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BFH 09.03.2022 - IX E 3/21
BFH 09.03.2022 - IX E 3/21 - Streitwert bei Nichtigkeitsklage gegen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen
Normen
§ 66 Abs 1 GKG, § 52 Abs 1 GKG, § 52 Abs 2 GKG, § 52 Abs 3 GKG, § 1 Abs 2 Nr 2 GKG, § 66 Abs 8 GKG, § 3 Abs 1 GKG, § 3 Abs 2 GKG, § 19 Abs 1 S 1 Nr 2 GKG, § 34 Abs 1 S 2 GKG, § 34 Abs 1 S 3 GKG, § 71 Abs 1 S 1 GKG, § 180 Abs 1 S 1 Nr 2 Buchst a AO
Leitsatz
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1. NV: Richtet sich die Klage auf die Feststellung der Nichtigkeit eines Feststellungsbescheids, ist der Streitwert in derselben Höhe festzusetzen, wie der Streitwert einer Anfechtungsklage auf ersatzlose Aufhebung eines entsprechenden Verwaltungsakts.
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2. NV: Wird die Aufhebung eines Bescheids über die gesonderte und einheitliche Einkünftefeststellung begehrt, gelten für die Bemessung des Streitwerts jedenfalls dann dieselben Grundsätze wie bei einem Streit über die festgestellten Einkünfte, wenn nicht die Voraussetzungen für eine gesonderte Feststellung dem Grunde nach streitig sind.
Tenor
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Die Erinnerung gegen die Kostenrechnung des Bundesfinanzhofs -Kostenstelle- vom 08.04.2021 - KostL 419/21 (IX B 58/20) wird zurückgewiesen.
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Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Tatbestand
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I.
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Im Erinnerungsverfahren wird über den Streitwert einer Nichtzulassungsbeschwerde wegen der Feststellung der Nichtigkeit eines Bescheids zur einheitlichen und gesonderten Feststellung der Besteuerungsgrundlagen (§§ 179, 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung --AO--) gestritten.
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Der Kläger und Beschwerdeführer des Ausgangsverfahrens und jetziger Kostenschuldner und Erinnerungsführer (Erinnerungsführer) war Gesellschafter der … (GbR). Im August 1998 reichte die GbR für den Feststellungszeitraum 1995 eine Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Einkommensteuer ein. Mit Bescheid vom 19.07.1999 lehnte das beklagte Finanzamt den Erlass eines Bescheids zur einheitlichen und gesonderten Feststellung für den Feststellungszeitraum 1995 ab. Während des daraufhin angestrengten Einspruchsverfahrens erging am 23.03.2001 ein geänderter Bescheid, in dem Einkünfte in Höhe von 2.315.453 DM festgestellt wurden. Mit geändertem Bescheid zur einheitlichen und gesonderten Feststellung 1995 vom 19.09.2001 wurde ein Verlust in Höhe von ./. 31.957.515 DM und für den Erinnerungsführer ein Verlustanteil in Höhe von 11.057.300 DM festgestellt. Anschließend wurde der Einspruch zurückgenommen.
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Mit geändertem Bescheid zur einheitlichen und gesonderten Feststellung 1995 vom 12.12.2002 wurde für den Erinnerungsführer kein Verlustanteil mehr festgestellt. Der dagegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg. Die anschließend erhobene Klage wurde mit Urteil des Sächsischen Finanzgerichts (FG) vom 05.08.2005 - 6 K 2199/03 als unzulässig zurückgewiesen.
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Der Erinnerungsführer beantragte am 26.04.2018 die Feststellung der Nichtigkeit des negativen Feststellungsbescheids 1995 vom 12.12.2002. Mit Bescheid vom 03.05.2019 wurde der Antrag abgelehnt. Der dagegen eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg.
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Die auf Feststellung der Nichtigkeit gerichtete Klage vor dem FG wurde mit Urteil vom 25.08.2020 - 4 K 1763/19 als unbegründet abgewiesen. Die nachfolgend vom Erinnerungsführer erhobene Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom Bundesfinanzhof (BFH) mit Beschluss vom 18.03.2021 - IX B 58/20 als unbegründet zurückgewiesen.
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Am 08.04.2021 erging unter der Kostenlistennummer 419/21 (IX B 58/20) eine Schlusskostenrechnung in Höhe von 13.912 €. Dabei wurde ein Streitwert in Höhe von 1.413.376 € zugrunde gelegt.
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Mit seiner dagegen erhobenen Erinnerung bringt der Erinnerungsführer vor: Er könne den Streitwert rechnerisch nicht nachvollziehen. Es seien im Feststellungsbescheid vom 12.12.2002 weder Gewinne noch Verluste festgestellt worden. Die Verlustzuweisungen sagten zudem nichts über die finanziellen Auswirkungen aus. Die begehrten Verluste wirkten sich nur mit einer jährlichen Einkommensteuerersparnis in Höhe von ca. 15.000 € aus. Damit ergebe sich für die Jahre 1995 bis 2020 ein Streitwert in Höhe von ca. 390.000 €. Verluste in der Höhe, die in der Streitwertberechnung angesetzt worden seien, könne er zeitlebens nicht mehr verbrauchen.
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Der Kostenbeamte hat der Erinnerung nicht abgeholfen.
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Der Erinnerungsführer beantragt sinngemäß,
den Streitwert mit 390.000 € anzusetzen.
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Die Vertreterin der Staatskasse (Erinnerungsgegnerin) beantragt,
die Erinnerung als unbegründet zurückzuweisen.
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Die Ermittlung des Streitwerts sei nicht zu beanstanden. Der Streitwert im Verfahren der einheitlichen und gesonderten Feststellung von Einkünften werde pauschal mit 25 % der streitigen Einkünfte unabhängig von der tatsächlichen einkommensteuerlichen Auswirkung ermittelt.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Erinnerung hat keinen Erfolg.
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1. Zwar konnte der Erinnerungsführer diese persönlich einlegen, da insoweit vor dem BFH kein Vertretungszwang besteht (vgl. BFH-Beschluss vom 26.06.2012 - X E 4/12, BFH/NV 2012, 1622, Rz 5).
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2. Die Erinnerung ist jedoch nicht begründet. Mit der Erinnerung gemäß § 66 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) gegen den Kostenansatz können nur Einwendungen erhoben werden, die sich gegen die Kostenrechnung selbst richten, also gegen Ansatz und Höhe einzelner Kosten oder gegen den Streitwert. Die an den Kostenschuldner gerichtete Kostenrechnung vom 08.04.2021 weist in dieser Hinsicht keinen Rechtsfehler auf. Der Streitwert wurde zutreffend mit 25 % von 11.057.300 DM x 25 % = 2.764.325 DM = 1.413.376 € angesetzt. Die Kostenrechnung berechnet zutreffend Gebühren in Höhe von 13.912 €.
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a) Nach § 52 Abs. 1 GKG ist in Verfahren vor den Finanzgerichten der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Erinnerungsführers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert in Höhe von 5.000 € anzunehmen (§ 52 Abs. 2 GKG). Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend (§ 52 Abs. 3 Satz 1 GKG).
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Richtet sich die Klage auf die Feststellung der Nichtigkeit eines Steuerverwaltungsakts, ist der Streitwert in derselben Höhe festzusetzen wie der Streitwert einer Anfechtungsklage auf ersatzlose Aufhebung eines entsprechenden Verwaltungsakts (vgl. BFH-Beschluss vom 06.04.2016 - IV E 9/15, BFH/NV 2016, 1063, Rz 12, m.w.N.). Der Streitwert ist deshalb nach § 52 Abs. 1 bzw. Abs. 3 GKG zu bestimmen. Der Ansatz des Auffangstreitwerts von 5.000 € gemäß § 52 Abs. 2 GKG kommt nicht in Betracht.
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Bei Anfechtungsklagen wegen einer gesonderten und einheitlichen Feststellung bemisst der BFH in ständiger Rechtsprechung den Streitwert gemäß § 52 Abs. 1 GKG nach der typisierten einkommensteuerlichen Bedeutung für die Feststellungsbeteiligten. Diese ist grundsätzlich --im Sinne einer Vereinfachungsregelung-- mit 25 % der streitigen Einkünfte zu bemessen. Die tatsächlichen steuerlichen Auswirkungen bei den einzelnen Gesellschaftern werden nicht ermittelt (vgl. BFH-Beschluss vom 14.04.2016 - IV E 1/16, BFH/NV 2016, 1066, Rz 11).
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Der vorgenannte Prozentsatz ist bei Streit um die Höhe der Einkünfte allerdings keine feste Größe. Ausnahmsweise kommt der Ansatz eines höheren Prozentsatzes in Betracht, wenn ohne besondere Ermittlungen im Feststellungsverfahren erkennbar ist, dass der Pauschalsatz den tatsächlichen einkommensteuerlichen Auswirkungen nicht gerecht wird. Daher ist der Satz von 25 % bei höheren Gewinn- bzw. Verlustanteilen wegen der infolge des progressiven Einkommensteuertarifs zu erwartenden höheren einkommensteuerlichen Auswirkung angemessen zu erhöhen (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2016, 1063, Rz 14; in BFH/NV 2016, 1066, Rz 12, sowie vom 31.07.2014 - IV E 2/14, BFH/NV 2014, 1766, Rz 8, m.w.N.). Von Ermäßigungen oder Erhöhungen des pauschalen Satzes von 25 % hat der BFH nur für den Fall abgesehen, dass mit der Klage die Aufhebung des Bescheids über die gesonderte und einheitliche Feststellung wegen Fehlens der Voraussetzungen für eine gesonderte Feststellung und damit wegen eines Verstoßes gegen die steuerliche Grundordnung des Verfahrens begehrt wird (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2016, 1063, Rz 14, m.w.N.).
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b) Bei Anwendung dieser Grundsätze war der Streitwert in der Schlusskostenrechnung vom 08.04.2021 zutreffend mit 25 % von 11.057.300 DM x 25 % = 2.764.325 DM = 1.413.376 € angesetzt worden. Davon ist auch die Kostenstelle des BFH im Schreiben vom 22.04.2021 ausgegangen.
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Nach der Übergangsregelung des § 71 Abs. 1 Satz 1 GKG ist die Rechtslage vor dem 01.01.2021 anzuwenden, da das der Erinnerung zugrunde liegende Verfahren IX B 58/20 vor dem Inkrafttreten des Kostenrechtsänderungsgesetzes 2021 vom 21.12.2020 (BGBl I 2020, 3229) anhängig geworden war. Danach betrug bis zu einem Streitwert von 500.000 € eine Gebühr 3.536 €. Der Erhöhungsbetrag nach § 34 Abs. 1 Satz 2 GKG in der vor dem 01.01.2021 gültigen Fassung betrug bei einem Streitwert über 500.000 € je angefangene 50.000 € weitere 180 €.
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Daher beläuft sich die Gebühr nach § 1 Abs. 2 Nr. 2, § 3 Abs. 1 und 2, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GKG und § 34 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. der Anlage 2 zu § 34 Abs. 1 Satz 3 GKG für diesen Streitwert auf 6.956 €.
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Streitwert bis 500.000 €
3.536 €
verbleiben
1.413.376 € ./. 500.000 € = 913.376 €
Erhöhung nach § 34 Abs. 1 Satz 2 GKG
913.376 € : 50.000 € = 18,26
= Faktor 19 x 180 € 3.420 € =
6.956 €
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Nach Nr. 6500 des Kostenverzeichnisses zu § 3 Abs. 2 GKG sind durch die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde 2,0 Gebühren entstanden. Die Kostenrechnung weist daher zutreffend einen Betrag in Höhe von 13.912 € aus.
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3. Eine unrichtige Sachbehandlung i.S. des § 21 GKG liegt nicht vor.
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4. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei (§ 66 Abs. 8 GKG).
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