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BSG 14.05.2012 - B 8 SO 78/11 B
BSG 14.05.2012 - B 8 SO 78/11 B - Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache - Darlegung der Breitenwirkung
Normen
§ 160a Abs 1 S 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG
Vorinstanz
vorgehend SG Köln, 13. April 2011, Az: S 10 SO 623/10, Urteil
vorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 24. Oktober 2011, Az: L 20 SO 341/11, Urteil
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 24. Oktober 2011 wird als unzulässig verworfen.
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Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
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Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.
Gründe
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I. Im Streit ist die Rechtmäßigkeit eines Auskunftsverlangens des Beklagten als Sozialhilfeträger.
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Der 1944 geborene Kläger ist seit seinem ersten Lebensjahr bei Johanna und dem im Mai 2011 verstorbenen Heinrich H als (vermeintlicher) Adoptivsohn aufgewachsen. Im Hinblick auf die von dem Beklagten seit März 2010 übernommenen ungedeckten Heimpflegekosten für Johanna H forderte dieser den Kläger auf, im Rahmen seiner Unterhaltspflicht gemäß § 117 Abs 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu geben (Bescheid vom 16.2.2010; Widerspruchsbescheid vom 29.10.2010). Die hiergegen mit der Begründung erhobene Klage, dass er - der Kläger - nicht mit Frau H verwandt sei und auch keine Adoption stattgefunden habe, blieb ohne Erfolg (Urteil des Sozialgerichts Köln vom 13.4.2011; Urteil des Landessozialgerichts <LSG> Nordrhein-Westfalen vom 24.10.2011). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, nach dem Grundsatz der Negativevidenz scheide nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) ein Auskunftsanspruch nur dann aus, wenn von vornherein, dh ohne nähere Prüfung oder Beweiserhebung und ohne eingehende rechtliche Überlegungen, ersichtlich sei, dass ein Unterhaltsanspruch nicht bestehe. Dies erfasse auch die Frage, ob ein Verwandtschaftsverhältnis bestehe bzw - wie hier - eine wirksame Adoption erfolgt sei, wofür es erhebliche Anhaltspunkte gebe. Möglicherweise sei dem Kläger nach § 242 Bürgerliches Gesetzbuch auch verwehrt, sich entgegen seinem bisherigen Vorbringen (in einem Zivilverfahren auf Auszahlung des Pflichtteilsanspruchs) auf fehlende Adoptionsunterlagen zu berufen.
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Mit seiner Beschwerde macht der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und eine Divergenz geltend. Es seien die Fragen zu klären,
"ob die Begriffe der Verwandtschaft (auch durch Adoption) oder der Ehe Tatbestandsmerkmale des § 117 SGB XII sind, die vom Sozialgericht (und von der Sozialgerichtsbarkeit) als zuständigem Gericht bzw. zuständigem Gerichtszweig bei Klagen über das Bestehen einer Auskunftspflicht nach § 117 SGB XII geklärt werden müssen, deren Prüfung also nicht auf die Fachgerichte (Familiengerichte) nach Auskunftserteilung verschoben werden darf,"
"ob das Gericht befugt ist, die Prüfung des Tatbestandsmerkmals der Verwandtschaft nach § 117 SGB XII durch Anwendung des Rechtsinstituts der Negativevidenz zu übergehen, wenn Anhaltspunkte vorhanden sind, die es uU nicht vollständig ausschließen, dass irgendwann uU eine Verwandtschaft doch nachgewiesen werden kann,"
"ob eine eidesstattliche Versicherung ausreicht, um fehlende Negativevidenz anzunehmen, wenn keine einzige der für die Statusbegründung erforderlichen Urkunden vorhanden ist, kein sonstiger Hinweis auf eine Adoption gegeben ist, auch die in der eidesstattlichen Versicherung angegebenen Urkunden nicht auffindbar sind, sowie ausdrücklich ein falsches Datum als richtig versichert wird, die eidesstattliche Versicherung also nach objektiver Betrachtung auch falsch ist und im gesamten Verfahren auch keine Beweismittel für den Nachweis der Adoption angeboten wird,"
"ob das Gericht die Auskunftspflicht nach § 117 SGB XII auch auf andere Ansprüche als Unterhaltsansprüche anwenden darf, ob diese Vorschrift im Ergebnis also für eine Liquiditätsprüfung eines potentiellen Anspruchsgegners als Generalnorm herangezogen werden darf".
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Diese Fragen seien klärungsbedürftig und auch entscheidungserheblich. Würden die Fragen in seinem Sinne beantwortet, sei der Klage nach gegenwärtigem Stand in vollem Umfang stattzugeben, weil bisher keine Beweismittel für die Adoption angeboten seien und mit einer solchen auch nicht zu rechnen sei.
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Daneben liege eine Divergenz zu der Entscheidung des BVerwG vom 21.1.1993 - 5 C 22/90 - vor. Das BVerwG stelle dort den Rechtssatz auf, dass zur Auskunft verpflichtet sei, wer als Unterhaltsschuldner in Betracht komme. Dies beinhalte das Bestehen eines Unterhaltsrechtsverhältnisses in Form der Verwandtschaft (auch der Adoption) oder der Ehe, das in der Entscheidung des BVerwG unstreitig gewesen sei. Die Entscheidung des LSG beruhe auf dem Rechtssatz, der Grundsatz der Negativevidenz betreffe nicht nur die Tatbestandsvoraussetzungen zum Bedarf, der Bedürftigkeit, der Leistungsfähigkeit und eventuelle Einwendungen und Einreden gegen einen dem Grunde nach gegebenen Unterhaltsanspruch, sondern auch das Tatbestandsmerkmal der Verwandtschaft (auch der Adoption) oder der Ehe, welches einzige Voraussetzung für einen Auskunftsanspruch sei. Die Entscheidung des LSG beruhe auch auf dieser Abweichung, weil es ausdrücklich die Feststellung der Adoption verweigert habe. Die Rechtsauffassung des LSG sei auch mit der Entscheidung des BVerwG vom 6.11.1975 - V C 28.75 - und den Entscheidungen BVerwGE 56, 300 ff, und 87, 217 ff unvereinbar. In all diesen Entscheidungen sei vom BVerwG die (unstreitig bestehende) Verwandtschaft festgestellt worden. Schließlich widerspreche das Urteil des LSG auch der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), das in seiner Entscheidung vom 23.6.1981 - 7 RAr 6/80 - ausdrücklich auf die Rechtsprechung des BVerwG zur Negativevidenz Bezug nehme.
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II. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) und der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) sind nicht in der erforderlichen Weise dargelegt oder bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 SGG entscheiden.
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Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, weshalb deren Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung dieser Rechtsfragen erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss er mithin eine konkrete Rechtsfrage aufwerfen, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (vgl nur: BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).
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Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht. Zwar werden verschiedene Rechtsfragen formuliert und deren Klärungsbedürftigkeit behauptet. Die Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit sind aber im Hinblick auf die Darlegungen zur behaupteten Divergenz schon widersprüchlich. Letzteren ist nämlich zu entnehmen, dass die aufgeworfenen Rechtsfragen sowohl durch das BVerwG als auch durch das BSG bereits geklärt sein sollen und die Entscheidung des LSG auf dieser Abweichung beruhe. Folgt man dieser Argumentation, bedarf es gerade keiner Klärung der aufgeworfenen Rechtsfragen mehr; die Entscheidung des LSG hätte ohne Abweichung zu Gunsten des Klägers ausfallen müssen. Die Ausführungen zur Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) genügen, abgesehen davon, nicht den Anforderungen an die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde, weil - auch unter Außerachtlassung der widersprüchlichen Ausführungen zur Divergenz - eine für den Kläger günstige Entscheidung nach seinem eigenen Vortrag nur dann in Betracht kommen kann, wenn er nicht mit der Hilfebedürftigen verwandt ist. Darauf hat er sich zwar in den Instanzen berufen, in der Nichtzulassungsbeschwerde wird jedoch nur darauf verwiesen, dass (bislang) keine Beweismittel von dem Beklagten für die erfolgte Adoption angeboten worden seien.
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Selbst wenn man dem Gesamtzusammenhang der Ausführungen eine solche Behauptung entnehmen wollte, würde es schließlich an der Darlegung der Breitenwirkung fehlen. In einer formgerechten Beschwerdebegründung muss angegeben werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll. Es sind also Ausführungen etwa zur Breitenwirkung oder zu den die Allgemeinheit betreffenden Auswirkungen erforderlich (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 160a RdNr 14b mwN). Nicht jedes höchstrichterlich unentschiedene Problem rechtfertigt es, die Revision zuzulassen. Die Entscheidung in einem Revisionsverfahren kann in einer die Allgemeinheit berührenden Weise das Recht nur dann fortentwickeln und vereinheitlichen, wenn sich die Rechtsfrage als solche in der Rechtspraxis in einer Vielzahl von Fällen stellt. Allein die Tatsache, dass der Ausgang des Rechtsstreits auch für andere Personen von Interesse sein kann, genügt nicht. Einzelfälle oder nur gelegentlich auftauchende Vergleichsfälle rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht (BSG, Beschluss vom 6.12.1993 - 7 BAr 112/93 - mwN). Dass die Beantwortung der aufgestellten Rechtsfragen über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat, wird nicht im Ansatz vorgetragen. Zwar genügt es auch, wenn sich die Breitenwirkung aus dem gesamten Vorbringen entnehmen lässt. Geschildert und rechtlich zu beurteilen ist jedoch ein atypischer Einzelfall, der auf die ungewöhnliche Inobhutnahme des Klägers während des Zweiten Weltkrieges im Herbst 1944 zurückzuführen ist.
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Eine Divergenz ist nicht ausreichend bezeichnet. Eine solche liegt nur vor, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem abstrakten Rechtssatz des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellt hat (Leitherer, aaO, § 160 RdNr 13 f). Der Kläger nennt schon keinen abstrakten Rechtssatz des BSG, von dem das LSG abgewichen sein soll, sondern (nur) des BVerwG, das in § 160 Abs 2 Nr 2 SGG nicht aufgeführt ist. Er hätte deshalb darlegen müssen, weshalb entgegen des Wortlauts in § 160 Abs 2 Nr 2 SGG eine Divergenz auch bei einer Abweichung von der Rechtsprechung (Rechtssatz) des BVerwG geltend gemacht werden kann. Im Übrigen trägt er in seiner Begründung selbst vor, dass das LSG die Berufung unter Anwendung der von ihm in der Nichtzulassungsbeschwerde zitierten Rechtsprechung des BVerwG zurückgewiesen habe, der Rechtsprechung des BVerwG also gefolgt sei. Dann scheidet eine Abweichung allerdings aus. Eine solche liegt nämlich nicht schon dann vor, wenn das Urteil des LSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG (oder hier das BVerwG) aufgestellt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung (BSG SozR 1500 § 160a Nr 67 S 91). Schließlich ist den von dem Kläger aufgestellten Rechtssätzen auch keine Divergenz zu entnehmen. Die behauptete Divergenz ergibt sich erst daraus, dass er ergänzend zu dem vom BVerwG aufgestellten Rechtssatz eigene Schlussfolgerungen zieht, die nicht Inhalt des behaupteten Rechtssatzes selbst sind. Auch kann dem Vortrag in der Beschwerdebegründung nicht entnommen werden, dass die Entscheidung des LSG auf der angeblichen Abweichung beruht. Dies trägt der Kläger zwar vor, er behauptet aber nicht, dass es an der - aus seiner Sicht - erforderlichen Verwandtschaft mit Frau H fehle.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 2, § 39 Abs 1, § 40 Gerichtskostengesetz (GKG). Der Senat sieht keine Veranlassung, für Auskunftsansprüche einen Abschlag vom Auffangstreitwert vorzunehmen, weil § 52 Abs 2 GKG diese Möglichkeit nicht eröffnet, wenn die Bestimmung eines konkreten Streitwerts nach der Bedeutung nicht möglich ist.
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