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BFH 16.04.2015 - VII B 44/14
BFH 16.04.2015 - VII B 44/14 - Rechtmäßigkeit der Vorschriften über die Milchabgabe - Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht - Keine grundsätzliche Bedeutung
Normen
Art 33 EG, EGV 1788/2003, EWGV 3950/92, MOG, Art 80 Abs 1 GG, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO
Vorinstanz
vorgehend FG Düsseldorf, 24. März 2014, Az: 4 K 1870/12 MOG, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Die Vereinbarkeit der Vorschriften über die Milchabgabe mit höherrangigem Recht und insbesondere mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit war wiederholt Gegenstand höchstrichterlicher Entscheidungen. An der Gültigkeit der der Milchabgabe zugrunde liegenden unionsrechtlichen Vorschriften bestehen keine Zweifel (vgl. BFH-Rechtsprechung) .
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2. NV: Etwaige zur Nichtigkeit der Verordnung (EG) Nr. 1788/2003 führende Verstöße gegen wesentliche Formvorschriften im europäischen Gesetzgebungsverfahren rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht (Festhaltung an BFH-Beschlüssen vom 27.11.2013 VII B 86/12 und VII B 87/12) .
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 24. März 2014 4 K 1870/12 MOG wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
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I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs und Milcherzeuger. Er verfügt über eine eigene Anlieferungsreferenzmenge (ARM). Ab Januar 2004 belieferte der Kläger zusätzlich die ungenutzte ARM einer in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratenen landwirtschaftlichen GbR; zugrunde lagen verschiedene Pacht- und Anstellungsverträge zwischen dem Kläger und der GbR, die jedoch alle nicht vereinbarungsgemäß durchgeführt worden sind. Der Kläger führte die Milcherzeugung unverändert fort, belieferte die Molkerei jedoch nicht nur unter der eigenen, sondern auch unter der Kannennummer der GbR. Infolge eines Vergleichs zwischen dem Kläger und der GbR endete deren Zusammenarbeit am 31. Januar 2007.
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Im streitigen Zwölfmonatszeitraum (ZMZ) 2006/2007 hatte der Kläger von seinem Hof … kg Milch unter dem Namen der GbR an die Molkerei geliefert, woraufhin der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt --HZA--) mit Abgabebescheid vom 9. Dezember 2011 von dem Kläger eine Milchabgabe in Höhe von … € forderte mit der Begründung, die Pachtverträge mit der GbR könnten nicht anerkannt werden und die gesamte Milcherzeugung sei somit dem Kläger zuzurechnen. In Anbetracht der Unvollständigkeit bzw. Unrichtigkeit der Angaben über die Milcherzeugung finde auch keine Saldierung statt.
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Einspruch und Klage gegen den Abgabebescheid blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, der Kläger sei für die der Molkerei im ZMZ 2006/2007 im Namen der GbR gelieferte Milch Schuldner der vom HZA erhobenen Milchabgabe geworden. Der Kläger habe in diesem Zeitraum Milch in der im Namen der GbR gelieferten Menge überliefert und sei auch Erzeuger dieser Milch gewesen. Der Kläger habe gerade wegen der unrichtigen oder unvollständigen Angaben über seine tatsächliche Milchlieferung zudem keinen Anspruch auf eine nachträgliche Saldierung. Eine Verletzung höherrangigen Rechts sei in der Erhebung der Milchabgabe nicht zu sehen. Weder die Verordnung zur Durchführung der EG-Milchabgabenregelung in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. August 2004 (BGBl I 2004, 2143) noch das Gesetz zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen und der Direktzahlungen verletzten das Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 und 3 des Grundgesetzes. Selbst wenn die Verordnung (EG) Nr. 1788/2003 (VO Nr. 1788/2003) des Rates vom 29. September 2003 über die Erhebung einer Abgabe im Milchsektor (Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 270/123) rechtswidrig zustande gekommen wäre, hätte die Abgabe aufgrund der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 (VO Nr. 3950/92) des Rates vom 28. Dezember 1992 über die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft Nr. L 405/1) erhoben werden können. Der Abgabesatz des Art. 2 VO Nr. 1788/2003 sei mit Blick auf das Ziel der Verordnung, das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage bei Milch und Milcherzeugnissen und die daraus resultierenden strukturellen Überschüsse zu verringern, sowie dank der Möglichkeit, geringfügige Überlieferungen durch Saldierungen abzufangen, auch verhältnismäßig. Selbst wenn der Verzicht auf eine Saldierung auf Unionsebene zu einer unterschiedlichen Behandlung der überliefernden Milcherzeuger in den Mitgliedstaaten in Bezug auf die Möglichkeit der Teilnahme an der Saldierung sowie die Pflicht zur Entrichtung der Milchabgabe führe, sei darin keine Diskriminierung im Sinne einer strukturellen Benachteiligung zu sehen; es stehe jedem Mitgliedstaat frei, die in allen Mitgliedstaaten gleichermaßen zur Verfügung stehenden unionsrechtlichen Saldierungsmöglichkeiten zu nutzen.
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Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, die er auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) stützt. Er macht weiterhin geltend, die im Streitfall maßgebenden unionsrechtlichen und nationalen Vorschriften über die Erhebung der Milchabgabe seien nichtig und die ersatzweise Anwendung der VO Nr. 3950/92 als Grundlage zur Berechnung einer festzusetzenden Milchabgabe sei ausgeschlossen. Er bezeichnet diesbezüglich fünf Fragen als grundsätzlich klärungsbedürftig.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die mit der Beschwerde formulierten Fragen sind höchstrichterlich geklärt bzw. lassen sich nur so beantworten, wie es das FG getan hat.
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1. Die Vereinbarkeit der Vorschriften über die Milchabgabe mit höherrangigem Recht ist wiederholt Gegenstand höchstrichterlicher Entscheidungen gewesen (vgl. Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 14. Mai 2009 C-34/08 --Azienda Agricola Disarò Antonio u.a.-- Slg. 2009, I-4023, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 2009, 219, und Senatsbeschluss vom 7. Oktober 2009 VII B 253/08, BFH/NV 2010, 267, m.w.N.). An der Gültigkeit der der Milchabgabe zugrunde liegenden unionsrechtlichen Vorschriften bestehen keine Zweifel (vgl. Senatsbeschlüsse vom 27. November 2013 VII B 86/12, BFH/NV 2014, 585, und VII B 87/12, BFH/NV 2014, 741).
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a) Wie vom EuGH in seinem Urteil in Slg. 2009, I-4023 Rz 44 ff., ZfZ 2009, 219, 221 ausgeführt, verfügt der Gesetzgeber im Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik (Art. 33 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft --EG--) über ein weites Ermessen, das er mit Erlass der VO Nr. 1788/2003 nicht überschritten hat, indem er das in Art. 33 Abs. 1 Buchst. c EG ausdrücklich erwähnte Ziel der Stabilisierung der Märkte verfolgt und diesem Ziel Vorrang eingeräumt hat. Die in der VO Nr. 1788/2003 vorgesehene Abgabenregelung zielt darauf ab, auf dem durch strukturelle Überschüsse gekennzeichneten Milchmarkt durch eine Beschränkung der Milcherzeugung das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage wiederherzustellen, und hält sich daher im Rahmen der Ziele, die Milcherzeugung zu rationalisieren und für die betroffene landwirtschaftliche Bevölkerung durch einen Beitrag zur Stabilisierung ihres Einkommens eine angemessene Lebenshaltung aufrechtzuerhalten. Auch mit den in Art. 33 Abs. 1 Buchst. a und b EG genannten Zielen ist die VO Nr. 1788/2003 vereinbar (s. auch Senatsbeschlüsse in BFH/NV 2014, 585, 587, und in BFH/NV 2014, 741, 743).
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b) Dass der Unionsgesetzgeber berechtigt ist, die Milchproduktion in der Union zu beschränken, indem er Überproduktion mit einer Abgabe belegt, steht also nach der Rechtsprechung des EuGH und des Senats fest. Dabei liegt es im Ermessen des Verordnungsgebers, die Milcherzeuger auch unabhängig von einem Milchrichtpreis zur Einhaltung einer bestimmten Produktionsmenge mithilfe einer Milchabgabe anzuhalten (vgl. EuGH-Urteile vom 25. März 2004 C-231/00 u.a. --Cooperativa Lattepiù u.a.--, Slg. 2004, I-2869, und in Slg. 2009, I-4023, ZfZ 2009, 219; Senatsbeschlüsse in BFH/NV 2010, 267, 268; vom 13. Juli 2011 VII B 223/10, BFH/NV 2011, 1732, sowie in BFH/NV 2014, 585, 588, und in BFH/NV 2014, 741, 743). Eine Überschreitung des diesbezüglich unionsrechtlich eingeräumten Ermessensspielraums ist nicht erkennbar.
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2. Wie bereits in den Senatsbeschlüssen in BFH/NV 2014, 585, 588 und in BFH/NV 2014, 741, 743 f. ausgeführt, rechtfertigen selbst etwaige zur Nichtigkeit der VO Nr. 1788/2003 führende Verstöße gegen wesentliche Formvorschriften im europäischen Gesetzgebungsverfahren die Zulassung der Revision nicht. An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Selbst wenn die gesamte (inzwischen außer Kraft getretene) VO Nr. 1788/2003 wegen Missachtung des Konzertierungsverfahrens durch den Rat sowie des nicht einstimmig gefassten Beschlusses über ihre Verabschiedung nichtig gewesen sein sollte, wäre auch Art. 25 VO Nr. 1788/2003 über die Aufhebung der VO Nr. 3950/92 nichtig. Die VO Nr. 3950/92 hätte weiter gegolten und wäre weiterhin die unionsrechtliche Grundlage für die Erhebung der Milchabgabe geblieben. Dass bei Fortgeltung der VO Nr. 3950/92 keine oder eine geringere Milchabgabe gegen den Kläger festzusetzen gewesen wäre, ist nicht ersichtlich. Vielmehr wäre auch die im Zusammenhang mit der VO Nr. 1788/2003 erlassene Verordnung (EG) Nr. 1787/2003 des Rates vom 29. September 2003 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1255/1999 über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse in diesem Fall nichtig und der Milchrichtpreis nicht aufgehoben worden. Es wäre der Richtpreis gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1255/1999 (VO Nr. 1255/1999) des Rates vom 17. Mai 1999 über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse anzuwenden. Der sich daraus ergebende Milchabgabensatz wäre --wie vom FG zu Recht dargelegt-- letztlich höher als der sich aus Art. 2 VO Nr. 1788/2003 ergebende Abgabensatz.
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3. Vom Kläger vorgetragene Bedenken hinsichtlich der Fortgeltung der VO Nr. 1255/1999 über den 1. April 2004 hinaus und somit nach dem Beitritt neuer Mitgliedstaaten zur EU spielen im Streitfall bereits mangels Betroffenheit des Klägers keine Rolle. Eine etwaige Diskriminierung von Milcherzeugern anderer Länder kann der Kläger nicht geltend machen. Darüber hinaus haben sich die Beitrittsländer 2004 dem System der Milchabgabenpflicht für Erzeuger im Fall einer Überproduktion unterworfen, indem sie auf der Grundlage der Beitrittsakte seit dem 1. Mai 2004 als neue Mitgliedstaaten den EU-Besitzstand einschließlich der vollständigen Milchquotenregelung anwenden. Entgegen der Auffassung des Klägers, die Erhebung einer Milchabgabe entspreche für die Zeit nach 2004 nicht mehr der gemeinsamen Agrarpolitik aller Mitgliedstaaten, ist die Festsetzung einer Milchabgabe nach der Rechtsprechung des EuGH also weiterhin ein geeignetes und verhältnismäßiges Mittel zur Einhaltung einer bestimmten Produktionsmenge.
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Der Hinweis auf die kritische Stellungnahme des juristischen Dienstes des Rates zur Rechtsgrundlage der Milchabgabe kann die Argumentation des Klägers nicht stützen, da sie sich lediglich auf das Quotenjahr 2014/2015 bezieht und somit die Besonderheit des letzten ZMZ vor Ende der Milchquotenregelung betrifft.
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4. Im Übrigen ergeht der Beschluss nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ohne Begründung.
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