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BAG 25.06.2014 - 5 AZR 283/12
BAG 25.06.2014 - 5 AZR 283/12 - Leistungsklage - Zulässigkeit bei behaupteter Masseforderung - Vergütungsanspruch nach Insolvenzgeldantrag - Anspruchsübergang - Grenzgänger - Doppelbesteuerungsabkommen mit Frankreich
Normen
Art 45 AEUV, Art 3 Abs 1 EWGV 1612/68, Art 7 Abs 2 EWGV 1612/68, Art 3 Abs 1 GG, Art 14 Abs 1 S 1 DBA FRA, Art 14 Abs 2 Nr 1 DBA FRA, § 21 Abs 2 Nr 2 Alt 1 InsO, § 22 Abs 1 S 1 InsO, § 38 InsO, § 53 InsO, § 55 Abs 2 S 2 InsO, § 108 Abs 3 InsO, § 179 InsO, § 180 InsO, § 187 SGB 3, § 185 Abs 1 SGB 3, § 185 Abs 2 Nr 2 SGB 3, § 341 Abs 4 SGB 3, § 115 Abs 1 SGB 10
Vorinstanz
vorgehend ArbG Saarbrücken, 18. März 2011, Az: 3 Ca 378/10, Urteil
vorgehend Landesarbeitsgericht Saarland, 1. Februar 2012, Az: 2 Sa 96/11, Urteil
Leitsatz
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Der durch den Antrag auf Insolvenzgeld bewirkte gesetzliche Anspruchsübergang erfasst - begrenzt auf die Höhe der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze - den Bruttolohnanspruch des Arbeitnehmers.
Tenor
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1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Saarland vom 1. Februar 2012 - 2 Sa 96/11 - aufgehoben.
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2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Saarbrücken vom 18. März 2011 - 3 Ca 378/10 - wird zurückgewiesen.
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3. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten darüber, ob die als Grenzgängerin in Deutschland nicht einkommensteuerpflichtige Klägerin nach Inanspruchnahme von Insolvenzgeld noch Zahlung restlichen Nettolohns in Höhe der fiktiv ermittelten Abzüge für Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag beanspruchen kann.
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Die 1972 geborene Klägerin war vom 15. Juni 2006 bis zum 30. November 2009 bei der C GmbH (im Folgenden: Schuldnerin) beschäftigt und erzielte zuletzt einen Monatsverdienst von 3.100,00 Euro brutto, zuzüglich vermögenswirksamer Leistungen von 22,83 Euro brutto. Das Amtsgericht Saarbrücken bestellte den Beklagten mit Beschluss vom 21. September 2009 (- 112 IN 55/09 -) zum vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin und legte der Schuldnerin ein allgemeines Verfügungsverbot auf. Mit Beschluss vom 1. Dezember 2009 (- 112 IN 55/09 -) wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt.
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Die Klägerin ist deutsche Staatsangehörige und hat ihren Wohnsitz in Frankreich im Grenzgebiet zu Deutschland. Ihr war nach dem „Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und Grundsteuern vom 21. Juli 1959“ (im Folgenden: DBA Frankreich) der Grenzgängerstatus zuerkannt.
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Die Klägerin erbrachte in den Monaten September bis November 2009 ihre Arbeitsleistung. Die Vergütung hierfür wurde in Höhe des zu erwartenden Insolvenzgelds von der B (im Folgenden: B-Bank) vorfinanziert, mit der die Klägerin mit Zustimmung der Bundesagentur und des Beklagten Forderungskaufverträge abgeschlossen hatte. Darin trat die Klägerin ihre Ansprüche auf das vom Beklagten für diese Monate abgerechnete Nettoarbeitsentgelt und auf das von ihr beantragte Insolvenzgeld Zug um Zug gegen Zahlungen der B-Bank in Höhe der abgerechneten Nettobeträge an diese ab. In den vom Beklagten für September bis November 2009 erstellten Gehaltsabrechnungen, die der Ermittlung des Insolvenzgeldanspruchs der Klägerin zu Grunde lagen, sind unter der Rubrik „gesetzliche Abzüge“ als fiktive Lohnsteuer und als fiktiver Solidaritätszuschlag insgesamt 1.830,66 Euro ausgewiesen. Mit der am 24. März 2010 eingereichten Klage verlangt die Klägerin Zahlung dieser in den Abrechnungen ausgewiesenen Steuern. Sie hat geltend gemacht, ihre Vergütungsansprüche seien lediglich in Höhe des gezahlten Insolvenzgelds auf die Bundesagentur übergegangen. Andernfalls werde sie schlechter gestellt als ihre in Deutschland wohnenden Arbeitskollegen, weil sie vor der Insolvenz ihr Nettogehalt ohne einen Steuerabzug ausgezahlt bekommen und als Grenzgängerin ihre Nettoeinkünfte in Frankreich zu versteuern habe. Faktisch führe ein Anspruchsübergang unter Einschluss der fiktiv ermittelten Beträge zu einer Doppelbesteuerung und verstoße gegen das Doppelbesteuerungsabkommen mit Frankreich.
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Die Klägerin hat sinngemäß beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1.830,66 Euro netto nebst Zinsen in gestaffelter Höhe zu zahlen.
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Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die Klägerin sei nicht aktivlegitimiert. Die Vergütungsansprüche seien mit dem Antrag auf Insolvenzgeld insgesamt auf die Bundesagentur übergegangen.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Klägerin der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte weiterhin die vollständige Klageabweisung.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Beklagten ist begründet. Das angegriffene Urteil ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Das Landesarbeitsgericht hat der Berufung der Klägerin gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht stattgegeben. Die Klage ist unbegründet.
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A. Die Klage ist zulässig.
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I. Die Klägerin ist prozessführungsbefugt, weil sie mit der Klage ein behauptetes eigenes Recht im eigenen Namen geltend macht (vgl. Zöller/Vollkommer ZPO 30. Aufl. Vor § 50 Rn. 18; Musielak/Weth ZPO 11. Aufl. § 51 Rn. 15 f.). Ob die eingeklagte Forderung der Klägerin zusteht oder infolge eines gesetzlichen Anspruchsübergangs der Bundesagentur, ist eine Frage der Aktivlegitimation, die erst im Rahmen der Prüfung der Begründetheit der Klage zu beantworten ist (vgl. Musielak/Weth ZPO 11. Aufl. § 51 Rn. 18).
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II. Der Zulässigkeit der Leistungsklage steht, soweit sie den Zeitraum 1. bis 20. September 2009 betrifft, nicht entgegen, dass es sich bei den erhobenen Ansprüchen allenfalls um Insolvenzforderungen iSv. §§ 38, 108 Abs. 3 InsO und nicht, wie vom Landesarbeitsgericht angenommen, um Masseforderungen iSv. § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO handeln könnte.
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1. Nach § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO sind Masseverbindlichkeiten Verbindlichkeiten aus einem Dauerschuldverhältnis, soweit der vorläufige Insolvenzverwalter für das von ihm verwaltete Vermögen die Gegenleistung in Anspruch genommen hat. § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO bezieht sich allein auf eine Leistung an den sog. „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter mit Verfügungsbefugnis iSv. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 iVm. § 22 Abs. 1 Satz 1 InsO (BAG 12. September 2013 - 6 AZR 953/11 - Rn. 42). Der Beklagte wurde erst am 21. September 2009 mit Beschluss vom selben Tag zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Schuldnerin bestellt. Bei der Vergütung „für“ den davor liegenden Zeitraum handelt es sich, auch wenn sie erst nach dem 20. September 2009 fällig wurde, um eine Insolvenzforderung iSv. §§ 38, 108 Abs. 3 InsO (BAG 21. Februar 2013 - 6 AZR 406/11 - Rn. 28 f.; 12. September 2013 - 6 AZR 953/11 - Rn. 36).
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2. Die Leistungsklage ist dennoch insgesamt zulässig. Die Klägerin behauptet, die eingeklagten Forderungen stünden ihr als Masseverbindlichkeiten zu. Beruft sich der Arbeitnehmer auf eine vorweg zu berichtigende Masseverbindlichkeit iSv. §§ 53, 55 InsO, ist die Klage nicht unzulässig, sondern unbegründet, wenn es sich tatsächlich um eine Insolvenzforderung iSv. §§ 38, 108 Abs. 3 InsO handelt (BAG 21. Februar 2013 - 6 AZR 406/11 - Rn. 17 f.; 12. September 2013 - 6 AZR 953/11 - Rn. 17), die unter den in §§ 179, 180 InsO geregelten Voraussetzungen mit einer Feststellungsklage zu verfolgen wäre.
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B. Die Klage ist nicht begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch nach § 611 Abs. 1 BGB iVm. § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO. Sie ist nicht aktivlegitimiert. Ihr Vergütungsanspruch ist gemäß § 187 SGB III aF auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangen.
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I. Die fehlende Aktivlegitimation der Klägerin ergibt sich nicht bereits aus den mit der B-Bank geschlossenen Forderungskaufverträgen. Die geltend gemachten Forderungen werden, wovon das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgegangen ist, hiervon nicht erfasst.
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II. Die streitgegenständlichen Ansprüche sind jedoch mit Stellung des Antrags auf Insolvenzgeld gemäß § 187 Satz 1 SGB III aF auf die Bundesagentur übergegangen. Der gesetzliche Anspruchsübergang nach § 187 SGB III in der hier anzuwendenden, ab 12. Dezember 2006 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) erfasst - begrenzt auf die Höhe der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (§ 341 Abs. 4 SGB III) - den Bruttolohnanspruch des Arbeitnehmers. Der Anspruchsübergang ist nicht auf den Nettolohnanspruch oder auf den Betrag des an den Arbeitnehmer zu zahlenden Insolvenzgelds beschränkt.
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1. Der Senat ist bereits in der Entscheidung vom 11. Februar 1998 (- 5 AZR 159/97 -, vgl. dort unter 4. der Gründe) zu § 141m Abs. 1 AFG von einem durch den Antrag auf Konkursausfallgeld (heute Insolvenzgeld) bewirkten Übergang der Bruttolohnforderung ausgegangen und hat hieran in der Entscheidung vom 22. August 2012 (- 5 AZR 526/11 -, vgl. dort unter Rn. 11) zu der vorliegend anzuwendenden Regelung des § 187 SGB III aF festgehalten. Der Elfte Senat des Bundessozialgerichts hat sich der Rechtsprechung des Senats angeschlossen, allerdings die Behandlung von Grenzgängern offengelassen (BSG 20. Juni 2001 - B 11 AL 97/00 R - Rn. 23 ff., 32).
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2. Im Schrifttum wird zT von einem auf das Nettoentgelt beschränkten Anspruchsübergang ausgegangen (MüKoInsO/Hefermehl § 55 InsO Rn. 234, 237; Gagel/Peters-Lange SGB III Stand Juni 2014 §169 Rn. 8, § 167 Rn. 12 ff.; Schmidt in Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu SGB III 5. Aufl. § 169 Rn. 9). Andere Stimmen haben sich der Auffassung des Senats und des BSG angeschlossen (KSW/Mutschler 3. Aufl. § 169 SGB III Rn. 2; Zwanziger Kommentar zum Arbeitsrecht der Insolvenzordnung 4. Aufl. § 108 Rn. 141).
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Der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat in der Entscheidung vom 20. Juni 2002 (- 8 AZR 459/01 - zu II 1 der Gründe) beiläufig bemerkt, der Anspruchsübergang sei auf das Nettoentgelt beschränkt, weil die Bundesanstalt für Arbeit nur in dieser Höhe Insolvenzgeld zahle, ohne eine abweichende Auffassung zu erwähnen.
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3. Der Senat hält an seiner bisherigen Rechtsprechung - auch für Grenzgänger - fest.
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a) Bereits der Wortlaut von § 187 SGB III aF spricht für einen Übergang des Bruttolohnanspruchs. Während der Anspruchsübergang nach § 115 Abs. 1 SGB X auf die „Höhe der erbrachten Sozialleistungen“ beschränkt ist, gehen nach § 187 Satz 1 SGB III aF die Ansprüche auf Arbeitsentgelt, „die einen Anspruch auf Insolvenzgeld begründen“, auf die Bundesagentur über. Anspruchsbegründend ist jedoch nach § 185 Abs. 1 SGB III in der durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003 (BGBl. I 2003, S. 2848) geänderten, am 1. Januar 2004 in Kraft getretenen Fassung das auf die monatliche Beitragsbemessungsgrenze (§ 341 Abs. 4 SGB III) begrenzte Bruttoarbeitsentgelt. Bezugspunkt des gesetzlichen Anspruchsübergangs ist damit - anders als nach § 115 SGB X - das Bruttoarbeitsentgelt.
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Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass der durch Art. II § 2 Nr. 12 des Sozialgesetzbuches (SGB) vom 4. November 1982 (BGBl. I S. 1450) in § 141m Abs. 1 AFG eingefügte Passus „abweichend von § 115 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch“ in dem durch das Gesetz zur Reform der Arbeitsförderung vom 24. März 1997 eingeführten § 187 SGB III nicht mehr enthalten ist. § 187 Satz 1 SGB III wurde durch die vorgenommene Streichung gegenüber der Vorgängerregelung des § 141m AFG lediglich terminologisch angepasst, ohne dass mit dieser, wovon auch im Schrifttum überwiegend ausgegangen wird (vgl. Gagel/Peters-Lange SGB III Stand Juni 2014 §169 Rn. 8 f.; Schmidt in Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu SGB III 5. Aufl. § 169 Rn. 3), eine Änderung des Regelungsgehalts verbunden gewesen wäre.
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b) Für einen Übergang der Bruttolohnforderung auf die Bundesagentur sprechen darüber hinaus Sinn und Zweck der §§ 183 ff. SGB III aF.
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Das Insolvenzgeld dient nach seiner Zielsetzung der Absicherung des Arbeitsentgelts des Arbeitnehmers bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers und stellt materiell eine eigenständige Sozialversicherung dar (BAG 8. Dezember 2010 - 5 AZR 95/10 - Rn. 19, BAGE 136, 263). Insolvenzgeld ist kein Arbeitslohn. Es wird nicht für die Erbringung einer Arbeitsleistung, sondern wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers gezahlt (BFH 1. März 2012 - VI R 4/11 - Rn. 17, BFHE 237, 59). Ginge man von einem auf das Nettoentgelt begrenzten Anspruchsübergang aus, hätte dies, verglichen mit der Situation außerhalb der Insolvenz, regelmäßig eine Besserstellung des Arbeitnehmers zur Folge: Er erhielte Insolvenzgeld, das nach § 3 Nr. 2 EStG nicht zu versteuern ist und lediglich dem Progressionsvorbehalt nach § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG unterliegt (vgl. BFH 1. März 2012 - VI R 4/11 - Rn. 9, aaO). Zudem behielte er einen Anspruch auf den auf den Bruttolohn entfallenden Steueranteil. Hierin läge ein Verstoß gegen den allgemeinen Grundsatz der Schadensversicherung, das versicherte Interesse auf die Kompensation des Einkommensverlusts zu beschränken (BSG 20. Juni 2001 - B 11 AL 97/00 R - Rn. 33).
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c) Der in § 187 SGB III aF geregelte, auf die monatliche Beitragsbemessungsgrenze (§ 341 Abs. 4 SGB III) begrenzte Übergang des Bruttolohnanspruchs verstößt - auch im Hinblick auf die Besonderheiten der Besteuerung von Grenzgängern - nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
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aa) Der Anspruchsübergang nach § 187 Satz 1 SGB III aF betrifft in seinen Rechtsfolgen alle Arbeitnehmer gleichermaßen. Erst die Regelungen in § 185 Abs. 1 und Abs. 2 SGB III aF zur Berechnung der Höhe des Insolvenzgelds können aufgrund von Unterschieden der individuellen steuerlichen Situation zu Nachteilen für einzelne Arbeitnehmer führen, indem das zu zahlende Insolvenzgeld - wie bei der Klägerin als Grenzgängerin - das bisher erzielte Nettoeinkommen nicht in voller Höhe absichert.
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bb) Unabhängig davon ist die typisierende Regelung des gesetzlichen Übergangs des Bruttolohnanspruchs nach § 187 SGB III aF zulässig, auch wenn sie für einzelne Arbeitnehmer aufgrund ihrer steuerrechtlichen Situation zu wirtschaftlichen Nachteilen führt.
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(1) Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln. Er ist verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie einleuchtender Grund für die vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt (BVerfG 2. Februar 2009 - 1 BvR 2553/08 - Rn. 20, 21; 29. September 2010 - 1 BvR 1789/10 - Rn. 27 mwN).
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Es ist grundsätzlich Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, welche Merkmale beim Vergleich von Lebenssachverhalten er als maßgebend ansieht, um sie im Recht gleich oder verschieden zu behandeln. Art. 3 Abs. 1 GG ist verletzt, wenn der Gesetzgeber es versäumt hat, Ungleichheiten der zu ordnenden Lebenssachverhalte zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsdenken orientierten Betrachtungsweise beachtet werden müssen (BVerfG 3. April 2001 - 1 BvR 1629/94 - zu C I der Gründe, BVerfGE 103, 242). Der Gesetzgeber darf sich grundsätzlich am Regelfall orientieren und typisieren. Er ist nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen (BAG 29. Juni 2011 - 7 ABR 15/10 - Rn. 26 mwN, BAGE 138, 223). Innerhalb dieser Grenzen ist der Gesetzgeber in seiner Entscheidung frei.
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(2) Diesen Gestaltungsspielraum hat der Gesetzgeber in § 187 Satz 1 SGB III aF nicht überschritten.
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Die Bestimmung orientiert sich am Regelfall der im Inland steuerpflichtigen Arbeitnehmer, ohne in steuerlicher Hinsicht nach der individuellen Situation des einzelnen Arbeitnehmers, die vom Regelfall abweichen kann, zu differenzieren. Es handelt sich bei diesen Unterschieden nicht um Ungleichheiten der zu ordnenden Lebenssachverhalte, die so bedeutsam wären, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsdenken orientierten Betrachtungsweise hätten beachtet werden müssen. Zu berücksichtigen ist, dass Insolvenzgeld nicht als Gegenleistung für erbrachte Arbeit, sondern als Leistung der Sozialversicherung wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers gewährt wird. Bei der Gestaltung sozialer Sicherungssysteme steht dem Gesetzgeber ein großer Gestaltungsspielraum zu (BVerfG 3. April 2001 - 1 BvR 1629/94 - zu C I und C III 3 der Gründe, BVerfGE 103, 242). Es ist deshalb hinzunehmen, wenn auch den Arbeitnehmern, deren Nettoentgelt aufgrund der in § 185 SGB III aF festgelegten Berechnungsbestimmungen nicht voll abgesichert ist, bei der Inanspruchnahme von Insolvenzgeld - infolge des gesetzlichen Anspruchsübergangs - ein Zugriff auf die steuerliche Bruttorestlohnforderung nicht möglich ist. Bei Grenzgängern iSd. DBA Frankreich werden zudem hieraus resultierende Nachteile begrenzt, indem Leistungen der gesetzlichen Sozialversicherung, wie vorliegend das Insolvenzgeld, nach Art. 14 Abs. 2 Nr. 1 iVm. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 DBA Frankreich ausschließlich im Quellenstaat zu versteuern sind und Insolvenzgeld - wie die als Äquivalent hierfür nach § 188 SGB III von Dritten geleisteten Zahlungen auch - nach § 3 Nr. 2 EStG im Inland nicht zu versteuern ist und lediglich dem Progressionsvorbehalt nach § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG unterliegt (vgl. BFH 1. März 2012 - VI R 4/11 - Rn. 9, 11, BFHE 237, 59). Die Klägerin lässt dies außer Acht, wenn sie behauptet, der Übergang der Bruttolohnforderung verstoße faktisch gegen das Verbot der Doppelbesteuerung nach dem DBA Frankreich.
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d) § 187 Satz 1 SGB III aF verstößt auch nicht gegen Art. 45 AEUV iVm. Art. 3 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 2 Verordnung (EWG) Nr. 1612/68.
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aa) Nach Art. 45 Abs. 2 AEUV ist jede auf der Staatsangehörigkeit beruhende unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen verboten. Das Diskriminierungsverbot gilt gleichermaßen für Akte der staatlichen Behörden, wie für alle die abhängige Erwerbstätigkeit kollektiv regelnden Tarifverträge und Verträge zwischen Privatpersonen. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH verbietet der sowohl in Art. 45 AEUV als auch in Art. 7 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 niedergelegte Gleichbehandlungsgrundsatz nicht nur offene Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit, sondern auch alle versteckten Formen der Diskriminierung, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungsmerkmale tatsächlich zu dem gleichen Ergebnis führen (EuGH 28. Juni 2012 - C-172/11 - [Erny] Rn. 39, 41 mwN).
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Das Diskriminierungsverbot verlangt nicht nur, dass gleiche Sachverhalte nicht ungleich behandelt werden, sondern auch, dass ungleiche Sachverhalte nicht gleichbehandelt werden (EuGH 16. September 2004 - C-400/02 - [Merida] Rn. 22, Slg. 2004, I-8471). Eine Vorschrift des nationalen Rechts oder eine vertragliche Bestimmung ist, sofern sie nicht objektiv gerechtfertigt ist und in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Zweck steht, als mittelbar diskriminierend anzusehen, wenn sie sich ihrem Wesen nach eher auf Grenzarbeitnehmer als auf inländische Arbeitnehmer auswirken kann und folglich die Gefahr besteht, dass sie Grenzarbeitnehmer besonders benachteiligt (EuGH 28. Juni 2012 - C-172/11 - [Erny] Rn. 23). Um eine Maßnahme als mittelbar diskriminierend qualifizieren zu können, muss sie nicht bewirken, dass alle Inländer begünstigt werden oder dass unter Ausschluss der Inländer nur die Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten benachteiligt werden (vgl. EuGH 14. Juni 2012 - C-542/09 - Rn. 38; 28. Juni 2012 - C-172/11 - [Erny] Rn. 41).
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bb) Der Anspruchsübergang nach § 187 Satz 1 SGB III aF betrifft in seinen Rechtsfolgen alle Arbeitnehmer - unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit - gleichermaßen. Erst die Regelungen in § 185 Abs. 1 und Abs. 2 SGB III aF zur Berechnung der Höhe des Insolvenzgelds können zu Nachteilen für einzelne Arbeitnehmer führen. Jedoch braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob Art. 45 AEUV und Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 einer nationalen gesetzlichen Bestimmung wie § 185 Abs. 2 Nr. 2 SGB III aF entgegenstehen, nach der der Betrag des als Sozialleistung gezahlten Insolvenzgelds so berechnet wird, dass die geschuldete Lohnsteuer bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage des Insolvenzgelds fiktiv abgezogen wird, während nach dem DBA Frankreich Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen von Arbeitnehmern, die nicht im Beschäftigungsstaat ansässig sind, nur in dem Mitgliedstaat besteuert werden, in dem sie ansässig sind (vgl. zur Berücksichtigung eines fiktiven Steuerabzugs bei der Berechnung eines vom Arbeitgeber gezahlten Aufstockungsbetrags bei Altersteilzeit EuGH 28. Juni 2012 - C-172/11 - [Erny] Rn. 54; vgl. zur Berücksichtigung bei der Bemessung einer vom Beschäftigungsstaat gezahlten Überbrückungsbeihilfe EuGH 16. September 2004 - C-400/02 - [Merida] Rn. 37, Slg. 2004, I-8471 und nachgehend BAG 10. März 2005 - 6 AZR 317/01 - zu 2 b der Gründe, BAGE 114, 60).
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Ebenso kann, bejahte man die erste Frage, offenbleiben, ob ein Verstoß gegen Art. 45 AEUV und Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 auch dann festzustellen wäre, wenn die Berechnung, wie im Fall der Klägerin, einen in Deutschland beschäftigten, in Frankreich ansässigen und als Grenzgänger iSd. DBA Frankreich nur dort steuerpflichtigen deutschen und nicht, wie in den zitierten Entscheidungen, einen französischen Staatsangehörigen beträfe.
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Die genannten Fragen sind nicht für die hier entscheidungserhebliche Beurteilung der Reichweite des Anspruchsübergangs nach § 187 Satz 1 SGB III aF von Bedeutung, sondern waren bei der Bemessung der Höhe des der Klägerin zustehenden Insolvenzgelds zu beantworten. Diese rechtlich zu beurteilen, ist letztlich den Sozialgerichten vorbehalten. Ein Vorabentscheidungsersuchen durch die Gerichte für Arbeitssachen an den EuGH nach Art. 267 AEUV liegt deshalb außerhalb ihrer Zuständigkeit.
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III. Einer Vorlage an den Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts gemäß § 45 ArbGG bedarf es nicht. Der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts ist mit seiner beiläufigen Bemerkung in der Entscheidung vom 20. Juni 2002 (- 8 AZR 459/01 - zu II 1 der Gründe) nicht entscheidungserheblich von der Rechtsprechung des Senats abgewichen, denn die im Fall des Achten Senats klagende Bundesanstalt für Arbeit begehrte lediglich Zahlungen in Höhe des geleisteten Insolvenzgelds. Der Achte Senat konnte deshalb von einer Anfrage beim Fünften Senat des Bundesarbeitsgerichts und dem Elften Senat des Bundessozialgerichts bzw. einer Vorlage an den Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts oder den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes absehen.
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C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
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Müller-Glöge
Biebl
Weber
Kremser
Feldmeier
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