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BAG 09.08.2016 - 9 AZR 51/16
BAG 09.08.2016 - 9 AZR 51/16 - Teilurlaub nach § 26 Abs 2 Buchst b TV-L
Normen
§ 26 Abs 2 Buchst b TV-L, § 5 Abs 1 BUrlG, § 26 Abs 1 TV-L, § 3 Abs 1 BUrlG, § 13 Abs 1 S 1 BUrlG
Vorinstanz
vorgehend ArbG Dresden, 10. Juni 2015, Az: 10 Ca 337/15, Urteil
vorgehend Sächsisches Landesarbeitsgericht, 8. Dezember 2015, Az: 3 Sa 363/15, Urteil
Tenor
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1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 8. Dezember 2015 - 3 Sa 363/15 - wird zurückgewiesen.
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2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Anzahl der vom Beklagten abzugeltenden Urlaubstage.
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Die als schwerbehindert anerkannte Klägerin war bis zum 31. Juli 2014 bei dem Beklagten als Lehrerin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand kraft einzelvertraglicher Inbezugnahme der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) Anwendung.
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§ 26 TV-L lautet auszugsweise:
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„§ 26
Erholungsurlaub
(1)
Beschäftigte haben in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts (§ 21). Bei Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf fünf Tage in der Kalenderwoche beträgt der Urlaubsanspruch in jedem Kalenderjahr 30 Arbeitstage. … Verbleibt bei der Berechnung des Urlaubs ein Bruchteil, der mindestens einen halben Urlaubstag ergibt, wird er auf einen vollen Urlaubstag aufgerundet; Bruchteile von weniger als einem halben Urlaubstag bleiben unberücksichtigt. …
…
(2)
Im Übrigen gilt das Bundesurlaubsgesetz mit folgenden Maßgaben:
…
b)
Beginnt oder endet das Arbeitsverhältnis im Laufe eines Jahres, steht als Erholungsurlaub für jeden vollen Monat des Arbeitsverhältnisses ein Zwölftel des Urlaubsanspruchs nach Absatz 1 zu; § 5 Bundesurlaubsgesetz bleibt unberührt.
…“
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Im Kalenderjahr 2014 gewährte der Beklagte der Klägerin 23 Urlaubstage. Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses galt er zwei weitere Urlaubstage mit 359,96 Euro brutto ab.
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Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Abgeltung weiterer zehn Urlaubstage in Höhe von 1.799,80 Euro brutto geltend gemacht. Sie hat die Auffassung vertreten, sie habe im Kalenderjahr 2014 den vollen tariflichen Urlaubsanspruch zuzüglich eines Schwerbehindertenzusatzurlaubs von fünf Tagen erworben. Eine anteilige Kürzung des Tarifurlaubs gemäß § 26 Abs. 2 Buchst. b TV-L sei unzulässig. Die Regelung in § 26 Abs. 2 Buchst. b Halbs. 2 TV-L, dass § 5 BUrlG unberührt bleibe, ordne an, dass eine Zwölftelung des Urlaubsanspruchs unterbleiben müsse, wenn das Arbeitsverhältnis in der zweiten Jahreshälfte ende. Eine abweichende Auslegung der Tarifnorm sei mit § 13 Abs. 1 BUrlG nicht vereinbar.
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Die Klägerin hat beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.799,80 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. August 2014 zu zahlen.
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Der Beklagte hat zu seinem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, der tarifliche Urlaubsanspruch sei gemäß § 26 Abs. 2 Buchst. b TV-L auch bei einem Ausscheiden in der zweiten Jahreshälfte zu quoteln. Der Hinweis auf § 5 BUrlG solle gewährleisten, dass die tarifliche Zwölftelung nicht zu einem Unterschreiten des gesetzlichen Mindesturlaubs führe. Danach habe die Klägerin für das Jahr 2014 einen Gesamturlaubsanspruch von 25 Tagen gehabt. Neben dem Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen von fünf Tagen habe der Klägerin der gesetzliche Mindesturlaub von 20 Tagen zugestanden.
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Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
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I. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Urlaubsabgeltung für weitere zehn Urlaubstage zu. Der Beklagte hat den gesetzlichen und tariflichen Urlaubsanspruch sowie den Schwerbehindertenzusatzurlaub der Klägerin in vollem Umfang durch die Gewährung von 23 Urlaubstagen und die Abgeltung von zwei weiteren Urlaubstagen erfüllt.
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1. Gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG ist der zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestehende Urlaubsanspruch abzugelten, wenn der Urlaub wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr genommen werden kann. Abzugelten ist aber nur ein Urlaubsanspruch, der noch nicht erfüllt ist (BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 763/08 - Rn. 12). Zum Zeitpunkt des Ausscheidens der Klägerin mit dem 31. Juli 2014 bestand noch ein Anspruch auf zwei abzugeltende Urlaubstage.
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2. Für das Kalenderjahr 2014 stand der Klägerin ein Gesamturlaubsanspruch von 25 Tagen zu. Dieser setzte sich zusammen aus 20 Tagen gesetzlichen und tariflichen Urlaubs und fünf Tagen Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX.
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a) Gemäß § 26 Abs. 1 TV-L haben Beschäftigte im Rahmen einer Fünftagewoche in jedem Kalenderjahr Anspruch auf 30 Tage Erholungsurlaub. Beginnt oder endet das Arbeitsverhältnis im Laufe eines Jahres, steht den Beschäftigten gemäß § 26 Abs. 2 Buchst. b Halbs. 1 TV-L als Erholungsurlaub für jeden vollen Monat des Arbeitsverhältnisses ein Zwölftel des Urlaubsanspruchs nach § 26 Abs. 1 TV-L zu. § 26 Abs. 2 Buchst. b Halbs. 2 TV-L ordnet an, dass § 5 BUrlG unberührt bleibt.
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b) Die Zwölftelung des Urlaubsanspruchs nach § 26 Abs. 2 Buchst. b TV-L findet auch bei einem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis nach erfüllter Wartezeit in der zweiten Hälfte des Kalenderjahres statt. Der Hinweis in § 26 Abs. 2 Buchst. b Halbs. 2 TV-L, dass § 5 BUrlG unberührt bleibt, gewährleistet, dass die Zwölftelung nicht zu einer nach § 13 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 3 Abs. 1 BUrlG unzulässigen Unterschreitung des gesetzlichen Mindesturlaubs führt. Dies ergibt die Auslegung des § 26 Abs. 2 Buchst. b TV-L.
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aa) Bereits der Tarifwortlaut, von dem bei der Auslegung vorrangig auszugehen ist (st. Rspr., zB BAG 17. Juni 2015 - 10 AZR 518/14 - Rn. 14; 24. Februar 2010 - 10 AZR 1035/08 - Rn. 15), spricht für diese Rechtsauffassung. Unter Bezugnahme auf den in § 26 Abs. 1 TV-L geregelten Urlaubsanspruch bestimmt § 26 Abs. 2 Buchst. b Halbs. 1 TV-L unabhängig vom Zeitpunkt des Ein- oder Austritts, dass sich der Erholungsurlaub für jeden vollen Monat des Arbeitsverhältnisses auf ein Zwölftel des Urlaubsanspruchs beläuft. Aus dem Hinweis auf § 5 BUrlG kann nicht auf eine ausschließliche Anwendung des Zwölftelungsprinzips (auch bezüglich des tariflichen Mehrurlaubs) auf die Fälle des Teilurlaubs iSv. § 5 Abs. 1 Buchst. a bis c BUrlG geschlossen werden. Einer derartigen Betrachtung steht der Einleitungssatz des § 26 Abs. 2 TV-L entgegen. Die Tarifvertragsparteien haben darin vereinbart, dass „im Übrigen“ - soweit also § 26 Abs. 1 TV-L keine Sonderregelungen enthält - grundsätzlich die Bestimmungen des BUrlG Anwendung finden sollen. In den Buchst. a bis d des § 26 Abs. 2 TV-L werden sodann „Maßgaben“ (abweichende Regeln) bei der Anwendung des BUrlG vereinbart (Effertz Taschenbuch öffentlicher Dienst TV-L Stand Mai 2016 § 26 S. 4). Nach dem klaren Wortlaut des Einleitungssatzes in § 26 Abs. 2 TV-L sollen also nicht die Regelungen des BUrlG uneingeschränkt zur Geltung kommen, sondern lediglich nach Maßgabe der folgenden, vom BUrlG abweichenden Regelungen. Hierzu zählt auch die tarifliche Zwölftelungsregelung des § 26 Abs. 2 Buchst. b TV-L. Hätten die Tarifvertragsparteien in § 26 Abs. 2 Buchst. b Halbs. 2 TV-L auch für den tariflichen Mehrurlaub die Teilurlaubsregelung des § 5 Abs. 1 BUrlG übernehmen wollen, wäre § 26 Abs. 2 Buchst. b TV-L insgesamt überflüssig. Diese Rechtsfolge würde sich dann bereits unmittelbar aus dem Einleitungssatz in § 26 Abs. 2 TV-L ergeben.
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bb) Mit der Anordnung, dass § 5 BUrlG unberührt bleibt, haben die Tarifvertragsparteien für die durch die tarifliche Zwölftelungsregelung bewirkte Abweichung von der Teilurlaubsregelung des § 5 Abs. 1 BUrlG klargestellt, dass der gesetzliche Mindesturlaub - insbesondere bei einem Ausscheiden nach erfüllter Wartezeit in der zweiten Jahreshälfte - durch die Tarifregelung nicht unterschritten werden darf (vgl. Breier/Dassau/Kiefer/Thivessen TV-L Stand Juli 2016 § 26 Rn. 131). Aus § 5 Abs. 1 Buchst. c BUrlG hat die Rechtsprechung den Umkehrschluss hergeleitet, dass eine Zwölftelung des gesetzlichen Mindesturlaubs nach §§ 1, 3 BUrlG bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses in der zweiten Jahreshälfte nach erfüllter Wartezeit unzulässig sei (BAG 18. Februar 2014 - 9 AZR 765/12 - Rn. 13; 20. Januar 2009 - 9 AZR 650/07 - Rn. 21). Dementsprechend wäre es den Tarifvertragsparteien des TV-L gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG verwehrt, den gesetzlichen Urlaubsanspruch nach dem BUrlG bei einem Ausscheiden nach erfüllter Wartezeit in der zweiten Jahreshälfte zu kürzen. Die Tatbestandsergänzung in § 26 Abs. 2 Buchst. b TV-L, wonach § 5 BUrlG unberührt bleibt, sofern das Arbeitsverhältnis im Laufe eines Jahres beginnt oder endet, berücksichtigt dies und garantiert den Beschäftigten den gesetzlichen Mindesturlaub.
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cc) Bei dieser Interpretation des § 26 Abs. 2 Buchst. b TV-L steht dem (ggf. anteiligen) Erlöschen des tariflichen Mehrurlaubs bei einem unterjährigen Ausscheiden weder § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG noch Unionsrecht entgegen. Diesen Mehrurlaub können die Tarifvertragsparteien grundsätzlich frei regeln. Eine Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV besteht nicht (vgl. BAG 18. Februar 2014 - 9 AZR 765/12 - Rn. 16; 23. März 2010 - 9 AZR 128/09 - Rn. 19 mwN, BAGE 134, 1).
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c) Nach diesen Grundsätzen beträgt sowohl der tarifliche als auch der gesetzliche Urlaubsanspruch für das Jahr 2014 20 Tage (30 Tage Tarifurlaub : 12 Monate x 7 Monate = 17,5 Tage, aufgerundet gemäß § 26 Abs. 1 Satz 5 TV-L = 18 Tage, die auf den gesetzlichen Mindesturlaub von 20 Tagen aufzustocken sind). Hinzu kommt der der Klägerin für das Jahr 2014 unstreitig gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX zustehende Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen von fünf Arbeitstagen.
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3. Im Umfang von 23 Urlaubstagen ist dieser Urlaubsanspruch durch Erfüllung gemäß § 362 Abs. 1 BGB im bestehenden Arbeitsverhältnis untergegangen. Die bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch bestehenden weiteren zwei Urlaubstage hat der Beklagte mit - der Höhe nach unstreitigen - 359,96 Euro brutto abgegolten.
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II. Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
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