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BAG 18.03.2015 - 7 ABR 6/13
BAG 18.03.2015 - 7 ABR 6/13 - Schwerbehindertenvertretung - Wahlanfechtung - Ablauf der Amtszeit - Rechtsschutzinteresse
Normen
§ 94 Abs 7 SGB 9, § 94 Abs 6 S 2 SGB 9, § 92 Abs 1 S 1 ArbGG, § 92 Abs 2 S 1 ArbGG, § 94 Abs 1 ArbGG, § 94 Abs 2 ArbGG, § 92 Abs 2 S 2 ArbGG, § 88 Abs 2 ZPO, § 11 Abs 1 ArbGG, § 11 Abs 3 ArbGG, § 11 Abs 5 ArbGG, § 46 Abs 2 ArbGG, § 81 ZPO, § 19 BetrVG
Vorinstanz
vorgehend ArbG Stuttgart, 17. Januar 2012, Az: 25 BV 398/10, Beschluss
vorgehend Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, 30. Oktober 2012, Az: 15 TaBV 1/12, Beschluss
Tenor
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Auf die Rechtsbeschwerden der Schwerbehindertenvertretung und der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 30. Oktober 2012 - 15 TaBV 1/12 - aufgehoben.
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Auf die Beschwerden der Schwerbehindertenvertretung und der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 17. Januar 2012 - 25 BV 398/10 - abgeändert.
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Der Antrag wird abgewiesen.
Gründe
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A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der Wahl der Schwerbehindertenvertretung vom 10. November 2010.
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Die Antragsteller zu 1. bis 21. sind schwerbehinderte Menschen, die als Arbeitnehmer im Werk U der zu 23. beteiligten Arbeitgeberin beschäftigt sind.
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Am 10. November 2010 fand die Wahl der zu 22. beteiligten Schwerbehindertenvertretung statt. Der Wahlvorstand gab das Wahlergebnis am 11. November 2010 bekannt. Die Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung begann am 1. Dezember 2010 und endete am 30. November 2014.
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Die Antragsteller haben beantragt,
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die Wahl der Schwerbehindertenvertretung bei der D AG, Werk U vom 10. November 2010 für unwirksam zu erklären.
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Die Schwerbehindertenvertretung und die Arbeitgeberin haben Antragsabweisung beantragt.
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Das Arbeitsgericht hat dem Antrag der Beteiligten zu 1. bis 21. entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerden der Schwerbehindertenvertretung und der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Mit ihren Rechtsbeschwerden verfolgen die Schwerbehindertenvertretung und die Arbeitgeberin den Abweisungsantrag weiter. Während des Rechtsbeschwerdeverfahrens wurde am 18. November 2014 die Schwerbehindertenvertretung neu gewählt.
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B. Die zulässigen Rechtsbeschwerden der Schwerbehindertenvertretung und der Arbeitgeberin sind begründet.
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I. Die Rechtsbeschwerden sind zulässig.
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1. Sie sind aufgrund der Zulassung im Tenor des angefochtenen Beschlusses statthaft (§ 92 Abs. 1 Satz 1 ArbGG). Sie sind frist- und formgerecht eingelegt sowie begründet worden (§ 92 Abs. 2 Satz 1, § 94 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG).
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2. Die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde der Schwerbehindertenvertretung ist weder durch die Neuwahl der Schwerbehindertenvertretung noch durch einen möglichen Mandatsverlust des Verfahrensbevollmächtigten der Schwerbehindertenvertretung entfallen.
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a) Die Schwerbehindertenvertretung ist rechtsbeschwerdebefugt. Dem steht nicht entgegen, dass die Schwerbehindertenvertretung am 18. November 2014 neu gewählt worden ist. Die Befugnis zur Fortführung einer Rechtsbeschwerde durch die Schwerbehindertenvertretung entfällt zwar mit dem Ende der Amtszeit (für den Betriebsrat: BAG 25. September 1996 - 1 ABR 25/96 - zu B I der Gründe). Endet allerdings aufgrund einer turnusgemäßen Neuwahl das Amt einer Schwerbehindertenvertretung, wird nach dem Prinzip der Funktionsnachfolge und dem Grundgedanken der Kontinuität der Interessenvertretungen die neu gewählte Schwerbehindertenvertretung Funktionsnachfolgerin ihrer Vorgängerin und tritt automatisch in deren Rechtsstellung in einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren ein (vgl. für den Betriebsrat: BAG 24. August 2011 - 7 ABR 8/10 - Rn. 15, BAGE 139, 127; 13. Mai 2014 - 1 ABR 9/12 - Rn. 14).
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b) Die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde der Schwerbehindertenvertretung ist nicht dadurch berührt, dass der Verfahrensbevollmächtigte der Schwerbehindertenvertretung am 9. März 2015 mitgeteilt hat, das Mandat sei beendet, und dass der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsteller mit Schriftsatz vom 1. März 2015 dargelegt hat, die Schwerbehindertenvertretung habe Rechtsanwalt B nach Kenntnisnahme seines Schriftsatzes vom 28. Januar 2015 die Vollmacht entzogen.
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aa) Nach § 92 Abs. 2 Satz 2 ArbGG gilt für die Vertretung der Beteiligten vor dem Bundesarbeitsgericht § 11 Abs. 1 bis 3 und Abs. 5 ArbGG entsprechend. Danach können sich die Beteiligten auch vor dem Bundesarbeitsgericht selbst vertreten. Eine Ausnahme gilt nach § 94 Abs. 1 ArbGG nur für die Einlegung und die Begründung der Rechtsbeschwerde.
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bb) Danach ist die Rechtsbeschwerde der Schwerbehindertenvertretung zulässig. Sie ist durch Rechtsanwalt B eingelegt und begründet worden. Dass Rechtsanwalt B zur Einlegung der Rechtsbeschwerde nicht bevollmächtigt war, ist nicht ersichtlich. Nach den auch im Beschlussverfahren geltenden Vorschriften des § 81 ZPO iVm. § 46 Abs. 2 ArbGG ermächtigt die einmal erteilte Prozessvollmacht im Außenverhältnis - in den zeitlichen Grenzen des § 87 ZPO - zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozesshandlungen einschließlich der Einlegung von Rechtsmitteln (BAG 6. November 2013 - 7 ABR 84/11 - Rn. 21). Beruht bereits die Beauftragung des Verfahrensbevollmächtigten nicht auf einer wirksamen Beschlussfassung, ist der Rechtsanwalt nicht wirksam bevollmächtigt. Allerdings ist die ordnungsgemäße Erteilung der Anwaltsvollmacht nach dem auch im Beschlussverfahren anwendbaren § 88 Abs. 2 ZPO grundsätzlich nur auf Rüge eines Verfahrensbeteiligten zu prüfen. Eine solche Rüge ist nicht erhoben. Daher kann auch dahinstehen, ob die Schwerbehindertenvertretung ihrem Verfahrensbevollmächtigten das Mandat nach der Begründung der Rechtsbeschwerde entzogen hat. Es kommt auch nicht darauf an, dass Rechtsanwalt B im Anhörungstermin für die Schwerbehindertenvertretung aufgetreten ist, obwohl er möglicherweise nicht mehr mandatiert war. Über die Rechtsbeschwerde der Schwerbehindertenvertretung war unabhängig von der anwaltlichen Vertretung der Schwerbehindertenvertretung und deren Erscheinen im Anhörungstermin zu entscheiden. Das gilt deshalb, weil eine mündliche Anhörung im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht vorgeschrieben ist (vgl. etwa GK-ArbGG/Dörner Stand Dezember 2014 § 95 Rn. 6), weil ein Vertretungszwang in der mündlichen Anhörung nicht besteht (§ 92 Abs. 2 Satz 2, § 11 Abs. 1 bis 3 und Abs. 5 ArbGG) und weil der Pflicht zur Anhörung genügt ist, wenn ein Beteiligter auf Ladung unentschuldigt ausbleibt (§ 83 Abs. 4 Satz 2 ArbGG).
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II. Die Rechtsbeschwerden der Schwerbehindertenvertretung und der Arbeitgeberin sind begründet. Sie führen zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Abweisung des Wahlanfechtungsantrags. Der Antrag ist unzulässig, weil das Rechtsschutzinteresse an der begehrten Entscheidung im Lauf des Rechtsbeschwerdeverfahrens weggefallen ist.
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1. Das Bestehen eines Rechtsschutzinteresses ist Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Sachentscheidung des Gerichts und deshalb in jeder Lage des Verfahrens, auch noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz, von Amts wegen zu prüfen. Das Rechtsschutzinteresse fehlt, wenn die begehrte gerichtliche Entscheidung für die Beteiligten keine rechtliche Wirkung mehr entfalten kann (BAG 13. März 1991 - 7 ABR 5/90 - zu B der Gründe, BAGE 67, 316; 16. April 2008 - 7 ABR 4/07 - Rn. 13).
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2. Dies ist hier der Fall. Die Antragsteller fechten die am 10. November 2010 durchgeführte Wahl der Schwerbehindertenvertretung an und beantragen, die Wahl für unwirksam zu erklären. Die vierjährige Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung hat jedoch gemäß § 94 Abs. 7 SGB IX am 30. November 2014 geendet. Damit ist das Rechtsschutzinteresse für die Anfechtung der Wahl entfallen, denn eine die Wahl für unwirksam erklärende gerichtliche Entscheidung könnte sich für die Beteiligten nicht mehr auswirken, da die erfolgreiche Anfechtung der Wahl nach § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB IX iVm. § 19 BetrVG nur für die Zukunft wirkt (vgl. für die Betriebsratswahl: BAG 13. März 1991 - 7 ABR 5/90 - zu B der Gründe, BAGE 67, 316; 16. April 2008 - 7 ABR 4/07 - Rn. 13; 27. Juli 2011 - 7 ABR 61/10 - Rn. 32, BAGE 138, 377).
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