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BFH 13.10.2021 - I R 43/19
BFH 13.10.2021 - I R 43/19 - Steuerpflicht des Arbeitslohns aus einer Tätigkeit für die ISAF
Normen
§ 19 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2009, § 2 Abs 1 AO, Art 10 NATOTrStat, Art 17 NATOStatÜbk, Art 19 NATOStatÜbk, § 2 Abs 1 S 1 Nr 4 EStG 2009, EStG VZ 2012, EStG VZ 2013, § 1 Abs 1 NATOVorRV, Art 1 NATO/BRDVbg, § 1 Abs 1 S 1 NATOVorRV 1962, Art 1 NATOTrStatZAbk, Art 5 Abschn 18 Buchst b UNOImmÜbk, Art 6 § 19 Buchst b UNSOrgVorRAbk, § 85 S 1 AO
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 30. Juli 2019, Az: 5 K 1077/17, Urteil
Leitsatz
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Der für eine Tätigkeit als International Civilian Consultant bei der ISAF in Afghanistan gezahlte Arbeitslohn unterliegt der Einkommensteuer. Aus völkerrechtlichen Vereinbarungen ergibt sich kein Anspruch auf eine Steuerbefreiung.
Tenor
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Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 30.07.2019 - 5 K 1077/17 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu tragen.
Tatbestand
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I.
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Streitig ist, ob der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) Einkünfte aus einer Tätigkeit bei der Internationalen Sicherungsunterstützungstruppe in Afghanistan (International Security Assistance Force --ISAF--) der Besteuerung unterwerfen durfte.
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Die verheirateten und zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Kläger und Revisionskläger (Kläger) wohnen im Inland. Der Kläger war zunächst Soldat im Dienst der Bundeswehr. Nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst war er u.a. in den Jahren 2012 und 2013 (Streitjahre) als International Civilian Consultant (ICC) bei der ISAF in Afghanistan tätig. Sein Gehalt für diese Tätigkeit zahlte die Nordatlantikvertrags-Organisation (NATO).
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In den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre gaben die Kläger an, dass die von der NATO gezahlten Gehälter "ausländische Einkünfte ohne Progressionsvorbehalt" darstellen würden. Auf den Hinweis des FA, dass das gezahlte Gehalt nicht steuerfrei sei, legten die Kläger ein Schreiben eines anderen Finanzamts an einen anderen Steuerpflichtigen vor, in dem dieses Amt unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des rheinland-pfälzischen Ministeriums der Finanzen von der Steuerfreiheit der Zahlungen ausgegangen war.
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Das FA folgte dem nicht und setzte die Einkommensteuer für die Streitjahre unter Einbeziehung der ausländischen Einkünfte fest.
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Im dagegen geführten Einspruchsverfahren beriefen sich die Kläger erfolglos darauf, dass die Problematik der steuerlichen Einordnung der Bezüge seinerzeit beim Ministerium der Finanzen geklärt worden sei. Es bestehe kein Grund, diese Feststellung in Zweifel zu ziehen.
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Das anschließend angerufene Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz wies die Klage ab (Urteil vom 30.07.2019 - 5 K 1077/17, Entscheidungen der Finanzgerichte 2019, 1515).
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Mit ihrer vom FG zugelassenen Revision rügen die Kläger die Verletzung sachlichen Rechts. Sie beantragen, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide vom 24.10.2013 für 2012 und vom 12.06.2015 für 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.12.2016 dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit um ... € in 2012 und um ... € in 2013 herabgesetzt werden.
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Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat ohne Rechtsfehler dahin erkannt, dass die Zahlungen der NATO in vollem Umfang der Einkommensteuer unterliegen.
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1. Die Beteiligten ziehen zu Recht nicht in Zweifel, dass die Vorinstanz die NATO-Zahlungen an den in den Streitjahren in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) wohnhaften und damit unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Kläger (§ 1 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in der in den Streitjahren geltenden Fassung --EStG--) als steuerpflichtigen Arbeitslohn i.S. der §§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG qualifiziert hat.
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2. Rechtsfehlerfrei ist das FG auch zu der Feststellung gelangt, dass das aus den Vorschriften des EStG resultierende Besteuerungsrecht im Streitfall nicht ausgeschlossen oder beschränkt war. Völkerrechtliche Vereinbarungen über die Besteuerung i.S. des § 2 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) sind auf den Kläger und dessen Tätigkeit für die ISAF aus verschiedenen Gründen nicht anzuwenden.
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a) Ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung mit Afghanistan besteht nicht; ein solches existierte auch nicht in den Streitjahren.
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b) Eine Steuerbefreiung ergibt sich auch nicht aus dem sog. Ottawa-Abkommen.
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aa) Nach § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Gewährung von Vorrechten und Befreiungen an die Nordatlantikvertrags-Organisation, die nationalen Vertreter, das internationale Personal und die für die Organisation tätigen Sachverständigen vom 30.05.1958 (BGBl II 1958, 117) finden die Bestimmungen des Abkommens über die Vorrechte und Befreiungen der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen sinngemäß auf die NATO, die nationalen Vertreter, das internationale Personal und die für die Organisation tätigen Sachverständigen nach Maßgabe des von Deutschland am 29.05.1956 unterzeichneten Übereinkommens über den Status der Nordatlantikvertrags-Organisation, der nationalen Vertreter und des internationalen Personals vom 20.09.1951 --Ottawa-Abkommen-- (abgedruckt in BGBl II 1958, 118 ff.) Anwendung.
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bb) Nach Art. 19 Satz 1 des Ottawa-Abkommens sind die Bediensteten der Organisation i.S. des Art. 17 von Steuern auf die ihnen von der Organisation in ihrer Eigenschaft als deren Bedienstete gezahlten Gehälter und sonstigen Dienstbezüge befreit. Art. 17 des Ottawa-Abkommens wiederum sieht vor, dass die Gruppen von Bediensteten, auf die (u.a.) Art. 19 des Ottawa-Abkommens Anwendung findet, Gegenstand einer Vereinbarung zwischen dem Vorsitzenden der Stellvertreter im Rat und jedem beteiligten Mitgliedstaat ist. Über die Durchführung von Teil IV --u.a. Art. 17-- des Ottawa-Abkommens haben die NATO und Deutschland am 30.11.1961 eine Vereinbarung geschlossen (abgedruckt in BGBl II 1962, 114 ff.), die nach § 1 Abs. 1 Satz 1 der --in Ergänzung zur Verordnung vom 30.05.1958-- erlassenen Verordnung über die Gewährung von Vorrechten und Befreiungen an internationale Bedienstete der Nordatlantikvertrags-Organisation vom 29.03.1962 (BGBl II 1962, 113) für die Gewährung von Vorrechten und Befreiungen an Bedienstete der NATO maßgebend ist und deren Art. 1 zufolge die Gruppen von Bediensteten der NATO und der nachgeordneten Stellen der NATO, auf welche u.a. Art. 19 des Ottawa-Abkommens in Deutschland Anwendung findet, die Besoldungsgruppen A, B und C der NATO-Personalbestimmungen umfassen, wenn die entsprechenden Bediensteten ihren Dienstort auf dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland haben.
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Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger im Streitfall ersichtlich nicht, da er nach den finanzgerichtlichen Feststellungen seinen Dienst im streitigen Zeitraum in Afghanistan ausübte. Hiernach kann es dahinstehen, wie das Verhältnis zwischen dem Kläger, der NATO und der ISAF im Einzelnen zu qualifizieren ist.
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cc) Auch die Voraussetzungen des Art. 19 Sätze 2 ff. des Ottawa-Abkommens erfüllt der Kläger nicht. Hierzu wäre u.a. erforderlich, dass er seine Dienstbezüge aus deutschen Mitteln nach einem von Deutschland festgesetzten Tarif bezogen hat, was nach den tatsächlichen Feststellungen des FG nicht der Fall ist. Der Kläger erhielt seine Zahlungen von der NATO.
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c) Sonstige auf internationaler Vereinbarung basierende Befreiungstatbestände sind ebenfalls nicht erfüllt.
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aa) Art. X des Abkommens zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen vom 19.06.1951 (NATO-Truppenstatut) --NATOTrStat-- (BGBl II 1961, 1190) spricht zwar die Besteuerung an, regelt aber nur die Verhältnisse Entsandter einer NATO-Vertragspartei im Hoheitsgebiet einer anderen NATO-Vertragspartei (sog. Aufnahmestaat, vgl. Art. I NATOTrStat) und ist daher bei einer Tätigkeit in Afghanistan ebenso wenig einschlägig wie das Zusatzabkommen zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen vom 03.08.1959 (BGBl II 1961, 1183, 1218), das nach dessen Art. 1 die Rechte und Pflichten bestimmter NATO-Staaten im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland regelt.
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bb) Eine Steuerbefreiung aus dem sog. "Military Technical Agreement" (MTA) vom 04.01.2002 (abrufbar unter undocs.org/S/2002/117) ergibt sich im Streitfall schon deshalb nicht, weil die Vereinbarung hinsichtlich der Mission in Afghanistan allein das Verhältnis Afghanistans zur ISAF (vgl. Art. VIII MTA), nicht aber zu Deutschland betrifft.
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Die in Art. II Nr. 1 MTA i.V.m. Annex A Section 3 Nr. 8 formulierte Verpflichtung zur Steuerfreistellung betrifft darüber hinaus ausdrücklich und ausschließlich die Besteuerung durch die afghanische Regierung ("exempt from taxation by the Interim Administration"). Der in Art. II Nr. 1 i.V.m. Annex A Section 1 Nr. 1 MTA enthaltene Verweis auf das Übereinkommen über die Vorrechte und Immunitäten der Vereinten Nationen vom 13.02.1946 (BGBl II 1980, 943) bezieht sich nach seinem Wortlaut allein auf dessen Art. VI ("experts on mission for the United Nations"), der aber bereits im Ausgangspunkt keine steuerrechtlichen Fragen anspricht.
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cc) Aus den die Vereinten Nationen und ihre Sonderorganisationen unmittelbar betreffenden Vereinbarungen ergeben sich für den Kläger ebenfalls keine Steuerbefreiungstatbestände. Die insoweit einschlägigen Art. V Abschn. 18 Buchst. b des Übereinkommens über die Vorrechte und Immunitäten der Vereinten Nationen vom 13.02.1946 und der darauf Bezug nehmende Art. VI § 19 Buchst. b des Abkommens über die Vorrechte und Befreiungen der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen vom 21.11.1947 (BGBl II 1954, 640) sind nur auf Bedienstete der Organisation der Vereinten Nationen, Beamte von Sonderorganisationen i.S. des Art. I § 1 Abs. 2 des Abkommens über die Vorrechte und Befreiungen der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen vom 21.11.1947 oder Beamte solcher Organisationen, die gemäß Art. 57 und 63 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl II 1973, 431) angeschlossen sind, und von diesen gezahlte Gehälter und Bezüge anwendbar (vgl. Art. I § 1 Abs. 2 des Abkommens über die Vorrechte und Befreiungen der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen vom 21.11.1947). Mangels erforderlichen Abkommens nach Art. 63 der Charta der Vereinten Nationen mit dem Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen sind weder die NATO noch die ISAF (noch die daran beteiligten Staaten) Sonderorganisationen der Vereinten Nationen. Dass die ISAF durch die Resolution 1386 (2001) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 20.12.2001 gemäß den Regelungen in Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen ("Maßnahmen bei Bedrohung oder Bruch des Friedens und bei Angriffshandlungen") eingerichtet wurde (abrufbar unter undocs.org/S/RES/1386 (2001)), genügt demnach nicht. Die ISAF fällt im Übrigen auch nicht unter die Auflistung der Sonderorganisationen in Art. I § 1 Abs. 2 des Abkommens über die Vorrechte und Befreiungen der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen vom 21.11.1947 und das dazu ergangene Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 18.03.2013 (BStBl I 2013, 404). Entgegen dem (unsubstantiierten) Vortrag der Kläger besteht kein Anhaltspunkt dafür, an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Auflistung der Sonderorganisationen im BMF-Schreiben zu zweifeln.
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dd) An der nach diesen Darlegungen fehlenden gesetzlichen Grundlage für eine Steuerbefreiung ändert auch das vom Kläger vorgelegte "Certificate" vom 17.03.2013 nichts. Es handelt sich hierbei um eine Art Arbeitgeberbescheinigung, die lediglich auf das MTA verweist, welches aber für sich genommen als Rechtsgrundlage für eine Befreiung von der deutschen Einkommensteuer ausscheidet.
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3. Fehlt es aber an einer Rechtsgrundlage für die von den Klägern reklamierte Steuerbefreiung, lässt sich aus einer (einen anderen Steuerpflichtigen betreffenden) behördlichen Sachbehandlung oder einer ministeriellen Stellungnahme kein Rechtsanspruch begründen.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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Die Entscheidung ergeht im schriftlichen Verfahren (§ 121 Satz 1 i.V.m. § 90 Abs. 2 FGO).
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