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BSG 12.02.2018 - B 10 ÜG 12/17 B
BSG 12.02.2018 - B 10 ÜG 12/17 B - Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache - überlanges Gerichtsverfahren - Entschädigungsklage - Mitverursachung der Verzögerung - Zurechnung des Prozessverhaltens des Prozessbevollmächtigten - verständliche Sachverhaltsschilderung - Art und Umfang der vom LSG beantworteten Rechtsfragen - Darlegungsanforderungen
Normen
§ 198 Abs 1 S 1 GVG, § 198 Abs 1 S 2 GVG, § 254 BGB, § 85 Abs 1 S 1 ZPO, § 73 Abs 6 S 7 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG
Vorinstanz
vorgehend SG Berlin, 9. Januar 2012, Az: S 99 AS 19027/10, Gerichtsbescheid
vorgehend Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, 14. Mai 2014, Az: L 29 AS 152/12, Urteil
vorgehend Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, 16. März 2017, Az: L 37 SF 139/14 EK AS, Urteil
Tenor
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Der Antrag des Klägers, ihm für das Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. März 2017 Prozesskostenhilfe zu gewähren und Rechtsanwalt Füßlein beizuordnen, wird abgelehnt.
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im genannten Urteil wird als unzulässig verworfen.
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Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
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Der Streitwert wird auf 3400 Euro festgesetzt.
Gründe
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I. Der Kläger begehrt eine Entschädigung wegen der überlangen Dauer eines vor dem SG Berlin und dem LSG Berlin-Brandenburg geführten Verfahrens über die Zahlung von Kosten der Unterkunft gemäß den Vorschriften des Zweiten Sozialgesetzbuches.
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Das LSG als Entschädigungsgericht hat die Klage abgewiesen. Zwar sei es in dem knapp 4-jährigen Ausgangsverfahren zu Verzögerungen gekommen, die jedoch nicht die Annahme einer unangemessenen Verfahrensdauer rechtfertigten. Dem Ausgangsverfahren sei nur marginale Bedeutung zuzumessen. Es sei allerdings überdurchschnittlich komplex gewesen vor dem Hintergrund zahlreicher vor den Sozialgerichten anhängiger Streitigkeiten mit einer unübersehbaren Zahl von immer wieder sich überschneidenden, stark auslegungsbedürftigen Anträgen.
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Die Vorbereitungs-und Bedenkzeit für das SG und ebenso für das LSG sei bei der Bearbeitung der Verfahren des Klägers in aller Regel je Instanz um 6 Monate zu erweitern. Der Kläger müsse sich dabei das Verhalten seines Vaters als Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen, weil dieser stets handelnde Person sei und regelmäßig eigene Anliegen mit denen des Klägers vermische.
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Mit seiner Beschwerde, für die er zugleich Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt, wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG. Dieses habe die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache verkannt.
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II. 1. Der PKH-Antrag des Klägers ist unbegründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 Abs 1 S 1 ZPO). An der erforderlichen Erfolgsaussicht fehlt es hier (dazu unter 2.).
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2. Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil die behauptete grundsätzliche Bedeutung nicht ordnungsgemäß dargelegt worden ist (§ 160a Abs 2 S 3 SGG). Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG Beschluss vom 2.5.2017 - B 5 R 401/16 B - Juris RdNr 6 mwN). Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde hat der Beschwerdeführer die Rechtsfrage klar und eindeutig zu bezeichnen und außerdem darzulegen, dass und wie das LSG die Frage zu seinen Lasten beantwortet hat (Karmanski in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 160a RdNr 46 mwN).
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Diese Anforderungen verfehlt die vorliegende Beschwerdebegründung. Soweit die Beschwerde es für grundsätzlich klärungsbedürftig hält,
ob das Verhalten des Prozessbevollmächtigten in anderen Verfahren als ein abwägungsrelevanter Umstand im Rahmen der Betrachtung des Einzelfalls in einem Verfahren wegen überlanger Verfahrensdauer dem Entschädigungskläger zuzurechnen ist
und
ob eine allgemeine Gesamtbetrachtung des Prozessverhaltens durchzuführen ist,
legt sie nicht hinreichend substantiiert dar, dass und mit welcher Begründung im Einzelnen das LSG ihre allgemein gehaltenen Fragen in seinem Urteil beantwortet hat. Das LSG hat in der Begründung seines Urteils auch nach dem Klägervorbringen auf weitere zwischen den Beteiligten ergangene Urteile verwiesen. Den Inhalt teilt die Beschwerde aber nur bruchstückhaft mit. Schon deshalb lässt sich Art und Umfang der vom Berufungsgericht in seinem Urteil beantworteten Rechtsfragen im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde auf der Grundlage des Beschwerdevortrags nicht abschließend beurteilen. Eine verständliche Sachverhaltsschilderung gehört jedoch zu den Mindestanforderungen einer Grundsatzrüge. Es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, sich im Rahmen des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens die entscheidungserheblichen Tatsachen aus dem angegriffenen Urteil selbst herauszusuchen (vgl BSG Beschluss vom 29.9.2017 - B 13 R 365/15 B - Juris RdNr 3 mwN).
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Darüber hinaus hat das LSG auch nach dem Vortrag des Klägers in seinem Urteil nur auf den speziellen Fall des Klägers und der Vertretung durch seinen Vater in einer Vielzahl von Entschädigungsprozessen abgestellt. Danach betreibe der Kläger selbst keine seiner sozialgerichtlichen Verfahren persönlich. Handelnde Person sei vielmehr stets sein Vater, der regelmäßig eigene Anliegen mit denen seiner beiden Söhne vermische. Dies vor dem Hintergrund zahlreicher vor den Sozialgerichten anhängiger Streitigkeiten mit einer unübersehbaren Zahl von immer wieder sich überschneidenden, stark auslegungsbedürftigen Anträgen. Die Beschwerde legt jedoch nicht substantiiert dar, warum das LSG mit dieser Betonung des im Zusammenhang stehenden prozessualen Gesamtverhaltens des Klägers und seines ihn vertretenen Vaters nicht nur die besonderen Umstände des Einzelfalls gewürdigt hat, sondern einen fallübergreifenden Rechtssatz mit Breitenwirkung aufgestellt haben sollte.
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Unabhängig davon fehlt es an der Darlegung, warum sich die Antwort auf die aufgeworfenen Fragen nicht ohne Weiteres aus dem Gesetz ergibt. Nach § 198 Abs 1 S 2 GVG richtet sich die Angemessenheit der Verfahrensdauer ua nach dem Verhalten Verfahrensbeteiligter und Dritter. Daher kommt es ua maßgeblich darauf an, ob das Verhalten des Entschädigungsklägers nach dem Rechtsgedanken des § 254 BGB eine Verzögerung mitverursacht hat (BSG Urteil vom 3.9.2014 - B 10 ÜG 12/13 R - SozR 4-1720 § 198 Nr 4). In diesem Zusammenhang hat die Beschwerde es insbesondere auch versäumt, hinreichend darzulegen, warum sich der Entschädigungskläger im Prozess nicht entsprechend der Rechtsansicht des LSG das prozessuale Verhalten seines Bevollmächtigten zurechnen lassen muss, obwohl § 73 Abs 6 S 7 SGG iVm § 85 Abs 1 S 1 ZPO diese Zurechnung ausdrücklich vorsieht. Danach sind die vom Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen worden wären. Wie das LSG insoweit unangefochten festgestellt hat, hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers offensichtlich den Überblick über die von ihm anhängig gemachten Rechtsstreitigkeiten und die verfolgten Begehren verloren, die sich teilweise überschneiden. Auch hiermit setzt sich die Beschwerdebegründung nicht auseinander.
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Von vornherein keine Frage grundsätzlicher Bedeutung ist es, ob das LSG die Umstände des Einzelfalls bei der Anwendung von § 198 Abs 1 S 2 GVG richtig bewertet hat. Auf eine unzutreffende Rechtsanwendung im Einzelfall kann eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht mit Erfolg gestützt werden.
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Soweit der Kläger es schließlich noch für grundsätzlich bedeutsam halten sollte,
ob § 198 GVG überhaupt ein effektives Rechtsmittel im Sinne des Art 6 EMRK ist,
fehlt es an jeder Auseinandersetzung mit der dazu ergangenen Rechtsprechung des EGMR (vgl etwa EGMR Urteil vom 15.1.2015 - 62198/11 - Kuppinger/Deutschland, NJW 2015, 1433 ff).
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Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
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Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG).
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3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO.
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4. Die Streitwertentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 47 Abs 1 und 3, § 52 Abs 1 und 3 S 1 GKG. Der Streitwert entspricht der vom Kläger beim LSG geltend gemachten Entschädigungsforderung.
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