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BFH 02.08.2012 - VII B 64/12
BFH 02.08.2012 - VII B 64/12 - Frage nach der hinreichenden Bestimmtheit eines unter Änderungsvorbehalt erlassenen Duldungsbescheids nicht klärungsfähig
Normen
§ 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 FGO, § 79b Abs 3 FGO, § 191 Abs 1 AO, § 7 Abs 1 AnfG, § 11 AnfG
Vorinstanz
vorgehend Hessisches Finanzgericht, 28. November 2011, Az: 7 K 1843/05, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Die Frage, ob ein angefochtener Duldungsbescheid auch dann noch hinreichend bestimmt ist, wenn er unter einem Änderungsvorbehalt ergeht und nicht ersichtlich ist, in welchem Umfang eine Änderung vorbehalten ist, kann nur aufgrund des genauen Inhalts des jeweiligen Verwaltungsakts und unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls beantwortet werden, weshalb sie einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich ist.
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2. NV: Die Prüfung der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Duldungsbescheids hat sich auch auf die Höhe des vom FA geforderten Betrags und auf die vom Adressaten der Duldungsverfügung geltend gemachten Entreicherungspositionen zu erstrecken.
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat von ihrem Schwiegervater im Wege der Schenkung ein Grundstück erhalten. Mit einem weiteren Schenkungsvertrag hat dieser ihr sowie ihren beiden Söhnen ein weiteres Grundstück unentgeltlich übertragen. Aufgrund von unstreitigen Abgabenschulden des Schenkers hat der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) am 8. August 2003 gemäß § 191 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 4 des Anfechtungsgesetzes (AnfG) einen Duldungsbescheid erlassen, mit dem er die unentgeltlichen Eigentumsübertragungen an den Grundstücken anfocht. Mit Kaufvertrag vom … November 2003 verkaufte die Klägerin das in ihrem Alleineigentum stehende Grundstück. Hinsichtlich des anderen Grundstücks übte der Ehemann der Klägerin das vertraglich vorbehaltene Widerrufsrecht aus, so dass es zur Rückübertragung des Grundstücks kam. Infolgedessen widerrief das FA mit Bescheid vom 6. April 2006 den inzwischen im Einspruchsverfahren erfolglos angefochtenen Duldungsbescheid vom 8. August 2003 insoweit, als er sich auf das rückübereignete Grundstück bezog. Hinsichtlich des von der Klägerin verkauften Grundstücks forderte das FA die Klägerin mit einem als Vollstreckungsankündigung bezeichneten Schreiben vom 10. Mai 2006 auf, als Grundstücksersatz den Gewinn aus der Veräußerung des Grundstücks herauszugeben.
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Die Klage hatte nur zu einem geringen Teil Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass die angefochtenen Bescheide aufgrund der im Streitfall erfüllten Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 AnfG zum überwiegenden Teil rechtmäßig seien. Aufgrund der Veräußerung des Grundstücks habe die Klägerin Wertersatz zu leisten. Der Übergang des FA vom Primär- zum Sekundäranspruch werde aus dem Änderungsbescheid vom 10. Mai 2006 ersichtlich, mit dem das FA aufgrund der nachträglich eingetretenen Unmöglichkeit der Vollstreckung seinen Duldungsanspruch nunmehr als Wertersatzanspruch weiter verfolgt habe. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei der Wertersatzanspruch lediglich eine Modalität des Rückgewähranspruchs. Allerdings werde die Klägerin insoweit in ihren Rechten verletzt, als der rückständige Abgabenbetrag um verwirkte Säumniszuschläge erhöht worden sei. Von dem Veräußerungserlös seien die Schenkungsteuer, die Notarkosten und von der Klägerin vertraglich übernommene Abrisskosten in Abzug zu bringen. Hingegen könnten eine Zahlung der Ablösesumme für Stellplätze, diverse Erschließungskosten, gegenüber einer Bank erbrachte Zins- und Tilgungsleistungen sowie eine nach Erhalt des Duldungsbescheids eingetragene Grundschuld keine Berücksichtigung finden. Im Hinblick auf die der Klägerin gemäß § 79b Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gesetzte Ausschlussfrist habe ohne weitere Ermittlungen entschieden werden können.
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Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) sowie wegen mangelnder Sachaufklärung (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Die Deutung des --im Übrigen nicht hinreichend bestimmten-- Änderungsbescheids vom 10. Mai 2006 könne nicht überzeugen. Entgegen der Ansicht des FG handele es sich lediglich um eine Zahlungsaufforderung. Den Zahlungsanspruch hätte das FA durch einen weiteren Verwaltungsakt unabhängig von etwaigen Verkaufserlösen festsetzen müssen. Mit seinen Ausführungen weiche das FG vom Urteil des BFH vom 31. Juli 1984 VII R 151/83 (BFHE 142, 99, BStBl II 1985, 31) ab. Zu Unrecht habe das FG einen vom FA vorgenommenen Abzug der Grundschuldbelastung abgelehnt. Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Frage, ob das FG im Rahmen der Überprüfung eines Duldungsbescheids Entreicherungspositionen austauschen dürfe. Hinsichtlich der nicht berücksichtigten Ablösesumme für Stellplätze und der geltend gemachten Zins- und Tilgungsleistungen verkenne das FG die Kausalität und setze sich in Widerspruch zur BFH-Entscheidung vom 22. Juni 2004 VII R 16/02 (BFHE 206, 217, BStBl II 2004, 923). Verfahrensfehlerhaft habe das FG schriftsätzlich benannte Zeugen nicht gehört. Eine Rüge sei in der mündlichen Verhandlung deshalb nicht erfolgt, weil mit einem weiteren Termin zur Beweisaufnahme zu rechnen gewesen sei. Schließlich liege eine Gehörsverletzung darin, dass das FG in seinem "Beschluss vom 27. September 2011" nicht darauf hingewiesen habe, dass Erschließungskosten zusätzlich nachzuweisen seien.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
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1. Die von der Klägerin behauptete Abweichung des FG-Urteils von der Rechtsprechung des BFH liegt nicht vor. Das FG hat in seiner Entscheidung keinen Rechtssatz gebildet, der in Widerspruch zum Senatsurteil in BFHE 142, 99, BStBl II 1985, 31 stünde. Dieser Entscheidung ist der von der Klägerin gebildete Rechtssatz, nach dem zur Erlangung von Wertersatz ein weiterer Verwaltungsakt erlassen werden müsse, nicht zu entnehmen. In dem vom BFH entschiedenen Fall wurde in der Einspruchsentscheidung unter Änderung des Duldungsbescheids die Leistung von Wertersatz angeordnet. Nur für diesen Fall hat der BFH geurteilt, dass durch einen Duldungsbescheid nach § 7 Abs. 1 AnfG a.F. auch Wertersatz gefordert werden könne und der Wortlaut des § 191 Abs. 1 AO dem nicht entgegenstehe. Im Übrigen hat das FG der Rechtsansicht der Klägerin dadurch entsprochen, dass es den Änderungsbescheid vom 10. Mai 2006 als einen ausdrücklichen Übergang vom Primäranspruch zum Sekundäranspruch und als eine Geltendmachung von Wertersatz gedeutet hat. Die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob Wertersatz automatisch mit der Duldungsverfügung verlangt werden könne, würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen, weil das FG das Schreiben vom 10. Mai 2006 revisionsrechtlich bindend als Änderung der Duldungsverfügung auf Anforderung von Wertersatz gewertet hat.
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2. Soweit die Beschwerde die Frage für grundsätzlich bedeutsam hält, "ob ein Haftungsbescheid" auch dann noch hinreichend bestimmt ist, wenn er unter einem Änderungsvorbehalt ergeht und nicht ersichtlich ist, in welchem Umfang eine Änderung vorbehalten ist, genügen die Ausführungen nicht den Darlegungserfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO. Es hängt von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab, ob der Inhalt eines Verwaltungsakts als hinreichend bestimmt angesehen werden kann, so dass die von der Klägerin aufgeworfene Frage einer allgemeingültigen Klärung nicht fähig ist.
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3. Auch die Frage, ob das FG die einzelnen Positionen, die als Entreicherung im Rahmen des § 11 AnfG geltend gemacht werden, austauschen darf, stellt sich im Streitfall nicht. Allein aus der Fragestellung wird nicht klar ersichtlich, wie der Begriff "Austausch" zu verstehen ist. Offensichtlich geht die Beschwerde davon aus, dass das FG den vom FA vorgenommenen Abzug der Valuta der Grundschuld nicht mehr habe überprüfen dürfen. Dabei übersieht sie, dass das FA diesen Abzug selbst unter Vorbehalt gestellt und nicht bedingungslos anerkannt hat. Unter diesem Gesichtspunkt stellt sich die Vorgehensweise des FG nicht als --etwa willkürlicher oder unzulässiger-- Austausch von "Entreicherungspositionen" dar, sondern als Teil der Ermittlung des Wertersatzanspruchs.
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Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Duldungsbescheids in der Form eines Änderungsbescheids, mit dem Wertersatz für ein veräußertes Grundstück gefordert wird (zum Streitgegenstand eines Steuerbescheids vgl. Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 96 FGO Rz 198). Es liegt auf der Hand, dass sich die Prüfung der Rechtmäßigkeit auch auf die Höhe des vom FA geforderten Betrags und auf die vom Adressaten der Duldungsverfügung geltend gemachten Entreicherungspositionen zu erstrecken hat, die den Anspruch des FA der Höhe nach begrenzen. Dies gilt insbesondere dann, wenn das FA einen solchen Posten nicht vorbehaltlos anerkannt hat. Dabei ist das FG an eine vom FA gefasste Rechtsmeinung nicht gebunden. Im Ergebnis hat das FG den angefochtenen Bescheid auch nicht betragsmäßig verbösert, sondern den von der Klägerin zu entrichtenden Betrag geringfügig herabgesetzt.
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4. Soweit sich die Klägerin gegen die Nichtberücksichtigung der Ablösesumme für Stellplätze und von Zins- und Tilgungsleistungen wendet, rügt sie eine vermeintlich materiell-rechtlich unzutreffende Würdigung durch das FG, das nach Ansicht der Beschwerde einen adäquat kausalen Zusammenhang hätte bejahen müssen. Dies kann jedoch eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 FGO nicht begründen. Auch liegt die behauptete Divergenz zum BFH-Urteil in BFHE 206, 217, BStBl II 2004, 923 nicht vor. Das FG hat in Bezug auf die Kausalitätsfrage keinen Rechtssatz aufgestellt, der von dieser Entscheidung abweicht. Vielmehr hat es darauf abgestellt, dass diese Ablösesumme allein in kausalem Zusammenhang mit einem anderen Grundstück gestanden habe. Somit hat das FG nicht nur einen rechtlichen Zusammenhang, sondern jeglichen kausalen Zusammenhang in Frage gestellt. Im Übrigen lässt sich der angeführten Senatsentscheidung ein Rechtssatz zur Erforderlichkeit einer rechtlichen bzw. adäquaten Kausalität zwischen dem Empfang eines Gegenstands oder einer Leistung und einer Entreicherung nicht entnehmen.
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5. Die von der Klägerin gerügten Verfahrensmängel liegen nicht vor. Entgegen der Auffassung der Beschwerde konnte das FG von der Vernehmung der benannten Zeugen absehen. Den Ausführungen des FG, es könne im Hinblick auf die der Klägerin gesetzte Ausschlussfrist gemäß § 79b Abs. 3 FGO ohne weitere Ermittlungen entscheiden, ist die Beschwerde nicht substantiiert entgegengetreten. Zudem hat das FG die Nichtberücksichtigung der Grundschuld und des dadurch besicherten Darlehens mit der Bösgläubigkeit der Klägerin vor Bestellung des Grundpfandrechts begründet, die eine Privilegierung ausschließe. Kenntnis von einer Gläubigerbenachrichtigung habe sie spätestens mit dem Erhalt des Duldungsbescheids gehabt. Aus der maßgeblichen Sicht des FG musste sich eine weitere Beweiserhebung durch Vernehmung der in der Beschwerde genannten Zeugen zur Frage, ob die Klägerin diesen Zeugen erhebliche Beträge schuldete, die mit der Bestellung der Grundschuld abgesichert worden seien, nicht aufdrängen.
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6. Eines besonderen Hinweises hinsichtlich der erforderlichen Darlegung der behaupteten Erschließungskosten bedurfte es nicht, weshalb die gerügte Gehörsverletzung nicht vorliegt. In seiner Verfügung vom 27. September 2011 hat das FG der Klägerin aufgegeben, bisher nicht berücksichtigte Tatsachen und Beweismittel anzugeben, die ihrer Ansicht nach von Bedeutung sein könnten. Diese und die übrigen Angaben des FG können nicht dahingehend gedeutet werden, dass es den Nachweis der von der Klägerin geltend gemachten Anliegerkosten für erbracht angesehen und weiteren Vortrag für entbehrlich erachtet hat. Vielmehr oblag es der Klägerin, die von ihr behauptete Entreicherung anhand der einzelnen Positionen substantiiert darzulegen und entsprechende Nachweise zu erbringen. Eines besonderen Hinweises für jede einzelne dieser Positionen bedurfte es nicht.
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