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BFH 30.11.2016 - V R 48/15
BFH 30.11.2016 - V R 48/15 - Bedeutung einer Zuständigkeitsvereinbarung
Normen
§ 27 AO, § 127 AO, § 18 UStG, UStG VZ 2015
Vorinstanz
vorgehend FG München, 17. November 2015, Az: 14 K 2326/15, Urteil
Leitsatz
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NV: Nach § 127 AO kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts, der nicht nichtig ist, nicht allein wegen Verletzung der örtlichen Zuständigkeit verlangt werden. Dies gilt bei einer Verlagerung der örtlichen Zuständigkeit aufgrund einer Zuständigkeitsvereinbarung jedenfalls dann, wenn der Grund für die Vereinbarung seit langem entfallen ist .
Tenor
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Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts München vom 17. November 2015 14 K 2326/15 aufgehoben.
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Die Klage wird abgewiesen.
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Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
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I. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) forderte den Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) mit Schreiben vom 27. Januar 2015 auf, entsprechend § 18 Abs. 2 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) Voranmeldungen nunmehr für das Kalendervierteljahr und nicht mehr wie bisher monatlich abzugeben. Der Kläger legte hiergegen das "gesetzliche Rechtsmittel" ein, da das FA unzuständig sei. Aufgrund einer 1994 im Einvernehmen mit dem FA und mit seiner Zustimmung gemäß § 27 der Abgabenordnung (AO) getroffenen Zuständigkeitsvereinbarung sei das Finanzamt B zuständig, woran sich nichts geändert habe. Das FA sah den Einspruch in seiner Einspruchsentscheidung als unbegründet an, da die Gründe für die damalige Zuständigkeitsvereinbarung (Amtsangehörigkeit der Ehefrau des Klägers bis Ende 2001) entfallen seien.
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Demgegenüber hatte die Klage zum Finanzgericht (FG) Erfolg. Nach dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2016, 521 veröffentlichten Urteil kann eine wirksam nach § 27 AO getrof-fene Zuständigkeitsvereinbarung nur unter den Voraussetzungen dieser Vorschrift und damit nur mit Zustimmung aller Beteilig-ten aufgehoben werden. Hieran fehle es.
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Hiergegen wendet sich das FA mit seiner Revision. Für eine Rückkehr zur gesetzlichen Zuständigkeit komme es nicht auf die Zustimmung des Betroffenen an. Es sei ausreichend, dass der Grund für die Zuständigkeitsvereinbarung entfallen sei.
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Das FA beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Einer Rückkehr zur alten Zuständigkeit habe er nicht zugestimmt. Seinem Begehren stehe auch nicht § 127 AO entgegen, wie das FG zutreffend entschieden habe.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Eine Aufhebung der Aufforderung zur vierteljährlichen Abgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen kommt jedenfalls wegen § 127 AO nicht in Betracht.
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1. Nach § 127 AO kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts, der nicht nach § 125 AO nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können.
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a) In § 127 AO kommt der gesetzgeberische Wille zum Ausdruck, Verfahrensmängeln im Verwaltungsverfahren ein geringeres Gewicht als sachlich-rechtlichen Mängeln beizulegen und rechtlich gebundene Verwaltungsakte, für die weder ein Ermessens- noch ein Beurteilungsspielraum besteht, bestehen zu lassen, wenn sie sich als materiell-rechtlich zutreffend erweisen (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 8. September 2011 II R 47/09, BFH/NV 2012, 67, unter II.3.b).
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b) Der erkennende Senat muss im Streitfall nicht entscheiden, ob es für die "Sache" in § 127 AO auf die materielle Rechtmäßigkeit der Sachentscheidung (Rozek in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 127 AO Rz 37) oder auf den Gegenstand ankommt, über den in dem betreffenden Verfahren hauptsächlich entschieden wird (Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 127 AO Rz 12).
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c) Unabhängig von diesem Meinungsstreit steht der vom Kläger begehrten Aufhebung § 127 AO entgegen.
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aa) Stellt man auf die materielle Rechtmäßigkeit der Sachentscheidung ab, kommt es darauf an, ob im Streitfall die Aufforderung zur Abgabe vierteljährlicher Umsatzsteuer-Voranmeldungen rechtmäßig war.
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Auf der Grundlage der vom FG getroffenen Feststellungen entspricht diese Aufforderung materiell-rechtlich § 18 Abs. 2 Satz 1 UStG. Erreicht der Kläger nicht die Umsatzgrenze, die § 18 Abs. 2 Satz 2 UStG für die Abgabe monatlicher Umsatzsteuer-Voranmeldungen vorsieht, muss er danach seine Voranmeldungen für das Kalendervierteljahr abgeben. Gründe für eine Befreiung von der Abgabe von Voranmeldungen nach § 18 Abs. 2 Satz 3 UStG oder für einen der Sondertatbestände des § 18 Abs. 2 Satz 4 und 5 UStG (Unternehmensgründung und gleichgestellte Sachverhalte) liegen nicht vor.
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bb) Nichts anderes ergibt sich bei einem Abstellen auf die Hauptentscheidung. Denn diese bezog sich gleichfalls auf die Verpflichtung zur vierteljährlichen Abgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen. Dass die Verpflichtung zur Abgabe beim FA anstelle des Finanzamts B auch "einen Inhalt dieser Entscheidung" bildete, ist entgegen dem Urteil des FG unerheblich. Denn Umsatzsteuer-Voranmeldungen sind zwangsläufig bei einer Finanzbehörde abzugeben.
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d) Der Kläger kann hiergegen auch nicht einwenden, auf Seiten des FA liege ein widersprüchliches Verhalten vor. Das Verbot des "venire contra factum proprium" gilt zwar auch im Steuerrecht (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 12. Februar 2015 V R 28/14, BFHE 248, 512, unter II.2.c aa). Ein derartiges Verhalten liegt aber nicht vor, wenn der Grund für eine Zuständigkeitsvereinbarung nach § 27 AO --wie hier-- bereits vor vielen Jahren entfallen ist.
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2. Der Kläger kann seinen Anspruch auf Feststellung einer örtlichen Unzuständigkeit auch nicht im Wege einer gemäß § 41 Abs. 2 FGO subsidiären Feststellungsklage geltend machen, da auch insoweit die Wertungen des § 127 AO zu beachten sind.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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