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BSG 12.12.2019 - B 14 AS 46/18 R
BSG 12.12.2019 - B 14 AS 46/18 R - Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren - Erstattung von Kosten im Vorverfahren - Anspruch auf Freistellung von der Gebührenforderung eines Rechtsanwalts - wirksamer Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts - Ankündigung eines Gebührenverzichts bei erfolglos eingelegtem Widerspruch - Nichterhebung der Verjährungseinrede
Normen
§ 63 Abs 1 S 1 SGB 10, § 63 Abs 2 SGB 10, § 80 VwVfG, § 1 Abs 1 S 1 RVG, § 2 Abs 2 S 1 RVG, § 3 Abs 1 S 1 RVG, § 3 Abs 2 RVG, § 4 Abs 1 S 3 RVG, § 14 Abs 1 S 1 RVG, § 14 Abs 1 S 3 RVG, § 49b Abs 1 S 1 BRAO, § 49b Abs 1 S 2 BRAO, § 8 Abs 2 S 1 BeratHiG, § 195 BGB
Vorinstanz
vorgehend SG Nordhausen, 16. Januar 2017, Az: S 31 AS 2363/14, Urteil
vorgehend Thüringer Landessozialgericht, 15. Mai 2018, Az: L 9 AS 361/17, Urteil
Leitsatz
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Dem Anspruch auf Freistellung von Rechtsanwaltsgebühren für die Vertretung im sozialrechtlichen Widerspruchsverfahren steht die Nichterhebung der Verjährungseinrede nicht entgegen.
Tenor
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Auf die Revisionen der Kläger werden die Urteile des Thüringer Landessozialgerichts vom 15. Mai 2018 - L 9 AS 361/17 - und des Sozialgerichts Nordhausen vom 16. Januar 2017 aufgehoben und der Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 28. Juli 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Oktober 2014 verurteilt, den Klägern die Gebühren ihres Rechtsanwalts zu erstatten.
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Der Beklagte hat den Klägern vier Fünftel der Kosten des Rechtsstreits für alle Instanzen zu erstatten.
Tatbestand
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Umstritten ist die Übernahme von Vorverfahrenskosten.
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Nach einem für die Kläger im Jahr 2009 erfolgreich abgeschlossenen Vorverfahren zur Höhe der Leistungen für Juli 2008 verpflichtete sich das beklagte Jobcenter, die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens einschließlich der Gebühren und Auslagen ihres Bevollmächtigten zu erstatten (Bescheid vom 9.4.2009). Den Ende 2013 gestellten Antrag auf Festsetzung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 480,76 Euro lehnte es ab, weil die Kläger ihrem Rechtsanwalt gegenüber die Verjährungseinrede erheben könnten (Bescheid vom 28.7.2014; Widerspruchsbescheid vom 7.10.2014).
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Im Klageverfahren hat der Bevollmächtigte erklärt, er sei bei einer positiven Kostenentscheidung auf die Behörde zugegangen und habe ansonsten Beratungshilfe beantragt; von der Familie fordere er nichts. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 16.1.2017), die zugelassene Berufung hat das LSG zurückgewiesen (Urteil vom 15.5.2018): Zwar stehe die - im Berufungsverfahren erhobene - Verjährungseinrede des Beklagten einem Freistellungsanspruch der Kläger nicht entgegen. Jedoch könne der Bevollmächtigte nach der Vergütungsabrede von den Klägern kein Honorar fordern, von dem sie freizustellen seien. Jedenfalls müssten sie sich darauf verweisen lassen, im Verhältnis zu ihm die Verjährungseinrede zu erheben.
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Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung des § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X. Mit Beauftragung ihres Bevollmächtigten seien sie einem wirksamen Gebührenanspruch ausgesetzt gewesen. Die Verjährungseinrede nicht zu erheben, sei nicht rechtsmissbräuchlich.
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Nach Abschluss eines Teilvergleichs zur Höhe des Gebührenanspruchs beantragen die Kläger,
die Urteile des Thüringer Landessozialgerichts vom 15. Mai 2018 - L 9 AS 361/17 - und des Sozialgerichts Nordhausen vom 16. Januar 2017 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 28. Juli 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Oktober 2014 zu verurteilen, ihnen die Gebühren ihres Rechtsanwalts dem Grunde nach zu erstatten.
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Der Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Kläger ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 SGG). Zu Recht machen sie geltend, dass sie einem wirksamen Vergütungsanspruch ausgesetzt und zur Erhebung der Verjährungseinrede nicht gehalten sind.
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1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist neben den vorinstanzlichen Entscheidungen der Bescheid vom 28.7.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7.10.2014, durch den der Beklagte es sinngemäß abgelehnt hat, die Kläger auf der Grundlage des Kostengrundbescheids vom 9.4.2009 von Anwaltsgebühren in Höhe von 480,76 Euro freizustellen. Nicht Gegenstand des Verfahrens ist dagegen die Kostengrundentscheidung des Beklagten vom 9.4.2009.
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2. Verfahrensrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen. Insbesondere war die Berufung zulässig, nachdem das SG sie in seinem Urteil zugelassen hat (vgl § 144 SGG). Der Streit um die Kosten eines isolierten Vorverfahrens (§§ 78 ff SGG) betrifft auch keine Kosten des Verfahrens iS von § 144 Abs 4 iVm § 165 Satz 1 SGG, bei denen Berufung und Revision nicht statthaft sind (vgl BSG vom 9.3.2016 - B 14 AS 5/15 R - BSGE 121, 49 = SozR 4-1300 § 63 Nr 24, RdNr 11). Schließlich stellt es keinen Verfahrensfehler dar, dass das LSG kein Gutachten nach § 14 Abs 2 RVG eingeholt hat (vgl BSG vom 1.7.2009 - B 4 AS 21/09 R - BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, RdNr 13). Zutreffende Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 SGG), im Revisionsverfahren zulässig beschränkt auf den Erlass eines Grundurteils (§ 130 Abs 1 Satz 1 SGG; vgl letztens BSG vom 8.5.2019 - B 14 AS 20/18 R - vorgesehen für BSGE und SozR 4, RdNr 8) zur Frage, ob die Kläger dem Grunde nach von den Kosten ihrer Vertretung im Widerspruchsverfahren zur Höhe der Leistungen für Juli 2008 freizustellen sind.
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3. Rechtsgrundlage des streitbefangenen Freistellungsanspruchs ist § 63 SGB X.
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a) Nach § 63 SGB X hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich ist (Abs 1 Satz 1). Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten im Vorverfahren sind erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten - wie hier durch den Kostengrundbescheid festgestellt - notwendig war (Abs 2).
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b) Ist die Gebührenforderung des Bevollmächtigten für das Widerspruchsverfahren - wie nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG hier - noch nicht beglichen, zielt der Anspruch nach § 63 SGB X auf "Erstattung" der notwendigen Aufwendungen darauf, von der Gebührenforderung nach Maßgabe von § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X befreit zu werden (so bereits BSG vom 2.12.2014 - B 14 AS 60/13 R - SozR 4-1300 § 63 Nr 22 RdNr 14; ebenso etwa LSG Rheinland-Pfalz vom 6.5.2015 - L 6 AS 288/13 - juris RdNr 25 ff; LSG Berlin-Brandenburg vom 13.10.2016 - L 31 AS 1774/16 - juris RdNr 31). Eine solche Freistellung kann ein Erstattungsberechtigter beanspruchen, soweit er im Innenverhältnis zum Bevollmächtigten zum Ausgleich von dessen Gebührenforderung verpflichtet und die ihr zugrundeliegende Tätigkeit im Außenverhältnis zum erstattungsverpflichteten Träger zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung als notwendig anzusehen ist (zur entsprechenden Lage unter Privaten vgl letztens nur BGH vom 22.1.2019 - VI ZR 402/17 - NJW 2019, 1522 RdNr 11 mwN). Nicht erforderlich ist dagegen, dass die Forderung im Innenverhältnis schon in Rechnung gestellt worden ist (BSG vom 2.12.2014 - B 14 AS 60/13 R - SozR 4-1300 § 63 Nr 22 RdNr 17 f unter Verweis auf BGH vom 22.3.2011 - VI ZR 63/10 - NJW 2011, 2509 RdNr 9 und 18).
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c) Hiernach beanspruchen die Kläger dem Grunde nach zu Recht, von der streitbefangenen Gebührenforderung freigestellt zu werden. Sie sind einem wirksamen Vergütungsanspruch ihres Bevollmächtigten ausgesetzt (dazu 4.) und der Geltendmachung des Freistellungsanspruchs steht weder der Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens entgegen (dazu 5.) noch ist der Anspruch in entsprechender Anwendung von § 45 SGB I verjährt (dazu 6.).
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4. Zu Unrecht hat das LSG angenommen, dass die Kläger ihrem Bevollmächtigten für die Vertretung im Widerspruchsverfahren für Juli 2008 keine Vergütung schulden; die (bloße) Ankündigung eines Gebührenverzichts bei einem erfolglos eingelegten Widerspruch zieht keinen Verlust des anwaltlichen Gebührenanspruchs im Erfolgsfall nach sich.
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a) Übernimmt ein Rechtsanwalt in einer sozialrechtlichen Angelegenheit die Vertretung außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens, für die - wie hier - bei Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens das GKG nicht anzuwenden wäre, erwirbt er nach § 1 Abs 1 Satz 1, § 3 Abs 2 RVG einen als Betragsrahmengebühr ausgestalteten (gesetzlichen) Gebührenanspruch, der sich nach dem VV der Anlage 1 zum RVG bestimmt (§ 2 Abs 2 Satz 1 RVG), soweit er nicht durch eine bei seiner Mandatierung getroffene Gebührenabrede an dessen Geltendmachung gehindert ist (vgl BGH vom 5.6.2014 - IX ZR 137/12 - BGHZ 201, 334 RdNr 16 ff und 32 ff mwN). So liegt es hier nicht. Den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und deshalb bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG ist weder die Zusage eines Gebührenverzichts bei erfolgreicher Vertretung der Kläger zu entnehmen (dazu b und c) noch ist zu erkennen, dass die Gebührenabrede mit dem Bevollmächtigten gebührenrechtlich unzulässig war (dazu d), weshalb sich die Frage nach den Folgen eines solchen Verstoßes für seinen Gebührenanspruch im Erfolgsfall nicht stellt (dazu e).
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b) Vereinbart war nach den Feststellungen des LSG mit den Klägern, dass der Bevollmächtigte es "auf seine Kappe" nehmen werde, wenn der Widerspruch weder zu einer positiven Kostengrundentscheidung führen noch nachträglich Beratungshilfe gewährt werden sollte. Danach galt für die Kläger zunächst, dass sie im Fall eines - wie hier nicht - erfolglosen Widerspruchs und bei nachträglicher Gewährung von Beratungshilfe von der Beratungshilfegebühr abgesehen (§ 44 Satz 2 RVG) kraft Gesetzes vor einer Inanspruchnahme durch den Bevollmächtigten geschützt waren (vgl § 8 Abs 2 BerHG) und dass sie bei der Zurückweisung (auch) eines solchen Antrags mit einem Gebührenverzicht durch eine Nichtgeltendmachung der Gebühren von seiner Seite rechnen konnten.
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c) Das lässt jedoch nicht darauf schließen, dass der Bevollmächtigte den Klägern auch bei einer erfolgreichen Vertretung im Widerspruchsverfahren einen Gebührenverzicht in Aussicht gestellt hat und infolgedessen das Jobcenter nach der Vorstellung der Beteiligten in diesem Fall vor Ersatzansprüchen nach § 63 SGB X bewahrt bleiben sollte; dafür spricht nichts. Nach der Interessenlage muss eine Erklärung wie die hier abgegebene vielmehr so ausgelegt werden - wozu der Senat selbst befugt ist (zur Auslegung typischer Erklärungen vgl letztens nur BSG vom 13.12.2018 - B 5 RE 1/18 R - SozR 4-2600 § 6 Nr 18 RdNr 39 mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen) -, dass der Bevollmächtigte im Erfolgsfall ("gehe ich auf die Behörde zu") den ihm den Klägern gegenüber zustehenden Gebührenanspruch beim Beklagten geltend machen und bei Erfolglosigkeit Beratungshilfe beantragen sollte, mithin ein Kostenrisiko für ihn nur bestand (es "auf seine Kappe" ging), wenn überhaupt kein Zahlungsanspruch gegen Dritte - das Jobcenter oder die Staatskasse - zu erlangen war und er mithin dann von der Familie "nichts fordere", wie er vor dem SG bekundet hat.
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d) Dass diese Zusage gebührenrechtlich unzulässig war, ist den Feststellungen des LSG nicht zu entnehmen.
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Allerdings ist Rechtsanwälten nach § 49b Abs 1 Satz 1 BRAO (hier in der im Zeitpunkt der Mandatserteilung im November 2008 geltenden Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts vom 5.5.2004, BGBl I 718; zur Maßgeblichkeit des zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltenden Rechts vgl nur BGH vom 23.2.1995 - IX ZR 29/94 - NJW 1995, 1425, 1426) die Unterschreitung von gesetzlichen Gebührenuntergrenzen untersagt; unzulässig ist es danach, "geringere Gebühren und Auslagen zu vereinbaren oder zu fordern, als das RVG vorsieht, soweit dieses nichts anderes bestimmt". Eine solche abweichende Bestimmung enthält - von der zwischenzeitlich eingeführten und zum Zeitpunkt hier noch nicht geltenden Möglichkeit eines vollständigen Verzichts bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Bewilligung von Beratungshilfe (§ 4 Abs 1 Satz 3 RVG idF des Gesetzes zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts vom 31.8.2013, BGBl I 3533) abgesehen - § 49 Abs 1 Satz 2 BRAO. Hiernach ist ein Rechtsanwalt befugt, "im Einzelfall … besonderen Umständen in der Person des Auftraggebers, insbesondere dessen Bedürftigkeit, Rechnung (zu) tragen durch Ermäßigung oder Erlaß von Gebühren oder Auslagen nach Erledigung des Auftrags".
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Dass die Grenzen dieser Öffnungsklausel hier nicht gewahrt worden sind, ergeben die Feststellungen des LSG nicht. Mit dem Leistungsbezug nach dem SGB II gehören die Kläger zu dem Personenkreis, dem gegenüber nach § 49 Abs 1 Satz 2 BRAO Gebühren oder Auslagen erlassen werden können. Das darf zwar dem Zeitpunkt nach wirksam erst nach Erledigung des Auftrags erklärt werden. Das hindert einen Rechtsanwalt indes nicht, einen Erlass bereits bei Mandatserteilung in Aussicht zu stellen; anderenfalls würde die Vorschrift ihren Zweck verfehlen, Bedürftigen den Zugang zu rechtskundiger Vertretung zu erleichtern (zutreffend Kilian in Henssler/Prütting, BRAO, 5. Aufl 2019, § 49b RdNr 45). Anhaltspunkte dafür, dass der Bevollmächtigte jenseits dessen bereits bei der Übernahme des Auftrags einen verbindlichen Gebührenverzicht bei Misserfolg ausgesprochen hat, lassen die Feststellungen des LSG nicht erkennen. Das gilt schließlich gleichermaßen für einen Verstoß gegen das Merkmal "im Einzelfall"; Umstände, die auf eine in diesem Sinne unzulässige Erlasspraxis in einer Vielzahl von Fällen hindeuten könnten, sind nicht festgestellt.
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e) Keiner Entscheidung bedarf danach, welche Rechtsfolgen ein etwaiger Verstoß gegen das Gebührenunterschreitungsverbot des § 49b Abs 1 Satz 1 BRAO hat und ob dem Rechtsanwalt in einem solchen Fall auch im Erfolgsfall kein Vergütungsanspruch zusteht, von dem der nach § 63 SGB X (an sich) erstattungspflichtige Gegner seinen Auftraggeber freizustellen hat; das kann (weiter) offenbleiben (vgl BGH vom 13.11.2014 - IX ZR 267/13 - NJW 2015, 1093 RdNr 13).
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5. Dem Anspruch auf Freistellung von Rechtsanwaltsgebühren für die Vertretung im sozialrechtlichen Widerspruchsverfahren steht die Nichterhebung der Verjährungseinrede nicht entgegen.
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a) Allerdings ist in der Rechtsprechung zu Schuldbefreiungsansprüchen ein - auch für den Gläubiger des Freistellungsanspruchs erkennbares und zu berücksichtigendes - Interesse des Schuldners anerkannt, diesen nur insoweit von seiner Schuld befreien zu müssen, als er (selbst) auf deren Erfüllung in Anspruch genommen werden kann. Nach der Spruchpraxis des BGH kann deshalb von einem Freistellungsgläubiger im Regelfall verlangt werden, sich seinem Gläubiger gegenüber auf die Einrede der Verjährung zu berufen, soweit dies nicht ausnahmsweise als unzumutbar erscheint (vgl letztens BGH vom 28.1.2016 - VII ZR 266/14 - BGHZ 208, 372 RdNr 29 ff mwN).
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b) Diese Grundsätze sind auf Freistellungsansprüche nach § 63 SGB X nicht unmittelbar zu übertragen. § 63 SGB X ist ebenso wie die Parallelregelung des § 80 VwVfG nicht Ausdruck eines allgemeinen kostenrechtlichen Rechtsgedankens im Staat-Bürger-Verhältnis, sondern Spezialregelung zur Kostenerstattung bei förmlichen Widerspruchsverfahren. Demzufolge wird Betroffenen zugemutet, Kosten der Rechtsverfolgung außerhalb des Anwendungsbereichs von § 63 SGB X - und entsprechend von § 80 VwVfG - auch im Erfolgsfall ausschließlich selbst zu tragen; insoweit hat die Rechtsprechung die entsprechende Anwendung von § 63 SGB X stets verneint (vgl letztens BSG vom 25.6.2015 - B 14 AS 38/14 R - BSGE 119, 170 = SozR 4-1300 § 63 Nr 23, RdNr 23 mwN <erfolgreicher Antrag auf Einstellung der Vollstreckung durch Hauptzollamt>; ebenso zu § 80 VwVfG etwa BVerwG vom 27.9.1989 - 8 C 88.8 - BVerwGE 82, 336, 342). Umgekehrt bedarf es danach besonderer Gründe, einem nach dem Normprogramm des § 63 SGB X grundsätzlich Anspruchsberechtigten die Berufung auf den Kostenerstattungsanspruch zu versagen, um den erstattungspflichtigen Träger zu verschonen.
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c) Ein solcher Grund ist nicht, dass der Freistellungsgläubiger seinem (Gebühren-)Gläubiger gegenüber die Verjährungseinrede nach § 195 BGB erheben kann, wie es nach den zutreffenden Ausführungen des LSG hier möglich wäre. Zwar begründet einerseits die Rechtsbeziehung zwischen dem Freistellungsgläubiger - hier den Klägern - und dem nach § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X verpflichteten Rechtsträger - hier dem Jobcenter - eine Pflicht zu gegenseitiger Rücksichtnahme (auch) in diesem Verhältnis. Andererseits anerkennt § 63 SGB X ausdrücklich das Interesse von Versicherten und Leistungsberechtigten, sich zur Vertretung in einem Widerspruchsverfahren - dessen Durchführung obligatorische Voraussetzung für ein etwaiges Klageverfahren ist (vgl § 78 Abs 1 Satz 1 SGG) - eines rechtskundigen Prozessbevollmächtigten des eigenen Vertrauens zu bedienen, sofern nicht ausnahmsweise anzunehmen ist, dass sie ihre Rechte gegenüber der Verwaltung selbst ausreichend wahren können (§ 63 Abs 2 SGB X; vgl dazu nur Becker in Hauck/Noftz, SGB X, Stand: September 2015, K § 63 RdNr 50 unter Verweis auf BVerfG <Kammer> vom 28.9.2010 - 1 BvR 623/10 - ASR 2011, 118 RdNr 13 ff).
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Dass bei dieser Lage dem Interesse der Behörde, einen sozialrechtlich nicht verjährten (dazu sogleich unter 6.) Kostenerstattungsanspruch nicht mehr erfüllen zu müssen, ungeachtet der gesetzlichen Wertung des § 63 Abs 2 SGB X regelmäßig Vorrang gebührt vor dem Interesse eines Widerspruchsführers an der Aufrechterhaltung der Vertrauensbeziehung zu seinem Bevollmächtigten, ist nicht zu erkennen; das gilt erst Recht, wenn dieser - wie hier - einen Gebührenverzicht nach § 49b Abs 1 Satz 2 BRAO für den Fall eines erfolglosen Widerspruchs in Aussicht stellt, um dem Widerspruchsführer die Verfolgung seiner Rechte zu erleichtern (ebenso im Ergebnis SG Nordhausen vom 24.4.2017 - S 27 AS 1757/15 - AGS 2017, 435, 437 f; SG Neubrandenburg vom 12.4.2018 - S 12 AS 1010/17 - ASR 2018, 156 RdNr 36 ff; LSG Berlin-Brandenburg vom 7.6.2018 - L 10 AS 360/16 - juris RdNr 29 ff; ebenso zur Kostenerstattung nach § 91 Abs 1 Satz 1 ZPO OLG Koblenz vom 28.7.2008 - 14 W 374/08 - MDR 2008, 1179; OLG Frankfurt vom 29.7.2010 - 15 W 18/10 - NJW-RR 2011, 499, 500; aA dagegen Feddern in jurisPK-SGB X, 2. Aufl 2017, § 63 RdNr 84).
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Insbesondere kommt einem solchen Verschonungsinteresse des Trägers nicht deshalb Vorrang vor dem Interesse des Freistellungsgläubigers an der zeitlich längeren Geltendmachung des Freistellungsanspruchs zu, weil mit zunehmendem zeitlichem Abstand die Prüfung der tatsächlichen Voraussetzungen der Gebührenbestimmung häufig schwerer fällt (vgl zu diesem Zweck der Verjährungseinrede nur Ellenberger in Palandt, BGB, 78. Aufl 2019, Überbl v § 194 RdNr 8); dem kann im Rahmen der Beweiswürdigung zu den Kriterien des § 14 Abs 1 Satz 1 und 3 RVG (vgl dazu nur BSG vom 1.7.2009 - B 4 AS 21/09 R - BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, RdNr 19 ff sowie letztens BSG vom 12.12.2019 - B 14 AS 48/18 R) ausreichend Rechnung getragen werden. Ebenfalls nicht durchzudringen vermag der Beklagte schließlich mit dem Hinweis auf Schwierigkeiten bei Rückstellungen für noch offene Erstattungsansprüche in unbekannter Höhe; solange der Gesetzgeber darauf nicht mit einer eigenständigen Verjährungsregelung für Ansprüche aus § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X reagiert, ist dies während der Dauer der allgemeinen sozialrechtlichen Verjährungsfrist entsprechend § 45 SGB I (dazu 6.) hinzunehmen.
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d) Hiernach verstoßen Versicherte oder Leistungsberechtigte im Geltungsbereich des SGB nicht gegen ihre Kostenminderungspflicht (so aber Feddern in jurisPK-SGB X, 2. Aufl 2017, § 63 RdNr 84) oder das Verbot unzulässiger Rechtsausübung, wenn sie ihren Bevollmächtigten gegenüber von der Erhebung der in diesem Verhältnis möglichen Verjährungseinrede absehen und statt dessen den Rechtsträger, dessen Behörde den im Vorverfahren erfolgreich angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, nach § 63 SGB X auf Kostenfreistellung in Anspruch nehmen. Zwar sind Anwaltsgebühren im Außenverhältnis zum Rechtsträger nach § 63 SGB X nur erstattungsfähig, soweit sie unter Beachtung der Kostenminderungspflicht als "zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig[en]" anzusehen sind (§ 63 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB X). Zeitlich beurteilt sich das indes aus der Perspektive bei Auftragserteilung und nicht rückschauend (vgl zu § 91 Abs 1 ZPO etwa BGH vom 15.3.2007 - V ZB 77/06 - NJW-RR 2007, 955 RdNr 7: Maßgebend für Notwendigkeit ist Rechtsanschauung bei Mandatierung; zu § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X ebenso Becker in Hauck/Noftz, SGB X, Stand: September 2015, K §63 RdNr 50; Roos in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 63 RdNr 13; zu § 80 Abs 1 Satz 1 VwVfG Kallerhoff/Keller in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl 2018, § 80 RdNr 58 unter Verweis auf BVerwG vom 3.7.2000 - 11 KSt 2/99 - NJW 2000, 2832). Soll ein nach diesem Maßstab ursprünglich begründeter Anspruch auf Freistellung von Aufwendungen nachträglich entfallen, bedarf es demnach eines besonderen Erlöschenstatbestands, der wie ausgeführt hier nicht besteht.
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6. Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass der Freistellungsanspruch der Kläger nicht verjährt ist. Zwar unterliegen Kostenerstattungsansprüche nach § 63 SGB X der kurzen vierjährigen Verjährung entsprechend § 45 Abs 1 SGB I nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Anspruch entstanden ist (vgl BSG vom 12.12.2019 - B 14 AS 45/18 R); dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg. Jedoch war die Verjährungsfrist zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Kostenerstattungsanspruchs im Dezember 2013 noch nicht abgelaufen. Die allgemeine sozialrechtliche Verjährungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist, bei der Kostengrundentscheidung vom 9.4.2009 und der dadurch nach § 8 Abs 1 RVG ausgelösten Fälligkeit der streitbefangenen Vergütung hier also mit Ablauf des Jahres 2009. Danach begann die vierjährige Verjährungsfrist entsprechend § 45 Abs 1 SGB I am 1.1.2010 und endete am 31.12.2013.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG und berücksichtigt das Nachgeben der Kläger im Rahmen des Teilvergleichs.
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