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BSG 29.06.2016 - B 12 KR 14/14 R
BSG 29.06.2016 - B 12 KR 14/14 R - Sozialgerichtliches Verfahren - Anforderungen an die Revisionsbegründung - Krankenversicherung der Rentner - Wohnsitznahme in Spanien - Kündigung der inländischen freiwilligen Krankenversicherung - Aufnahme einer privaten Krankenversicherung im Ausland - Zugang zur Auffang-Pflichtversicherung bei Rückkehr nach Deutschland
Normen
§ 163 SGG, § 164 Abs 2 S 1 SGG, § 164 Abs 2 S 3 SGG, § 3 SGB 4, § 5 Abs 1 Nr 13 Buchst a SGB 5, Art 3 EWGV 1408/71, Art 5 Buchst b EGV 883/2004
Vorinstanz
vorgehend Sozialgericht für das Saarland, 18. März 2011, Az: S 1 KR 122/08, Urteil
vorgehend Landessozialgericht für das Saarland, 16. Juli 2014, Az: L 2 KR 50/11, Urteil
Tenor
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Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 16. Juli 2014 wird als unzulässig verworfen.
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Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten über die Feststellung, ob der Kläger vom 1.9.2007 bis 7.6.2008 in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) versicherungspflichtig war und bei einer beabsichtigten Rückkehr aus Spanien künftig sein wird.
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Der 1942 geborene Kläger ist Rentner. Eine Versicherungspflicht in der GKV gemäß § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V ist mangels Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (9/10 Belegung) ausgeschlossen. Er war vom 1.9.2001 bis 30.6.2002 freiwillig versichertes Mitglied der beklagten Krankenkasse. Wegen Umzugs nach Spanien meldete er sich - seine Mitgliedschaft kündigend - zum 30.6.2002 aus der freiwilligen Versicherung ab, was ihm die Beklagte bestätigte. In Spanien war der Kläger - wie von ihm zuvor angekündigt - privat krankenversichert. Mit Schreiben vom 14.8.2007 informierte der Kläger die Beklagte, dass er ab 1.9.2007 wieder in Deutschland wohnen werde. Er begehre eine erneute Mitgliedschaft. Die Beklagte lehnte diesen Antrag ab (Bescheid vom 29.11.2007, Widerspruchsbescheid vom 30.5.2008).
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Während des dagegen gerichteten Klageverfahrens hielt sich der Kläger ab 7.6.2008 wieder in Spanien auf. Das SG hat die Bescheide der Beklagten aufgehoben und die Beklagte verurteilt, "den Kläger vom 1.9.2007 bis 7.6.2008 sowie bei einer weiteren ständigen Wohnsitznahme in Deutschland - soweit kein anderweitiger Versicherungsschutz besteht - gesetzlich krankenzuversichern" (Urteil vom 18.3.2011). Das LSG hat die Berufung der Beklagten unter Neufassung des Tenors des SG-Urteils zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage hinsichtlich zweier Zeiträume (1.9.2007 bis 7.6.2008) und "ab einer - konkret vom Kläger geplanten - Rückkehr nach Deutschland in naher Zukunft" mit "vorbeugendem Charakter" im Hinblick auf seinen Versichertenstatus in der Zukunft zulässig. Es sei festzustellen, dass der Kläger hinsichtlich beider Zeiträume gemäß § 5 Abs 1 Nr 13 Buchst a SGB V Pflichtmitglied bei der Beklagten gewesen sei bzw sein werde. Insbesondere sei er bei der Beklagten "zuletzt gesetzlich krankenversichert" gewesen. Bereits der Wortlaut der Vorschrift deute darauf hin, dass der Gesetzgeber nur einen Krankenversicherungstatbestand im Rahmen des SGB V und des im SGB geltenden Territorialprinzips (§ 3 SGB IV) im Inland gemeint habe. Dem stünden europarechtliche Normen nicht entgegen. Hinsichtlich des Zeitraums September 2007 bis Juni 2008 greife die Sachverhaltsgleichstellungsregelung des Art 5 Buchst b EGV 883/2004 schon deshalb nicht, weil sie nach Art 91 erst ab Inkrafttreten der Durchführungsverordnung 987/2009 am 1.5.2010 wirksam geworden sei. Die davor geltende EWGV 1408/71 habe eine solche allgemeine Gleichstellungsregelung nicht gekannt. Auch bei einer zukünftigen Rückkehr nach Deutschland gehe es allein um eine nationalstaatliche Frage. Weder sei eine Kollision mit spanischem Recht noch eine Koordinierungsnotwendigkeit durch europarechtliche Normen erkennbar. Zudem würde die Anwendung der europarechtlichen Gleichstellung nach Art 5 Buchst b EGV 883/2004 entgegen ihrer eigentlichen Zielsetzung im Fall des Klägers freizügigkeitshemmend wirken (Urteil vom 16.7.2014).
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Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 5 Abs 1 Nr 13a SGB V iVm dem allgemeinen europarechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art 3 EWGV 1408/71 bzw Art 5 Buchst b EGV 883/2004. Der Wortlaut von § 5 Abs 1 Nr 13 Buchst a SGB V zwinge nicht zur Annahme, dass nur Krankenversicherungstatbestände aus dem Inland unter den Begriff "zuletzt gesetzlich krankenversichert" fielen. Hätte der Gesetzgeber nur inländische Sachverhalte mit § 5 Abs 1 Nr 13 Buchst a SGB V erfassen wollen, hätte er dies explizit zum Ausdruck gebracht, wie zB in § 188 Abs 4 SGB V. Auch könne § 5 Abs 1 Nr 13 Buchst a SGB V nicht isoliert anhand des deutschen Rechts (insbesondere: Territorialprinzip nach § 3 Nr 2 SGB IV) ausgelegt werden, sondern es seien ebenso § 6 SGB IV und § 30 Abs 2 SGB I zu berücksichtigen, wonach die Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts unberührt blieben. Auch das Europarecht, speziell der allgemeine europarechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, führe zum Ausschluss einer Versicherungspflicht des Klägers.
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Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts für das Saarland vom 16. Juli 2014 und des Sozialgerichts für das Saarland vom 18. März 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt - seine Rechtsposition untermauernd - sinngemäß,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
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Der Senat hat die Beteiligten vorab darauf aufmerksam gemacht, dass Bedenken gegen die Zulässigkeit der Revision daraus herzuleiten sein könnten, dass die Beklagte in ihrer Revisionsbegründung keine hinreichende Darstellung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts vorgenommen hat.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der beklagten Krankenkasse ist unzulässig. Sie hat ihr Rechtsmittel nicht in einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Weise begründet.
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1. Gemäß § 164 Abs 2 S 1 und 3 SGG ist eine Revision fristgerecht und unter Einhaltung bestimmter Mindesterfordernisse zu begründen: Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben.
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In der Revisionsbegründung muss nach ständiger Rechtsprechung (vgl nur: BSG SozR 4-1500 § 164 Nr 3 RdNr 9; BSG SozR 3-1500 § 164 Nr 12 S 22; BSG SozR 1500 § 164 Nr 12 und Urteil des Senats vom 23.11.2005 - B 12 RA 10/04 R - Juris RdNr 10, jeweils mwN) im Falle der Rüge der Verletzung einer Vorschrift des materiellen Rechts sorgfältig sowie nach Umfang und Zweck zweifelsfrei dargelegt werden, weshalb diese Vorschrift im angefochtenen Urteil nicht oder nicht richtig angewendet worden ist. Dabei darf die Revisionsbegründung nicht nur die eigene Meinung wiedergeben, sondern muss sich - zumindest kurz - mit den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils auseinandersetzen sowie erkennen lassen, dass sich der Revisionsführer mit der angefochtenen Entscheidung befasst hat und inwieweit er bei der Auslegung der dort angewandten Rechtsvorschriften anderer Auffassung ist (vgl hierzu zB Urteil des Senats vom 21.9.2005 - B 12 KR 1/05 R - USK 2005-27, mwN). Insbesondere bedarf es der Darlegung des Revisionsführers, in welchen Punkten und aus welchen Gründen die angefochtene Entscheidung angegriffen wird (BSG SozR 4-1500 § 164 Nr 3 RdNr 10 mwN).
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Dieses Formerfordernis soll im Interesse der Entlastung des Revisionsgerichts sicherstellen, dass der Revisionsführer bzw der Prozessbevollmächtigte das angefochtene Urteil im Hinblick auf einen Erfolg des Rechtsmittels überprüft und hierzu die Rechtslage genau durchdacht hat, bevor er durch seine Unterschrift die volle Verantwortung für die Revision übernimmt, und so ggf von der Durchführung aussichtsloser Revisionen absieht (BSG SozR 4-1500 § 164 Nr 3 RdNr 11 mwN). Von der notwendigen Durchdringung der Sach- und Rechtslage kann jedoch nicht ausgegangen werden, wenn nicht anhand der Revisionsbegründung erkennbar wird, dass der Revisionsführer auch die - ohne zulässige Verfahrensrügen für das BSG bindenden (§ 163 SGG) - tatsächlichen Feststellungen des angegriffenen Urteils erfasst und seinen rechtlichen Erwägungen zugrunde gelegt hat.
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Auf der Grundlage dieser an die Revisionsbegründung gestellten Anforderungen ist die Angabe der verletzten Norm notwendig, aber nicht hinreichend (Urteil des Senats vom 23.11.2005 - B 12 RA 10/04 R - Juris RdNr 10). Die Bezeichnung der durch das LSG "verletzten Rechtsnorm" iS von § 164 Abs 2 SGG muss vielmehr berücksichtigen, dass die eigentliche Rechtsverletzung das Ergebnis der Anwendung einer fehlerhaft ausgelegten Norm auf den zugrunde liegenden Sachverhalt ist - erst das Ergebnis eines Subsumtionsschlusses "verletzt" den unterlegenen Beteiligten. Zur Beurteilung, ob im konkreten Fall eine Verletzung durch den Subsumtionsschluss des LSG stattgefunden hat, sind deshalb nicht nur Ausführungen zum rechtlichen Obersatz, sondern auch zu den Tatsachen erforderlich, auf die dieser Obersatz anzuwenden ist - nur dann wird die Entscheidungserheblichkeit der Rechtsausführungen schlüssig aufgezeigt (= Zweck des Formerfordernisses). Die Revisionsbegründung muss daher auch den wesentlichen Lebenssachverhalt darstellen, über den das LSG entschieden hat. Dabei kann vorliegend offenbleiben, ob es - was dem Verständnis des Senats entspricht - genügt, wenn der Revisionsführer den für die geltend gemachte Rechtsverletzung entscheidungsrelevanten, also den vom LSG festgestellten, Lebenssachverhalt in eigenen Worten kurz wiedergibt (so bereits BSG Urteil vom 24.2.2016 - B 13 R 31/14 R, zitiert nach BSG-Terminbericht Nr 6/16 vom 25.2.2016 zu Fall 1; Urteil vom 24.3.2016 - B 12 R 5/15 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen), oder ob - wie der 5. Senat des BSG annimmt - darüber hinaus auch ausdrücklich darzulegen ist, dass und an welcher genauen Stelle des Berufungsurteils das LSG bestimmte Tatumstände festgestellt hat (BSG Beschluss vom 5.11.2014 - B 5 RE 5/14 R - BeckRS 2014, 74155 RdNr 8; BSG Urteil vom 23.7.2015 - B 5 R 32/14 R - NZS 2015, 838 RdNr 7 = Juris RdNr 7).
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Hinsichtlich der zwischen dem erkennenden Senat und dem 5. Senat bestehenden Divergenz sind am 27.4.2016 Anfragebeschlüsse gemäß § 41 Abs 3 S 1 SGG an den 5. Senat ergangen (BSG Beschlüsse vom 27.4.2016 - B 12 KR 16/14 R und B 12 KR 17/14 R).
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2. Die Revisionsbegründung der Beklagten vom 5.12.2014 genügt nicht den vorstehend genannten Anforderungen, selbst nicht den weniger strengen Maßstäben des 12. Senats.
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Die Begründung lässt nicht erkennen, dass die Revisionsführerin bzw der sie vertretende Verband als Prozessbevollmächtigter die Rechtslage genau durchdacht und das angefochtene Urteil im Hinblick auf einen Erfolg des Rechtsmittels unter Berücksichtigung der prozessualen Besonderheiten des Revisionsverfahrens auch im Hinblick auf den für das BSG maßgeblichen Sachverhalt überprüft hat.
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Die Revisionsbegründung enthält bereits keine zusammenhängende Darstellung des vom LSG festgestellten entscheidungsrelevanten Sachverhalts. Lediglich punktuell erwähnt die Beklagte an verschiedenen Stellen ihrer Revisionsbegründung einzelne tatsächliche Umstände, ohne insoweit kenntlich zu machen, inwieweit es sich dabei um die für den Senat nach § 163 SGG maßgebenden vom LSG festgestellten Tatsachen handelt. Konkret enthält die Revisionsbegründung nur sporadisch knappe Sachverhaltsangaben zur spanischen privaten Krankenversicherung des Klägers und zu seinem Aufenthalt in Spanien (Revisionsbegründung Seite 5), zum Fehlen einer Inanspruchnahme von Sachleistungsaushilfe im Rahmen der EWGV 1408/71 bzw EGV 883/2004 (Revisionsbegründung Seite 7) und zur Kündigung der Mitgliedschaft bei der Beklagten (Revisionsbegründung Seite 9).
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Darüber hinaus lässt die Revisionsbegründung die Darstellung weiterer zentraler Sachverhaltselemente trotz deren Entscheidungserheblichkeit vermissen. So benennt die Revisionsbegründung insbesondere nicht die gesamte Versicherungsbiographie des Klägers und dessen versicherungsrechtlichen Status als Rentner.
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Das genügt den dargestellten Darlegungsanforderungen nicht. Aufgrund der nur punktuellen und daher nur unvollständigen Wiedergabe der vom LSG festgestellten relevanten Tatsachen ist - anders als erforderlich - die Entscheidungserheblichkeit der umfangreichen und vertieft unter Hinweis auf Regelungen des deutschen und des europäischen Rechts gemachten Rechtsausführungen der Beklagten aus deren Revisionsbegründung heraus nicht nachvollziehbar.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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