - Angriff jeder selbständig tragenden Erwägung
Normen
§ 72 Abs 5 ArbGG, § 551 Abs 1 ZPO, § 551 Abs 3 S 1 Nr 2 Buchst a ZPO, Art 12 Abs 1 GG, § 13 Abs 2 S 1 BG BE 2009
Vorinstanz
vorgehend ArbG Berlin, 4. März 2015, Az: 60 Ca 7633/14, Urteil
vorgehend LArbG Berlin-Brandenburg, 20. Oktober 2016, Az: 26 Sa 637/15, Urteil
Tenor
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Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 20. Oktober 2016 - 26 Sa 637/15 - wird als unzulässig verworfen.
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Das beklagte Land hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten in der Revision noch darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes geendet hat.
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Die Klägerin war bei dem beklagten Land seit 1994 als Sozialarbeiterin beschäftigt, zuletzt beim Bezirksamt F. Während der Elternzeit studierte sie Sonderpädagogik und schloss das Studium mit der Ersten Staatsprüfung ab. Mit Schreiben vom 18. November 2013 beantragte die Klägerin Sonderurlaub für die Zeit vom 3. Februar 2014 bis zum 2. Februar 2016, um ihren Vorbereitungsdienst für das Amt einer Lehrerin für Sonderpädagogik an Sonderschulen ableisten zu können. Das beklagte Land stimmte einer Beurlaubung aus dienstlichen Gründen nicht zu mit der Begründung, der Vorbereitungsdienst werde im Rahmen eines Beamtenverhältnisses absolviert und § 13 Abs. 2 des Landesbeamtengesetzes für Berlin (LBG) bestimme, dass ein privatrechtliches Arbeitsverhältnis zum Dienstherrn mit der Berufung in das Beamtenverhältnis erlösche. Nach der Aushändigung der Ernennungsurkunde trat die Klägerin am 3. Februar 2014 den Vorbereitungsdienst als Beamtin auf Widerruf an.
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Am 7. Februar 2014 wurde das Gesetz über die Aus-, Fort- und Weiterbildung der Lehrerinnen und Lehrer im Land Berlin (Lehrkräftebildungsgesetz - LBiG) verabschiedet. Das Gesetz trat am 20. Februar 2014 in Kraft. Es eröffnet unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, den Vorbereitungsdienst in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis (§ 10 Abs. 4 Satz 2 LBiG) oder berufsbegleitend (§ 12 LBiG) durchzuführen.
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Das Bezirksamt teilte der Klägerin mit Schreiben vom 10. März 2014 mit, dass ihr Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes durch die Ernennung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf mit Ablauf des 2. Februar 2014 erloschen sei.
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Die Klägerin hat mit der am 4. Februar 2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 17. Februar 2014 zugestellten Klage die Bewilligung von Sonderurlaub für die Zeit vom 3. Februar 2014 bis zum 2. Februar 2016 begehrt, hilfsweise hat sie sich gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund der Ernennung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf gewandt.
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Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, § 13 Abs. 2 LBG erfasse die Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf nicht. Die Vorschrift sei in diesem Sinne verfassungskonform einschränkend auszulegen, weil durch die gesetzlich angeordnete Beendigung des Arbeitsverhältnisses unverhältnismäßig in die durch Art. 12 Abs. 1 GG garantierte Berufsfreiheit eingegriffen werde. Durch die Gewährung von Sonderurlaub könne eine Kollision zwischen den Pflichten aus dem vorübergehend bestehenden Beamtenverhältnis und den Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis vermieden werden.
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Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Bedeutung - zuletzt beantragt
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festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 2. Februar 2014 hinaus fortbesteht.
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Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.
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Das Arbeitsgericht hat dem erstinstanzlich gestellten, auf Gewährung von Sonderurlaub unter Verzicht auf die Fortzahlung des Entgelts für die Zeit vom 3. Februar 2014 bis zum 2. Februar 2016 gerichteten Hauptantrag stattgegeben. Auf die Berufung des beklagten Landes hat das Landesarbeitsgericht den Hauptantrag abgewiesen, weil der Zeitraum, für den die Klägerin Sonderurlaub begehrt hatte, bereits abgelaufen war. Im Übrigen hat es die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen und nach dem hilfsweise gestellten Feststellungsantrag der Klägerin erkannt. Mit seiner Revision begehrt das beklagte Land die Abweisung der Klage auch in Bezug auf den Feststellungsantrag. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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I. Die Revision des beklagten Landes ist unzulässig. Die Revisionsbegründung entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen.
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1. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 1 ZPO muss der Revisionskläger die Revision begründen. Die Begründung muss nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ZPO diejenigen Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung ergeben soll. Dies erfordert die konkrete Darlegung der Gründe, aus denen das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sein soll. Die Revisionsbegründung muss den angenommenen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Die Revisionsbegründung hat sich deshalb mit den tragenden Gründen des angefochtenen Urteils auseinanderzusetzen (vgl. zur st. Rspr. BAG 30. August 2017 - 7 AZR 864/15 - Rn. 12, BAGE 160, 133). Hat das Berufungsgericht seine Entscheidung auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Revisionsbegründung jede von ihnen angreifen. Die Revisionsbegründung muss, ihre Berechtigung unterstellt, geeignet sein, die Entscheidung insgesamt infrage zu stellen. Setzt sich die Revisionsbegründung mit einer der selbständig tragenden Erwägungen nicht auseinander, ist das Rechtsmittel insgesamt unzulässig (vgl. zur st. Rspr. BAG 19. März 2008 - 5 AZR 442/07 - Rn. 14 ff.; 16. Mai 2007 - 7 ABR 45/06 - Rn. 13, BAGE 122, 293; 15. November 2006 - 7 ABR 6/06 - Rn. 14).
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2. Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung nicht gerecht.
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a) Die angefochtene Entscheidung beruht auf drei voneinander unabhängigen, selbständig tragenden rechtlichen Erwägungen.
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aa) Das Landesarbeitsgericht hat in erster Linie angenommen, § 13 Abs. 2 Satz 1 LBG führe nicht zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien, da die Vorschrift im Hinblick auf das durch Art. 12 Abs. 1 GG garantierte Grundrecht der Berufsfreiheit verfassungskonform einschränkend auszulegen sei mit der Folge, dass sie den vorliegenden Sachverhalt nicht erfasse. Danach sei die Vorschrift nicht anzuwenden, wenn ein Arbeitnehmer - wie die Klägerin - zur Ableistung eines Vorbereitungsdienstes zum Beamten auf Widerruf ernannt werde und die angestrebte berufliche Tätigkeit (hier als Lehrkraft) später in dem Bundesland nicht im Beamtenverhältnis ausgeübt werde (zu II 2 b der Gründe).
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bb) Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung außerdem damit begründet, dass das beklagte Land sich nicht auf § 13 Abs. 2 Satz 1 LBG berufen könne, da es treuwidrig gewesen sei, die Klägerin kurz vor dem Inkrafttreten des LBiG nicht auf die dadurch eröffneten Möglichkeiten hinzuweisen, den Vorbereitungsdienst ohne Verlust des Arbeitsverhältnisses durchzuführen (zu II 2 c aa und bb der Gründe).
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cc) Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung schließlich mit der Erwägung begründet, das beklagte Land könne sich jedenfalls deshalb nicht auf § 13 Abs. 2 Satz 1 LBG berufen, weil es in der vorliegenden besonderen Fallkonstellation verpflichtet gewesen wäre, der Klägerin zur Vermeidung der aufgezeigten, mit Art. 12 Abs. 1 GG nicht zu vereinbarenden Wertungswidersprüche unmittelbar die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu den bisherigen Bedingungen anzubieten und ihr dann Sonderurlaub zur Durchführung des Vorbereitungsdienstes zu gewähren (vgl. zu II 2, II 2 c sowie II 2 c cc der Gründe).
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b) Die Revision setzt sich nur mit den ersten beiden Begründungen auseinander, nicht jedoch mit der dritten Begründung.
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aa) Gegen die vom Landesarbeitsgericht mit der ersten Begründung vorgenommene verfassungskonform einschränkende Auslegung des § 13 Abs. 2 Satz 1 LBG hat das beklagte Land den aus seiner Sicht eindeutigen Wortlaut der Norm angeführt, der auch Beamte auf Widerruf erfasse, und die Auffassung vertreten, es widerspräche der mit dieser Vorschrift angestrebten Klarheit der Rechtsverhältnisse, wenn die kraft Gesetzes eintretende Rechtsfolge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses von der Abwägung wechselnder Umstände des Einzelfalls abhängig gemacht würde.
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bb) Der zweiten Erwägung einer treuwidrigen Berufung auf die in § 13 Abs. 2 Satz 1 LBG geregelte Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat das beklagte Land die Auffassung entgegengehalten, eine Hinweispflicht auf die bevorstehende Änderung der Gesetzeslage habe nicht bestanden. Weder müsse die Verwaltung über den konkreten Stand eines Gesetzgebungsvorhabens informiert sein noch sei erkennbar oder dargelegt worden, ob die Neuregelung es der Klägerin ermöglicht hätte, ihren Vorbereitungsdienst außerhalb eines Beamtenverhältnisses zu absolvieren.
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cc) Zu der dritten Erwägung des Landesarbeitsgerichts ist in der Revisionsbegründung nur ausgeführt, ein Anspruch auf Neubegründung des Arbeitsverhältnisses nach Treu und Glauben habe „ebenso“ nicht bestanden. Das beklagte Land hat damit lediglich das von ihm für zutreffend erachtete Ergebnis demjenigen des Landesarbeitsgerichts gegenübergestellt, ohne sich mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung auseinanderzusetzen. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit angenommen, das beklagte Land sei verpflichtet gewesen, der Klägerin die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses im unmittelbaren Anschluss an dessen Beendigung anzubieten und ihr Sonderurlaub zu bewilligen, um mit Art. 12 Abs. 1 GG nicht zu vereinbarende Wertungswidersprüche zu vermeiden. Hinsichtlich der von ihm angenommenen Wertungswidersprüche hat das Landesarbeitsgericht auf seine Erwägungen zu der verfassungskonformen Auslegung von § 13 Abs. 2 Satz 1 LBG Bezug genommen. Mit diesen Ausführungen befasst sich die Revisionsbegründung nicht. Hierzu finden sich auch bei den Darlegungen, mit denen die Revision die vom Landesarbeitsgericht gegebene Begründung zur verfassungskonformen Auslegung von § 13 Abs. 2 Satz 1 LBG angreift, keine Ausführungen. Diese Darlegungen betreffen nicht die vom Landesarbeitsgericht für die dritte Begründung in Bezug genommenen verfassungsrechtlichen Erwägungen. Eine Auseinandersetzung mit der dritten vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung hätte zumindest erfordert, dass das beklagte Land in irgendeiner Weise erkennen lässt, weshalb die mit der ersten Begründung dargestellten verfassungsrechtlichen Erwägungen und aufgezeigten Wertungswidersprüche keinen Anspruch auf Fortsetzung eines Arbeitsverhältnisses in der vorliegenden Fallkonstellation begründen konnten. Daran fehlt es.
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II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Gräfl
Waskow
Kiel
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