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BAG 25.04.2018 - 2 AZR 493/17
BAG 25.04.2018 - 2 AZR 493/17 - Kündigungsschutzklage - nachträgliche Zulassung - Zugang des Kündigungsschreibens - Sorgfaltsanforderungen bei nicht nur vorübergehender Abwesenheit des Arbeitnehmers
Normen
§ 4 S 1 KSchG, § 5 Abs 1 S 1 KSchG, § 5 Abs 4 S 2 KSchG, § 5 Abs 4 S 3 KSchG, § 7 KSchG, § 130 Abs 1 BGB, § 241 Abs 2 BGB, § 242 BGB
Vorinstanz
vorgehend Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven, 13. Dezember 2016, Az: 6 Ca 6172/16, Zwischenurteil
vorgehend Landesarbeitsgericht Bremen, 3. August 2017, Az: 2 Sa 26/17, Urteil
nachgehend BVerfG, 23. Juli 2019, Az: 1 BvR 2032/18, Nichtannahmebeschluss
Leitsatz
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Eine Klage ist nicht nach § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG nachträglich zuzulassen, wenn der Arbeitnehmer, der sich nicht nur vorübergehend im Ausland aufhält, nicht sicherstellt, dass er zeitnah von einem Kündigungsschreiben Kenntnis erlangt, das in einen von ihm vorgehaltenen Briefkasten im Inland eingeworfen wird.
Tenor
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Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 3. August 2017 - 2 Sa 26/17 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage.
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Der Kläger war bei der Beklagten, die Kliniken betreibt, seit Februar 2010 als Chefarzt beschäftigt. Die Beklagte übergab dem Kläger in der Vergangenheit alle rechtsverbindlichen Erklärungen, die das Arbeitsverhältnis betrafen, entweder persönlich oder übersandte sie per Einschreiben an seine Wohnanschrift. Seit Beauftragung seines Prozessbevollmächtigten informierte sie diesen parallel durch Übersendung einer Kopie.
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Mit Schreiben vom 10. Dezember 2013 bat der Prozessbevollmächtigte des Klägers den Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu veranlassen, dass alle für den Kläger bestimmten Schreiben ausschließlich an ihn zugestellt werden. Dem Schreiben war eine vom Kläger unterschriebene Vollmachtsurkunde beigefügt, die sich ua. auf die Entgegennahme von einseitigen Willenserklärungen bezog.
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Im Dezember 2013 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien und stellte die entsprechenden Schreiben an die Wohnanschrift des Klägers in A zu. Ihr Prozessbevollmächtigter unterrichtete parallel den Prozessbevollmächtigten des Klägers über die Kündigungen.
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In der Folgezeit nahm der Kläger eine Beschäftigung als Arzt in Katar auf. Sein Wohnhaus in A vermietete er.
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Mit Schreiben vom 31. Mai 2016 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30. Juni 2017. Das Schreiben wurde am 7. Juni 2016 um 14:50 Uhr durch einen Botendienst in den mit dem Namen des Klägers versehenen Briefkasten an seinem Haus in A eingeworfen. Es war in einem nicht frankierten Briefumschlag enthalten, der äußerlich keinen Hinweis auf Art und Zeit der Zustellung erkennen ließ. Auf der Vorderseite des Briefumschlags war der Aufdruck „G Klinikverbund B“ angebracht. Er glich Briefumschlägen, mit denen die Beklagte dem Kläger regelmäßig Informationen allgemeiner Art übersandte. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hatte zu diesem Zeitpunkt keine Kenntnis von der Kündigung. Den Prozessbevollmächtigten des Klägers informierte die Beklagte nicht über diese Kündigung.
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Der Kläger erlangte tatsächliche Kenntnis von dem Kündigungsschreiben erst am 1. Juli 2016, als er für einige Tage nach Deutschland zurückkehrt war.
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Mit einem am 5. Juli 2016 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben und vorsorglich beantragt, sie als Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen. Er hat die Auffassung vertreten, trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt gehindert gewesen zu sein, die Klage rechtzeitig zu erheben. Er sei trotz seiner Beschäftigung in Katar teilweise im Abstand von nur einigen Wochen in A gewesen. Mit dem Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 10. Dezember 2013 habe er ausreichende Vorkehrungen für den Zugang von weiteren Kündigungen getroffen, mit denen er zudem nicht habe rechnen müssen. Den Mieter seines Wohnhauses habe er angewiesen, ihm etwa einmal im Monat seine Post nach Katar nachzusenden. Über Einschreiben und förmliche Zustellungen habe ihn der Mieter unverzüglich über WhatsApp informiert und die Schriftstücke sofort nach Katar gesandt. Dem Mieter eine umfassende Genehmigung zur Öffnung aller an ihn adressierten Briefe zu erteilen, sei ihm nicht zumutbar gewesen.
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Der Kläger hat beantragt
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1.
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die vorsorgliche ordentliche Kündigung vom 31. Mai 2016 nicht aufgelöst wird;
2.
die Beklagte zu verurteilen, ihn zu den Bedingungen des Arbeitsvertrags vom 29. Dezember 2009 als Chefarzt vorläufig bis zur rechtskräftigen Beendigung weiterzubeschäftigen;
3.
vorsorglich die Klage gem. § 5 KSchG nachträglich zuzulassen.
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-
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen und den Antrag auf nachträgliche Zulassung der Klage zurückzuweisen.
- 11
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Das Arbeitsgericht hat den Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage durch Zwischenurteil abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das seinen Antrag auf nachträgliche Klagezulassung abweisende Zwischenurteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen.
- 13
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I. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist allein der Zwischenstreit gem. § 5 Abs. 4 Satz 2 und Satz 3 KSchG über den Antrag des Klägers auf nachträgliche Zulassung seiner Kündigungsschutzklage.
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II. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht als verspätet angesehen. Die am 5. Juli 2016 beim Arbeitsgericht eingegangene Klage hätte spätestens am 29. Juni 2016 anhängig gemacht werden müssen, um die Frist des § 4 Satz 1 KSchG zu wahren. Die Kündigung vom 31. Mai 2016 war dem Kläger spätestens am 8. Juni 2016 durch Einwurf des Kündigungsschreibens in den mit seinem Namen versehenen Briefkasten am 7. Juni 2016 iSd. § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB zugegangen.
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1. Eine verkörperte Willenserklärung geht unter Abwesenden iSv. § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB zu, sobald sie in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt ist und für diesen unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit besteht, von ihr Kenntnis zu nehmen. Zum Bereich des Empfängers gehören von ihm vorgehaltene Empfangseinrichtungen wie ein Briefkasten. Ob die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand, ist nach den „gewöhnlichen Verhältnissen“ und den „Gepflogenheiten des Verkehrs“ zu beurteilen. So bewirkt der Einwurf in einen Briefkasten den Zugang, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen ist. Dabei ist nicht auf die individuellen Verhältnisse des Empfängers abzustellen. Im Interesse der Rechtssicherheit ist vielmehr eine generalisierende Betrachtung geboten. Wenn für den Empfänger unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand, ist es unerheblich, ob er daran durch Krankheit, zeitweilige Abwesenheit oder andere besondere Umstände einige Zeit gehindert war. Den Empfänger trifft die Obliegenheit, die nötigen Vorkehrungen für eine tatsächliche Kenntnisnahme zu treffen. Unterlässt er dies, so wird der Zugang durch solche - allein in seiner Person liegenden - Gründe nicht ausgeschlossen (st. Rspr., zuletzt BAG 26. März 2015 - 2 AZR 483/14 - Rn. 37).
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2. Zum Bereich, über den der Kläger Verfügungsgewalt besaß, gehörte der von ihm an seinem Wohnhaus mit seinem Namen versehene und von ihm weiterhin zum Empfang von Post vorgehaltene Briefkasten. Durch den Einwurf des Kündigungsschreibens am 7. Juni 2016 ist spätestens am nächsten Tag sein Zugang iSv. § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB bewirkt worden. Daran, dass dies der Zeitpunkt der unter gewöhnlichen Verhältnissen spätestens zu erwartenden Entnahme war, änderte es nichts, dass der Kläger sich aufgrund der Aufnahme einer Beschäftigung in Katar nicht mehr regelmäßig in A aufhielt. Unerheblich ist auch, ob die Beklagte dies wusste.
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3. Zwischen den Parteien war nicht vereinbart, dass die Kündigung abweichend von § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB (zu dessen Abdingbarkeit vgl. MüKoBGB/Einsele 7. Aufl. § 130 Rn. 12) nur anderweit wirksam hätte zugehen können. Insbesondere hatten sich die Parteien nicht dahingehend geeinigt, dass die Beklagte Schreiben für den Kläger nur an seinen Prozessbevollmächtigten zuzustellen habe. Auf die an den Prozessbevollmächtigten der Beklagten mit Schreiben vom 10. Dezember 2013 gerichtete Bitte, alle für den Kläger bestimmten Schreiben der Beklagten ausschließlich an ihn zuzustellen, hatte die Beklagte nicht reagiert und war ihr anschließend auch nicht nachgekommen. Eine rechtliche Verpflichtung, für den Kläger bestimmte Schreiben nur noch an dessen Prozessbevollmächtigten zuzustellen, begründete das Schreiben vom 10. Dezember 2013 damit nicht (vgl. BGH 8. Februar 2011 - VI ZR 311/09 - Rn. 13 f.).
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4. Die Beklagte beruft sich nicht entgegen Treu und Glauben iSv. § 242 BGB auf den Zugang des Kündigungsschreibens spätestens am 8. Juni 2016. Ein treuwidriges Berufen auf den Zugang einer Willenserklärung kann zum einen nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht kommen, da der Begriff des Zugangs im Rechtssinne bereits das Ergebnis einer im Interesse des rechtssicheren Rechtsverkehrs vorgenommenen Abwägung zwischen dem Transportrisiko auf Seiten des Erklärenden und dem Kenntnisnahmerisiko auf Seiten des Empfängers darstellt (vgl. BAG 16. März 1988 - 7 AZR 587/87 - zu I 4 a der Gründe, BAGE 58, 9). Im Streitfall käme die Annahme einer Treuwidrigkeit allenfalls dann in Betracht, wenn die Beklagte gewusst hätte, dass der Briefkasten des Klägers gar nicht mehr geleert wurde und nur versehentlich noch mit seinem Namensschild versehen war. Entsprechenden Vortrag hat der Kläger nicht gehalten.
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III. Das Landesarbeitsgericht hat den Hilfsantrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage zu Recht als zulässig, aber unbegründet angesehen. Der Kläger war nicht iSv. § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt gehindert, die Klage rechtzeitig zu erheben.
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1. Es bedarf im Streitfall keiner abschließenden Entscheidung, auf welchen Sorgfaltsmaßstab im Rahmen von § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG abzustellen ist.
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a) Der Wortlaut von § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG verlangt, dass der Arbeitnehmer trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt gehindert war, die Klage rechtzeitig zu erheben. Dies spricht - wie beim Begriff der Fahrlässigkeit iSv. § 276 Abs. 2 BGB - für einen im Grundsatz objektiv-abstrakten Sorgfaltsmaßstab (so auch BAG 24. November 2011 - 2 AZR 614/10 - Rn. 16). Danach wäre - anders als im Strafrecht - kein persönlicher Schuldvorwurf erforderlich und der Sorgfaltsmaßstab insofern nicht „subjektiv“ (zu § 276 Abs. 2 BGB vgl. Jauernig/Stadler BGB 16. Aufl. § 276 Rn. 29). Der Wortlaut von § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG schließt es aber andererseits nicht aus, zu den „nach Lage der Umstände“ zu berücksichtigenden Faktoren im Einzelfall auch in der Person des Arbeitnehmers liegende Besonderheiten zu zählen, wenn dies nach den zu berücksichtigenden Interessen geboten erscheint.
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b) Der Zweck von § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG dürfte ebenfalls dafür sprechen, einen grundsätzlich objektiv-abstrakt zu bestimmenden Sorgfaltsmaßstab unter Berücksichtigung der betroffenen Interessen anzulegen.
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aa) Auf Seiten des Arbeitnehmers ist zu beachten, dass durch § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG - im Prinzip nicht anders als bei § 233 ZPO - der Zugang zum Gericht nicht in unzumutbarer, sachlich nicht gerechtfertigter und mit Art. 19 Abs. 4, Art. 103 Abs. 1 GG nicht zu vereinbarender Weise erschwert wird (vgl. BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 985/08 - Rn. 32 mwN, BAGE 133, 149). Nachteile in Form eines Rechtsverlusts aufgrund der unverschuldeten Nichteinhaltung der Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG sollen vermieden werden. Dies spräche an sich - ebenso wie bei § 233 ZPO (vgl. dazu etwa Musielak/Voit/Grandel ZPO 15. Aufl. § 233 Rn. 4) - für das Abstellen auch auf „subjektive“ Momente, wie etwa die Prozesserfahrenheit oder den Bildungsstand des Antragstellers.
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bb) Bei der Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG handelt es sich indes nicht um eine rein prozessuale Frist. Ihre Nichteinhaltung hat vielmehr aufgrund der Fiktion in § 7 KSchG - vergleichbar einer Ausschlussfrist - eine unmittelbare materielle Wirkung. § 4 Satz 1, § 7 KSchG sollen das Interesse des Arbeitgebers an einer alsbaldigen auch materiell-rechtlichen Rechtssicherheit in Bezug auf die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses durch eine arbeitgeberseitige Kündigung schützen (vgl. BAG 21. September 2017 - 2 AZR 57/17 - Rn. 19). Auch darauf hat die Bestimmung der dem Arbeitnehmer iSv. § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG zuzumutenden Sorgfalt daher Bedacht zu nehmen. Individuelle Besonderheiten können deshalb zB insoweit keine Rolle spielen, wie Grund für ihre Versäumung die Unkenntnis der Klagefrist ist. Der von § 4 Satz 1, § 7 KSchG intendierte Schutz des Arbeitgebers liefe anderenfalls weitgehend leer. Es gehört zu den für jeden Arbeitnehmer geltenden Sorgfaltspflichten, sich zumindest nach Erhalt einer Kündigung unverzüglich darum zu kümmern, ob und wie er dagegen vorgehen kann (BAG 22. März 2012 - 2 AZR 224/11 - Rn. 44; 26. August 1993 - 2 AZR 376/93 - zu B I 2 c aa der Gründe, BAGE 74, 158). Etwas anderes kann dagegen für solche „subjektiven“ Besonderheiten gelten, die in der konkreten Situation den Schutz des Arbeitnehmers auch in Anbetracht der Interessen des Arbeitgebers geboten erscheinen lassen.
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cc) Der besondere, auch materiell-rechtliche Charakter der Klagefrist gem. § 4 Satz 1 KSchG hindert es im Übrigen nicht, solche Fallgestaltungen, die nach Sinn und Zweck von § 4 Satz 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 und § 7 KSchG keine Abweichung von den von der Rechtsprechung zu § 233 ZPO entwickelten Grundsätzen gebieten, im Rahmen von § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG gleichzubehandeln, wie etwa allgemeine Probleme im Zusammenhang mit der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze (nur insoweit BVerfG 25. Februar 2000 - 1 BvR 1363/99 - zu B I 1 c der Gründe; BAG 6. Oktober 2010 - 7 AZR 569/09 - Rn. 10, BAGE 136, 30 betrifft dagegen allein die Übertragung von § 234 Abs. 2 ZPO).
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2. Dies kann indes im Streitfall dahinstehen. Der Kläger hat - nach einem objektiven wie subjektiven Maßstab - die ihm nach Lage der Umstände zuzumutende Sorgfalt nicht beachtet.
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a) Er hat keine ausreichenden Vorkehrungen getroffen, um eine zeitnahe Kenntnisnahme von in seinen Briefkasten eingeworfenen Schriftstücken sicherzustellen.
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aa) Der Kläger war nicht nur vorübergehend - wie im Falle einer urlaubsbedingten Abwesenheit von bis zu sechs Wochen - von einer ansonsten ständig von ihm benutzten Wohnung abwesend (zu dieser Fallgestaltung vgl. BVerfG 18. Oktober 2012 - 2 BvR 2776/10 - Rn. 17 zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist gegen einen Strafbefehl; 11. Februar 1976 - 2 BvR 849/75 - zu B 2 der Gründe, BVerfGE 41, 332 zur Versäumung der Einspruchsfrist gegen einen Bußgeldbescheid). Er hielt sich vielmehr umgekehrt aufgrund einer in Katar aufgenommenen Beschäftigung nur noch gelegentlich in A auf, vor der Kündigung nach seinem eigenen Vorbringen zuletzt vom 28. Januar bis 1. Februar 2016 und damit im Zeitpunkt ihres Zugangs bereits seit mehr als vier Monaten nicht mehr. Da er dennoch weiterhin einen Briefkasten mit seinem Namen dort vorhielt, hätte er - anders als bei bloß vorübergehender urlaubsbedingter Abwesenheit, bei der ein solcher Aufwand nicht zumutbar erschiene (vgl. BVerfG 18. Oktober 2012 - 2 BvR 2776/10 - aaO; 11. Februar 1976 - 2 BvR 849/75 - aaO) - dafür Sorge tragen müssen, dass er zeitnah von für ihn bestimmten Sendungen Kenntnis erlangte. Ist nämlich - wie zB hier aus beruflichen Gründen (vgl. BPatG 22. November 1999 - 5 W (pat) 6/99 - zu II 2 der Gründe) - die Abwesenheit von der „ständigen“ Wohnung die Regel, muss der Adressat deshalb besondere Vorkehrungen treffen, dass er normalerweise rechtzeitig Kenntnis von Zustellungen erlangt (vgl. BVerfG 11. Februar 1976 - 2 BvR 849/75 - aaO).
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bb) Dem ist der Kläger nicht ausreichend nachgekommen. Er hätte in Anbetracht seiner nur noch gelegentlichen Anwesenheit in A eine Person seines Vertrauens damit beauftragen müssen, die für ihn bestimmte Post regelmäßig zu öffnen und ihn oder einen zur Wahrnehmung seiner Rechte beauftragten Dritten zeitnah über ihren Inhalt zu informieren oder sie an einen zu ihrer Öffnung und Wahrung seiner Rechte bevollmächtigten Dritten weiterleiten zu lassen.
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(1) Der Kläger hat durch die von ihm vorgetragenen Anweisungen an den Mieter seines Wohnhauses in A nicht die nötigen Vorkehrungen für eine tatsächliche Kenntnisnahme getroffen. Dieser sollte an ihn adressierte Post nur etwa einmal im Monat gesammelt nach Katar schicken. Dadurch war nicht gewährleistet, dass der Kläger zeitnah tatsächlich von diesen Sendungen Kenntnis nehmen konnte, zumal er selbst von erheblichen Postlaufzeiten von Deutschland nach Katar ausgeht. Soweit der Kläger überdies behauptet, der Mieter habe ihn über Einschreiben und förmliche Zustellungen unverzüglich über WhatsApp informiert und die Schriftstücke sofort nach Katar gesandt, reicht auch diese mögliche Vorkehrung nicht aus. Sie betraf lediglich einen Teil der für ihn bestimmten Sendungen.
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(2) Dem Kläger waren über die vorgetragenen Anweisungen an den Mieter seines Wohnhauses in A hinausgehende Vorkehrungen nicht unzumutbar. Insbesondere hätte er seinen Mieter bitten können, die Post an eine Person seines Vertrauens - wie etwa seinen Prozessbevollmächtigten - weiterzuleiten, und diese wiederum mit der Überprüfung des Inhalts der Sendungen und ggf. der Vornahme fristwahrender Handlungen beauftragen können. Eine solche besondere Vorkehrung für die rechtzeitige Kenntnisnahme von Zustellungen konnte von ihm verlangt werden, weil seine berufsbedingte Auslandsabwesenheit mittlerweile die Regel war und er die für ihn bestimmten, in den Briefkasten seines Wohnhauses in A eingelegten Sendungen nur in unregelmäßigen Abständen tatsächlich zur Kenntnis nehmen konnte (vgl. BVerfG 11. Februar 1976 - 2 BvR 849/75 - zu B 2 der Gründe, BVerfGE 41, 332). Ob dem Kläger ein Nachsendeauftrag nach Katar unzumutbar war, bedarf daher keiner Entscheidung.
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b) Der Kläger durfte von ausreichenden Vorkehrungen, eine zeitnahe Kenntnisnahme von in seinen Briefkasten eingeworfenen Schriftstücken sicherzustellen, nicht zumindest in Bezug auf rechtserhebliche Schreiben der Beklagten absehen, weil er davon ausgehen konnte, solche würden nicht in seinen Hausbriefkasten in A eingeworfen oder die Beklagte werde ihn darüber jedenfalls zusätzlich noch auf einem anderen Weg unterrichten oder die Wichtigkeit des Inhalts eines Schreibens schon auf dem Briefumschlag kenntlich machen.
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aa) Zwar mag der Kläger insoweit kein Gefahrenbewusstsein gehabt haben, weil er nach dem früheren Verhalten der Beklagten annahm, sie werde zumindest seinen Prozessbevollmächtigten über den Zugang einer Kündigung gesondert informieren. Er durfte sich aber bei Anwendung der zuzumutenden Sorgfalt nicht darauf verlassen, die Beklagte werde dies, ohne dass darüber eine verbindliche Vereinbarung getroffen war, stets und insbesondere auch noch nach längerem Zeitablauf - wie hier - weiter so handhaben. Es sind auch keine Tatsachen festgestellt, die die Annahme rechtfertigten, die Beklagte habe den Eindruck erweckt, sie oder ihr Prozessbevollmächtigter werde den Prozessbevollmächtigten des Klägers stets zeitnah über „Zustellungen“ an seiner Wohnanschrift unterrichten. Zwar hat sie diesen seit seiner Beauftragung in jedem Einzelfall parallel durch Übersendung einer Kopie über rechtsverbindliche Erklärungen, die das Arbeitsverhältnis der Parteien betrafen, informiert. Allein deshalb durfte der Kläger aber nicht darauf vertrauen, die Beklagte werde dies auch künftig tun. Nach den nicht angegriffenen und damit für den Senat gem. § 559 Abs. 2 ZPO bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war für den Kläger erkennbar, dass die Beklagte sich nicht zu einem entsprechenden Verhalten verpflichtet hatte. Er musste daher damit rechnen, dass sie künftig anders verfahren könnte.
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bb) Der Kläger durfte sich auch nicht darauf verlassen, dass wichtige schriftliche Erklärungen der Beklagten durch Inaugenscheinnahme des Briefumschlags erkennbar wären. Die Beklagte hatte in der Vergangenheit zwar alle rechtsverbindlichen Erklärungen, die das Arbeitsverhältnis der Parteien betrafen, entweder an ihn persönlich übergeben oder per Einschreiben an seine Wohnanschrift zugestellt. Dass sie dem Kläger gegenüber zu erkennen gegeben hätte, diese Praxis auch künftig in jedem Fall beizubehalten, ist jedoch ebenfalls weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
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cc) Die Beklagte war nicht unabhängig davon, ob sie sich dementsprechend gegenüber dem Kläger gesondert verpflichtet hatte, aufgrund einer vertraglichen Nebenpflicht gem. § 241 Abs. 2 BGB gehalten, den Kläger selbst fernmündlich oder zumindest seinen Prozessbevollmächtigten über den Zugang der Kündigung zu informieren.
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(1) Zwar kann der Arbeitgeber aufgrund arbeitsvertraglicher Nebenpflichten gehalten sein, zur Vermeidung von Rechtsnachteilen von sich aus geeignete Hinweise zu geben. Grundsätzlich hat allerdings innerhalb vertraglicher Beziehungen jede Partei für die Wahrnehmung ihrer Interessen selbst zu sorgen. Hinweis- und Aufklärungspflichten beruhen auf den besonderen Umständen des Einzelfalls und sind das Ergebnis einer umfassenden Interessenabwägung (vgl. BAG 15. November 2016 - 3 AZR 582/15 - Rn. 86, BAGE 157, 164; 13. November 2014 - 8 AZR 817/13 - Rn. 22).
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(2) Danach musste die Beklagte weder den Kläger selbst noch dessen Prozessbevollmächtigten zeitnah über die Zustellung der Kündigung an die Wohnanschrift des Klägers unterrichten. Sie durfte auch damit rechnen, der Kläger werde die Kündigung alsbald nach Einwurf in den Briefkasten an seinem Wohnhaus in A tatsächlich zur Kenntnis nehmen. Selbst wenn ihr - wie vom Kläger behauptet - dessen Beschäftigung in Katar bekannt gewesen sein sollte, durfte sie mangels gegenteiliger Anhaltspunkte darauf vertrauen, dass der Kläger die nötigen Vorkehrungen für eine zeitnahe Kenntnisnahme getroffen hatte. Nach den nicht angegriffenen und damit für den Senat gem. § 559 Abs. 2 ZPO bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger ihr Gegenteiliges zu keinem Zeitpunkt mitgeteilt. Der Beklagten war zudem nicht bekannt, wann und wie häufig sich der Kläger in A oder in Katar aufhielt. Im Übrigen ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass für die Beklagte anderweitige Anhaltspunkte dafür bestanden, der Kläger werde für ihn bestimmte, in den Briefkasten seines Wohnhauses in A eingelegte Sendungen nicht alsbald tatsächlich zur Kenntnis nehmen.
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dd) Unerheblich ist, ob der Kläger konkret mit dem Zugang einer weiteren Kündigung durch die Beklagte rechnen musste. Dies könnte allenfalls dann von Bedeutung sein, wenn eine Zugangsvereitelung im Raum stünde (dazu BAG 26. März 2015 - 2 AZR 483/14 - Rn. 21; 22. September 2005 - 2 AZR 366/04 - zu II 2 a der Gründe). So liegt es indes im Streitfall nicht. Der Kläger hatte vielmehr durch das Vorhalten eines mit seinem Namen versehenen Briefkastens an seinem Wohnhaus in A eine Zugangsmöglichkeit gerade aufrechterhalten, so dass ihn auch die Obliegenheit traf, Vorkehrungen für eine zeitnahe Kenntnisnahme von dort eingelegten Schreiben zu treffen.
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c) Sein Unterlassen, die erforderlichen Vorkehrungen für eine zeitnahe Kenntnisnahme von in seinen Briefkasten eingeworfenen Schriftstücken zu treffen, war kausal für die Versäumung der Klagefrist. Wären ihm selbst oder einem von ihm bevollmächtigten Dritten zeitnah der Zugang der Kündigung zur Kenntnis gelangt, hätte er die erforderlichen Schritte noch innerhalb der Frist veranlassen können. Unerheblich ist dagegen, dass er nach Zugang der Kündigung immerhin innerhalb von vier Wochen Klage, verbunden mit dem Antrag nach § 5 KSchG, erhoben hat.
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3. Die Beklagte ist nicht nach § 242 BGB gehindert, sich auf das Verschulden des Klägers an der Fristversäumnis zu berufen. Sie hat sich weder in Widerspruch zu einem ihm gegenüber geschaffenen Vertrauenstatbestand verhalten noch sind Umstände festgestellt oder in für das Revisionsverfahren beachtlicher Weise behauptet, die die Annahme rechtfertigten, die Beklagte nutze rechtsmissbräuchlich eine unredlich erworbene und in diesem Sinne lediglich formale Rechtsposition aus.
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IV. Der Kläger hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.
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Koch
Niemann
Rachor
M. Trümner
Gerschermann
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