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BFH 01.02.2012 - VI B 88/11
BFH 01.02.2012 - VI B 88/11 - Grundsätzliche Bedeutung bei doppelter Haushaltsführung; Verfahrensmangel
Normen
§ 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 9 Abs 1 S 3 Nr 5 EStG 2002
Vorinstanz
vorgehend FG München, 31. März 2011, Az: 5 K 2018/10, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Bei einem verheirateten Arbeitnehmer liegt der Mittelpunkt der Lebensinteressen grundsätzlich an den Ort, an dem auch sein Ehepartner wohnt. In der Regel verlagert sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen an den Beschäftigungsort, wenn der Arbeitnehmer dort mit seinem Ehepartner in eine familiengerechte Wohnung einzieht.
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2. NV: Das FG ist nicht verpflichtet, einem unsubstantiierten Beweisantrag nachzugehen.
Gründe
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Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist unbegründet. Der Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) noch liegt ein Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
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1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Rechtsfrage muss im konkreten Fall klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sein (ständige Rechtsprechung, Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24. Juli 2008 VI B 7/08, BFH/NV 2008, 1838; vom 12. Oktober 2007 VI B 161/06, BFH/NV 2008, 45; vom 10. Oktober 2007 VI B 33/07, BFH/NV 2008, 44). Eine Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, wenn sie bereits durch die Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH erforderlich machen (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 28). Davon ist hier auszugehen.
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a) Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gehören zu den Werbungskosten auch notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, und zwar unabhängig davon, aus welchen Gründen die doppelte Haushaltsführung beibehalten wird. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG liegt eine doppelte Haushaltsführung vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Orts, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Eine doppelte Haushaltsführung kann auch ohne Wechsel der Arbeitsstätte vorliegen (vgl. BFH-Urteil vom 5. März 2009 VI R 58/06, BFHE 224, 413, BStBl II 2009, 1012).
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Der Hausstand i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG ist der Haushalt, den der Arbeitnehmer am Mittelpunkt seiner Lebensinteressen führt, also sein Haupt- bzw. bei Ehegatten der Ehegatten- oder Familienhausstand. Eine doppelte Haushaltsführung ist nicht gegeben, wenn der Beschäftigungsort der Lebensmittelpunkt ist. Ob der Hausstand gegenüber der Wohnung am Beschäftigungsort der Lebensmittelpunkt bzw. der Ort ist, an dem die Ehegatten in häuslicher Gemeinschaft i.S. des § 1353 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zusammenleben, erfordert eine Abwägung und Bewertung aller Umstände des Einzelfalls. Indizien können sich aus einem Vergleich von Größe und Ausstattung der Wohnungen sowie aus Dauer und Häufigkeit der Aufenthalte in den Wohnungen ergeben (BFH-Urteil vom 30. Oktober 2008 VI R 10/07, BFHE 223, 242, BStBl II 2009, 153, m.w.N.).
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Bei einem verheirateten Arbeitnehmer liegt der Mittelpunkt der Lebensinteressen grundsätzlich an dem Ort, an dem auch sein Ehepartner und --wenn auch nicht notwendigerweise-- auch seine minderjährigen Kinder wohnen. In der Regel verlagert sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen an den Beschäftigungsort, wenn der Arbeitnehmer dort mit seinem Ehepartner in eine familiengerechte Wohnung einzieht, auch wenn die frühere Familienwohnung beibehalten und zeitweise noch genutzt wird (BFH-Beschluss vom 9. Juli 2008 VI B 4/08, BFH/NV 2008, 2000, m.w.N.).
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b) Die Vorinstanz ist in der angefochtenen Entscheidung von den genannten Grundsätzen ausgegangen. Das Finanzgericht (FG) hat nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entschieden. Es ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen der Klägerin im Streitjahr nicht mehr in X, sondern in der Nähe ihres Beschäftigungsorts befand. Die tatrichterliche Überzeugungsbildung, die Tatsachen- bzw. Sachverhaltswürdigung sowie diesbezügliche Schlussfolgerungen sind nur insoweit revisibel, als Verstöße gegen die Verfahrensordnung, gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze vorliegen. Solche Verstöße sind im Streitfall nicht erkennbar. Die aus den vorliegenden Gesamtumständen gewonnene Überzeugung des FG, dass die Klägerin ihren Lebensmittelpunkt an den Beschäftigungsort verlagert hat, ist angesichts der Tatsache, dass sie dort mit ihrem Ehemann eine familiengerechte Wohnung nutzt, nicht nur möglich und vertretbar, sondern naheliegend.
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2. Die Zulassung der Revision kann auch nicht auf einen Verfahrensmangel gestützt werden.
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a) Soweit das FG davon abgesehen hat, das im Schriftsatz der Klägerin vom 9. März 2011 beantragte Sachverständigengutachten einzuholen, ist ihm kein Verfahrensfehler unterlaufen. Abgesehen davon, dass die Einholung von Sachverständigengutachten im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts steht (BFH-Beschluss vom 30. September 1998 X B 28, 29/98, BFH/NV 1999, 491), war das beantragte Gutachten nicht geeignet, den erforderlichen Beweis zu erbringen. Nach der Rechtsauffassung des FG war u.a. die Häufigkeit und Dauer des Aufenthalts der Klägerin in X im Rahmen der angesprochenen Gesamtwürdigung von Bedeutung. Aus den vom FG in der angefochtenen Entscheidung genannten Gründen sind jedoch die vorgelegten, den Wasser- und Erdgasverbrauch betreffenden Abrechnungen nicht geeignet, den Umfang des Aufenthalts der Klägerin in X zu dokumentieren. Das FG konnte davon ausgehen, dass auch ein Sachverständiger zu entsprechenden Angaben außerstande ist.
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Unter diesen Voraussetzungen konnte das FG von der beantragten Beweiserhebung absehen, ohne gegen § 76 Abs. 1 FGO zu verstoßen.
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b) Soweit die Klägerin rügt, das FG habe den in ihrem Schriftsatz vom 30. September 2010 gestellten Antrag auf Bestellung eines Sachverständigen unberücksichtigt gelassen, liegt keine Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch Übergehen eines Beweisantrags vor. Denn das Gericht ist nicht verpflichtet, einem unsubstantiierten Beweisantrag nachzugehen (Gräber/ Stapperfend, a.a.O., § 76 Rz 29). Um einen solchen handelt es sich hier.
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3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 2. Halbsatz FGO abgesehen.
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