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BSG 17.07.2018 - B 2 U 6/18 R
BSG 17.07.2018 - B 2 U 6/18 R - Sozialgerichtliches Verfahren - eindeutig formulierte Rechtsmittelschrift - keine Auslegung oder Umdeutung einer "Revision" in eine Nichtzulassungsbeschwerde
Normen
§ 160 Abs 1 SGG, § 160a Abs 1 S 1 SGG, § 133 BGB, § 140 BGB
Vorinstanz
vorgehend SG München, 31. Mai 2015, Az: S 41 U 34/12
vorgehend Bayerisches Landessozialgericht, 19. Dezember 2017, Az: L 3 U 342/15, Urteil
Tenor
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Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 19. Dezember 2017 wird als unzulässig verworfen.
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem vorbezeichneten Urteil wird als unzulässig verworfen.
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Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem vorbezeichneten Urteil Prozesskostenhilfe zu gewähren und ihm Rechtsanwältin H. aus M. beizuordnen, wird abgelehnt.
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Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
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Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat gegen das Urteil des Bayerischen LSG vom 19.12.2017, das ihr am 14.3.2018 zugestellt worden ist, am Montag, dem 16.4.2018 "Revision" eingelegt, angekündigt, die "Revisionsbegründung" werde nachgereicht und eine beglaubigte Abschrift des Rubrums und der Entscheidungsformel der angefochtenen Entscheidung beigefügt. Mit Faxschreiben vom 14.5.2018 hat sie beantragt, "dem Beschwerdeführer für das Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen" und darauf hingewiesen, sie sei "auf der Suche nach einem für das Revisionsverfahren spezialisierten Kollegen, der unter den Bedingungen der Verfahrenskostenhilfe das Verfahren übernehmen wird". Sie selbst sei "aufgrund mehrerer Eilverfahren im letzten Monat" überlastet gewesen. Auf Hinweis des Berichterstatters, dass die Revision mangels Zulassung nicht statthaft sei und eine Auslegung bzw Umdeutung der Revision in eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht in Betracht kommen dürfte, hat die Klägerbevollmächtigte mitgeteilt, "dass die Nichtzulassungsbeschwerde aufrecht erhalten bleibt. Bei der Auslegung des Schriftsatzes" vom 16.4.2018 sei "zu berücksichtigen, dass es sich um eine reine Falschbezeichnung handelte".
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1. Die Revision des Klägers ist nicht statthaft und muss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter gemäß § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig verworfen werden. Gegen eine Entscheidung des LSG steht den Beteiligten die Revision an das BSG nur zu, wenn sie zugelassen worden ist, und zwar entweder schon durch das LSG (§ 160 Abs 1 SGG) oder nachträglich durch Beschluss des BSG aufgrund einer Nichtzulassungsbeschwerde (§ 160a SGG). Das LSG hat die Revision ausweislich der Sitzungsniederschrift und des Urteilstenors ausdrücklich nicht zugelassen; ein die Revision zulassender Beschluss des BSG ist nicht ergangen.
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2. Auch wenn die Revisionsschrift erkennen lässt, dass mit ihr das Urteil des LSG angegriffen werden soll, so ist eine Auslegung (nachfolgend a) oder Umdeutung (nachfolgend b) dahingehend, dass mit ihr das allein zulässige Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt werden sollte, nicht möglich (vgl dazu exemplarisch BSG vom 14.8.2017 - B 13 R 20/17 R - Juris RdNr 3 ff und vom 14.11.2016 - B 5 R 22/16 R - Juris RdNr 3 ff).
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a) Eine Auslegung kommt nur dann in Betracht, wenn die abgegebene Erklärung mehrdeutig und damit auslegungsfähig wäre. Dafür ist indes kein Raum, weil der Schriftsatz vom 16.4.2018 mit dem unterstrichenen und fettgedruckten Wort "Revisionseinlegung" überschrieben, im Weiteren ausdrücklich und allein das Rechtsmittel der "Revision" eingelegt und gleichzeitig angekündigt worden ist, dass "die Revisionsbegründung … nachgereicht" werde. Da eine Rechtsanwältin die Rechtsmittelschrift formuliert hat, deren Wortlaut eindeutig ist und das vermeintliche Ziel, die Zulassung der Revision zu erreichen, in der Revisionsschrift nicht einmal angedeutet wird, kann nicht davon ausgegangen werden, dass das beabsichtigte Rechtsmittel nur falsch bezeichnet und in Wahrheit das statthafte Rechtsmittel der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegt worden ist.
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b) Eine Umdeutung der Revisionsschrift in eine statthafte Nichtzulassungsbeschwerde scheidet ebenfalls aus. Da das einzulegende Rechtsmittel in der Rechtsmittelbelehrung ausdrücklich genannt ist, sind Irrtümer oder Verwechslungen bei der Bezeichnung des Rechtsmittels ausgeschlossen, wobei diese Grundsätze unabhängig davon gelten, ob der Rechtsmittelkläger rechtskundig vertreten ist (vgl BSG vom 20.5.2003 - B 1 KR 25/01 R - SozR 4-1500 § 158 Nr 1 und vom 10.7.2006 - B 5 R 42/06 R - BeckRS 2007, 43492 RdNr 7).
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3. Die mit Faxschreiben vom 14.5.2018 eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie verfristet ist. Der Kläger konnte, worauf er in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils ausdrücklich hingewiesen worden ist, die Beschwerde nur innerhalb der einmonatigen Beschwerdefrist, die am Montag, dem 16.4.2018 abgelaufen ist, einlegen lassen (§ 64 Abs 3, § 160a Abs 1 S 2 SGG). Gründe für eine Wiedereinsetzung (§ 67 SGG) in den vorigen Stand sind weder dargetan (nachfolgend a) noch sonst ersichtlich (nachfolgend b).
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a) Die Wiedereinsetzung lässt sich keinesfalls allein mit der bloßen Behauptung rechtfertigen, die Klägerbevollmächtigte sei "aufgrund mehrerer Eilverfahren im letzten Monat" überlastet gewesen. Übernimmt ein Rechtsanwalt die Prozessvertretung, so ist die Wahrung der prozessualen Fristen eine seiner wesentlichen Aufgaben, der er besondere Sorgfalt widmen muss (BVerwG vom 12.1.2015 - 4 BN 18/14 - Juris RdNr 10). Um ein Verschulden wegen Arbeitsüberlastung auszuschließen, müssen deshalb besondere Umstände hinzutreten, die darzulegen und glaubhaft zu machen sind; hierzu gehört auch der Vortrag, dass der Bevollmächtigte alles Mögliche getan hat, um die Fristversäumung zu vermeiden (BVerwG aaO). Eine erhebliche Arbeitsüberlastung des Rechtsanwalts kann eine Wiedereinsetzung deshalb nur dann ausnahmsweise rechtfertigen, wenn sie plötzlich und unvorhersehbar eingetreten ist und durch sie die Fähigkeit zu konzentriertem Arbeiten erheblich eingeschränkt wird (BSG vom 12.4.2018 - B 12 KR 10/17 R - Juris RdNr 7; BVerwG aaO; BGH vom 8.5.2013 - XII ZB 396/12 - Juris RdNr 8 und vom 1.2.2012 - XII ZB 298/11 - FamRZ 2012, 621 RdNr 16 mwN; BAG vom 7.11.2012 - 7 AZR 314/12 - Juris RdNr 32; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 67 RdNr 7c). Derartige Umstände sind hier weder dargelegt noch glaubhaft gemacht.
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b) Schließlich liegt auch keine die Wiedereinsetzung gebietende Fürsorgepflichtverletzung des Revisionsgerichts vor, obgleich die Diskrepanz zwischen Einlegung der Revision einerseits und der Nichtzulassung der Revision andererseits anhand der Revisionsschrift und des Tenors in der beigefügten beglaubigten Abschrift der angefochtenen Entscheidung erkennbar war. Ein Prozessbeteiligter kann zwar erwarten, dass offenkundige Versehen in angemessener Zeit bemerkt und innerhalb eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs die notwendigen Maßnahmen getroffen werden, um ein drohendes Fristversäumnis zu vermeiden (vgl BVerfGE 93, 99, 114 f; BSG vom 9.5.2018 - B 12 KR 26/18 B - Juris RdNr 11, vom 17.11.2015 - B 1 KR 130/14 B - Juris RdNr 5, vom 30.1.2002 - B 5 RJ 10/01 R - SozR 3-1500 § 67 Nr 21 S 61 und BSG GrS vom 10.12.1974 - GS 2/73 - BSGE 38, 248, 261 f = SozR 1500 § 67 Nr 1 S 11 f). Da die Rechtsmittelschrift aber erst am Tag des Fristablaufs um 16:52 Uhr beim BSG einging, hätte ein unverzüglicher Hinweis an die Klägerbevollmächtigte innerhalb eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs frühestens am Folgetag - nach Beiziehung und richterlicher Prüfung der maßgeblichen (§ 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 415 Abs 1 ZPO bzw § 122 SGG iVm § 165 S 1 ZPO; vgl BFH vom 17.5.1999 - VII B 44/98 - Juris RdNr 6) Sitzungsniederschrift (§ 122 SGG iVm § 160 Abs 3 Nr 6 ZPO) - erfolgen können. Ursächlich für die Versäumung der Beschwerdefrist war mithin allein das Verhalten der Prozessbevollmächtigten, nicht hingegen eine etwaige Verletzung prozessualer Fürsorgepflichten des Gerichts.
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4. Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 14.5.2018 (erstmals) Verfahrenskostenhilfe für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde beantragt hat, ist dieses Gesuch schon deshalb abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 Abs 1 S 1 ZPO). Um die Erfolgsaussicht der verfristeten Nichtzulassungsbeschwerde bejahen zu können, müsste sich der Kläger auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 67 SGG) berufen können, was hier jedoch nicht möglich ist. Da somit keine Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen ist, hat er nach § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO auch keinen Anspruch auf Beiordnung der Rechtsanwältin H. aus M.
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Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
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