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BSG 11.08.2022 - B 8 SO 3/21 R
BSG 11.08.2022 - B 8 SO 3/21 R - Sozialhilfe - Eingliederungshilfe - Bewilligung von Leistungen in Form eines Persönlichen Budgets - Widerruf der Leistungsbewilligung wegen zweckwidriger Verwendung der Leistungen - originäre Zweckbestimmung im Bewilligungsbescheid oder der Zielvereinbarung
Normen
§ 47 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB 10, § 50 Abs 1 S 1 SGB 10, § 53 SGB 12, §§ 53ff SGB 12, § 57 SGB 12 vom 27.12.2003, § 17 Abs 2 S 1 SGB 9, § 159 Abs 5 SGB 9, § 4 Abs 1 S 2 Nr 2 BudgetV, § 4 Abs 1 S 2 Nr 3 BudgetV
Vorinstanz
vorgehend SG Koblenz, 3. April 2019, Az: S 1 SO 164/17, Urteil
vorgehend Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, 26. November 2020, Az: L 1 SO 91/19, Urteil
Tenor
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Auf die Revision des Klägers werden die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 26. November 2020 und des Sozialgerichts Koblenz vom 3. April 2019 sowie der Bescheid des Beklagten vom 15. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. September 2017 aufgehoben.
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Der Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten in allen Rechtszügen zu erstatten.
Tatbestand
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Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf einer Bewilligung von Eingliederungshilfe in Form eines Persönlichen Budgets (PB) und die Rückforderung von im Zeitraum von 2012 bis Mai 2015 gezahlten Leistungen in Höhe von insgesamt 250 800 Euro.
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Der 2003 geborene, inzwischen volljährige und von seiner Mutter als Betreuerin vertretene Kläger ist bei einer Lissenzephalie Typ I, die eine unvollständige Entwicklung seines Gehirns bedingt, sowie Epilepsie mit Krampfanfällen schwer behindert (Grad der Behinderung <GdB> von 100 sowie Feststellung der Merkzeichen "aG", "G", "B" und "H"); er ist auf einen Rollstuhl angewiesen. Von der Pflegekasse erhielt er ab Dezember 2008 Pflegegeld nach Pflegestufe III und ist inzwischen in den Pflegegrad 5 eingestuft.
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Nachdem der Beklagte dem Kläger ab Januar 2008 verschiedene Eingliederungshilfeleistungen nach dem Sechsten Kapitel des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) in der bis zum 31.12.2019 geltenden Fassung gewährt hatte, gewährte er ab September 2012 ein PB in Höhe von monatlich 7750 Euro als "Hilfe zum selbstbestimmten Leben in ambulant betreuten Wohnmöglichkeiten nach § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX - hier: Haushalt der Eltern" (Bescheid vom 2.10.2012). In dem Bescheid wurde auf die "beigefügte Zielvereinbarung" verwiesen und gebeten, "geeignete Unterlagen für die Prüfung der Mittelverwendung vorzuhalten (z. B. Abrechnungen der/des Leistungserbringer/s)". In der "Zielvereinbarung Persönliches Budget" (vom 27.9.2012) waren zwischen dem Beklagten und den Eltern als gesetzliche Vertreter des Klägers als Ziele vereinbart, die Unterstützung der Eltern bei der alltäglichen Pflege und Betreuung des Klägers in einem Umfang von 16 Stunden/Tag, der Erhalt der selbstständigen und eigenverantwortlichen Lebensführung der Familie, die Vermeidung einer vollstationären Unterbringung, die Unterstützung bei Freizeitaktivitäten und die Mobilität im Rahmen der Freizeitgestaltung. Neben anderen Regelungen enthielt die Zielvereinbarung die Verpflichtung des Klägers, "die Mittel aus dem 'Persönlichen Budget' zur Deckung des (…) genannten Bedarfs zu verwenden und die Deckung des Bedarfs tatsächlich sicherzustellen". Die Familie des Klägers beabsichtige, hierzu in erster Linie einen ua vom Vater 2010 gegründeten Verein in Anspruch zu nehmen. Die Zielvereinbarung enthielt weiter folgende Passage: "Die zweckentsprechende Verwendung der Mittel ist durch die Vorlage der Abrechnungen des leistungserbringenden Vereins oder anderer Leistungserbringer nachzuweisen. Die Überprüfung der Mittelverwendung erfolgt in der Regel jährlich im Rahmen der Fortschreibung des Teilhabeplans."
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Der Beklagte forderte die Eltern erstmals im Oktober 2013 zur Vorlage von Unterlagen zum Nachweis der zweckentsprechenden Mittelverwendung auf. Es entwickelte sich in der Folge zwischen den Beteiligten ein weiterer Schriftverkehr, im Rahmen dessen der Vater des Klägers einzelne Unterlagen vorlegte. Ab Juni 2015 stellte der Beklagte die Zahlungen ein; seither übernahm die Mutter des Klägers mit ehrenamtlichen Helfern und von der Pflegekasse finanzierter Leistungen seine Betreuung. In der Folge kündigte der Beklagte die Zielvereinbarung, da keine ausreichenden Nachweise für die zweckentsprechende Verwendung des als PB ausgezahlten Geldes eingereicht worden seien und erklärte sich bereit, ab dem 1.6.2015 die ambulanten Eingliederungsleistungen als Sachleistung zu gewähren (Schreiben vom 13.7.2015). Schließlich lehnte der Beklagte eine weitere Leistungsgewährung der Eingliederungshilfe ab, weil auf Grundlage eines inzwischen vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung sozialmedizinisch festgestellten 24-Stunden-Betreuungsbedarfs der Bedarf von der Krankenkasse zu decken sei (Bescheid vom 15.3.2016).
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Nach Anhörung des Klägers (Schreiben vom 26.4.2016) widerrief der Beklagte die Bewilligung des PB für den Zeitraum von September 2012 bis Mai 2015 nach § 47 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) und forderte die für diesen Zeitraum als Eingliederungshilfe ausgezahlten 250 800 Euro (mit Ausnahme der für einen Behindertenfahrdienst monatlich ausgezahlten 150 Euro) nach § 50 Abs 1 SGB X zurück. Nach Auswertung aller zur Verfügung stehenden Unterlagen sei man zum Ergebnis gekommen, dass für den genannten Zeitraum nicht belegt worden sei, dass die bewilligten Leistungen zweckentsprechend verwendet worden seien (Bescheid vom 15.6.2016; Widerspruchsbescheid vom 4.9.2017).
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Die Klage ist erfolglos geblieben (Urteil des Sozialgerichts <SG> Koblenz vom 3.4.2019; Urteil des Landessozialgerichts <LSG> Rheinland-Pfalz vom 26.11.2020). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig, da der Kläger die zweckentsprechende Verwendung der ausgezahlten Mittel nicht nachgewiesen habe. Rechtsgrundlage sei § 47 Abs 2 SGB X iVm § 50 Abs 1 SGB X. Die Verpflichtung zum Nachweis folge aus der geschlossenen Zielvereinbarung, die Bestandteil des Bewilligungsbescheids sei. Der Ansicht, dass § 47 Abs 2 SGB X nur auf subventionsähnliche Leistungen anzuwenden sei, folge der Senat nicht.
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Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 47 Abs 2, § 45 Abs 4 Satz 2 und § 50 Abs 1 SGB X sowie § 57 SGB XII und § 1629a BGB. § 47 Abs 2 SGB X erfasse keine Leistungen der Sozialhilfe. Die zweckentsprechende Mittelverwendung werde hier durch andere Instrumente sichergestellt, wie etwa die Gewährung von Sachleistungen oder die unmittelbare Auszahlung an den Leistungserbringer. Außerdem sei der Nachweis der Inanspruchnahme eines bestimmten Leistungserbringers nicht Zweck der als PB ausgezahlten Eingliederungshilfe. Unabhängig davon, dass die Zielvereinbarung keine von den gesetzlichen Regelungen abweichende Verpflichtung begründen könne, ergebe sich im vorliegenden Fall daraus auch nichts anderes. Darin sei gerade nicht ausgeschlossen worden, die notwendige Hilfe durch andere Dienstleister sicherzustellen.
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Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 26. November 2020 und des Sozialgerichts Koblenz vom 3. April 2019 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. September 2017 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Er hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist zulässig und begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).
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Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Anfechtungsklage (vgl § 54 Abs 1 Satz 1 SGG) gegen den Bescheid vom 15.6.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.9.2017 (§ 95 SGG) hat Erfolg. Der angefochtene Bescheid ist - ungeachtet seiner formellen Rechtmäßigkeit im Einzelnen - in der Sache rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Er ist daher ebenso wie die ihn bestätigenden Urteile aufzuheben.
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Die Bewilligung eines PB im angefochtenen Bescheid und ggf ergänzende Regelungen in der Zielvereinbarung eröffnen keine Widerrufsmöglichkeit nach § 47 Abs 2 Satz 1 SGB X. Sie begründen keine über die bereits im Gesetz bestimmten, originäre verhaltenssteuernden Zweckbestimmungen durch Verwaltungsakt. Damit kann das PB weder gestützt auf eine behauptete zweckwidrige Leistungsverwendung noch auf die Nichterfüllung einer mit dem bewilligenden Verwaltungsakt verbundenen Auflage nach § 47 Abs 2 Satz 1 SGB X widerrufen werden. Auch die Umdeutung in eine Aufhebung des Bewilligungsbescheids nach § 48 SGB X oder Rücknahme nach § 45 SGB X scheidet aus. Ausgeschlossen ist folglich auch die Rückforderung der in der Vergangenheit ausgezahlten Leistungen (§ 50 SGB X).
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Nach § 47 Abs 2 Satz 1 SGB X (in der seit dem 21.5.1996 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschiften vom 2.5.1996 <BGBl I 656>) kann ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, der eine Geld- oder Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks zuerkennt oder hierfür Voraussetzung ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden, wenn die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird (Nr 1), oder mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat (Nr 2).
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Es kann dabei offenbleiben, ob der Anwendungsbereich des § 47 Abs 2 SGB X von vornherein auf "subventionsähnliche" Leistungen beschränkt ist und folglich alle Sozialleistungen iS des § 11 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I) von einer Widerrufsmöglichkeit ausgenommen sind (so Steinwedel in beck-online.Grosskommentar, § 47 SGB X RdNr 17, Stand März 2022; dagegen Merten in Hauck/Noftz, SGB X, Stand Februar 2022, § 47 RdNr 37; Prange in jurisPK-SGB X, 2. Aufl 2017, § 47 RdNr 52). Jedenfalls betrifft § 47 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB X - wie bereits der Wortlaut der Vorschrift unmissverständlich zum Ausdruck bringt - nur Leistungen, deren Zweck im Verwaltungsakt oder über in den Bescheid einbezogene Regelungen (in Betracht käme hier die Zielvereinbarung) bestimmt ist (vgl zur Einbeziehung von Verwaltungsvorschriften als Nebenbestimmung etwa BVerwG vom 26.6.2002 - 8 C 30.01 - BVerwGE 116, 332, 334 = NVwZ 2003, 221, 222; Schoch in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, § 49 VwVfG RdNr 171 mwN, Stand April 2022). Nicht erfasst werden damit Leistungsbewilligungen, deren Zweck bereits im Gesetz abschließend normiert ist, und damit der Verwaltungsakt die allgemeine Zweckbestimmung des Gesetzes lediglich wiederholt, präzisiert oder durch eine Nebenbestimmung ergänzt (vgl BSG vom 14.12.2000 - B 11 AL 63/00 R - BSGE 87, 219 = SozR 3-1300 § 47 Nr 1; BSG vom 21.2.2013 - B 10 EG 12/12 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 19 RdNr 38; Merten in Hauck/Noftz, SGB X, § 47 RdNr 40 ff mwN, Stand Februar 2022; Prange in jurisPK-SGB X, 2. Aufl 2017, § 47 RdNr 52 unter Hinweis auf die Begründung des Gesetzentwurfs in BT-Drucks 13/1534 S 8; Schütze in Schütze, SGB X, 9. Aufl 2020, § 47 RdNr 14). Vor allem Leistungen, die ihren Zweck bereits durch die Gewährung und Auskehrung erfüllen, können damit nicht nach § 47 Abs 2 SGB X widerrufen werden. Bereits die Begründung zum Entwurf des Gesetzes zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschiften differenziert zwischen Leistungen, deren "konkreten Zweckbestimmung (es) entspricht (…), daß ihre Verwendung vom Empfänger nachgewiesen werden muß und (die) zurückgefordert werden können, wenn und soweit der Zweck nicht erreicht wird" und "dem großen Bereich derjenigen Zahlungen aus öffentlichen Kassen, durch die der gesetzliche Zweck bereits unmittelbar verwirklicht wird, wie z. B. ein Großteil der Sozialleistungen" (BT-Drucks 13/1534 S 5). Entscheidend für die Anwendbarkeit des § 47 Abs 2 SGB X ist damit, dass durch die konkrete Zweckbestimmung im Verwaltungsakt ein bestimmtes Verhalten des Begünstigten gefordert wird; allein diese verhaltenssteuernde Zweckbestimmung im Verwaltungsakt selbst eröffnet die Widerrufsmöglichkeit (vgl BSG vom 14.12.2000 - B 11 AL 63/00 R - BSGE 87, 219 = SozR 3-1300 § 47 Nr 1; BSG vom 21.2.2013 - B 10 EG 12/12 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 19 RdNr 38; Merten in Hauck/Noftz, SGB X, § 47 RdNr 40 ff mwN).
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Die Erbringung eines PB - im vorliegenden Fall noch nach § 57 SGB XII (in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022; im Folgenden: alte Fassung <aF>) iVm § 17 Abs 2 bis 4 und § 159 SGB IX aF (jeweils idF des Gesetzes zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht vom 21.3.2005, BGBl I 818) und der Verordnung zur Durchführung des § 17 Abs 2 bis 4 des SGB IX (Budgetverordnung <BudgetV> vom 27.5.2004, BGBl I 1055; aufgehoben mit Art 26 Abs 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen - Bundesteilhabegesetz <BTHG> vom 23.12.2016, BGBl I 3234) - setzt einen (gesetzlichen) Anspruch auf eine budgetfähige Teilhabeleistung voraus. Besteht ein solcher Anspruch, besteht auch auf die Erbringung der Leistungen in der Leistungsform des PB ein Rechtsanspruch, ohne dass sich dadurch der Leistungszweck ändert (vgl zuletzt BSG vom 28.1.2021 - B 8 SO 9/19 R - BSGE 131, 246 = SozR 4-3500 § 57 Nr 1, RdNr 24 ff mwN). Diese Bindung des PB an die gesetzlichen Voraussetzungen der zugrunde liegenden Teilhabeleistungen bewirkt, dass über den gesetzlich vorgegebenen Anspruchsinhalt hinaus durch den bewilligenden Verwaltungsakt lediglich Präzisierungen und Konkretisierungen zulässig sind, die aber weder eine originäre Zweckbestimmung noch daraus resultierende Verhaltenspflichten des Begünstigten begründen können.
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Die Bewilligung eines PB und der vorangehende Abschluss einer Zielvereinbarung "zur Umsetzung des PB" (so nunmehr § 29 Abs 4 Satz 1 SGB IX in der Fassung des BTHG; im Folgenden neue Fassung <nF>) haben nicht zur Folge, dass abweichend von dem gesetzgeberischen Zweck der vom PB erfassten Teilhabeleistungen der Leistungsanspruch verändert würde oder gar die Verantwortung für die Erreichung der vom Gesetz vorgegebenen Eingliederungsziele durch originäre Regelung im Verwaltungsakt auf den Leistungsempfänger verlagert würde. Zwar müssen in der vor Bewilligung des PB abzuschließenden Zielvereinbarung ausdrücklich Regelungen über die Erforderlichkeit eines Nachweises für die Deckung des festgestellten individuellen Bedarfs und die Qualitätssicherung enthalten sein (vgl § 4 Abs 1 Satz 2 Nr 2 und 3 BudgetV wie nunmehr § 29 Abs 4 Satz 2 Nr 2 und 3 SGB IX nF). Aus der individuellen Vereinbarung über bereits im Gesetz angelegte Inhalte einer Zielvereinbarung zur Umsetzung des PB ergibt sich aber keine originäre Zweckbestimmung iS des § 47 Abs 2 SGB X. Wird etwa im Bewilligungsbescheid oder in der Zielvereinbarung die Inanspruchnahme bestimmter Leistungserbringer festgehalten, handelt es sich um eine Konkretisierung des bereits gesetzlich vorgegebenen Leistungszwecks im Sinne der Qualitätssicherung (dazu etwa Welti in Deinert/Welti/Luik/Brockmann, StichwortKommentar Behindertenrecht, 3. Aufl 2022, Stichwort "Persönliches Budget" RdNr 24), nicht aber um einen darüber hinausgehenden originären Leistungszweck im Verwaltungsakt, der über eine eigenständige Verhaltenspflicht die Anwendbarkeit des § 47 Abs 2 SGB X begründen könnte. Auch die Vereinbarung von Nachweispflichten in der Zielvereinbarung soll die zweckentsprechende Verwendung der Budgetleistungen sichern, verlagert aber nicht die Verantwortung für die Erreichung der Eingliederungsziele auf den Leistungsempfänger im Sinne eines eigenständigen Zwecks der Leistung.
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So verhält es sich auch hier. Der angefochtene Bescheid formuliert als Ziele ebenso wie die Zielvereinbarung nur die allgemeinen gesetzlichen Leistungszwecke (zB "Unterstützung der Eltern bei der alltäglichen Pflege und Betreuung des Budgetnehmers"). Der Zusatz "in einem Umfang von 16 Stunden/Tag" stellt in diesem Zusammenhang lediglich eine Präzisierung der gesetzlichen Zweckbestimmung dar und enthält keine originäre Verhaltenspflicht des Klägers (etwa in Form der Beauftragung eines bestimmten Leistungserbringers oder eines ganz konkreten Leistungsinhalts). Gleiches gilt für die Regelung, dass auf ein angemessenes Verhältnis zwischen dem Einsatz von Fachkräften bzw Nichtfachkräften (ca 50/50) zu achten sei. Die in der Zielvereinbarung geregelte Nachweispflicht bezieht sich nur allgemein auf "die zweckentsprechende Verwendung der Mittel". Allein die Verpflichtung, die "zweckentsprechende Verwendung der Mittel" (sei es auch durch "Vorlage der Abrechnungen des leistungserbringenden Vereins oder anderer Leistungserbringer") nachzuweisen, begründet keine eigenständige Verhaltenspflicht iS des § 47 Abs 2 SGB X. Denn hierbei handelt es sich nicht um einen eigenständigen, durch den Verwaltungsakt geregelten Zweck der Sozialleistung, der durch Nichterbringung der geforderten Nachweise verfehlt werden könnte. Nicht zulässig wäre - wie ausgeführt - eine Nebenbestimmung, die (mittelbar oder unmittelbar) die Verantwortung für die Erreichung der Eingliederungsziele auf den Leistungsempfänger verlagert. Vielmehr werden hierdurch nur die gesetzlichen Leistungszwecke konkretisiert.
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Dem entsprechen auch Sinn und Zweck des PB. Dem PB liegt die Vorstellung zugrunde, dem Leistungsberechtigten ein selbstbestimmtes Leben in eigener Verantwortung zu ermöglichen (vgl nur BSG vom 28.1.2021 - B 8 SO 9/19 R - BSGE 131, 246 = SozR 4-3500 § 57 Nr 1, RdNr 29; BSG vom 30.11.2011 - B 11 AL 7/10 R - BSGE 109, 293 = SozR 4-3250 § 17 Nr 2, RdNr 28 mwN). Der Leistungsempfänger soll - anders als bei der Inanspruchnahme einer Sachleistung -eigenverantwortlich und nach eigenen Maßstäben (notwendigerweise auch zukunftsgerichtet) über seine Versorgung entscheiden können. Auch wenn das PB in der Regel als pauschale Geldleistung gewährt wird, unterliegt es schon nach seinem originären Gesetzeszweck ohne weitere Festlegungen im bewilligenden Verwaltungsakt einer strikten Zweckbindung (vgl bereits BSG vom 8.3.2016 - B 1 KR 19/15 R - BSGE 121, 32 = SozR 4-3250 § 17 Nr 4, RdNr 19). Mit den Regelungen in der Zielvereinbarung zur Bedarfsdeckung und Qualitätssicherung kann der Träger des PB vor diesem Hintergrund ausgleichen, dass der Leistungsberechtigte, dem ein PB als pauschale Geldleistung gewährt wird, auf Leistungserbringer zurückgreifen kann, die keiner Qualitätskontrolle durch die Leistungsträger unterliegen (vgl auch BT-Drucks 18/9522 S 245 zur Entbehrlichkeit einer Zielvereinbarung bei Pflegekassen als alleinigen Leistungsträgern; zum Ganzen auch Schneider in Hauck/Noftz, SGB IX, 2. Aufl, § 29 RdNr 38, Stand Februar 2022). Eine eigenständige Zweckbestimmung folgt hieraus aber nicht.
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Es bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung, welche Rechtsnatur einer Zielvereinbarung zukommt und in welchem Verhältnis sie zu der durch Verwaltungsakt ergehenden Bewilligung eines PB steht. Offenbleiben kann insbesondere weiterhin, ob der Inhalt einer Zielvereinbarung mittels Einbeziehung in den Verwaltungsakt durch die Behörde den Charakter einer Nebenbestimmung iS von § 32 Abs 1 SGB X erlangen kann (vgl BSG vom 28.1.2021 - B 8 SO 9/19 R - BSGE 131, 246 = SozR 4-3500 § 57 Nr 1, RdNr 29 mwN; eingehend zum Streitstand Schneider in Hauck/Noftz, SGB IX, 2. Aufl, § 29 RdNr 39 ff, Stand Februar 2022). Von der Wirksamkeit einer in den Verwaltungsakt aufgenommenen Nebenstimmung könnte ohnehin nur ausgegangen werden, wenn im Bescheid eine konkrete Regelung getroffen wurde, die über einen bloßen Hinweis auf die Gesetzeslage hinausgeht (vgl zu den Anforderungen an die Bestimmtheit von Nebenbestimmungen BSG vom 6.4.2000 - B 11/7 AL 10/99 R - SozR 3-7815 Art 1 § 2 Nr 2). Enthält der Verwaltungsakt in seinen Nebenbestimmungen lediglich bloße Hinweise oder Belehrungen über eine tatsächliche oder vermeintliche Rechtslage, liegt mangels Regelung bereits keine Nebenbestimmung vor (vgl zum Ganzen BSG vom 14.12.2000 - B 11 AL 63/00 R - BSGE 87, 219, 221 f = SozR 3-1300 § 47 Nr 1 S 5).
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Eine Nebenbestimmung, die den Leistungsempfänger verpflichtet, die Mittelverwendung durch Vorlage bestimmter Belege konkret nachzuweisen, führt damit nicht dazu, dass die Bewilligung nach § 47 Abs 2 (Nr 1 oder 2) SGB X für die Vergangenheit widerrufen und die bereits gewährten Leistungen nach § 50 SGB X zurückgefordert werden könnte. Die Behörde ist bei der Nachhaltung der Zielerreichung vielmehr darauf verwiesen, im Rahmen der Amtsermittlung an den Leistungsempfänger heranzutreten, zB die Vorlage entsprechender Belege zu fordern (vgl §§ 60 ff SGB I). Sie hat den Bedarf zwingend (vgl § 3 BudgetV bzw § 29 Abs 2 Satz 4 SGB IX nF) in vorgegebenen Zeitabständen (in der Regel alle 2 Jahre) neu festzustellen bzw zu ermitteln und hierfür ggf weitere Nachforschungen anzustellen. Bei durchgreifenden Zweifeln an der zweckentsprechenden Mittelverwendung und/oder fehlender Mitwirkung des Leistungsberechtigten kann sie die Leistung in der Form des PB versagen oder entziehen (§ 66 Abs 1 SGB I) und die Zielerreichung auf andere Weise als durch Auszahlung eines PB sicherstellen, etwa durch Erbringung von Sachleistungen oder unmittelbare Zahlung an bestimmte Leistungserbringer.
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Die Umdeutung des angefochtenen Bescheids in eine Aufhebung des Bewilligungsbescheids nach § 48 Abs 1 Satz 1 iVm Satz 2 SGB X oder Rücknahme nach § 45 Abs 1 iVm Abs 2 SGB X scheidet bereits deswegen aus, weil auf Grundlage der Feststellungen des LSG weder eine wesentliche Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse ersichtlich ist, noch Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass die vom Beklagten bei der Bemessung des PB vorgenommene Prognose bereits anfänglich unzutreffend und daher rechtswidrig war.
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Eine Aufhebung nach § 48 SGB X mit Wirkung ab Änderung der Verhältnisse (ggf also auch für die Vergangenheit) kommt zwar auch dann in Betracht, wenn etwa im Zuge der turnusmäßigen Bedarfsfeststellung in Bezug auf die Befriedigung des Eingliederungsbedarfs im Vergleich zu der von der Behörde im Rahmen der Bemessung des PB zu treffenden Prognoseentscheidung wesentliche Änderungen eingetreten sind (vgl Schütze, SGB X, 9. Aufl 2020, § 48 RdNr 11 mwN). Wenn das tatsächliche Leistungsgeschehen wesentlich von der (für sich genommenen zutreffenden) Prognose im Zeitpunkt der Bewilligung abweicht, etwa weil die Deckung des festgestellten Bedarfs tatsächlich wesentlich geringere oder höhere finanzielle Mittel erfordert hat als prognostiziert, können im Einzelfall die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X vorliegen. Die Regelungen zur Kündigung der Zielvereinbarung und anschließenden Aufhebung des bewilligenden Verwaltungsakts (§ 4 Abs 2 BudgetV; nunmehr § 29 Abs 4 Satz 4 bis 7 SGB IX nF) beschreiben die Möglichkeiten einer Aufhebung oder Rücknahme dabei nicht abschließend (vgl BR-Drucks 262/04 S 8; anders Sächsisches LSG vom 22.3.2022 - L 8 SO 2/22 B ER - ZFSH/SGB 2022, 401 = Breith 2022, 686, RdNr 32; Kellner in BeckOK Sozialrecht, § 29 RdNr 14, Stand September 2022). Im vorliegenden Fall fehlen aber jegliche Anhaltspunkte für eine maßgebliche Änderung. Grundlage der Rücknahmeentscheidung des Beklagten ist vielmehr ausschließlich, dass keine Abrechnungen oder sonstige Belege vorliegen, also gerade nicht feststellbar ist, welche Aufwendungen für die Bedarfsdeckung tatsächlich angefallen sind.
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Erweist sich hingegen die Prognose als bereits von Anfang an unzutreffend, kommt eine Rücknahme nach § 45 Abs 1 iVm Abs 2 SGB X in Betracht. Auch hierfür fehlen auf Grundlage der Feststellungen des LSG aber Anhaltspunkte.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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