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BFH 28.11.2012 - X B 74/11
BFH 28.11.2012 - X B 74/11 - Nichtzulassungsbeschwerde; Darlegungsanforderungen; Schätzung im Taxigewerbe
Normen
§ 76 Abs 1 FGO, § 96 Abs 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 116 Abs 3 S 3 FGO, § 96 Abs 2 FGO
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 14. April 2011, Az: 5 K 5358/07, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO sind in der Beschwerdebegründung die Voraussetzungen des jeweiligen Zulassungsgrundes darzulegen.
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2. NV: Falls Beweise zu Unrecht nicht erhoben sind, ist dies kein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO, sondern gegen § 76 Abs. 1 FGO.
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3. NV: Für eine zulässige Rüge, das FG habe Beweisanträge übergangen, ist u.a. darzulegen, an welcher Stelle der Beweisantritt erfolgt ist (Fundstelle), welches Ergebnis die Beweisaufnahme voraussichtlich gehabt hätte und inwiefern das Urteil des FG --ausgehend von dessen materiell-rechtlicher Auffassung-- auf der unterlassenen Beweisaufnahme beruhen könne.
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4. NV: Wird die Verletzung rechtlichen Gehörs gerügt, so ist darzustellen, welchen Vortrag das FG nicht zur Kenntnis genommen habe. Eine abweichende Beurteilung des Sachverhalts ist keine Verletzung rechtlichen Gehörs.
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5. NV: Schichtzettel im Taxigewerbe waren und sind nach ständiger Rechtsprechung des BFH aufzubewahren.
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6. NV: Existieren innerhalb der Unterlagen und Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen Diskrepanzen (hier: Abweichungen zwischen Unterlagen in Papierform und einem USB-Stick), ist es eine Frage der Sachverhalts- und Beweiswürdigung und damit des materiellen Rechts, welche Bedeutung das FG ihnen jeweils zubilligt.
Tatbestand
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I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) betrieb in den Streitjahren ein Taxiunternehmen mit etwa … Fahrern. Er und seine mit ihm zusammenveranlagte Ehefrau wehren sich gegen eine Hinzuschätzung.
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Eine Betriebsprüfung bemängelte, dass Ursprungsaufzeichnungen, namentlich Schichtzettel der einzelnen Fahrer (sog. Abschreiber), nicht vorgelegen hätten. Verprobungen ergäben Differenzen zwischen den gefahrenen Kilometern und den Umsätzen.
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Bei einer Durchsuchung im Rahmen des in diesem Zusammenhang eingeleiteten Steuerstrafverfahrens wurde ein USB-Stick mit Daten beschlagnahmt, den der Kläger am Körper führte. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) hielt diese Daten für Teile einer "schwarzen" Buchführung. Das FA nahm unter Zuhilfenahme dieser Daten auf Grundlage der an die Fahrer ausgezahlten Löhne eine Hinzuschätzung vor und setzte die Steuern entsprechend fest.
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Mit der Klage machten die Kläger u.a. geltend, die Abschreiber seien erst nach der Durchsuchung vernichtet worden, nachdem der Betriebsprüfer mitgeteilt habe, er benötige diese nicht mehr. Er, der Kläger, habe alle maßgebenden Daten handschriftlich in schwarzen Kalendern aufgezeichnet und diese in den Computer übertragen. Bei einer Neuformatierung seien versehentlich alle Daten gelöscht worden.
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Mit den Daten auf dem USB-Stick habe es eine ganz andere Bewandtnis. Diese hätten ihm dazu gedient, den Umgang mit dem Computer, worin er nicht versiert sei, zu üben. Die Genauigkeit der Daten beruhe darauf, dass er ein eigenes Programm für Taxifahrer habe erstellen wollen und dafür fiktive, aber realitätsnahe Zahlen benötigt habe.
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Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Die Buchführung sei nicht zuletzt auf Grund des Fehlens der Abschreiber nicht ordnungsgemäß gewesen. Das FA sei daher zur Schätzung befugt gewesen, die der Höhe nach den ausgewerteten Erkenntnissen entspreche. Es sei davon auszugehen, dass die detaillierten Daten auf dem USB-Stick die tatsächlichen betrieblichen Daten seien. Es sei widersprüchlich, wenn der Kläger einerseits Daten benötige, um sich im Umgang mit dem Computer zu üben, andererseits selbst ein Abrechnungsprogramm für Taxifahrer erstellen wolle. Die Aufzeichnungen in den schwarzen Kalendern seien keine ordnungsgemäße Buchführung. Sie hätten keine größere Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich als der USB-Stick.
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Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision rügen die Kläger, die Feststellungen des FG seien inhaltlich falsch. Tatsächlich seien die Ursprungsaufzeichnungen, namentlich die Abschreiber, bei der Durchsuchung vorhanden gewesen. Allerdings habe sich die Fahndung, fixiert auf den USB-Stick, dafür nicht interessiert. Das FG habe die prüfbaren Unterlagen nicht gesichtet und sei den Beweisanträgen, auch zu der ursprünglichen Existenz der Abschreiber, nicht gefolgt. Der Fahndungsprüfer habe diese zunächst für unerheblich erachtet. Erst nachdem festgestanden habe, dass sie nicht mehr existierten, habe man ihnen Bedeutung beigemessen. Eine Schätzungsgrundlage würde nicht durch die falsche Behauptung geschaffen, Aufzeichnungen lägen nicht vor.
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Im Übrigen seien die Abschreiber erst seit der Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 26. Februar 2004 in jedem Fall aufzubewahren. Stattdessen habe der Kläger seine Pflichten durch die Aufbewahrung dieser Unterlagen und seine weiteren Aufzeichnungen in den Kalendern doppelt erfüllt.
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Statt sich an den realen Unterlagen zu orientieren, habe sich das FA bei der Steuerfestsetzung ausschließlich von den frei erfundenen Daten auf dem USB-Stick leiten lassen. Die Angaben des Klägers hierzu seien nicht widersprüchlich, denn seine aktuellen Kenntnisse den Computer betreffend seien seinem angestrebten Ziel nicht gleichzusetzen.
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Angesichts der Begründung, es seien keine ordnungsgemäßen Unterlagen bei der Buchführung, sei zu befürchten, dass das FG die Unterlagen immer noch nicht zur Kenntnis genommen habe. Das komme einer Missachtung des rechtlichen Gehörs gleich.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde ist unzulässig. Soweit die Beschwerdebegründung überhaupt erkennen lässt, welche Zulassungsgründe i.S. von § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die Kläger möglicherweise geltend machen wollen, haben sie entgegen § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO deren Voraussetzungen nicht dargelegt.
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1. Die Rüge der Kläger, die Feststellungen des FG seien inhaltlich falsch, könnte allenfalls als Verfahrensrüge nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO dahin verstanden werden, das FG habe seiner Entscheidung entgegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zu Grunde gelegt. Allerdings haben die Kläger nicht dargestellt, welche konkreten anderen Feststellungen sich aus dem Verfahren hätten ergeben sollen. Es ist auch von Amts wegen nicht erkennbar.
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Wenn die Kläger meinen, das FG hätte Beweise erheben müssen, ist dies keine Frage des Gesamtergebnisses des (tatsächlich geführten) Verfahrens, sondern der aus § 76 Abs. 1 FGO folgenden Sachaufklärungspflicht, mithin der Frage, wie das Verfahren hätte geführt werden müssen.
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2. Eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht rügt der Kläger mit dem Einwand, das FG sei den Beweisanträgen hinsichtlich der Existenz der Abschreiber nicht gefolgt. Dieser Vortrag genügt allerdings den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO nicht.
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Die schlüssige Rüge, das FG habe Beweisanträge übergangen, setzt u.a. den Vortrag voraus, an welcher Stelle (mit genauer Bezeichnung der Fundstelle) ordnungsgemäß die übergangenen Beweise angetreten worden seien, inwiefern das Urteil des FG --ausgehend von der materiell-rechtlichen Auffassung des Gerichts-- auf der unterlassenen Beweisaufnahme beruhen könne und was das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme gewesen wäre (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Januar 2008 X B 185/07, BFH/NV 2008, 603).
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Die Kläger haben schon nicht dargestellt, wann sie welchen Beweisantrag gestellt haben wollen, zudem nicht, welches Beweismittel welches Beweisergebnis hätte zeitigen sollen, insbesondere schließlich nicht, inwiefern nach den eigenen rechtlichen Maßstäben des FG die Beweisaufnahme entscheidungserheblich gewesen wäre.
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Der Senat weist ergänzend darauf hin, dass es an der letzten Voraussetzung auch tatsächlich fehlt. Das FG hat sinngemäß ausgeführt, es komme auf die Frage, ob die Abschreiber schon vor der Prüfung fehlten oder erst nach der Prüfung vernichtet worden seien, nicht an. Denn während einer laufenden Betriebsprüfung und eines Strafverfahrens bestehe kein Anlass zur Vernichtung solcher Unterlagen. Zu diesem Punkt sind keine Zulassungsrügen vorgebracht; die Kläger bewerten ihn lediglich anders.
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3. Der Einwand, die falsche Behauptung des Fehlens von Aufzeichnungen schaffe keine Schätzungsmöglichkeit, soll möglicherweise als Rüge greifbarer Gesetzeswidrigkeit verstanden werden (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2011 X B 14/11, BFH/NV 2012, 172), ist aber unschlüssig. Auch das FG war nicht der Ansicht, derartige Behauptungen schüfen Schätzungsmöglichkeiten. Es war unstreitig, dass die Aufzeichnungen in einem späteren Verfahrensstadium fehlten. Rechtlich umstritten war lediglich, ob sie fehlen durften und was hieraus folgt.
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4. Es ist nicht ersichtlich, was die Kläger sagen wollen, wenn sie ausführen, die Abschreiber seien erst seit einer BFH-Entscheidung aus dem Jahre 2004 (gemeint sein dürfte das Urteil vom 26. Februar 2004 XI R 25/02, BFHE 205, 249, BStBl II 2004, 599) aufzubewahren. Die Betriebsprüfung, zu deren Beginn der Kläger die Abschreiber noch in Besitz gehabt haben will, begann erst im Jahre 2005. Selbst wenn die frühere Rechtslage anders gewesen wäre, wäre damit nicht erklärt, welchen Einfluss sie noch auf sein Verhalten nach Beginn der Betriebsprüfung hätte haben können. Im Übrigen hatte der BFH in jener Entscheidung nicht etwa eine anderslautende Rechtspraxis oder Rechtsprechung aufgegeben, sondern lediglich klargestellt, dass Schichtzettel im Taxigewerbe aufzubewahren sind.
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5. Wenn die Kläger weiter sinngemäß beanstanden, das FA und das FG hätten den tatsächlichen Unterlagen zu geringe, dem USB-Stick zu große Bedeutung beigemessen, ist das eine Frage der Sachverhalts- und Beweiswürdigung, die dem materiellen Recht zuzuordnen ist (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 76) und außerhalb der greifbaren Gesetzeswidrigkeit keinen Revisionszulassungsgrund dargestellt.
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Dass eine greifbare Gesetzeswidrigkeit vorliege, ist nicht dargelegt und auch nicht erkennbar. Zum einen geht der Vorwurf, man habe sich nicht von realen Unterlagen leiten lassen, ins Leere, wenn diese realen Unterlagen nach den --nicht mit zulässigen Rügen angegriffenen-- Feststellungen des FG ihrerseits Unstimmigkeiten aufweisen. Zum anderen liegt es keineswegs neben der Sache, wenn das FG die Einlassungen des Klägers zum Thema "USB-Stick" so würdigt wie geschehen. Es erscheint auch dem Senat zumindest ungewöhnlich, dass jemand, der den Umgang mit dem Computer dem Grunde nach noch meint üben zu müssen, sich nicht nur vornimmt, ein Programm zu entwickeln, das professionelle Softwareentwickler, also ausgebildete Informatiker, noch nicht entwickelt haben, sondern sich auch bereits die Mühe macht, dafür umfangreiche fiktive Daten in einen Computer einzugeben und elektronisch zu speichern.
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6. Der Rüge schließlich, das FG habe rechtliches Gehör versagt --was, wenn es der Fall wäre, zur Revisionszulassung nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO führte--, fehlt die Darstellung, welchen Vortrag das FG nicht zur Kenntnis genommen haben soll.
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Soweit das FG im Gegensatz zu den Klägern meint, Unterlagen seien nicht ordnungsgemäß gewesen, ist das eine andere Beurteilung des Sachverhalts, aber keine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Rechtliches Gehör bedeutet, dass das FG das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis nehmen muss, nicht aber, dass es sich dem Rechtsstandpunkt des Beteiligten anschließen müsste (vgl. Beschluss des BFH vom 26. März 2012 III B 218/11, BFH/NV 2012, 1093).
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7. Von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts und der Gründe sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.
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