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BAG 21.03.2012 - 5 AZR 320/11
BAG 21.03.2012 - 5 AZR 320/11 - Unzulässigkeit der Revision bei fehlender Beschwer - vorbehaltlose Zahlung des Urteilsbetrags
Normen
§ 552 Abs 1 S 2 ZPO, § 362 Abs 1 BGB, § 62 Abs 1 S 1 ArbGG, § 72 Abs 5 ArbGG
Vorinstanz
vorgehend ArbG Stuttgart, 22. April 2010, Az: 1 Ca 10576/09, Urteil
vorgehend Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, 11. März 2011, Az: 18 Sa 40/10, Urteil
Tenor
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1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 11. März 2011 - 18 Sa 40/10 - wird als unzulässig verworfen.
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2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Berechnung eines tarifvertraglichen Zuschusses zum Kurzarbeitergeld.
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Der Kläger ist bei der Beklagten als Betriebsmittelkonstrukteur beschäftigt gegen eine Vergütung von zuletzt 4.124,59 Euro brutto monatlich. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit die zwischen dem Unternehmerverband Metall Baden-Württemberg (vormals: Handwerksverband Metallbau und Feinwerktechnik Baden-Württemberg) und der IG Metall Bezirksleitung Baden-Württemberg abgeschlossenen Tarifverträge Anwendung. Der Manteltarifvertrag für Beschäftigte 2006 (MTV 2006) enthält ua. folgende Regelung:
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„§ 8
Abweichende Arbeitszeit
...
8.2
Kurzarbeit
Kurzarbeit im Sinne des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB III) kann mit Zustimmung des Betriebsrates eingeführt werden.
8.2.1
Einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses bedarf es dazu nicht.
…
8.2.3
Würde ein Arbeitsausfall infolge Kurzarbeit (i. S. d. SGB III) zu einer Verringerung des monatlichen Bruttoentgelts um bis zu 10 % führen, bleibt das monatliche Bruttomonatsentgelt, das Beschäftigte ohne den Arbeitsausfall erhalten hätten, ungekürzt.
8.2.4
Bei einer Verringerung des monatlichen Bruttoentgelts infolge Kurzarbeit um mehr als 10 % gewährt der Arbeitgeber den Beschäftigten zum gekürzten Monatsentgelt und zum Kurzarbeitergeld einen Zuschuss. Dieser ist so zu bemessen, dass Beschäftigte zum gekürzten Bruttomonatsentgelt und Kurzarbeitergeld einen Ausgleich bis zu 80 % des vereinbarten Bruttomonatsentgelts (ohne Mehrarbeit) einschließlich der leistungsabhängigen variablen Bestandteile des Monatsentgelts erhalten, jedoch nicht mehr als das Nettoentgelt das diesem Bruttomonatsentgelt entspricht.
Nettoentgelt in diesem Sinne ist das um die gesetzlichen Entgeltabzüge, die bei Beschäftigten gewöhnlich anfallen, verminderte Bruttoentgelt.“
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Die Beklagte führte zum 1. März 2009 Kurzarbeit ein, von der auch der Kläger betroffen war und infolge derer er ein reduziertes Arbeitsentgelt erhielt. Dieses betrug in den Monaten April und Mai 2009 jeweils 2.611,48 Euro brutto, im Juni 2009 2.800,62 Euro brutto und im Juli 2009 2.422,34 Euro brutto. Daneben gewährte ihm die Beklagte für diesen Zeitraum einen tarifvertraglichen Zuschuss zum Kurzarbeitergeld iHv. insgesamt 210,29 Euro brutto.
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Mit seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Beklagte habe den tarifvertraglichen Zuschuss zum Kurzarbeitergeld unzutreffend berechnet. Dieser ergebe sich zunächst aus der Differenz zwischen 80 % des Soll-Bruttoentgelts und dem erhaltenen Ist-Bruttoentgelt nebst Kurzarbeitergeld. Zur Prüfung einer Deckelung müsse sodann ein - fiktiver - Nettobetrag aus der Summe des so errechneten Zuschusses zum Kurzarbeitergeld und dem Ist-Bruttoentgelt ermittelt werden. Übersteige dieser zusammen mit dem Kurzarbeitergeld das sich aus dem Soll-Bruttoentgelt ergebende Nettoentgelt nicht, entfalle ein Abzug.
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Der Kläger hat in den Tatsacheninstanzen zuletzt sinngemäß beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 749,69 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 218,54 Euro seit dem 1. Mai 2009, aus weiteren 218,54 Euro seit dem 1. Juni 2009, aus weiteren 94,07 Euro seit dem 1. Juli 2009 und aus weiteren 218,54 Euro seit dem 1. August 2009 zu zahlen.
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Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die Deckelungsberechnung erfolge ohne einen fiktiven Nettobetrag. Es müsse die Summe aus dem Ist-Bruttoentgelt, dem Kurzarbeitergeld und dem sich im ersten Berechnungsschritt ergebenden Zuschuss zum Kurzarbeitergeld brutto mit dem sich aus dem Soll-Bruttoentgelt ergebenden Nettoentgelt verglichen werden.
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Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
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Die Beklagte hat nach Einlegung der Revision mit der Vergütung für den Monat August 2011 einen weiteren Zuschuss zum Kurzarbeitergeld iHv. 749,69 Euro brutto sowie Zinsen hieraus iHv. 86,26 Euro abgerechnet und gezahlt.
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Daraufhin hat der Kläger mit Schriftsatz vom 20. Februar 2012 den Rechtsstreit für erledigt erklärt und vorgetragen, auf einer Betriebsversammlung Anfang Juli 2011 habe der Geschäftsführer der Beklagten kundgetan, ungeachtet des Ergebnisses des Revisionsverfahrens vor dem Bundesarbeitsgericht sei das Steuerbüro beauftragt worden, für alle betroffenen Mitarbeiter - auch diejenigen, die nicht geklagt hätten - den Zuschuss zum Kurzarbeitergeld neu zu berechnen und die Fehlbeträge nebst Verzinsung auszuzahlen. Die Beklagte hat der Erledigungserklärung des Klägers widersprochen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Beklagten ist unzulässig geworden und unterliegt deshalb der Verwerfung, § 552 Abs. 1 Satz 2 ZPO. Die Beklagte ist nicht mehr beschwert.
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I. Sinn eines Rechtsmittelverfahrens ist es, dem Rechtsmittelkläger Gelegenheit zu geben, eine ihm ungünstige vorinstanzliche Entscheidung durch Inanspruchnahme einer weiteren Instanz überprüfen zu lassen. Der Rechtsmittelkläger muss deshalb durch die angefochtene Entscheidung beschwert sein, und zwar nicht nur bei der Einlegung, sondern noch im Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel (allgemeine Ansicht, vgl. nur BGH 29. Juni 2004 - X ZB 11/04 - zu II der Gründe, NJW-RR 2004, 1365; Zöller/Heßler ZPO 29. Aufl. Vor § 511 Rn. 10a; Reichold in Thomas/Putzo 33. Aufl. Vorbem. § 511 ZPO Rn. 16).
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Die Beschwer einer zur Zahlung verurteilten Partei entfällt, wenn sie den Urteilsbetrag nicht nur zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil bezahlt, sondern den Klageanspruch aus freien Stücken ohne Vorbehalt (endgültig) erfüllen will (BGH 24. Mai 1957 - VIII ZR 274/56 - ZZP 1958, 106; Musielak/Ball ZPO 9. Aufl. Vor § 511 Rn. 25). Ob das eine oder andere anzunehmen ist, richtet sich nach den dem Zahlungsempfänger erkennbaren Umständen des Einzelfalls (BGH 25. Mai 1976 - III ZB 4/76 - zu 3 b der Gründe, MDR 1976, 1005; 16. November 1993 - X ZR 7/92 - zu A der Gründe, NJW 1994, 942 - jeweils mwN; vgl. auch 7. Dezember 2010 - VI ZB 87/09 - MDR 2011, 384).
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II. Nach diesen Grundsätzen ist die Beschwer der Beklagten entfallen.
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1. Das der Klage stattgebende, vom Berufungsgericht bestätigte erstinstanzliche Urteil war zwar vorläufig vollstreckbar, § 62 Abs. 1 Satz 1 ArbGG. Die Beklagte hat aber - ohne dass der Kläger die Zwangsvollstreckung betrieben hätte - die von den Vorinstanzen ausgeurteilte Forderung nebst Zinsen nach Abrechnung (zur Wirkung einer Abrechnung vgl. BAG 28. Juli 2010 - 5 AZR 521/09 - Rn. 18 f., BAGE 135, 197) mit der vorbehaltlosen Zahlung erfüllt, § 362 Abs. 1 BGB. Eine Rückforderungsmöglichkeit für den Fall eines Obsiegens im anhängigen Revisionsverfahren hat sich die Beklagte sowohl nach dem Vorbringen des Klägers als auch nach den Erläuterungen ihres Geschäftsführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht vorbehalten. Allenfalls sollte bei einem Obsiegen der Beklagten im anhängigen Revisionsverfahren die Zahlung „als Prämie gewertet“ werden. Auch eine solche hätte die Beklagte nach ihrer eigenen Einlassung nicht zurückverlangen können. Für die Rechtsposition der Beklagten ist deshalb eine Sachentscheidung des Revisionsgerichts ohne Belang. Eine solche würde lediglich die Bedeutung eines Rechtsgutachtens haben.
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2. Auch Kostengesichtspunkte sind nicht geeignet, das Fortbestehen einer Beschwer der Beklagten zu begründen. Denn eine Kostenentscheidung kann nicht isoliert mit Rechtsmittel angegriffen werden (§ 99 Abs. 1 ZPO), so dass die Beschwer des Rechtsmittelklägers nicht allein im Kostenpunkt bestehen darf (statt aller: BGH 18. Januar 2007 - IX ZB 170/06 - Rn. 5, NJW-RR 2007, 765; Zöller/Heßler § 543 Rn. 6). Zudem hat sich die Beklagte durch die vorbehaltlose Zahlung freiwillig in die Rolle der Unterlegenen begeben, an die die zivilprozessuale Kostenentscheidung hauptsächlich anknüpft.
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III. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.
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