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BVerfG 11.12.2023 - 1 BvR 2058/22
BVerfG 11.12.2023 - 1 BvR 2058/22 - Erfolgloser Eilantrag: Parallelentscheidung
Tenor
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Gründe
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I.
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Die Beschwerdeführerin - ein Telekommunikationsunternehmen in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung - errichtet und betreibt Breitbandnetze zur Versorgung von Haushalten mit Kabelfernsehen. Dazu hat sie mit Unternehmen der Wohnungswirtschaft langfristige Bezugsverträge abgeschlossen.
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Mit ihrer Verfassungsbeschwerde und ihrem damit verbundenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wendet sie sich unmittelbar gegen § 230 Abs. 5 Telekommunikationsgesetz (TKG) in der Fassung des Gesetzes über den Datenschutz und den Schutz der Privatsphäre in der Telekommunikation und bei Telemedien (Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetz, TTDSG) vom 23. Juni 2021, in Kraft seit dem 1. Dezember 2021 (BGBl I S. 1982). Diese Vorschrift räumt den Parteien solcher Bezugsverträge mit Wirkung frühestens ab dem 1. Juli 2024 ein entschädigungsloses Sonderkündigungsrecht ein. Sie steht im Zusammenhang mit weiteren Bestimmungen des Telekommunikationsmodernisierungsgesetzes vom 23. Juni 2021 (BGBl I S. 1858), die unter anderem die mietvertragliche Umlagefähigkeit von Betriebskosten für hausinterne Breitbandnetze beschränken.
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II.
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Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 32 BVerfGG liegen nicht vor.
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1. Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Bei der Entscheidung über die einstweilige Anordnung haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit der mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Maßnahmen vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, die in der Hauptsache zu entscheidende Verfassungsbeschwerde erwiese sich als von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet (vgl. BVerfGE 140, 99 106 Rn. 11>; 143, 65 87 Rn. 35>; stRspr). Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens muss das Bundesverfassungsgericht im Rahmen einer Folgenabwägung die Nachteile abwägen, die einträten, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber in der Hauptsache Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. BVerfGE 140, 99 106 Rn. 11>; 143, 65 87 Rn. 35>; 157, 332 377 Rn. 73>; 157, 394 401 f. Rn. 19>; 160, 336 340 Rn. 10> jeweils m.w.N.).
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Wird die Aussetzung des Vollzugs eines Gesetzes begehrt, gelten dafür besonders hohe Hürden (vgl. BVerfGE 140, 99 106 f. Rn. 12>; stRspr). Das Bundesverfassungsgericht darf von seiner Befugnis, den Vollzug eines Gesetzes auszusetzen, nur mit größter Zurückhaltung Gebrauch machen, weil dies einen erheblichen Eingriff in die originäre Zuständigkeit des Gesetzgebers darstellt (vgl. zuletzt BVerfGE 157, 332 374 Rn. 67>; 157, 394 402 Rn. 20>; 160, 336 340 Rn. 11>; stRspr). Müssen die für eine vorläufige Regelung sprechenden Gründe schon im Regelfall so schwer wiegen, dass sie den Erlass einer einstweiligen Anordnung unabdingbar machen, so müssen sie, wenn beantragt ist, den Vollzug eines Gesetzes auszusetzen, darüber hinaus ganz besonderes Gewicht haben und in Ausmaß und Schwere deutlich die Nachteile überwiegen, die im Falle der vorläufigen Außerkraftsetzung eines sich als verfassungsgemäß erweisenden Gesetzes einträten (vgl. BVerfGE 122, 342 361 f.>; 157, 332 374 Rn. 67>; 160, 336 340 f. Rn. 11>; stRspr). Insoweit ist von entscheidender Bedeutung, ob die Nachteile irreversibel oder auch nur sehr erschwert revidierbar sind, um das Aussetzungsinteresse durchschlagen zu lassen (vgl. BVerfGE 118, 111 123>; 140, 211 219 f. Rn. 13>; stRspr).
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Dieser äußerst strenge Maßstab verlangt nicht nur eine besondere Schwere der Nachteile, die entstehen, wenn die einstweilige Anordnung nicht ergeht, sondern stellt auch sehr hohe Anforderungen an die nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG gebotene Begründung des Antrags, dass solche Nachteile zu gewärtigen sind. Insoweit bedarf es in tatsächlicher Hinsicht zumindest im Sinne einer Plausibilitätskontrolle nachvollziehbarer individualisierter und konkreter Darlegungen. Fehlt es daran, kommt es auf eine Folgenabwägung nicht an (vgl. BVerfGE 160, 164 175 Rn. 37>).
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2. Gemessen an diesen strengen Voraussetzungen hat der Eilantrag keinen Erfolg. Zwar ist die Verfassungsbeschwerde weder offensichtlich unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Die Beschwerdeführerin hat jedoch nicht hinreichend dargelegt, dass ihr durch ein Abwarten bis zum Abschluss des Verfassungsbeschwerdeverfahrens schwere Nachteile im Sinne des § 32 Abs. 1 BVerfGG entstehen.
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a) Eine Aussetzung einer gesetzlichen Regelung, die Gewerbetreibende betrifft, kommt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts insbesondere dann in Betracht, wenn die unmittelbare Gefahr besteht, dass der Gewerbebetrieb unter Geltung und Vollzug der gesetzlichen Regelung vollständig zum Erliegen käme und ihm dadurch ein Schaden entstünde, der im Falle der späteren Feststellung der Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Regelung nicht mehr rückgängig gemacht werden könnte (vgl. BVerfGE 14, 153 ff.; 40, 179 181>; 68, 233 236>; 131, 47 61 ff.>; BVerfGK 7, 188 192>).
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b) Eine solche drohende Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Existenz behauptet die Beschwerdeführerin nicht. Sie ergibt sich auch sonst nicht aus der Beschwerde- und der Antragsschrift. So unterfällt nur ein Teil der Wohneinheiten, die die Beschwerdeführerin mit Telekommunikationsdiensten versorgt, dem jetzt durch § 230 Abs. 5 TKG in der Fassung vom 23. Juni 2021 in Frage gestellten Geschäftsmodell. Ein vollständiges Erliegen des Geschäftsbetriebs steht damit nach ihrem eigenen Vortrag nicht zu befürchten.
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c) Eine irreparable Schädigung des Kundenstamms der Beschwerdeführerin ist ebenfalls weder dargetan noch sonst ersichtlich. Ein Teil der Kundenbeziehungen ist von der angegriffenen Rechtsänderung von vornherein nicht betroffen. Im Übrigen verweist die Beschwerdeführerin selbst darauf, es bestehe die Aussicht, ersatzweise neue Verträge mit den bisherigen Geschäftspartnern oder mit neuen Kunden abzuschließen. Dazu trägt sie mit der Antragsschrift vor, die kündigenden Vertragspartner seien regelmäßig interessiert, die Geschäftsbeziehungen - wenn auch zu geänderten Konditionen - fortzusetzen. In ihrer Beschwerdeschrift nennt sie ausdrücklich die Möglichkeit, die Belieferung der Wohneinheiten auf das Einzelnutzervertragsmodell umzustellen und damit neue Kunden zu gewinnen.
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d) Soweit die Beschwerdeführerin vorträgt, die vorhandenen Geschäftsbeziehungen könnten nur zu Konditionen fortgesetzt werden, die für sie dauerhaft deutlich schlechter seien, wodurch die verfassungsrechtliche Benachteiligung zementiert werde, und auch das Einzelnutzervertragsmodell sei wirtschaftlich ungünstiger, reicht dies ebenfalls nicht aus. In tatsächlicher Hinsicht bleibt bereits unklar, in welchem Umfang die Konditionen ungünstiger sind und wie sich die erforderliche Umstellung des Geschäftsmodells prognostisch auf den jährlichen Umsatz und das Betriebsergebnis des Unternehmens der Beschwerdeführerin auswirken würde. Der bezifferte Verlust von Erträgen ist ohne weitere Angaben - etwa auf welchen Zeitraum sich der Verlust bezieht und in welchem Verhältnis er zu den Gesamterträgen steht - nicht aussagekräftig. Unabhängig davon gilt in rechtlicher Hinsicht, dass allein wirtschaftliche Nachteile, die Einzelnen durch den Vollzug eines Gesetzes entstehen, im Allgemeinen nicht geeignet sind, die Aussetzung von Normen zu begründen (vgl. BVerfGE 6, 1 6>; 7, 175 179, 182 f.>; 14, 153; 160, 164 175 f. Rn. 37 ff.>).
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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