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BVerfG 24.10.2011 - 1 BvR 1103/11
BVerfG 24.10.2011 - 1 BvR 1103/11 - Stattgebender Kammerbeschluss: Höchstaltersgrenze von 71 Jahren in IHK-Satzung für öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige - Unterlassen der Vorlage an den EuGH, ob Altersgrenze mit Unionsrecht (hier: Art 6 Abs 1 EGRL 78/2000) vereinbar sei, verletzt Art 101 Abs 1 S 2 GG (Garantie des gesetzlichen Richters) - Gegenstandswertfestsetzung auf 8000 Euro
Normen
Art 101 Abs 1 S 2 GG, Art 267 Abs 3 AEUV, § 10 S 1 AGG, § 10 S 2 AGG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, Art 6 Abs 1 UAbs 1 EGRL 78/2000, § 36 Abs 3 Nr 1 GewO, § 36 Abs 4 GewO, § 14 Abs 1 RVG, § 37 Abs 2 RVG
Vorinstanz
vorgehend BVerwG, 26. Januar 2011, Az: 8 C 46/09, Urteil
Tenor
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1. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Januar 2011 - BVerwG 8 C 46.09 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem grundrechtsgleichen Recht aus Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Das Urteil wird aufgehoben. Die Sache wird an das Bundesverwaltungsgericht zurückverwiesen.
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2. ...
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3. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.
Gründe
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I.
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Die Verfassungsbeschwerde betrifft eine in der Satzung einer Industrie- und Handelskammer festgelegte Höchstaltersgrenze für öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige.
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1. Der 1936 geborene Beschwerdeführer und Kläger des Ausgangsverfahrens war ab 1973 Professor an einer Fachhochschule, zunächst für "EDV und Organisation", später zusätzlich für "EDV in der Hotellerie und Gastronomie". 1978 wurde er als Sachverständiger für "Anwendung der EDV im Rechnungswesen und Datenschutz" öffentlich bestellt und vereidigt; im Jahr 2000 erweiterte die im Ausgangsverfahren beklagte Industrie- und Handelskammer (im Folgenden: Beklagte) das Sachgebiet um den Bereich "EDV in der Hotellerie".
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Die von der Vollversammlung der Beklagten erlassene Satzung über die öffentliche Bestellung und Vereidigung von Sachverständigen (Sachverständigenordnung) sah vor, dass eine öffentliche Bestellung erlischt, wenn der Sachverständige das 68. Lebensjahr vollendet hat. In begründeten Ausnahmefällen erlaubte sie eine einmalige befristete Verlängerung. Im Jahr 2007 wurde die entsprechende Vorschrift dahingehend geändert, dass eine solche Verlängerung höchstens bis zur Vollendung des 71. Lebensjahres möglich ist.
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Den Vorgaben der Sachverständigenordnung entsprechend war die Bestellung des Beschwerdeführers bis zur Vollendung seines 68. Lebensjahres im Jahr 2004 befristet worden. Auf seinen Antrag hin wurde sie 2003 um drei Jahre bis zur Vollendung seines 71. Lebensjahres im Jahr 2007 verlängert. Einen im Jahr 2007 gestellten Antrag des Beschwerdeführers auf eine weitere Verlängerung der Bestellung lehnte die Beklagte ab. Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage des Beschwerdeführers wies das Verwaltungsgericht ab. Seine Berufung hatte keinen Erfolg.
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Mit Urteil vom 26. Januar 2011 (veröffentlicht unter anderem in NVwZ 2011, S. 569) wies das Bundesverwaltungsgericht die Revision des Beschwerdeführers zurück. Einer weiteren Verlängerung seiner Bestellung stünden die Regelungen der Sachverständigenordnung entgegen. Dies verstoße auch nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Dessen Anwendungsbereich sei zwar eröffnet; die vorliegende unmittelbare Ungleichbehandlung wegen des Alters sei aber gemäß § 10 Satz 1 und 2 AGG gerechtfertigt. Ein legitimes Ziel für die Ungleichbehandlung ergebe sich nicht unmittelbar aus der Sachverständigenordnung, wohl aber aus der zugrunde liegenden Satzungsermächtigung in § 36 Abs. 4 in Verbindung mit § 36 Abs. 3 Nr. 1 der Gewerbeordnung (GewO). Für die Gewährleistung eines geordneten Rechtsverkehrs durch die Institution öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger habe der Gesetzgeber die jederzeit verlässliche Leistungsfähigkeit der Sachverständigen sicherstellen und zu diesem Zweck die Möglichkeit eröffnen wollen, durch die Festlegung einer Höchstaltersgrenze potenziell nicht mehr so leistungsfähige Sachverständige auszuschließen. Dass es sich hierbei nicht um ein sozialpolitisches Ziel im Sinne der in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf aufgeführten Bereiche Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung handele, sei unschädlich. Es ergebe sich schon aus der beispielhaften Aufzählung ("insbesondere"), dass die im Sinne des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG legitimen Ziele nicht auf diese sozialpolitischen Bereiche beschränkt seien. Das Bundesarbeitsgericht habe zwar mit Beschluss vom 17. Juni 2009 (BAGE 131, 113) dem Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden: der Europäische Gerichtshof) im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens die Frage vorgelegt, ob nach den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts ein legitimes Ziel im Sinne von § 10 Satz 1 AGG nur ein Ziel sozialpolitischer Art sein könne, oder ob auch sonstige dem Gemeinwohl dienende Ziele als in diesem Sinne legitim in Betracht kämen. Die vom Bundesarbeitsgericht aufgeworfene Frage sei aber durch die seitdem ergangene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs geklärt. Der Europäische Gerichtshof habe für die Legitimität eines Ziels im Sinne des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG nur auf das Allgemeininteresse abgestellt. Sozialpolitische Ziele habe er nur als eine Kategorie von legitimen Zielen bezeichnet. Eine Einschränkung auf sozialpolitische Ziele sei der Rechtsprechung nicht zu entnehmen. Eine dem Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) zur Vorabentscheidung vorzulegende Rechtsfrage stelle sich deshalb nicht mehr.
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2. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seiner Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte aus Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, hilfsweise aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG sowie aus Art. 19 Abs. 4 GG.
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3. Zu der Verfassungsbeschwerde hat die Beklagte des Ausgangsverfahrens Stellung genommen. Sie sieht den Beschwerdeführer nicht in seinen Rechten aus Art. 12 Abs. 1, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Die Bundesregierung hat von einer Stellungnahme abgesehen.
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Die Akte des Ausgangsverfahrens ist beigezogen worden.
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II.
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Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des grundrechtsgleichen Rechts des Beschwerdeführers aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG) und auch die weiteren Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung nach § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG vorliegen. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt. Die Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet.
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1. Das Bundesverwaltungsgericht hat den Anspruch des Beschwerdeführers auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt.
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a) Der Europäische Gerichtshof ist gesetzlicher Richter im Sinne von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Unter den Voraussetzungen des Art. 267 Abs. 3 AEUV sind die nationalen Gerichte von Amts wegen gehalten, den Europäischen Gerichtshof anzurufen (vgl. BVerfGE 82, 159 192 f.>; stRspr). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs muss ein nationales letztinstanzliches Gericht seiner Vorlagepflicht nachkommen, wenn sich in einem bei ihm schwebenden Verfahren eine Frage des Unionsrechts stellt, es sei denn, das Gericht hat festgestellt, dass die gestellte Frage nicht entscheidungserheblich ist, dass die betreffende unionsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof war oder dass die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - Rs. 283/81 "C.I.L.F.I.T." -, juris, Rn. 21). Das Bundesverfassungsgericht überprüft nur, ob die Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsregel des Art. 267 Abs. 3 AEUV bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BVerfGE 82, 159 194 f.>; 126, 286 315>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 25. Januar 2011 - 1 BvR 1741/09 -, NJW 2011, S. 1427 1431>; Beschluss des Ersten Senats vom 19. Juli 2011 - 1 BvR 1916/09 -, juris). Diesen Maßstab hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung durch beispielhafte Fallgruppen präzisiert, die allerdings keinen abschließenden Charakter haben (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 25. Februar 2010 - 1 BvR 230/09 -, NJW 2010, S. 1268 1269>).
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Die Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV wird insbesondere in den Fällen offensichtlich unhaltbar gehandhabt, in denen ein letztinstanzliches Hauptsachegericht eine Vorlage trotz der - seiner Auffassung nach bestehenden - Entscheidungserheblichkeit der unionsrechtlichen Frage überhaupt nicht in Erwägung zieht, obwohl es selbst Zweifel hinsichtlich der richtigen Beantwortung der Frage hegt (grundsätzliche Verkennung der Vorlagepflicht), oder in denen das letztinstanzliche Hauptsachegericht in seiner Entscheidung bewusst von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu entscheidungserheblichen Fragen abweicht und gleichwohl nicht oder nicht neuerlich vorlegt (bewusstes Abweichen ohne Vorlagebereitschaft). Liegt zu einer entscheidungserheblichen Frage des Unionsrechts einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs noch nicht vor oder hat eine vorliegende Rechtsprechung die entscheidungserhebliche Frage möglicherweise noch nicht erschöpfend beantwortet oder erscheint eine Fortentwicklung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht nur als entfernte Möglichkeit, so wird Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nur dann verletzt, wenn das letztinstanzliche Hauptsachegericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten hat (Unvollständigkeit der Rechtsprechung; vgl. BVerfGE 82, 159 195 f.>; 126, 286 317>; BVerfG, NJW 2011, S. 1427 1431>). Dabei kommt es für die Prüfung einer Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht in erster Linie auf die Vertretbarkeit der fachgerichtlichen Auslegung des für den Streitfall maßgeblichen materiellen Unionsrechts an, sondern auf die Vertretbarkeit der Handhabung der Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV (vgl. BVerfG, NJW 2011, S. 1427 1431>).
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b) Nach diesen Maßstäben hat das Bundesverwaltungsgericht das Recht des Beschwerdeführers auf den gesetzlichen Richter verletzt, indem es seinem Urteil die von ihm vertretene Auslegung des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG zugrunde gelegt hat, ohne zuvor dem Europäischen Gerichtshof die Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen, ob diese Vorschrift dahingehend auszulegen ist, dass sie einer nationalen Regelung entgegensteht, die mit dem Ziel der Gewährleistung eines geordneten Rechtsverkehrs eine Altersgrenze von 71 Jahren für öffentlich bestellte Sachverständige vorsieht. Insoweit hat das Bundesverwaltungsgericht Art. 267 Abs. 3 AEUV in einer Weise angewendet, die bei verständiger Würdigung unhaltbar ist.
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Das Bundesverwaltungsgericht hat sich zwar mit der Möglichkeit einer Vorlagepflicht und den dafür geltenden rechtlichen Voraussetzungen auseinandergesetzt. Auch hat es seine Annahme, im konkret zu entscheidenden Fall bestehe eine solche Vorlagepflicht nicht, ausführlich begründet. Diese Begründung ist aber offenkundig nicht tragfähig. Die Aussage des Bundesverwaltungsgerichts, in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sei zum Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidung geklärt gewesen, dass die im Sinne des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG legitimen Ziele nicht auf den sozialpolitischen Bereich beschränkt seien, findet in der von ihm herangezogenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs offensichtlich keine Stütze. Deshalb hätte das Bundesverwaltungsgericht seinem Urteil nicht die von ihm gewählte Auslegung zugrunde legen dürfen, ohne vorher eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs einzuholen.
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aa) Mit seinem Urteil vom 13. September 2011 in der Rechtssache "Prigge" (C-447/09, juris), mit dem er die Vorlagefragen des Bundesarbeitsgerichts beantwortet, hat der Europäische Gerichtshof inzwischen ausdrücklich klargestellt, dass legitime Ziele im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG nur solche sozialpolitischer Art sein können. Er verweist insoweit auf seine bisherige Rechtsprechung, konkret auf die Urteile in den Rechtssachen "Age Concern England" (Urteil vom 5. März 2009 - C-388/07 -, Slg. 2009, I-1569, Rn. 46) und "Hütter" (Urteil vom 18. Juni 2009 - C-88/08 -, Slg. 2009, I-5325, Rn. 41). Mit seiner Entscheidung folgt der Europäische Gerichtshof den Schlussanträgen des Generalanwalts Cruz Villalón vom 19. Mai 2011, der ebenfalls ausgeführt hatte, dass der Europäische Gerichtshof sich schon zuvor für eine engere Auslegung der Ausnahmeregelung in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG ausgesprochen "und sie letztlich allgemein auf sozialpolitische Ziele eingeschränkt" habe (Schlussanträge vom 19. Mai 2011, juris, Rn. 73; vgl. auch BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 5. Januar 2011 - 1 BvR 2870/10 -, NJW 2011, S. 1131 1132>). Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs und die Schlussanträge des Generalanwalts in der Rechtssache "Prigge" lagen zum Zeitpunkt des hier angegriffenen Urteils des Bundesverwaltungsgerichts allerdings noch nicht vor. Sie liegen der Feststellung, dass die Annahme des Bundesverwaltungsgerichts keine Stütze in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs findet, deshalb nicht zugrunde, bestätigen diese aber nachdrücklich.
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bb) Es kann dahinstehen, ob die hier im Raum stehende Vorlagefrage zum Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidung schon in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs beantwortet war oder nicht. Wenn man davon ausgeht, dass sie bereits beantwortet war, dann jedenfalls nicht in dem vom Bundesverwaltungsgericht angenommenen Sinne, sondern im Gegenteil dergestalt, dass ein legitimes Ziel im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG nur ein solches sozialpolitischer Art sein kann. Soweit sich das Bundesverwaltungsgericht für seine gegenläufige Auffassung auf Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs bezieht, sind diese Verweise offenkundig nicht tragfähig.
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Zunächst stützt das Bundesverwaltungsgericht seine Aussage, die vom Bundesarbeitsgericht im Juni 2009 formulierte Vorlagefrage zum gleichen Thema sei "durch die seitdem ergangene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs geklärt", auf Urteile des Europäischen Gerichtshofs aus den Jahren 2005 und 2007. Dort sprach der Europäische Gerichtshof zwar allgemein von der "Legitimität" beziehungsweise "Rechtmäßigkeit" eines "solchen im Allgemeininteresse liegenden Zieles" (Urteil vom 22. November 2005 - C-144/04 "Mangold" -, Slg. 2005, I-9981, Rn. 60; Urteil vom 16. Oktober 2007 - C-411/05 "Palacios de la Villa" -, Slg. 2007, I-8531, Rn. 64); dies bezog sich allerdings in einem Fall konkret auf die berufliche Eingliederung älterer Arbeitnehmer, im anderen auf die Beschäftigungsförderung, also in beiden Fällen auf sozialpolitische Ziele. Zutreffend führt das Bundesverwaltungsgericht sodann aus, dass der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil in der Rechtssache "Age Concern England" (vom 5. März 2009, a.a.O.) auf im konkreten Fall vorliegende sozialpolitische Ziele abgestellt habe. Wenn das Bundesverwaltungsgericht dann aber das Urteil in der Rechtssache "Hütter" offenbar sinngemäß so interpretieren will, dass sozialpolitische Ziele dort nur noch als eine von mehreren Kategorien legitimer Ziele genannt seien, wird das dem Textzusammenhang (EuGH, Urteil vom 18. Juni 2009, a.a.O., Rn. 41 f.) nicht gerecht. Die vom Bundesverwaltungsgericht anscheinend gezogene Schlussfolgerung, dort habe der Europäische Gerichtshof anerkannt, dass es auch andere Kategorien von legitimen Zielen gebe, ist mit dessen vorhergehender Aussage nicht vereinbar, nach der legitime Ziele ausdrücklich "sozialpolitische Ziele ... sind". Soweit das Bundesverwaltungsgericht im Übrigen ausführt, eine Einschränkung auf sozialpolitische Ziele habe auch die nachfolgende Rechtsprechung der Großen Kammer des Europäischen Gerichtshofs nicht vorgenommen, dann ist daran richtig, dass sich dort keine weitergehende Einschränkung findet als in den bisher zitierten Urteilen. Für die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, der Europäische Gerichtshof habe andere als sozialpolitische Ziele als legitim im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG anerkannt, findet sich dort aber ebenfalls kein Anhaltspunkt.
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Soweit das Bundesverwaltungsgericht zum Beleg für seine Aussage auf das Urteil vom 12. Januar 2010 in der Rechtssache "Petersen" (C-341/08, juris) verweist, in dem die Aufrechterhaltung einer qualitativ hochwertigen ärztlichen Versorgung und die Vermeidung einer erheblichen Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit ebenso wie der Schutz der Gesundheit der Bevölkerung als legitime Ziele genannt seien, geht dies größtenteils an der zitierten Entscheidung vorbei. Die Ausführungen zum Gesundheitsschutz und zur Finanzierung des Gesundheitssystems beziehen sich nicht auf ein legitimes Ziel im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG, sondern auf die Ausnahmeregelung des Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie (a.a.O., Rn. 52). Bei dem dritten vom Europäischen Gerichtshof erörterten Ziel handelt es sich um "die Verteilung der Berufschancen zwischen den Generationen" (a.a.O., Rn. 38); diese wird als "legitimes Ziel der Sozial- oder Beschäftigungspolitik" gewürdigt (a.a.O., Rn. 68).
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Den Urteilen vom 19. Januar 2010 (C-555/07 "Kücükdeveci", juris, Rn. 33) und 12. Oktober 2010 (C-499/08 "Andersen", juris, Rn. 26; C-45/09 "Rosenbladt", juris, Rn. 38) entnimmt das Bundesverwaltungsgericht Verweise des Europäischen Gerichtshofs auf den beispielhaften Charakter der in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG aufgezählten Bereiche und den Ermessenspielraum der Mitgliedstaaten bei der Festlegung der Ziele; tatsächlich wird an den zitierten Stellen jedoch nur der Normwortlaut ("insbesondere") wiedergegeben. Soweit in dem Urteil in der Rechtssache "Rosenbladt" von Beispielen und dem Hinweischarakter einer Aufzählung die Rede ist (a.a.O., Rn. 40), bezieht sich dies nur auf den hier nicht einschlägigen zweiten Unterabsatz von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie. Für die Annahme, Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 1 erfasse andere Ziele als solche sozialpolitischer Art, geben die zitierten Stellen nichts her.
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Abschließend verweist das Bundesverwaltungsgericht auf das Urteil in der Rechtssache "Georgiev" vom 18. November 2010 (C-250/09 und C-268/09, juris) und macht geltend, der Europäische Gerichtshof habe dort die Schaffung einer hochwertigen Lehre an der Universität und die optimale Verteilung der Professorenstellen auf die Generationen als legitime Ziele beschrieben. Tatsächlich hat der Europäische Gerichtshof allerdings darauf verwiesen, dass er bereits früher die Einstellung junger Professoren als "legitimes Ziel der Sozial- oder Beschäftigungspolitik" angesehen habe (a.a.O., Rn. 45). In diesem Zusammenhang ergänzt das Gericht, die Zusammenarbeit von Lehrkräften und Forschern verschiedener Generationen begünstige den Erfahrungsaustausch und die Innovation und damit die Verbesserung der Qualität des Unterrichts und der Forschung an den Universitäten (a.a.O., Rn. 46). Die Aussage, dass dies für sich genommen ein legitimes Ziel im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG sei, findet sich dort nicht. Dies gilt umso mehr, als der Europäische Gerichtshof wenig später (a.a.O., Rn. 50) ausführt, in diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten nicht nur bei der Entscheidung, "welches konkrete Ziel von mehreren im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik sie verfolgen wollen", über einen weiten Ermessensspielraum verfügten.
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c) Das angegriffene Urteil beruht auf dem Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. dazu BVerfGE 4, 412 417 f.>; 109, 13 27>). Ein solcher zur Aufhebung eines Urteils führender Zusammenhang ist bei Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften schon dann gegeben, wenn die Möglichkeit besteht, dass der Verfahrensverstoß den Inhalt des Urteils beeinflusst hat (vgl. BVerfGE 4, 412 417>). Daran würde es im vorliegenden Fall fehlen, wenn der Europäische Gerichtshof die Vorlagefrage des Bundesarbeitsgerichts zwischenzeitlich im Sinne der vom Bundesverwaltungsgericht vertretenen Auslegung von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG beantwortet hätte. Da der Europäische Gerichtshof die Vorlage des Bundesarbeitsgerichts aber genau entgegengesetzt beschieden hat, steht außer Zweifel, dass das angegriffene Urteil auf der Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG beruht.
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2. Angesichts der festgestellten Verletzung seines grundrechtsgleichen Rechts auf den gesetzlichen Richter bedürfen die weiteren vom Beschwerdeführer erhobenen Rügen keiner Entscheidung.
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III.
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Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ist gemäß § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Die Sache ist an das Bundesverwaltungsgericht zurückzuverweisen.
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Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG, die Festsetzung des Gegenstandswerts auf § 37 Abs. 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG.
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