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BVerfG 04.01.2021 - 1 BvR 619/20
BVerfG 04.01.2021 - 1 BvR 619/20 - Nichtannahmebeschluss: Rechtssatzverfassungsbeschwerde bzgl Vorschriften zur elektronischen Patientenakte und Werbung für Versorgungsinnovationen (§§ 68b, 336, 341, 342, 363 SGB V <juris: SGB 5> idF vom 14.10.2020; § 299 SGB 5 idF vom 06.05.2019) unzulässig
Normen
Art 1 Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 GG, § 90 BVerfGG, EUV 2016/679, § 68b Abs 2 S 1 SGB 5 vom 14.10.2020, § 68b Abs 3 SGB 5 vom 14.10.2020, § 299 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB 5 vom 06.05.2019, § 336 Abs 2 SGB 5 vom 14.10.2020, § 341 Abs 1 S 2 SGB 5 vom 14.10.2020, § 341 Abs 2 Nr 1 Buchst a SGB 5 vom 14.10.2020, § 342 Abs 1 SGB 5 vom 14.10.2020, § 363 Abs 2 SGB 5 vom 14.10.2020, § 363 Abs 3 SGB 5 vom 14.10.2020, § 363 Abs 7 SGB 5 vom 14.10.2020
Tenor
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
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Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos (§ 40 Abs. 3 GOBVerfG).
Gründe
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I.
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Der Beschwerdeführer wendet sich gegen Vorschriften des Sozialgesetzbuches Fünftes Buch (SGB V) im Zusammenhang mit der elektronischen Patientenakte, gegen § 68b Abs. 2 und Abs. 3 SGB V, der den gesetzlichen Krankenkassen gegenüber ihren Versicherten gezielte Informationen über und Angebote zu Versorgungsinnovationen ermöglicht, und gegen § 299 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 SGB V, der unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt, ohne Pseudonymisierung Datenverarbeitungen zur Qualitätssicherung durchzuführen.
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Er rügt eine Verletzung seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Da die Daten der elektronischen Patientenakte nicht dezentral auf der elektronischen Gesundheitskarte gespeichert würden und auf sie auch ohne Einsatz der elektronischen Gesundheitskarte zugegriffen werden könne, entstehe eine zentral gespeicherte virtuelle Datenbank mit den hochsensiblen Gesundheitsdaten der Versicherten. Es sei zu befürchten, dass diese Datensammlung in Bezug auf die IT-Sicherheit nicht hinreichend abgesichert sei und zum Ziel von Hackerangriffen werde. Dritte, die sich unbefugt Zugriff auf die in der elektronischen Patientenakte gespeicherten Daten verschafften, könnten diese nicht nur für herkömmliche kriminelle Aktivitäten verwenden, sondern mithilfe der erlangten Daten auch "Microtargeting", die gezielte Ansprache von Wählerinnen und Wählern, bis hin zur Wahlmanipulation betreiben. Dies sei insbesondere im Vorfeld der Bundestagswahl 2021 zu befürchten. Vor allem von Parteien des rechten Spektrums seien derartige Manipulationsversuche aus verschiedenen Ländern bekannt, sodass auch die freiheitlich-demokratische Grundordnung gefährdet sei. Im Hinblick auf die ebenfalls angegriffenen Vorschriften § 68b Abs. 2, Abs. 3, § 299 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 SGB V bringt der Beschwerdeführer vor, diese führten dazu, dass immer aussagekräftigere Gesundheitsprofile der Versicherten erstellt werden könnten. Überdies stehe insgesamt nicht die möglichst hochwertige Versorgung der gesetzlich Versicherten mit Gesundheitsleistungen bei der angegriffenen Gesetzgebung im Vordergrund, sondern Wirtschaftsförderung von im Gesundheitsbereich tätigen Digitalunternehmen.
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II.
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG), weil sie unzulässig ist.
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1. Im Hinblick auf die Vorschriften, mit denen die Einführung der elektronischen Patientenakte geregelt wird, ist der Beschwerdeführer nicht unmittelbar und gegenwärtig in eigenen Rechten betroffen (zu dieser Anforderung vgl. BVerfGE 1, 97 101 f.>; 97, 157 164>; 109, 279 305>; 142, 268 279 Rn. 41>; 143, 246 321 Rn. 207>; stRspr). Denn die Nutzung der elektronischen Patientenakte ist gemäß § 341 Abs. 1 Satz 2 SGB V freiwillig. Damit hat der Beschwerdeführer es selbst in der Hand, die geltend gemachte Verletzung in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung abzuwenden, indem er seine Einwilligung zur Nutzung der elektronischen Patientenakte nicht erteilt.
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Das Bundesverfassungsgericht ist insoweit gehindert, unabhängig von einer konkreten individuellen Beschwer eine objektive Prüfung der angegriffenen Vorschriften vorzunehmen. Zwar hat die Verfassungsbeschwerde neben der Funktion, den subjektiven Grundrechtsschutz des Bürgers gegenüber dem Staat zu gewährleisten, auch eine objektive Funktion zur Wahrung und Fortbildung des Verfassungsrechts (vgl. BVerfGE 33, 247 258 f.>). Diese kann aber nur zum Zuge kommen, wenn zunächst die individuelle Beschwerdebefugnis auf Ebene der Zulässigkeit besteht (vgl. BVerfGE 6, 445 447 f.>; 15, 298 301 f.>; 45, 63 74 f.>; 96, 251 257>). Eine hiervon losgelöste objektivrechtliche Prüfung der angegriffenen Vorschriften insbesondere am Maßstab der fachrechtlich einschlägigen Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (Verordnung [EU] 2016/679 - DSGVO -) kann die zuständige Behörde im Rahmen der datenschutzrechtlichen Aufsicht vornehmen.
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2. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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