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BSG 19.12.2013 - B 9 V 53/13 B
BSG 19.12.2013 - B 9 V 53/13 B - Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung - Rechtsfrage - Bewertung menschlichen Verhaltens - Sozialadäquanz - Verfahrensmangel - Untersuchungsmaxime - Übergehen eines Beweisantrags - Zeitpunkt der Stellung des Antrags
Normen
§ 1 Abs 1 OEG, § 160a SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG, § 103 SGG
Vorinstanz
vorgehend SG Braunschweig, 21. März 2013, Az: S 42 VE 27/12, Urteil
vorgehend Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, 2. September 2013, Az: L 10 VE 18/13, Beschluss
Tenor
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 2. September 2013 wird als unzulässig verworfen.
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Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
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Mit Beschluss vom 2.9.2013 hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) verneint, weil kein Angriff iS des § 1 Abs 1 OEG vorliege. Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Beschluss hat die Klägerin beim Bundessozialgericht (BSG) Beschwerde eingelegt, die sie mit dem Vorliegen einer grundsätzlichen Bedeutung sowie von Verfahrensmängeln begründet (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 3 SGG).
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Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1) eine bestimmte Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17; BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG SozR 1500 § 160a Nr 7, 13, 31, 59, 65). Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Beschwerdebegründung nicht.
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Trotz Fehlens einer klaren Formulierung ist dem Vorbringen der Klägerin zwar zu entnehmen, dass der Frage, ob unter Kindern die Jagd bzw Verfolgung mit einem brennenden Gegenstand als sozialadäquates Verhalten einzustufen ist, grundsätzliche Bedeutung zukommt. Insoweit hat die Klägerin allerdings bereits keine bestimmte Rechtsfrage aufgezeigt, da die von ihr aufgeworfene Frage die Bewertung tatsächlicher Umstände bzw menschlichen Verhaltens betrifft und sich nicht allein mit juristischen Methoden beantworten lässt. Zudem hat es die Klägerin versäumt, auf die Klärungsbedürftigkeit der im Ansatz erkennbaren rechtlichen Thematik von Umfang und Grenzen der gerichtlichen Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) näher einzugehen. Es fehlt bereits die erforderliche Auseinandersetzung mit vorhandener höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2).
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Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde - wie vorliegend - darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), so müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels die diesen (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 34, 36). Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 36). Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 (Anhörung eines bestimmten Arztes) und 128 Abs 1 S 1 SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
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Soweit die Klägerin rügt, das LSG habe entgegen ihrem Antrag in der Klageschrift vom 2.10.2012 ihre Eltern nicht als Zeugen vernommen, hat sie die behauptete Verletzung des § 103 SGG nicht hinreichend dargetan. Insoweit hat sie bereits die Einschränkungen des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG nicht berücksichtigt, wonach der geltend gemachte Verfahrensmangel auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden kann, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Dies hat die Klägerin bereits nicht hinreichend dargestellt, denn sie hat nicht einmal behauptet, einen berücksichtigungsfähigen Beweisantrag gestellt und bis zuletzt aufrechterhalten zu haben (vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 1 RdNr 5; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11).
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Hierzu reicht der Hinweis auf einen gegenüber dem Sozialgericht ("Klageschrift") gestellten Antrag schon grundsätzlich nicht aus, denn es geht im Beschwerdeverfahren allein um einen möglichen Mangel des Verfahrens des LSG. Zudem ist nach dem Sinn und Zweck des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG das Übergehen eines Beweisantrags nur dann ein Verfahrensmangel, wenn das LSG vor seiner Entscheidung darauf hingewiesen wurde, dass der Beteiligte die Amtsermittlungspflicht des Gerichts (§ 103 SGG) noch nicht als erfüllt ansieht (vgl ua BSG SozR 1500 § 160 Nr 67; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 9, 20, 31 sowie BVerfG SozR 3-1500 § 160 Nr 6; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, IX RdNr 130). Dem Beweisantrag soll eine Warnfunktion zukommen, die er nicht erfüllt, wenn er zwar in einem früheren Verfahrensstadium schriftsätzlich gestellt wurde, im Entscheidungszeitpunkt selbst aber nicht mehr erkennbar weiterverfolgt wird. Das Übergehen eines Beweisantrags iS des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG liegt daher zumindest bei rechtskundig vertretenen Beteiligten nur dann vor, wenn der Beweisantrag in der abschließenden mündlichen Verhandlung oder bei einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung schriftsätzlich zu einem Zeitpunkt gestellt bzw wiederholt wurde, in dem feststand, dass das LSG von sich aus keine Ermittlungen mehr durchführen würde. Wenn ein rechtskundig vertretener Beteiligter, ohne den Beweisantrag zu wiederholen, sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt oder die Gelegenheit zur Anhörung gemäß § 153 Abs 4 S 2 SGG verstreichen lässt, muss er sich so behandeln lassen, als sei sein Beweisantrag erledigt (BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 20, 31; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 11, 12, 13).
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Soweit die Klägerin eine Verletzung des Grundsatzes der Gewährung rechtlichen Gehörs geltend macht, hat sie einen Verstoß gegen § 62 SGG, der den verfassungsrechtlichen Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art 103 Abs 1 GG für das sozialgerichtliche Verfahren konkretisiert, nicht hinreichend dargelegt. Weder hat sie vorgetragen, dass sie durch die Entscheidung des LSG überrascht worden sei, noch, dass sie sich zu Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen nicht oder nicht ausreichend habe äußern können. Ebenso wenig hat sie dargetan, dass das LSG ihr Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in seine Erwägungen miteinbezogen habe. Sie hat vielmehr eine Verletzung des rechtlichen Gehörs allein mit der Begründung behauptet, das LSG habe seine Pflicht zur Amtsermittlung (§ 103 SGG) verletzt und zu ihrem (der Klägerin) Nachteil entschieden. Das reicht nicht aus (vgl dazu BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 22).
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Im Übrigen rügt die Klägerin die Beweiswürdigung des LSG (vgl § 128 Abs 1 S 1 SGG). Damit kann sie nach der Regelung des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG von vornherein keine Revisionszulassung erreichen.
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Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 3 SGG).
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Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
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