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BFH 10.08.2023 - X S 9/23
BFH 10.08.2023 - X S 9/23 - Befangenheit des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle; elektronische Übermittlung von Dokumenten
Normen
§ 42 Abs 2 ZPO, § 49 ZPO, § 168 Abs 1 S 2 ZPO, § 176 Abs 1 ZPO, § 176 Abs 2 ZPO, § 51 Abs 1 S 1 FGO, § 53 Abs 2 FGO
Vorinstanz
vorgehend BFH, 28. März 2023, Az: X S 20/22, Beschluss
Leitsatz
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1. NV: Auch in einem finanzgerichtlichen Verfahren kann der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.
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2. NV: Die Entscheidung über diesen Antrag trifft der Senat als zuständiger Spruchkörper.
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3. NV: Mangels gesetzlicher Grundlage ist der BFH nicht verpflichtet, einem nicht durch einen Bevollmächtigten vertretenen Rügeführer Dokumente auf elektronischem Wege zu übermitteln.
Tenor
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Der Ablehnungsantrag des Rügeführers vom 03.04.2023 gegen den Urkundsbeamten wird abgelehnt.
Tatbestand
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I.
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Mit dem Senatsbeschluss vom 28.03.2023 - X S 20/22 ist der Antrag des Klägers, Antragstellers und Rügeführers (Rügeführer) auf Beiordnung eines Notanwalts für eine Entschädigungsklage abgelehnt worden. Die beglaubigte Abschrift des Beschlusses hat der Urkundsbeamte (X) am 30.03.2023 mit der Post (Zustellungsurkunde) an den Rügeführer gesandt.
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Gegen diesen Senatsbeschluss hat der Rügeführer persönlich (hilfsweise) Anhörungsrüge gemäß § 133a der Finanzgerichtsordnung (FGO) erhoben, die unter dem Aktenzeichen X S 9/23 in das Gerichtsregister eingetragen und durch Beschluss vom 12.07.2023 - X S 9/23 als unzulässig verworfen worden ist.
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Im Verfahren rügte der Rügeführer ausdrücklich die Missachtung einer Vielzahl seiner persönlich gestellten Prozessanträge und lehnte auch deshalb X wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Dieser habe daneben den einfachen und kostengünstigen Weg der elektronischen Kommunikation nicht beachtet und durch seinen Versand des Schriftstücks Zusatzkosten produziert. Auch genüge diese Art der Bekanntgabe nicht den Formerfordernissen und gefährde die Rechte des Rügeführers aus Art. 5 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) sowie aus Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur EMRK.
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Zu der dienstlichen Äußerung des X vom 05.07.2023, die ihm am 06.07.2023 mit einer Frist von 14 Tagen nach Erhalt des Schreibens zur Stellungnahme übersandt worden ist, hat sich der Rügeführer nicht äußern wollen, da sie wegen Formmängeln nicht wirksam sei.
Entscheidungsgründe
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II.
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Der Ablehnungsantrag hat keinen Erfolg. Dabei lässt es der Senat ausdrücklich dahinstehen, ob der Ablehnungsantrag zulässig erhoben worden ist. Er ist jedenfalls unbegründet.
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1. Da die dienstliche Äußerung des X dem Rügeführer ordnungsgemäß zur Stellungnahme übersandt worden ist, er sich jedoch innerhalb der gesetzten Frist nicht dazu geäußert hat, kann der Senat nunmehr über den Ablehnungsantrag entscheiden.
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2. Gründe für eine Besorgnis der Befangenheit des X sind nicht ersichtlich.
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a) Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 42 Abs. 2, § 49 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann in einem finanzgerichtlichen Verfahren der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Die Entscheidung über einen solchen Antrag trifft der zuständige Spruchkörper des Gerichts, dem der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle angehört (vgl. nur Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 15.06.2007 - 1 BvR 1073/07, Neue Juristische Wochenschrift 2007, 3200, Rz 4), vorliegend somit der Senat.
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b) Eine Besorgnis der Befangenheit des X besteht --unabhängig davon, inwieweit Verfahrensfehler eine Besorgnis der Befangenheit überhaupt begründen können (vgl. insoweit Senatsbeschluss vom 28.05.2020 - X S 38/19 (PKH), X S 4/20 (PKH), BFH/NV 2020, 910, Rz 10 f., m.w.N.)-- schon deshalb nicht, da X nicht verfahrensfehlerhaft gehandelt hat.
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aa) X hat den Senatsbeschluss vom 28.03.2023 - X S 20/22 ordnungsgemäß --wie in § 53 Abs. 2 FGO i.V.m. § 176 Abs. 2 ZPO vorgesehen-- mit Zustellungsurkunde zugestellt. Dabei hat X die den Formerfordernissen genügende öffentliche Urkunde als Abschrift der Entscheidung gemäß § 53 Abs. 2 FGO i.V.m. § 329 Abs. 2 Satz 2 ZPO an den Rügeführer versandt. Diese Abschrift war, da die Akten elektronisch geführt werden, --wie geschehen-- in Form einer Kopie der von den Richtern zu signierenden Entscheidung zu erstellen und mittels qualifizierter elektronischer Signatur durch X als Urkundsbeamten zu beglaubigen. Sie wurde entsprechend der gerichtsinternen Anleitung zum Entscheidungsversand und zur Entscheidungsveröffentlichung gedruckt und im Anschluss einschließlich des gedruckten Übersendungsschreibens mit Zustellungsurkunde versandt. Weitergehende Formvorschriften sind von der gemäß § 12 FGO eingerichteten Geschäftsstelle des Bundesfinanzhofs (BFH) und damit auch von X als Urkundsbeamten der Geschäftsstelle als Teil der Gerichtsverwaltung nicht zu beachten.
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bb) Da der BFH mangels gesetzlicher Grundlage nicht verpflichtet ist, dem nicht durch einen Bevollmächtigten nach § 62 Abs. 4 i.V.m. Abs. 2 FGO vertretenen Rügeführer Dokumente auf elektronischem Weg zu übermitteln, kann eine Ablehnung des X auch nicht darauf gestützt werden, dass der Entscheidungsversand gemäß § 53 Abs. 2 FGO i.V.m. § 168 Abs. 1 Satz 2 ZPO durch einen Postdienstleister erfolgte. Im Übrigen sind die Gerichte gemäß § 176 Abs. 1 ZPO nicht verpflichtet, Schriftstücke elektronisch zu versenden. Schon aus diesem Grunde kann sich X nicht einer vom Rügeführer angenommenen Untreuehandlung schuldig gemacht haben. Eine Besorgnis der Befangenheit ergibt sich hieraus erst recht nicht.
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cc) Ungeeignet, eine Besorgnis der Befangenheit des X zu begründen, ist die Rüge des Rügeführers, das Gericht habe eine Vielzahl der von ihm gestellten Anträge nicht beachtet. Insoweit bleibt schon unklar, inwieweit diese Anträge X als Urkundsbeamten betreffen. Nicht nachvollziehbar ist für den Senat, warum der Rügeführer durch das Verhalten des X in seinen Rechten aus Art. 5 Abs. 1 EMRK und Art 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur EMRK betroffen sein soll.
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3. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen, da es sich bei dem vorliegenden Beschluss nur um eine Zwischenentscheidung handelt.
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