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BVerfG 23.11.2015 - 1 BvR 1795/08
BVerfG 23.11.2015 - 1 BvR 1795/08 - Festsetzung des Gegenstandswertes und Anordnung der Auslagenerstattung nach Erledigung der Verfassungsbeschwerde
Normen
Art 14 Abs 1 GG, § 34a Abs 3 BVerfGG, § 6a BJagdG, Art 1 MRKZProt, § 14 Abs 1 RVG, § 37 Abs 2 S 2 RVG
Vorinstanz
vorgehend Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 28. Mai 2008, Az: 1 L 26/08, Beschluss
vorgehend Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 8. April 2008, Az: 1 L 26/08, Beschluss
vorgehend Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 13. Februar 2008, Az: 1 L 97/06, Beschluss
vorgehend VG Magdeburg, 10. November 2005, Az: 3 A 328/03 MD, Urteil
Tenor
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Die Bundesrepublik Deutschland hat dem Beschwerdeführer zwei Drittel, das Land Sachsen-Anhalt ein Drittel seiner notwendigen Auslagen zu erstatten.
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Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfassungsbeschwerdeverfahren auf 13.000 € (in Worten: dreizehntausend Euro) festgesetzt.
Gründe
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I.
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Der Beschwerdeführer lehnt aus ethischen Gründen die Jagd ab. Seine Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen behördliche und verwaltungsgerichtliche Entscheidungen, durch die ihm die jagdrechtliche Befriedung eines Grundstücks versagt wurde. Er rügte eine Verletzung von Art. 14 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1 (bzw. Art. 2 Abs. 1), Art. 4 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1, Art. 103 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG.
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Nach Erhebung der Verfassungsbeschwerde entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in einem die Bundesrepublik Deutschland betreffenden Fall, dass die Zwangsmitgliedschaft in Jagdgenossenschaften und die damit verbundene Pflicht des Grundeigentümers, die Ausübung der Jagd durch Dritte auf seinem Grundstück trotz entgegenstehender ethischer Motive ausnahmslos zu dulden, gegen Artikel 1 des Zusatzprotokolls (Schutz des Eigentums) der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verstößt (vgl. EGMR, Urteil vom 26. Juni 2012 - Rs. 9300/07 - Herrmann ./. Bundesrepublik Deutschland, juris). Daraufhin wurde mit dem neuen § 6a BJagdG die Möglichkeit der Befriedung von Grundstücken aus ethischen Gründen für natürliche Personen als Grundstückseigentümer geschaffen. Nachdem die zuständige Behörde auf dieser Rechtsgrundlage sein Grundstück für befriedet erklärt hatte, hat der Beschwerdeführer die Verfassungsbeschwerde für erledigt erklärt.
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Der Beschwerdeführer beantragt nun, die Erstattung seiner notwendigen Auslagen anzuordnen und den Gegenstandswert festzusetzen. Die Äußerungsberechtigten hatten Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen.
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II.
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1. Dem Beschwerdeführer sind seine durch das Verfassungsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.
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a) Über die Auslagenerstattung ist, nachdem der Beschwerdeführer die Verfassungsbeschwerde für erledigt erklärt hat, gemäß § 34a Abs. 3 BVerfGG nach Billigkeitsgesichtspunkten zu entscheiden (vgl. BVerfGE 85, 109 114>). Dabei prüft das Bundesverfassungsgericht nicht die Erfolgsaussichten der Verfassungsbeschwerde, da eine kursorische Prüfung der Erfolgsaussichten der Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts widerspräche, verfassungsrechtliche Zweifelsfragen mit bindender Wirkung inter omnes zu klären (vgl. BVerfGE 33, 247 264 f.>). Wesentliche Bedeutung kann aber insbesondere dem Grund zukommen, der zur Erledigung geführt hat. Beseitigt die öffentliche Gewalt von sich aus den mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Akt oder hilft sie der Beschwer auf andere Weise ab, kann, wenn keine anderweitigen Gründe ersichtlich sind, davon ausgegangen werden, dass sie das Begehren des Beschwerdeführers selbst für berechtigt erachtet hat. In diesem Fall ist es billig, die öffentliche Hand ohne weitere Prüfung an ihrer Auffassung festzuhalten und sie zu verpflichten, die Auslagen des Beschwerdeführers in gleicher Weise zu erstatten, wie wenn der Verfassungsbeschwerde stattgegeben worden wäre (vgl. BVerfGE 85, 109 114 ff.>; 87, 394 397 f.>; 133, 37 38>).
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b) Nach diesen Grundsätzen entspricht es vorliegend der Billigkeit, der Bundesrepublik Deutschland und dem Land Sachsen-Anhalt die Erstattung der dem Beschwerdeführer entstandenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Entscheidend fällt dabei ins Gewicht, dass sich der Bundesgesetzgeber aufgrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 26. Juni 2012 (Rs. 9300/07 - Herrmann ./. Bundesrepublik Deutschland, juris) veranlasst gesehen hat, der dort festgestellten Verletzung von Artikel 1 des Zusatzprotokolls (Schutz des Eigentums) der Europäischen Menschenrechtskonvention abzuhelfen. Die Schaffung der jagdrechtlichen Befriedungsmöglichkeit durch den zum 6. Dezember 2013 in Kraft getretenen § 6a BJagdG sollte der Umsetzung dieses Urteils dienen (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung jagdrechtlicher Vorschriften, BTDrucks 17/12046, S. 1, 7). Eine entsprechende jagdrechtliche Befriedung aus ethischen Gründen war zuvor weder im Bundesjagdgesetz noch im Landesjagdgesetz des Landes Sachsen-Anhalt vorgesehen. Damit ist der Bundesgesetzgeber im Ergebnis dem Anliegen des Beschwerdeführers nachgekommen. Das führt zu der Billigkeitsentscheidung über die Auslagenerstattung zugunsten des Beschwerdeführers (vgl. BVerfGE 85, 109 116>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 4. November 2010 - 1 BvR 661/06 -, Rn. 7 ff., juris). Anderweitige Gründe, die darauf schließen ließen, dass der Bundesgesetzgeber solchen Begehren wie dem des Beschwerdeführers nicht hätte Rechnung tragen wollen, sind nicht ersichtlich. Auf eine Beurteilung der Erfolgsaussichten der Verfassungsbeschwerde, die das Bundesverfassungsgericht im Rahmen einer Auslagenerstattungsentscheidung grundsätzlich nicht vornimmt, kommt es demnach nicht an.
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c) Von den Auslagen des Beschwerdeführers hat die Bundesrepublik Deutschland mit Blick auf die für die Erledigung maßgebliche Neuregelung des § 6a BJagdG zwei Drittel und das Land Sachsen-Anhalt ein Drittel zu tragen, da Entscheidungen seiner Behörden und Gerichte Gegenstand der Verfassungsbeschwerde sind. Die notwendigen Auslagen sind in vollem Umfang zu erstatten.
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2. Die Festsetzung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit beruht auf § 37 Abs. 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 366 ff.>).
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