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BVerfG 11.12.2023 - 2 BvR 195/21
BVerfG 11.12.2023 - 2 BvR 195/21 - Nichtannahmebeschluss: Verfassungsrechtliche Zweifel an Vereinbarkeit des § 17 Abs 2, Abs 3 S 1 StAG (RIS: RuStAG; Versagung einer Aufenthaltserlaubnis nach Verlust der Staatsangehörigkeit infolge Anfechtung einer Vaterschaftsanerkennung) mit den Anforderungen des Gesetzesvorhalts des Art 16 Abs 1 S 2 GG - allerdings Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde mangels hinreichender Begründung
Normen
Art 16 Abs 1 S 1 GG, Art 16 Abs 1 S 2 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 1600 Abs 1 Nr 5 BGB, § 17 Abs 2 RuStAG, § 17 Abs 3 S 1 RuStAG, § 30 Abs 1 S 1 RuStAG, § 30 Abs 1 S 2 RuStAG
Vorinstanz
vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 20. November 2020, Az: 17 A 4238/19, Beschluss
vorgehend VG Münster, 23. September 2019, Az: 8 K 105/18, Urteil
Tenor
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
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Die Beschwerdeführerin zu 1. ist die Mutter der minderjährigen Beschwerdeführer zu 2. bis 4. Sie wenden sich jeweils gegen die Versagung einer Aufenthaltserlaubnis und Androhung der Abschiebung nach Guinea.
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I.
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1. Die Beschwerdeführerin zu 1., eine Staatsangehörige Guineas, reiste Ende 2010 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Im September 2011 wurde hier der Beschwerdeführer zu 4. geboren, für den Herr K. die Vaterschaft unter Zustimmung der Beschwerdeführerin zu 1. notariell anerkannte. K. ist ebenfalls guineischer Staatsangehöriger, der sich seit 1993 rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und seit 2005 über eine Niederlassungserlaubnis verfügt. Aus diesem Grund wurde der Beschwerdeführer zu 4. gemäß § 4 Abs. 3 Staatsangehörigkeitsgesetz (im Folgenden: StAG) zunächst als deutscher Staatsangehöriger behandelt. Auf Antrag des Herrn C. stellten jedoch zunächst das Amtsgericht Münster im November 2014 und nachfolgend das Oberlandesgericht Hamm im Februar 2016 fest, dass C. der Vater des Beschwerdeführers zu 4. ist. Da auch C. die Staatsangehörigkeit Guineas besitzt und erst im Oktober 2009 in das Bundesgebiet eingereist war, fehlte es fortan bereits an der zeitlichen Voraussetzung für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch den Beschwerdeführer zu 4. nach § 4 Abs. 3 StAG. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 12. Dezember 2016 stellte die zuständige Staatsangehörigkeitsbehörde daher fest, dass der Beschwerdeführer zu 4. kein deutscher Staatsangehöriger sei.
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2. Ende 2017 nahm die zuständige Ausländerbehörde die zwischenzeitlich an die Beschwerdeführerin zu 1. sowie die mittlerweile geborenen Beschwerdeführer zu 2. und 3., ebenfalls guineische Staatsangehörige, erteilten familiären Aufenthaltserlaubnisse zurück. Zugleich lehnte sie die - zuvor beantragte - Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an den Beschwerdeführer zu 4. ab. Zudem wurde die Abschiebung nach Guinea angedroht.
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3. Die hiergegen erhobene Klage der Beschwerdeführer wies das Verwaltungsgericht Münster mit Urteil vom 23. September 2019 ab. Die an die Beschwerdeführer zu 1. bis 3. erteilten Aufenthaltserlaubnisse seien von Anfang an rechtswidrig gewesen, da sie sämtlich an die tatsächlich nicht bestehende deutsche Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers zu 4. angeknüpft hätten. Mit der Bestandskraft des Feststellungsbescheids vom 12. Dezember 2016 sei diese mit Wirkung zum Zeitpunkt der Geburt entfallen. Auch die Versagung einer Aufenthaltserlaubnis für den Beschwerdeführer zu. 4 sei rechtmäßig. Dieser habe keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 38 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz (im Folgenden: AufenthG), da er weder ehemaliger Deutscher sei noch von den deutschen Stellen als solcher aus einem von ihm nicht zu vertretenden Grund behandelt worden sei. Er müsse sich vielmehr nach § 278 BGB zurechnen lassen, dass seine Mutter es pflichtwidrig unterlassen habe, die biologische Vaterschaft aufklären zu lassen. Ihr sei von Anfang an bewusst gewesen, dass auch C. als biologischer Vater in Betracht komme und ihr eigenes Aufenthaltsrecht sowie später das ihrer weiteren Kinder ausschließlich auf der deutschen Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers zu 4. beruht hätten.
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4. Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (nachfolgend: Oberverwaltungsgericht) erteilte bezüglich des von den Beschwerdeführern gestellten Antrags auf Zulassung der Berufung unter dem 24. September 2020 den Hinweis, dass Anknüpfungspunkt für ein Vertretenmüssen im Sinne von § 38 Abs. 5 AufenthG die Zustimmung der Beschwerdeführerin zu 1. zur Vaterschaftsanerkennung durch K. sei. Das Urteil des Verwaltungsgerichts sei daher im Ergebnis richtig. Es wurde Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt, was die Beschwerdeführer mit Schreiben vom 9. Oktober 2020 wahrnahmen.
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5. Mit Beschluss vom 20. November 2020 lehnte das Oberverwaltungsgericht den Zulassungsantrag ab. Insbesondere sei die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Behandlung des Beschwerdeführers zu 4. durch deutsche Stellen als Deutscher auf einem von ihm zu vertretenden Grund beruhe, im Ergebnis nicht zu beanstanden. Anknüpfungspunkt des Vertretenmüssens sei der Umstand, dass die Beschwerdeführerin zu 1., deren Verhalten sich der Beschwerdeführer zu 4. zurechnen lassen müsse, der Vaterschaftsanerkennung durch K. zugestimmt habe. Diese Zustimmung sei mitursächlich dafür geworden, dass der Beschwerdeführer zu 4. kraft Gesetzes die deutsche Staatsangehörigkeit erworben habe und dementsprechend von den deutschen Stellen als Deutscher behandelt worden sei. Das Vorbringen der Beschwerdeführer im Schriftsatz vom 9. Oktober 2020 zum angeblichen Fortbestand der deutschen Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers zu 4. sei schon deshalb nicht berücksichtigungsfähig, weil es nach Ablauf der Begründungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO erfolgt sei.
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6. Die Anhörungsrüge der Beschwerdeführer blieb nach weiterem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 21. Dezember 2020 ebenfalls erfolglos.
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II.
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Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer, in ihren Rechten auf ein faires Verfahren aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG, effektiven Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG sowie rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG und in ihren Rechten aus Art. 16 Abs. 1 GG verletzt zu sein.
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III.
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, da sie unzulässig ist. Sie entspricht nicht den Begründungsanforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG, nach denen sich eine Verfassungsbeschwerde mit dem zugrundeliegenden einfachen Recht, der verfassungsrechtlichen Beurteilung des vorgetragenen Sachverhalts und den Gründen der angegriffenen Entscheidungen auseinandersetzen sowie hinreichend substantiiert aufzeigen muss, dass eine Grundrechtsverletzung möglich erscheint (vgl. BVerfGE 28, 17 19>; 89, 155 171>; 140, 229 232 Rn. 9>).
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1. Zwar begegnet die gegenüber dem Beschwerdeführer zu 4. erfolgte Feststellung des Staatsangehörigkeitsverlustes verfassungsrechtlichen Bedenken. Es erscheint zweifelhaft, ob die zugrundeliegende Regelung des § 17 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 StAG den Anforderungen des Gesetzesvorbehaltes des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. BVerfGE 116, 24 52 ff.>; 135, 48 78 f. Rn. 78 ff.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 17. Juli 2019 - 2 BvR 1327/18 -, Rn. 33) genügt.
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2. Jedoch legt die Verfassungsbeschwerde eine Verletzung der Beschwerdeführer in Rechten im Sinne des § 90 Abs. 1 BVerfGG durch die angegriffenen aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen inhaltlich nachvollziehbar nicht dar. Namentlich zeigt sie nicht auf, inwiefern die Fachgerichte Art. 16 Abs. 1 GG im Rahmen des hier gegenständlichen aufenthaltsrechtlichen Verfahrens hätten berücksichtigen müssen. Der Beschwerdeführer zu 4. macht lediglich geltend, dass es an einer gesetzlichen Grundlage für den Staatsangehörigkeitsverlust gefehlt habe und die angegriffenen Entscheidungen somit seine deutsche Staatsangehörigkeit übergangen hätten. Insoweit fehlt es auch an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit den Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts. Dieses hat das Vorbringen zum Fortbestand der deutschen Staatsangehörigkeit wegen Ablaufs der Begründungsfrist im Nichtzulassungsbeschluss schon als nicht berücksichtigungsfähig zurückgewiesen. Darüber hinaus hat es in der Anhörungsrügeentscheidung ausgeführt, dass der vom Beschwerdeführer zu 4. geltend gemachte Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gerade voraussetze, dass er nicht deutscher Staatsangehöriger sei. Überdies verhält sich die Verfassungsbeschwerde nicht zur Bestimmung des § 30 Abs. 1 Sätze 1 und 2 StAG, wonach die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der deutschen Staatsangehörigkeit durch die Staatsangehörigkeitsbehörde in allen Angelegenheiten verbindlich ist, für die sie rechtserheblich ist.
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3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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