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BFH 25.05.2016 - I B 139/11
BFH 25.05.2016 - I B 139/11 - (Rückfall des Besteuerungsrechts nach § 50d Abs. 8 EStG bei Doppelansässigkeit)
Normen
§ 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 50d Abs 8 S 1 EStG 2002, Art 4 Abs 2 Buchst a DBA CHN, Art 15 Abs 1 S 1 DBA CHN
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 27. Juli 2011, Az: 2 K 1657/07, Urteil
Leitsatz
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NV: § 50d Abs. 8 EStG setzt tatbestandlich (lediglich) das Vorliegen einer unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland voraus; eine abkommensrechtliche Ansässigkeit verlangt die Vorschrift dagegen nicht. Unter den weiteren Voraussetzungen der Norm kommt es auch dann zu einem Besteuerungsfall, wenn Deutschland im Fall einer doppelt ansässigen natürlichen Person abkommensrechtlich weder Ansässigkeits- noch Tätigkeitsstaat ist .
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, vom 27. Juli 2011 2 K 1657/07 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
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I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat seinen Wohnsitz in L; er bezieht seit 2002 eine Altersrente. Im Streitjahr (2004) war er ferner für die in Hongkong ansässige Firma W nichtselbständig tätig. Diese unterhielt in der Provinz … in der Volksrepublik China (China) eine Fabrik, für die der Kläger als "Director of Engineering" verantwortlich war. Daneben erzielte er im Streitjahr Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zweier in L gelegener Eigentumswohnungen. Die aus Thailand stammende Ehefrau des Klägers ist seit 2004 nichtselbständig beschäftigt.
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Neben seinem Wohnsitz in L unterhielt der Kläger eine Unterkunft am Sitz der Produktionsstätte der W in China sowie eine Wohnung in Hongkong. Im Streitjahr hielt er sich an 31 Tagen in L, 27 Tagen in Thailand, 216 Tagen in China und 91 Tagen in Hongkong auf. Nach dem Arbeitsvertrag mit W trägt diese als Arbeitgeberin sämtliche Steuern auf das Einkommen des Klägers, soweit sie auf Hongkong entfallen. Eine Bestätigung über die Abführung von Steuern wurde weder für Hongkong noch für China vorgelegt.
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Der von W gezahlte Arbeitslohn des Klägers wurde vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) im Rahmen der Veranlagung des Klägers für das Streitjahr als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit der Besteuerung unterworfen.
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Der Kläger ist dagegen der Auffassung, dass das Besteuerungsrecht für seine Einkünfte aus der Tätigkeit für W auf Hongkong und China aufzuteilen sei und die Einkünfte, soweit sie auf China entfielen, von der Besteuerung unter Progressionsvorbehalt freizustellen seien. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, stammt vom 27. Juli 2011 2 K 1657/07.
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Der Kläger macht mit seiner Beschwerde geltend, dass die Revision gegen das angefochtene Urteil u.a. wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen sei.
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Das FA beantragt, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.
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Mit Beschluss vom 16. Mai 2012 hat der Senat das Verfahren bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) über das Normenkontrollersuchen des Senats vom 10. Januar 2012 I R 66/09 ausgesetzt. Nachdem das BVerfG durch Beschluss vom 15. Dezember 2015 2 BvL 1/12 über dieses Normenkontrollersuchen entschieden hatte, hat der Senat mit Beschluss vom 2. März 2016 das Verfahren fortgeführt.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision des Klägers ist jedenfalls als unbegründet zurückzuweisen. Weder kommt der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zu (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), noch dient sie der Sicherung der Rechtseinheit (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO); zudem liegt auch kein Verfahrensmangel vor (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
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1. Als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) möchte der Kläger sinngemäß geklärt wissen, ob § 50d Abs. 8 des Einkommensteuergesetzes 2002 in der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG) einen Rückfall des Besteuerungsrechts für nichtselbständige Einkünfte an die Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) auch dann ermöglicht, wenn im Fall eines Doppelwohnsitzes in Deutschland und China nicht nur die Tätigkeit in China ausgeübt wird, sondern sich auch der Lebensmittelpunkt des Arbeitnehmers in China befindet, d.h. China im abkommensrechtlichen Sinne sowohl Ansässigkeits- als auch Tätigkeitsstaat ist.
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a) Eine Rechtssache hat nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nur dann "grundsätzliche Bedeutung" i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn die Rechtsfrage klärungsbedürftig und im Streitfall auch klärungsfähig ist. An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn sich die Antwort auf die streitige Rechtsfrage ohne weiteres aus dem klaren Wortlaut und Sinngehalt des Gesetzes ergibt, die Rechtslage also eindeutig ist (Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 115 Rz 28, m.w.N. aus der Rechtsprechung).
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b) Nach diesen Maßstäben ist die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage mangels Klärungsbedürftigkeit nicht von grundsätzlicher Bedeutung.
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aa) Der Kläger hatte im Streitjahr einen Wohnsitz im Inland. Er war hier infolgedessen mit seinem Welteinkommen unbeschränkt steuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 EStG). Daran ändert sich auch nichts, wenn man mit der Beschwerdebegründung davon ausgeht, dass der Kläger mehrere Wohnsitze hatte und sich der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen im Streitjahr nicht in Deutschland, sondern in China befunden hat. Der Senat hat wiederholt entschieden, dass ein inländischer Wohnsitz auch dann zur unbeschränkten Einkommensteuerpflicht führt, wenn der Mittelpunkt der Lebensinteressen sich im Ausland befindet (Urteile vom 13. Oktober 1965 I 410/61 U, BFHE 83, 655, BStBl III 1965, 738; vom 19. März 1997 I R 69/96, BFHE 182, 296, BStBl II 1997, 447, und vom 24. Januar 2001 I R 100/99, BFH/NV 2001, 1402).
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bb) Das deutsche Besteuerungsrecht wird jedoch im Hinblick auf die Einkünfte, welche der Kläger aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) erzielt hat, insoweit ausgeschlossen, als die Arbeit in China ausgeübt worden ist. Nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik China zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 10. Juni 1985 (BGBl II 1986, 447, BStBl I 1986, 330) --DBA-China 1985-- können Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, dass die Arbeit im anderen Vertragsstaat ausgeübt wird. Und dies gilt auch für die vom Kläger in der Beschwerdebegründung angenommene --von der Vorinstanz aber so nicht festgestellte-- Sachverhaltskonstellation, nach der sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Klägers im Streitjahr nicht in Deutschland, sondern in China befunden hat, mit der Folge, dass der Kläger nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. a DBA-China 1985 als in China ansässig gilt und China abkommensrechtlich sowohl Ansässigkeits- als auch Tätigkeitsstaat ist. Art. 15 Abs. 1 Satz 1 DBA-China 1985 ordnet auch für diesen Fall an, dass die Einkünfte aus unselbständiger Arbeit ausschließlich vom Ansässigkeitsstaat besteuert werden können (Wassermeyer/ Schwenke in Wassermeyer MA Art. 15 Rz 4 unter Hinweis auf den Wortlaut "können nur").
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cc) Allerdings bestimmt § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG, dass die Freistellung für Einkünfte der genannten Art, die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen sind, ungeachtet des Abkommens nur gewährt wird, soweit der (unbeschränkt) Steuerpflichtige nachweist, dass der Staat, dem nach dem Abkommen das Besteuerungsrecht zusteht, auf dieses Besteuerungsrecht verzichtet hat oder dass die in diesem Staat auf die Einkünfte festgesetzten Steuern entrichtet wurden. Derartige Nachweise hat der Kläger nicht erbracht. Da § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG im Übrigen lediglich darauf abstellt, dass Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen aus nichtselbständiger Arbeit, die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen sind, vorliegen, ist der Tatbestand der Norm nach ihrem klaren Wortlaut erfüllt. Ohne Bedeutung ist dabei, ob man der in der Literatur vertretenen Meinung folgen könnte, dass bei einer "Verteilungsnorm mit abschließender Rechtsfolge" die Freistellung bereits aus der Verteilungsnorm selbst resultiert und nicht aus dem Methodenartikel (vgl. dazu Schönfeld/Häck in Schönfeld/Ditz, DBA, Systematik Rz 38, m.w.N.). Denn § 50d Abs. 8 EStG knüpft den Besteuerungsrückfall nicht daran, wie die Freistellung erfolgt, sondern nur daran, dass die Einkünfte nach einem Abkommen von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen sind.
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Ohne Bedeutung ist ferner, ob --wie im Streitfall-- China als Ansässigkeits- und Tätigkeitsstaat einen besonders starken abkommensrechtlichen Bezug zu den fraglichen Einkünften aufweist, während Deutschland dagegen weder als Ansässigkeits- noch als Tätigkeitsstaat anzusehen ist. Eine abkommensrechtliche Ansässigkeit in Deutschland wird in der Regelung des § 50d Abs. 8 EStG tatbestandlich nicht vorausgesetzt, entscheidend ist allein das Vorliegen einer unbeschränkten Steuerpflicht (vgl. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 12. November 2014, BStBl I 2014, 1467, Rz 39; a.A. Gosch in Kirchhof, EStG, 15. Aufl., § 50d Rz 35). Und eine solche ist unstreitig auch bei einem doppelt ansässigen Steuerpflichtigen gegeben, dessen Ansässigkeit über die sog. Tie-breaker-rule des Art. 4 Abs. 2 des Musterabkommens der Organisation for Economic Cooperation and Development (hier Art. 4 Abs. 2 DBA-China 1985) im anderen Vertragsstaat (hier China) abkommensrechtlich festgelegt wird. Infolgedessen fällt das Besteuerungsrecht für den Arbeitslohn nach Maßgabe von § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG an Deutschland zurück. Die Rechtslage ist damit eindeutig und die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage nicht klärungsbedürftig.
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2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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