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BFH 18.05.2017 - III R 11/15
BFH 18.05.2017 - III R 11/15 - Bestimmung des Kindergeldberechtigten
Normen
§ 64 EStG 2002, § 67 EStG 2002, § 37 Abs 2 AO, EStG VZ 2008
Vorinstanz
vorgehend Hessisches Finanzgericht, 30. April 2014, Az: 12 K 1044/11, Urteil
Leitsatz
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Haben die Eltern eines Kindes einen Elternteil als Kindergeldberechtigten bestimmt, so erlöschen die Rechtswirkungen der Bestimmung, wenn sich die Eltern trennen und das Kind ausschließlich im Haushalt eines der beiden Elternteile lebt. Die ursprüngliche Berechtigtenbestimmung lebt nicht wieder auf, wenn die Eltern und das Kind wegen eines Versöhnungsversuchs wieder in einem gemeinsamen Haushalt leben .
Tenor
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Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 30. April 2014 12 K 1044/11 insoweit aufgehoben, als das Finanzgericht der Klage stattgegeben hat.
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Insoweit wird die Klage abgewiesen.
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Unter Aufhebung der Kostenentscheidung des Finanzgerichts werden die Kosten des gesamten Verfahrens dem Kläger auferlegt.
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Er hat die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen im finanzgerichtlichen Verfahren zu tragen.
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Außergerichtliche Kosten, die dieser im Revisionsverfahren entstanden sind, sind nicht erstattungsfähig.
Tatbestand
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I.
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Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist der Vater des am 18. März 2005 geborenen E. Die Kindsmutter --die Beigeladene-- ist die frühere Ehefrau des Klägers. Bis zum 23. April 2008 lebte die Familie in einer gemeinsamen Wohnung. Das Kindergeld war gegenüber dem Kläger festgesetzt worden, da dieser in dem von den Eltern unterschriebenen Kindergeldantrag vom 4. April 2005 gemäß § 64 Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als Berechtigter bestimmt worden war. Der Kläger und die Beigeladene trennten sich am 24. April 2008. Die Beigeladene nahm E nach dem Auszug aus der bisherigen Wohnung in ihren Haushalt auf. In den Monaten Oktober 2008 bis Ende Dezember 2008 lebten der Kläger, die Beigeladene sowie E wegen eines Versöhnungsversuchs vorübergehend wieder in einer gemeinsamen Wohnung. Danach kam es zur endgültigen Trennung. Seither lebt die Beigeladene mit E in einem gemeinsamen Haushalt.
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Im Januar 2009 stellte die Beigeladene einen Antrag auf Kindergeld für E bei der für sie zuständigen Familienkasse. Als die für den Kläger zuständig gewordene Familienkasse ... (Familienkasse) hiervon erfuhr, hob sie die Festsetzung des Kindergeldes gegenüber dem Kläger durch Bescheid vom 11. November 2010 ab Mai 2008 auf und forderte das von Mai 2008 bis Dezember 2008 gezahlte Kindergeld zurück. Dagegen wandte sich der Kläger mit Einspruch, zu dessen Begründung er u.a. vortrug, das Kindergeld sei auf das Konto der Beigeladenen gezahlt worden. Der Rechtsbehelf hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 14. April 2011).
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Das Finanzgericht (FG), das die Beigeladene am Verfahren beteiligte, gab der anschließend erhobenen Klage des Klägers statt, soweit sie den Zeitraum Oktober 2008 bis Dezember 2008 betraf; im Übrigen wies es die Klage ab. Es war der Ansicht, E sei im Zeitraum Oktober 2008 bis Dezember 2008 in den gemeinsamen Haushalt beider Eltern aufgenommen gewesen, so dass dem Kläger aufgrund der ursprünglichen Berechtigtenbestimmung der Anspruch auf Kindergeld zustehe. Die Bestimmung sei so lange wirksam gewesen, bis sie widerrufen worden sei.
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Gegen das Urteil wendet sich die Familienkasse, soweit es den Zeitraum Oktober 2008 bis Dezember 2008 betrifft. Zur Begründung trägt sie vor, der ursprünglichen Berechtigtenbestimmung sei die Grundlage entzogen worden, als die Beigeladene im April 2008 zusammen mit E die bisherige gemeinsame Wohnung verlassen habe. Dadurch, dass die Eltern später erneut einen gemeinsamen Haushalt begründet hätten, sei die erloschene Bestimmung nicht wieder aufgelebt.
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Die Familienkasse beantragt,
das angefochtene Urteil hinsichtlich des Zeitraums Oktober 2008 bis Dezember 2008 aufzuheben und die Klage auch insoweit abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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Er ist der Ansicht, in den Monaten Oktober 2008 bis Dezember 2008 sei er nicht mehr zum Barunterhalt verpflichtet gewesen. Nichts anderes könne für die Berechtigtenbestimmung im Kindergeldrecht gelten.
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Die Beigeladene hat sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils insoweit, als dieses den Zeitraum Oktober 2008 bis Dezember 2008 betrifft; auch insoweit wird die Klage abgewiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG war zu Unrecht der Ansicht, dem Kläger stehe das Kindergeld für diesen Zeitraum aufgrund der ursprünglichen Berechtigtenbestimmung vom 4. April 2005 zu (§ 64 Abs. 2 Satz 2 EStG).
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1. Gemäß § 64 Abs. 1 EStG wird für jedes Kind nur einem Berechtigten das Kindergeld gezahlt. Bei mehreren Berechtigten wird das Kindergeld aufgrund des sog. Obhutsprinzips demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat (§ 64 Abs. 2 Satz 1 EStG). Wohnen die Eltern eines Kindes zusammen mit dem Kind in einem gemeinsamen Haushalt, so bestimmen sie nach § 64 Abs. 2 Satz 2 EStG untereinander den Berechtigten. Dies geschieht üblicherweise --so auch im Streitfall-- durch den Kindergeldantrag (§ 67 EStG). Kommt es zu keiner einvernehmlichen Regelung, so bestimmt das Familiengericht auf Antrag den Berechtigten (§ 64 Abs. 2 Satz 3 EStG).
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2. Trennen sich die Eltern eines Kindes und leben sie fortan in verschiedenen Haushalten, so verliert eine früher getroffene Berechtigtenbestimmung in der Regel ihre Bedeutung, weil dann das Kindergeld zwingend an den Elternteil zu zahlen ist, in dessen Haushalt das Kind nunmehr lebt (§ 64 Abs. 2 Satz 1 EStG). Eine vormals getroffene Berechtigtenbestimmung wird daher --wovon auch das FG zutreffend ausgegangen ist-- mit der Auflösung des gemeinsamen Haushalts gegenstandslos (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. September 2008 III B 124/07, juris; vom 12. Mai 2011 III B 31/10, BFH/NV 2011, 1350, und vom 15. Januar 2014 V B 31/13, BFH/NV 2014, 522; Wendl in Herrmann/Heuer/Raupach, § 64 EStG Rz 10; Avvento in Kirchhof, EStG, 16. Aufl., § 64 Rz 4). Ein Widerruf der Berechtigtenbestimmung ist damit nicht erforderlich. Nur ausnahmsweise, wenn das Kind nach der Trennung der Eltern in etwa annähernd gleichwertigem Umfang bei beiden Elternteilen lebt, wirkt die vor der Trennung getroffene Berechtigtenbestimmung fort (Senatsurteil vom 23. März 2005 III R 91/03, BFHE 209, 338, BStBl II 2008, 752; BFH-Urteil vom 18. April 2013 V R 41/11, BFHE 241, 264, BStBl II 2014, 34).
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3. Die Grundsätze des Senatsurteils in BFHE 209, 338, BStBl II 2008, 752 können entgegen der Rechtsansicht des FG nicht auf den Streitfall übertragen werden. Im Urteilsfall war das Kind weiterhin, wenn auch nicht ausschließlich, in den Haushalt des Elternteils aufgenommen, der zuvor als Kindergeldberechtigter bestimmt worden war. Dagegen befand sich E im Streitfall nach der Trennung der Eltern nicht mehr im Haushalt beider Elternteile, sondern nur noch im Haushalt der Beigeladenen. Diese wurde dadurch vorrangig kindergeldberechtigt. Die Trennung führte zu einer Zäsur, welche die Rechtswirkungen der früheren gemeinsamen Willensbildung der Eltern, wie sie im Kindergeldantrag vom 4. April 2005 zum Ausdruck kam, entfallen ließ. Aus diesem Grund war eine neue Berechtigtenbestimmung erforderlich, als der Kläger und die Beigeladene nach der Trennung vorübergehend wieder einen gemeinsamen Haushalt bildeten (a.A. Pust in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 64 Rz 71).
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4. Einer Rückforderung des Kindergeldes stand auch nicht entgegen, dass dieses nach dem Vortrag des Klägers auf ein Konto gezahlt wurde, über das die Beigeladene verfügungsberechtigt war. Zutreffend hat das FG darauf hingewiesen, dass auch in den Fällen, in denen das Kindergeld auf eine Weisung des Kindergeldberechtigten hin an einen Dritten gezahlt wird, der Berechtigte Zahlungsempfänger i.S. des § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung bleibt (Senatsurteil vom 10. März 2016 III R 29/15, BFH/NV 2016, 1278, m.w.N.).
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5. Da die Revision der Familienkasse Erfolg hat, kann auch die Kostenentscheidung des FG keinen Bestand haben. Der Senat hat nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung gemäß § 143 Abs. 1 FGO über die Kosten des gesamten Verfahrens zu entscheiden (vgl. Senatsurteil vom 8. September 2016 III R 27/15, BFHE 255, 202, BStBl II 2017, 278). Die Klage ist nach dem Ergebnis des Revisionsverfahrens in vollem Umfang abzuweisen, so dass die Kosten des gesamten Verfahrens insgesamt dem Kläger aufzuerlegen sind (§ 135 Abs. 1 FGO).
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Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die ihr im finanzgerichtlichen Verfahren entstanden sind, sind nach § 139 Abs. 4 FGO aus Billigkeitsgründen dem Kläger aufzuerlegen. Die Beigeladene hat durch einen Schriftsatz und durch ihre Teilnahme an der mündlichen Verhandlung vor dem FG das Verfahren gefördert. Etwaige Kosten, die ihr im Revisionsverfahren entstanden sind, können dagegen nicht erstattet werden, da sich die Beigeladene in diesem Verfahren nicht mehr geäußert hat.
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