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BVerfG 20.06.2024 - 1 BvL 4/24
BVerfG 20.06.2024 - 1 BvL 4/24 - Unzulässige Richtervorlage zur Verfassungsmäßigkeit der §§ 850c, 850f ZPO - erneut unzureichende Vorlagebegründung
Normen
Art 100 Abs 1 GG, § 80 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 80a BVerfGG, § 850c ZPO, § 850f ZPO
Vorinstanz
vorgehend AG Aue-Bad Schlema, 28. März 2024, Az: 2 M 2596/20, Vorlagebeschluss
vorgehend BVerfG, 29. August 2023, Az: 1 BvL 4/22, Kammerbeschluss
vorgehend AG Aue-Bad Schlema, 29. November 2022, Az: 2 M 2596/20, Vorlagebeschluss
Tenor
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Die Vorlage ist unzulässig.
Gründe
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A.
- 1
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Der Vorlage liegt eine Erinnerung im Zwangsvollstreckungsverfahren zugrunde.
- 2
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Im Ausgangsverfahren geht es um die denkbare Erhöhung des unpfändbaren Betrags des Arbeitseinkommens wegen im Haushalt lebender Kinder, für die keine gesetzliche Unterhaltspflicht besteht. Im Haushalt des Schuldners leben, neben eigenen Kindern des Schuldners und dessen Ehefrau, deren drei Kinder, für die er nicht unterhaltspflichtig ist.
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I.
- 3
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Die Vorschriften lauten in ihrer derzeit gültigen Fassung:
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§ 850c ZPO - Pfändungsgrenzen für Arbeitseinkommen
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(1) Arbeitseinkommen ist unpfändbar, wenn es, je nach dem Zeitraum, für den es gezahlt wird, nicht mehr als
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1. 1 178,59 Euro monatlich,
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2. 271,24 Euro wöchentlich oder
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3. 54,25 Euro täglich
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beträgt.
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(2) Gewährt der Schuldner auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung seinem Ehegatten, einem früheren Ehegatten, seinem Lebenspartner, einem früheren Lebenspartner, einem Verwandten oder nach den §§ 1615l und 1615n des Bürgerlichen Gesetzbuchs einem Elternteil Unterhalt, so erhöht sich der Betrag nach Absatz 1 für die erste Person, der Unterhalt gewährt wird, und zwar um
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1. 443,57 Euro monatlich,
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2. 102,08 Euro wöchentlich oder
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3. 20,42 Euro täglich.
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Für die zweite bis fünfte Person, der Unterhalt gewährt wird, erhöht sich der Betrag nach Absatz 1 um je
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1. 247,12 Euro monatlich,
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2. 56,87 Euro wöchentlich oder
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3. 11,37 Euro täglich.
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(3) Übersteigt das Arbeitseinkommen den Betrag nach Absatz 1, so ist es hinsichtlich des überschießenden Teils in Höhe von drei Zehnteln unpfändbar. Gewährt der Schuldner nach Absatz 2 Unterhalt, so sind für die erste Person weitere zwei Zehntel und für die zweite bis fünfte Person jeweils ein weiteres Zehntel unpfändbar. Der Teil des Arbeitseinkommens, der
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1. 3 613,08 Euro monatlich,
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2. 831,50 Euro wöchentlich oder
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3. 166,30 Euro täglich
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übersteigt, bleibt bei der Berechnung des unpfändbaren Betrages unberücksichtigt.
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[…]
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§ 850f ZPO - Änderung des unpfändbaren Betrages
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(1) Das Vollstreckungsgericht kann dem Schuldner auf Antrag von dem nach den Bestimmungen der §§ 850c, 850d und 850i pfändbaren Teil seines Arbeitseinkommens einen Teil belassen, wenn
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1. der Schuldner nachweist, dass bei Anwendung der Pfändungsfreigrenzen entsprechend § 850c der notwendige Lebensunterhalt im Sinne des Dritten und Vierten Kapitels des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch oder nach Kapitel 3 Abschnitt 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für sich und für die Personen, denen er gesetzlich zum Unterhalt verpflichtet ist, nicht gedeckt ist,
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2. besondere Bedürfnisse des Schuldners aus persönlichen oder beruflichen Gründen oder
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3. der besondere Umfang der gesetzlichen Unterhaltspflichten des Schuldners, insbesondere die Zahl der Unterhaltsberechtigten, dies erfordern und überwiegende Belange des Gläubigers nicht entgegenstehen.
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[…]
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II.
- 4
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Mit Beschluss vom 28. März 2024 hat das Amtsgericht, das in demselben Verfahren die entsprechende Frage bereits im Jahr 2022 dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt hatte, bei unveränderter Sach- und Rechtslage dieses erneut ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht zur Überprüfung der Verfassungsgemäßheit der Regelung der Pfändungsfreigrenzen in den §§ 850c und f ZPO im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG vorgelegt.
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B.
- 5
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Die Vorlage ist unzulässig.
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I.
- 6
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Die Begründung des Beschlusses der 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 29. August 2023 - 1 BvL 4/22 - gilt vollumfänglich fort.
- 7
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Dort heißt es:
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„[…] Was die verfassungsrechtliche Beurteilung der zur Prüfung gestellten Norm angeht, muss das vorlegende Gericht von ihrer Verfassungswidrigkeit überzeugt sein und die für seine Überzeugung maßgeblichen Erwägungen nachvollziehbar darlegen (vgl. BVerfGE 78, 165 171 f.>; 86, 71 77 f.>; 88, 70 74>; 88, 198 201>; 93, 121 132>; 136, 127 142 Rn. 45>; 138, 1 13 f. Rn. 37>; 159, 149 171 Rn. 59>). Der Vorlagebeschluss muss den verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab angeben, die naheliegenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte erörtern, sich eingehend sowohl mit der einfachrechtlichen als auch mit der verfassungsrechtlichen Rechtslage auseinandersetzen und dabei die in der Literatur und Rechtsprechung entwickelten Rechtsauffassungen berücksichtigen (vgl. BVerfGE 79, 240 243 f.>; 136, 127 141 Rn. 45>). Insbesondere ist eine Auseinandersetzung mit der maßgeblichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts notwendig (vgl. BVerfGE 131, 88 118>).
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[…]
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Ausgehend von diesen Maßstäben genügt der Vorlagebeschluss den Anforderungen nicht.
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Das Amtsgericht stellt nicht hinreichend dar, weshalb es von der Verfassungswidrigkeit der vorgelegten Normen überzeugt ist. Es hat weder den verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab angegeben noch sich hinreichend mit der Rechtslage und den dazu vertretenen unterschiedlichen Rechtsauffassungen auseinandergesetzt.“
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II.
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Dies gilt auch für den hier verfahrensgegenständlichen neuen Vorlagebeschluss. Es ist insbesondere unklar, warum das Amtsgericht der Meinung ist, im Haushalt lebende Stiefkinder müssten für den Pfändungsfreibetrag wie eigene Kinder berücksichtigt werden, obwohl für sie gerade keine gesetzliche Unterhaltspflicht des Schuldners besteht, dafür aber in aller Regel eine Unterhaltspflicht Dritter, nämlich der (leiblichen) Eltern, gegeben ist.
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Zudem fehlt es zu den tatsächlichen Umständen des Schuldners des Ausgangsverfahrens und seiner Haushaltsangehörigen an Vortrag. Es lässt sich nicht beurteilen, ob eine Situation vorliegt, in der sich eine vermeintlich gleichheitswidrige Ausgestaltung des § 850c ZPO überhaupt entscheidungserheblich auswirken kann. Welche tatsächlichen Aufwendungen der Schuldner etwa genau für die Stiefkinder tätigt, die nach Meinung des vorlegenden Richters einen entsprechenden Pfändungsfreibetrag erforderlich machen würden, ist nicht ersichtlich.
- 10
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Auch mit den Voraussetzungen des § 850f ZPO, der eine Änderung des unpfändbaren Betrages aufgrund besonderer persönlicher Umstände gerade zulässt, setzt sich das vorlegende Gericht nicht auseinander.
- 11
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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