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BFH 22.09.2011 - III R 30/08
BFH 22.09.2011 - III R 30/08 - (Bescheinigung über Zeiten der Ausbildungsuche nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a SGB VI als Nachweis für das ernsthafte Bemühen um einen Ausbildungsplatz)
Normen
§ 32 Abs 4 S 1 Nr 2 Buchst c EStG 2002, § 58 Abs 1 S 1 Nr 3a SGB 6, § 418 ZPO
Vorinstanz
vorgehend FG Köln, 13. März 2008, Az: 10 K 2174/07, Urteil
Leitsatz
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1. Einer von der Agentur für Arbeit für den Rentenversicherungsträger erstellten Bescheinigung über Anrechnungszeiten der Ausbildungsuche i.S. des § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a SGB VI kommt als öffentlicher Urkunde (§ 418 ZPO) hinsichtlich des darin vermerkten Tages der Anmeldung des Ausbildungsuchenden bei der Berufsberatung ein besonderer Beweiswert zu, der ggf. aber widerlegt werden kann (§ 418 Abs. 2 ZPO).
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2. Werden dem Rentenversicherungsträger mit der Meldung nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a SGB VI Zeiten der Ausbildungsuche pauschal bis zum 30. September eines Berichtsjahres bescheinigt, dient die Meldung im Bereich des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG grundsätzlich nur für drei Monate ab dem Tag der Anmeldung bei der Berufsberatung als Nachweis für das ernsthafte Bemühen des Kindes um einen Ausbildungsplatz.
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) bezog laufend Kindergeld für ihre im September 1986 geborene Tochter S. Im Schuljahr 2004/2005 besuchte S die 11. Klasse einer Gesamtschule. Ausweislich einer Schulbescheinigung sollte der Schulbesuch bis Juli 2007 dauern. Ende 2006 erfuhr die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse), dass S am 20. April 2005 vorzeitig von der Schule abgegangen war. Auf Nachfrage der Familienkasse nach anspruchsbegründenden Ausbildungsnachweisen ab Mai 2005 übersandte die Klägerin ein Schreiben der Bundesagentur für Arbeit, Agentur für Arbeit G, vom 30. April 2006, mit dem diese sich wegen der "Meldung beitragsfreier Zeiten an die Rentenversicherung; Beendigungsmeldung für die Ausbildungsuche bei einer deutschen Agentur für Arbeit" an S gewandt hatte. In diesem Schreiben war aufgeführt, für den Meldezeitraum 2005 sei die Zeit vom 27. April 2005 bis zum 30. September 2005 nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) --Ausbildungsuche bei einer deutschen Agentur für Arbeit-- zu melden. Nachdem die Klägerin keine weiteren Unterlagen vorlegte, hob die Familienkasse die Festsetzung des Kindergeldes ab Mai 2005 auf und forderte das bis August 2006 überzahlte Kindergeld zurück. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
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Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit Urteil vom 13. März 2008 10 K 2174/07 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1043) hinsichtlich der Monate Mai bis September 2005 statt. Es war der Ansicht, die Erfüllung des Tatbestandes des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c des Einkommensteuergesetzes in der für das Jahr 2005 geltenden Fassung (EStG) ergebe sich bereits aus der an S gerichteten Aufforderung, dem Rentenversicherer den Zeitraum vom 27. April 2005 bis 30. September 2005 mit dem Grund "Ausbildungsuche bei einer deutschen Agentur für Arbeit (§ 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a SGB VI)" zu melden. Dieses Schreiben begründe die Vermutung der Ausbildungsplatzsuche bis zum 30. September 2005 mit der Folge einer Beweislastumkehr zulasten der Familienkasse.
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Mit der Revision rügt die Familienkasse, das FG habe § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG unzutreffend ausgelegt. Aufgrund der bis April 2006 erfolgten Pauschalierung in den Meldedaten sei die für den Rentenversicherungsträger bestimmte Bescheinigung nicht geeignet, den Berücksichtigungstatbestand nachzuweisen.
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Die Familienkasse beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als für die Monate Mai bis September 2005 die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für S aufgehoben wurde und auch diesen Teil der Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
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Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist wegen Kindergeld für August und September 2005 begründet. Sie führt insoweit zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Das FG hat für diese Monate zu Unrecht einen Anspruch der Klägerin auf Kindergeld bejaht. Für die Vormonate Mai bis Juli 2005 ist die Revision dagegen unbegründet und insoweit zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
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1. Nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG besteht für ein über 18 Jahre altes Kind, das das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, Anspruch auf Kindergeld, wenn es eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann. Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 19. Juni 2008 III R 66/05 (BFHE 222, 343, BStBl II 2009, 1005) dargelegt, wie diese Voraussetzungen nachzuweisen oder glaubhaft zu machen sind.
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a) Nach ständiger Rechtsprechung erfordert die Berücksichtigung eines Kindes gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG, dass sich dieses ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht (Senatsurteil in BFHE 222, 343, BStBl II 2009, 1005, m.w.N.).
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b) Das Bemühen um einen Ausbildungsplatz ist glaubhaft zu machen. Pauschale Angaben, das Kind sei im fraglichen Zeitraum ausbildungsbereit gewesen, es habe sich ständig um einen Ausbildungsplatz bemüht oder sei stets bei der Agentur für Arbeit als ausbildungsuchend gemeldet gewesen, reichen nicht aus. Um einer missbräuchlichen Inanspruchnahme des Kindergeldes entgegen zu wirken, muss sich die Ausbildungsbereitschaft des Kindes durch belegbare Bemühungen um einen Ausbildungsplatz objektiviert haben (Senatsurteil in BFHE 222, 343, BStBl II 2009, 1005, m.w.N.).
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Die Nachweise für die Ausbildungswilligkeit des Kindes und für sein Bemühen, einen Ausbildungsplatz zu finden, hat der Kindergeldberechtigte beizubringen. Die besondere Mitwirkungspflicht unter Einbeziehung des über 18 Jahre alten Kindes sieht § 68 Abs. 1 EStG ausdrücklich vor. Es liegt auch im Einflussbereich des Kindergeldberechtigten, Vorsorge für die Nachweise der Ausbildungswilligkeit des Kindes zu treffen (Senatsurteil in BFHE 222, 343, BStBl II 2009, 1005, m.w.N.).
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c) Nachgewiesen werden kann das ernsthafte Bemühen um einen Ausbildungsplatz z.B. durch eine Bescheinigung der Agentur für Arbeit, dass das Kind als Bewerber um eine berufliche Ausbildungsstelle registriert ist (Senatsurteil in BFHE 222, 343, BStBl II 2009, 1005, m.w.N.). Eine solche Registrierung gilt allerdings nicht zeitlich unbeschränkt als Nachweis, sondern ist in ihrer Wirkung auf drei Monate beschränkt (Senatsurteil in BFHE 222, 343, BStBl II 2009, 1005). Um seinen kindergeldrechtlichen Mitwirkungspflichten nachzukommen, muss sich das Kind nach Ablauf dieser Frist erneut als Ausbildungsuchender melden (vgl. Senatsurteile vom 17. Juli 2008 III R 95/07, BFH/NV 2009, 367; III R 106/07, BFH/NV 2009, 368). Der Registrierung des Kindes als Ausbildungsplatzsuchender kommt keine (echte) Tatbestandswirkung zu, sie gilt deshalb als Indiz für das Bemühen des Kindes um einen Ausbildungsplatz auch dann drei Monate fort, wenn die Agentur für Arbeit nach der --auch formlos möglichen-- Meldung des Kindes die Registrierung ohne Grund wieder löscht (Senatsurteil in BFH/NV 2009, 367). Eine positive Bescheinigung der Agentur über die Registrierung reicht in aller Regel als Nachweis der Ausbildungswilligkeit aus (Senatsurteile in BFHE 222, 343, BStBl II 2009, 1005, und in BFH/NV 2009, 368).
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d) Eine für den Rentenversicherungsträger bestimmte Bescheinigung von Zeiten der Ausbildungsuche gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a SGB VI ist allenfalls Nachweis dafür, dass das Kind sich zu Beginn des bescheinigten Zeitraums bei der Agentur für Arbeit als Ausbildungsuchender gemeldet hat, nicht jedoch dafür, dass es sich alle drei Monate erneut als Ausbildungsuchender gemeldet hat (Senatsurteil vom 3. März 2011 III R 58/09, BFH/NV 2011, 1127).
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e) Das FG hat die Entscheidung, ob sich das Kind ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht hat, unter Berücksichtigung der vorgenannten Beweisanzeichen zu treffen; ggf. ist das Kind anzuhören. Bei der Entscheidung handelt es sich um eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles, die durch den Bundesfinanzhof nur eingeschränkt überprüfbar ist (§ 118 Abs. 2 FGO).
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2. Unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze hat die Klägerin für die Monate August und September 2005 keinen Anspruch auf Kindergeld für S. Hinsichtlich der drei vorangehenden Monate Mai bis Juli 2005 konnte das FG demgegenüber einen Kindergeldanspruch der Klägerin in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise bejahen.
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a) Die Entscheidung des FG, S sei wegen ihrer Meldung bei der Berufsberatung der Agentur für Arbeit G am 27. April 2005 zunächst nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG zu berücksichtigen, ist nicht zu beanstanden. Zu diesem Ergebnis konnte das FG unter Heranziehung der von der Agentur für Arbeit G im Schreiben vom 30. April 2006 nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a SGB VI bescheinigten Anrechnungszeiten der S als Ausbildungsuchende bei einer deutschen Agentur für Arbeit und des Vortrags der Klägerin, S habe sich sofort ausbildungsplatzsuchend gemeldet, kommen. Die Meldung der Agentur für Arbeit an den Rentenversicherungsträger entfaltet zwar allein noch keine Rechtswirkungen, insbesondere bindet sie den Rentenversicherungsträger nicht, sondern dient nur dazu, Tatsachenmaterial für die spätere Entscheidung über die Anerkennung einer Anrechnungszeit an den Rentenversicherungsträger weiterzuleiten, der dann eigenverantwortlich entscheidet (Urteil des Bundessozialgerichts vom 9. Februar 1994 11 RAr 49/93, Arbeit und Beruf 1994, 286). Erst recht bindet sie nicht die Familienkasse, für die sie gar nicht bestimmt ist. Als öffentliche Urkunde (§ 418 der Zivilprozessordnung --ZPO--) kommt ihr jedoch hinsichtlich des bescheinigten Tages der Anmeldung des Ausbildungsuchenden bei der Berufsberatung ein besonderer Beweiswert zu, der allerdings auch widerlegt werden kann (§ 418 Abs. 2 ZPO). Die Behauptung der Familienkasse, S sei nach Abbruch ihrer Schulausbildung nicht als ausbildungsplatzsuchend registriert gewesen, reichte jedoch nicht aus, um den von der Agentur für Arbeit G bescheinigten Anmeldetag zu widerlegen, da der Registrierung keine (echte) Tatbestandswirkung zukommt, sondern allein die tatsächliche Meldung entscheidend ist (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 2009, 367).
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b) Zu Unrecht hat das FG der Bescheinigung jedoch eine bis zum 30. September 2005 fortdauernde Wirkung unterstellt. Die Meldungen der Agentur für Arbeit nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a SGB VI erstreckten sich in der Vergangenheit, insbesondere auch im Jahr 2005, auf den Zeitraum der Ausbildungsuche vom Tag der Anmeldung des Ausbildungsuchenden bei der Berufsberatung bis zum 30. September des jeweiligen Berichtsjahres; inzwischen wird auf die tatsächlichen Meldedaten abgestellt (Försterling in Ruland/ Försterling, GK-SGB VI, § 58 Rz 266).
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Die Meldung der S als Ausbildungsuchende vom 27. April 2005 konnte nach der Senatsrechtsprechung allenfalls bis einschließlich Juli 2005 Wirkung für einen Kindergeldanspruch nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG entfalten. Da das FG eine erneute Meldung der S bei der Berufsberatung in der Folgezeit nicht festgestellt und die Klägerin weitere Kontakte der Tochter mit der Agentur für Arbeit zu keiner Zeit vorgetragen hat, kommt eine Berücksichtigung als Kind ohne Ausbildungsplatz für die Monate August und September 2005 nicht in Betracht.
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