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BVerfG 30.10.2020 - 1 BvR 1070/19
BVerfG 30.10.2020 - 1 BvR 1070/19 - Nichtannahmebeschluss: Gebot der Rechtswegerschöpfung fordert ggf Inanspruchnahme verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutzes zur Klärung des Umfangs der Schulpflicht - Verfassungsbeschwerde bzgl Geldbuße wegen Verletzung der Schulpflicht im Zusammenhang mit dem Besuch einer Moschee unzulässig
Normen
Art 4 Abs 1 GG, Art 6 Abs 2 S 1 GG, § 90 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 20 Abs 1 S 1 SchulG SH 2007, § 20 Abs 2 Nr 1 SchulG SH 2007, § 26 Abs 1 Nr 1 SchulG SH 2007, § 144 Abs 1 Nr 3 SchulG SH 2007
Vorinstanz
vorgehend Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, 24. April 2019, Az: 1 SsOWi 177/18 (63/19), Beschluss
vorgehend Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, 4. April 2019, Az: 1 SsOWi 177/18 (63/19), Beschluss
vorgehend AG Meldorf, 4. Juli 2018, Az: 25 OWi 303 Js 26245/16 (408/16), Urteil
Tenor
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
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Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Verhängung einer Geldbuße gegen die Beschwerdeführer wegen unerlaubten Fernbleibens ihres Sohnes vom Schulunterricht.
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I.
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Der Sohn der Beschwerdeführer besuchte die siebte Klasse eines Gymnasiums. Den Beschwerdeführern wurde im Januar 2016 mitgeteilt, dass im Rahmen des Erdkundeunterrichts eine nahegelegene Moschee besucht werden solle. Der Besuch fand dann im Juni 2016 während der fünften und sechsten Schulstunde statt. Die Beschwerdeführer sind Atheisten und lehnten den Moscheebesuch ihres Sohnes insbesondere unter Berufung auf ihre negative Religionsfreiheit und ihr religiöses Erziehungsrecht ab. Nachdem die Schule ihnen zuletzt mitgeteilt hatte, dass ihr Sohn dem Moscheebesuch nicht fernbleiben dürfe, verhinderten sie dessen Schulbesuch am gesamten Schultag.
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Das Amtsgericht verurteilte die Beschwerdeführer wegen vorsätzlicher Verhinderung der Teilnahme ihres Sohnes am Unterricht zu einer Geldbuße in Höhe von jeweils 25 Euro. Zur Unterrichtsveranstaltung hätten nicht nur die vor dem Moscheebesuch liegenden Schulstunden gezählt, sondern auch der Moscheebesuch selbst. Die Beschwerdeführer seien nicht berechtigt gewesen, ihren Sohn vom Unterricht fernzuhalten. Weder habe es sich bei dem Moscheebesuch um Religionsunterricht gehandelt, noch habe nach den konkreten Umständen das religiöse Erziehungsrecht der Beschwerdeführer Vorrang gegenüber dem staatlichen Bestimmungsrecht über das Schulwesen gehabt. Das Amtsgericht stellt insoweit eingehende verfassungsrechtliche Erwägungen an.
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Den Antrag der Beschwerdeführer auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wies das Oberlandesgericht zurück. Eine Zulassung zur Fortbildung des Rechts komme nicht in Betracht. Der von dem Amtsgericht erörterte verfassungsrechtliche Hintergrund sei nicht entscheidungserheblich. Das Amtsgericht habe die Verurteilung der Beschwerdeführer allein schon auf die Verhinderung des Besuchs der ersten vier Schulstunden des betroffenen Tages gestützt.
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II.
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Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer insbesondere eine Verletzung ihrer Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG), ihres Elternrechts (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG), Willkür der angegriffenen Entscheidungen (Art. 3 Abs. 1 GG) sowie die Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG).
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Das Amtsgericht und ihm folgend das Oberlandesgericht hätten willkürlich entschieden, indem sie den Sachverhalt nach den ersten vier Unterrichtsstunden und dem Moscheebesuch aufgeteilt hätten. Diese Aufteilung sei in dem Verfahren erstmals in der amtsgerichtlichen Entscheidung zum Ausdruck gekommen, die deshalb überraschend ergangen sei. Das Kind habe in den ersten vier Stunden allein deshalb gefehlt, weil es sich nur so dem Moscheebesuch habe entziehen können. Folglich sei der verfassungsrechtliche Hintergrund entscheidungserheblich. Diesen habe das Amtsgericht unzutreffend beurteilt und dadurch die Grundrechte der Beschwerdeführer verletzt.
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III.
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil kein Grund zur Annahme nach § 93a Abs. 2 BVerfGG besteht. Die Verfassungsbeschwerde ist mangels genügender Erschöpfung des fachgerichtlichen Rechtswegs unzulässig (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG).
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Die Beschwerdeführer haben es versäumt, den verwaltungsgerichtlichen Rechtsweg zu beschreiten, um so die Auferlegung einer Geldbuße abzuwenden (vgl. BVerfGE 22, 287 290 ff.>). Verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutz in Anspruch zu nehmen, war den Beschwerdeführern auch nicht im Hinblick auf die Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit unmöglich oder unzumutbar. Ihnen wurde bereits im Januar 2016 mitgeteilt, dass geplant sei, in dem noch bis Mitte des Jahres dauernden Schuljahr die nahegelegene Moschee zu besuchen, was dann im Juni 2016 erfolgt ist. Die Beschwerdeführer hätten daher Anlass und Gelegenheit gehabt, frühzeitig auf eine verbindliche Klärung der Frage einer Beteiligung ihres Sohnes am Moscheebesuch durch die Schulleitung zu drängen, um gegebenenfalls rechtzeitig verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutz in Anspruch nehmen zu können.
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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