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BFH 22.10.2019 - VII R 61/18
BFH 22.10.2019 - VII R 61/18 - (Duldungsbescheid bei bestandskräftiger Vorbehaltsfestsetzung ohne zusätzliche Bedingung i.S. des § 14 AnfG rechtmäßig)
Normen
§ 191 Abs 1 S 2 AO, § 3 AnfG, § 14 AnfG
Vorinstanz
vorgehend FG Münster, 9. November 2018, Az: 14 K 933/16 AO, Urteil
Leitsatz
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NV: Ein Duldungsbescheid, der den Anfechtungsgegner verpflichtet, die Vollstreckung nach dem AnfG zu dulden, muss keine zusätzliche Bedingung i.S. des § 14 AnfG enthalten, wenn die Steuerfestsetzung rechtsbeständig ist, auch wenn sie noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht (Fortsetzung der Senatsrechtsprechung, vgl. Senatsurteil vom 23.10.2018 - VII R 21/18, BFHE 262, 335, BStBl II 2019, 299) .
Tenor
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Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 09.11.2018 - 14 K 933/16 AO aufgehoben.
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Die Sache wird an das Finanzgericht Münster zurückverwiesen.
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Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.
Tatbestand
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I.
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Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) wendet sich gegen die Aufhebung eines gegenüber der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) gemäß § 3 des Anfechtungsgesetzes (AnfG) i.V.m. § 191 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) erlassenen Duldungsbescheids.
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Die Klägerin ist die Schwester des früheren alleinigen Geschäftsführers und Gesellschafters einer GmbH, die einen Internethandel betrieb und ihre Geschäfte über ein Konto der Klägerin abwickelte. Aufgrund von Steuerschulden der GmbH, die sich zum damaligen Zeitpunkt auf 35.988,43 € beliefen, teilte das FA der Klägerin mit Schreiben vom 21.10.2013 mit, es habe festgestellt, dass auf dem Konto Zahlungen zu Gunsten der GmbH in Höhe von insgesamt 67.219,21 € eingegangen seien, und es werde daher geprüft, ob gegen sie ein Duldungsbescheid zu erlassen sei.
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Von der ihr eingeräumten Möglichkeit zur Stellungnahme machte die Klägerin keinen Gebrauch.
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Mit Duldungsbescheid vom 26.06.2014 focht das FA daraufhin wegen Steuerverbindlichkeiten der GmbH in Höhe von mittlerweile insgesamt 37.083,93 €, die im Wesentlichen aus noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Steuerfestsetzungen resultierten, im Einzelnen aufgelistete Gutschriften gemäß § 3 Abs. 1 AnfG an. Eine dem Vorbehalt des § 14 AnfG entsprechende Bedingung nahm das FA nicht in seinen Bescheid vom 26.06.2014 auf, sondern forderte die Klägerin auf, zur Vermeidung von Vollstreckungsmaßnahmen bis zum 31.07.2014 zu zahlen.
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Gegen den Bescheid vom 26.06.2014 legte die Klägerin mit Schreiben vom 04.07.2014 erfolglos Einspruch ein. Eine dem Vorbehalt des § 14 AnfG entsprechende Bedingung nahm das FA in seine Einspruchsentscheidung vom 23.02.2016 ebenfalls nicht auf. Auch das in dem Bescheid vom 26.06.2014 enthaltene Leistungsgebot ließ es unverändert bestehen.
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Bereits vor Erlass der Einspruchsentscheidung war die GmbH wegen Vermögenslosigkeit aus dem Handelsregister gelöscht worden.
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Auf die Klage der Klägerin hat das Finanzgericht (FG) den Duldungsbescheid vom 26.06.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.02.2016 aufgehoben. Der Bescheid sei formell rechtswidrig, da das FA keine dem Vorbehalt des § 14 AnfG entsprechende Bedingung aufgenommen habe, obwohl die Forderungen zum weitaus überwiegenden Teil aus Steuerbescheiden bzw. Steuerfestsetzungen resultierten, die bei Erlass der Einspruchsentscheidung noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gestanden hätten. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2019, 152 veröffentlicht.
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Hiergegen richtet sich die Revision des FA.
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Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Entscheidungsgründe
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II.
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Das Urteil verstößt gegen Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Es ist aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).
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1. Mit Senatsurteil vom 23.10.2018 - VII R 21/18 (BFHE 262, 335, BStBl II 2019, 299) hat der Senat entschieden, dass ein auf das AnfG gestützter Duldungsbescheid, der den Anfechtungsgegner verpflichtet, die Vollstreckung gegen den Schuldner bestehender Steuerforderungen zu dulden, die aus rechtsbeständigen Steuerfestsetzungen resultieren, keine zusätzliche Bedingung i.S. des § 14 AnfG enthalten muss, auch wenn die Steuerfestsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen sind. Das Wort "Vorbehalt" in § 302 und § 599 der Zivilprozessordnung sowie in § 14 AnfG einerseits und in § 164 AO andererseits meint hiernach in rechtlicher Hinsicht nicht dasselbe, da bei rechtsbeständigen Bescheiden gemäß § 164 AO allein die bei Steuerbescheiden generell gegebene --und in dem Fall der vorbehaltenen Nachprüfung erweiterte-- Möglichkeit besteht, dass sich bei Eintritt bestimmter Voraussetzungen der Steueranspruch der Finanzbehörde ("Gläubiger" i.S. des AnfG) später ändert und neu festzusetzen ist. In dieser rechtlichen Situation bedarf der Anfechtungsgegner nicht des Schutzes des § 14 AnfG, zumal es der Steuerpflichtige ("Schuldner" i.S. des AnfG) in der Hand hat, den gegen ihn gerichteten Steueranspruch streitig zu stellen (Senatsurteil in BFHE 262, 335, BStBl II 2019, 299, Rz 17).
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Die Vorentscheidung ist insoweit von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen und deshalb aufzuheben.
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2. Die Sache ist nicht spruchreif, weil im finanzgerichtlichen Verfahren insbesondere die Frage ungeprüft geblieben ist, ob die Voraussetzungen des § 3 AnfG vorliegen. Diese Prüfung wird im zweiten Rechtsgang nachzuholen sein (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).
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Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass das FA hinsichtlich der Anfechtungsvoraussetzungen zwar die Feststellungslast trägt, den Anfechtungsgegner jedoch eine Mitwirkungspflicht hinsichtlich der in seinen Wissensbereich fallenden Umstände trifft (vgl. Klein/Rüsken, AO, 14. Aufl., § 191 Rz 87a).
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Sollten die Voraussetzungen des § 3 AnfG erfüllt sein, wird zu prüfen sein, ob es sich bei den Steuerforderungen des FA, derentwegen die Klägerin die Vollstreckung dulden soll, um fällige und vollstreckbare Forderungen (§ 2 AnfG) handelt.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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