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BFH 04.08.2011 - III R 81/08
BFH 04.08.2011 - III R 81/08 - (Im Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 04.08.2011 III R 55/08 - Kindergeld für im Inland selbständig tätige polnische Staatsangehörige - Persönlicher, zeitlicher und sachlicher Geltungsbereich der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 - Zurückverweisung wegen Amtsermittlungspflicht des FG - Keine Bindung an Entscheidung einer ausländischen Behörde bei Auslegung von Vorschriften des Gemeinschaftsrechts)
Normen
§§ 62ff EStG 2002, § 62 EStG 2002, Art 1 Buchst a EWGV 1408/71, Art 2 Abs 1 EWGV 1408/71, Art 13 EWGV 1408/71, Art 76 EWGV 1408/71, Anh I Teil I Buchst E EWGV 1408/71, Art 10 EWGV 574/72, Art 1 Buchst u EWGV 1408/71, Art 13ff EWGV 1408/71, § 126 Abs 3 S 1 Nr 2 FGO, § 76 Abs 1 FGO, Art 4 Abs 1 Buchst h EWGV 1408/71
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 11. Juni 2008, Az: 5 K 2208/07, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Zum zeitlichen Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 und der VO Nr. 574/72 .
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2. NV: An die (ggf. fehlerhafte) Beurteilung einer ausländischen Behörde über die Anwendbarkeit der VO Nr. 1408/71 ist das FG nicht gebunden .
Tatbestand
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I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist polnischer Staatsangehöriger. Seine Ehefrau wohnt mit den gemeinsamen Kindern in Polen.
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Bis Januar 2007 war der Kläger in Polen selbständig tätig. Seither ist er als Unternehmer im Baugewerbe in Deutschland selbständig tätig und begründete in X-Stadt einen zweiten Wohnsitz. Er legte u.a. ein Schreiben in polnischer Sprache vor, bei dem es sich nach der von der Beklagten und Revisionsklägerin (Familienkasse) eingeholten Übersetzung um ein Schreiben der polnischen Sozialversicherung handele, in dem ausgeführt werde, dass der Kläger vom 5. Februar 2006 bis zum Tag des Schreibens, dem 21. Juni 2007, "Versicherungsleistungen zwecks Leitung einer Wirtschaftstätigkeit erhalten" habe.
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Die Familienkasse lehnte den Antrag des Klägers, ihm für die Kinder Kindergeld zu gewähren, im Mai 2007 ab. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies sie durch Einspruchsentscheidung vom 6. August 2007 als unbegründet zurück.
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Mit Urteil vom 11. Juni 2008 5 K 2208/07 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 194) hob das Finanzgericht (FG) den Ablehnungsbescheid und die Einspruchsentscheidung der Familienkasse auf und verpflichtete sie, über den Antrag des Klägers, ihm für die Kinder ab Januar 2007 Kindergeld zu gewähren, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Im Übrigen wies es die Klage ab.
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Mit ihrer Revision rügt die Familienkasse eine unzutreffende Auslegung der Art. 1, 2 und 13 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (VO Nr. 1408/71), in ihrer durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 --VO Nr. 118/97-- (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1997 Nr. L 28, S. 1) geänderten und aktualisierten Fassung, geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1791/2006 des Rates vom 20. November 2006 --VO Nr. 1791/2006-- (Amtsblatt der Europäischen Union --ABlEU-- 2006 Nr. L 363, S. 1).
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Die Familienkasse beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
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Er trägt im Wesentlichen vor, er sei in Polen pflichtversichert, da es für einen polnischen Staatsangehörigen nicht möglich sei, ein Geschäft oder eine sonstige Tätigkeit in Polen oder in einem anderen Staat der Europäischen Union (EU) auszuüben, ohne dort versichert zu sein. In Polen werde für seine Kinder kein Kindergeld gezahlt, weil er, der Kläger, ausschließlich in Deutschland tätig sei. Er unterfalle nicht dem persönlichen Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71. Die von der Familienkasse aufgeworfene Frage, ob ein polnischer Staatsangehöriger, der im Inland einer selbständigen Tätigkeit nachgehe und einen Antrag auf Kindergeld gestellt habe, dann nicht dem persönlichen Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 unterfalle, wenn er wegen dieser Tätigkeit im Inland nicht der Versicherungspflicht in der deutschen Sozialversicherung unterliege, betreffe die Auslegung der VO Nr. 1408/71 und sei daher vom Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zu klären.
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Selbst wenn man davon ausgehe, dass er, der Kläger, vom persönlichen Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 erfasst werde, seien auf ihn nach deren Art. 13 Abs. 2 Buchst. b die deutschen Rechtsvorschriften anzuwenden, denn er übe seine selbständige Tätigkeit ausschließlich in Deutschland aus. Wenn der Normgeber tatsächlich, wie die Familienkasse meine, hätte vermeiden wollen, dass eine Person den Sozialversicherungssystemen bzw. Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten unterliege, hätte er nicht an die jeweilige Ausübung der Tätigkeit in einem Mitgliedstaat anknüpfen dürfen. Die VO Nr. 1408/71 solle verhindern, dass eine Person unverdient Doppelleistungen in Anspruch nehme, andererseits aber sicherstellen, dass sie ihr zweifellos zustehende Leistungen jedenfalls von einem Mitgliedstaat erhalte. Letzteres unterbleibe in seinem Fall jedoch.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision der Familienkasse ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
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1. In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise geht das FG zwar davon aus, dass der Kläger i.S. des § 62 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung (EStG) im Inland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat und dass einer Berücksichtigung seiner Kinder nach § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG nicht entgegensteht, dass diese in Polen leben. Dem Urteil des FG lässt sich allerdings nicht entnehmen, ob die Kinder auch die weiteren Voraussetzungen erfüllen, die für ihre Berücksichtigung nach § 63 Abs. 1 Sätze 1 und 2 i.V.m. § 32 Abs. 3 bis 5 EStG erforderlich sind.
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Nicht gefolgt werden kann dem FG darüber hinaus insoweit, als es davon ausgeht, dass ein Anspruch des Klägers nach den §§ 62 f. EStG allenfalls nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, nicht aber auch nach den vorrangigen Bestimmungen der VO Nr. 1408/71 ausgeschlossen sein könnte. Die bisherigen Feststellungen des FG ermöglichen allerdings keine abschließende Entscheidung dazu, ob der Kläger vom persönlichen Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 erfasst wird und welches Recht in diesem Fall auf ihn anzuwenden wäre.
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2. Ein Anspruch des Klägers auf Kindergeld nach den §§ 62 f. EStG könnte durch die VO Nr. 1408/71 und die Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung Nr. 1408/71 (VO Nr. 574/72) in ihrer durch die VO Nr. 118/97 geänderten und aktualisierten Fassung, geändert durch die VO Nr. 1791/2006, ausgeschlossen sein.
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a) Auf den Streitfall sind noch diese Verordnungen anzuwenden. Die VO Nr. 1408/71 wurde zwar ersetzt durch die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit --VO Nr. 883/2004-- (ABlEU 2004 Nr. L 166, S. 1). Letztere gilt jedoch nach ihrem Art. 91 Abs. 2 erst ab dem Tag des Inkrafttretens der zu ihrer Durchführung erlassenen Verordnung. Diese --die Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der VO Nr. 883/2004 --VO Nr. 987/2009-- (ABlEU 2009 Nr. L 284, S. 1)-- trat nach ihrem Art. 97 Satz 2 erst am 1. Mai 2010 in Kraft. Die VO Nr. 574/72 wurde nach Art. 96 Abs. 1 der VO Nr. 987/2009 erst mit Wirkung vom 1. Mai 2010 aufgehoben. Für den Streitfall gelten demnach noch die VO Nr. 1408/71 und die hierzu ergangene VO Nr. 574/72.
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b) Als Familienleistung i.S. des Art. 1 Buchst. u Ziff. i der VO Nr. 1408/71 unterfällt das Kindergeld nach den §§ 62 ff. EStG gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchst. h der VO Nr. 1408/71 ihrem sachlichen Geltungsbereich (z.B. EuGH-Urteil vom 14. Oktober 2010 C-16/09, Schwemmer, Zeitschrift für europäisches Sozial- und Arbeitsrecht --ZESAR-- 2011, 86 Rdnr. 33).
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c) Die bisherigen Feststellungen des FG reichen jedoch nicht aus, um beurteilen zu können, ob der Kläger auch dem persönlichen Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 unterfällt.
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aa) Der persönliche Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 wird im Rahmen der allgemeinen Vorschriften des Titels I in Art. 2 der VO Nr. 1408/71 festgelegt. Nach ihrem Art. 2 Abs. 1 gilt die Verordnung insbesondere für Arbeitnehmer und Selbständige, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, soweit sie Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind, sowie für deren Familienangehörige und Hinterbliebene.
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Die in dieser Vorschrift verwendeten Begriffe "Arbeitnehmer" und "Selbständiger" werden in Art. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 definiert. Sie bezeichnen jede Person, die im Rahmen eines der in Art. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 aufgeführten Systeme der sozialen Sicherheit gegen die in dieser Vorschrift angegebenen Risiken unter den dort genannten Voraussetzungen versichert ist. Eine Person besitzt somit z.B. die Arbeitnehmereigenschaft i.S. der VO Nr. 1408/71, wenn sie auch nur gegen ein einziges Risiko im Rahmen eines der in Art. 1 Buchst. a dieser Verordnung genannten allgemeinen oder besonderen Systeme der sozialen Sicherheit pflichtversichert oder freiwillig versichert ist, und zwar unabhängig vom Bestehen eines Arbeitsverhältnisses (z.B. EuGH-Urteile vom 7. Juni 2005 C-543/03, Dodl und Oberhollenzer, Slg. 2005, I-5049 Rdnrn. 29 ff.; vom 10. März 2011 C-516/09, Borger, Europäische Zeitung für Wirtschaftsrecht 2011, 436 Rdnrn. 28 ff.). Es ist nicht die tatsächliche Ausübung der Tätigkeit maßgeblich, sondern der Versichertenstatus (Helmke in Helmke/Bauer, Familienleistungsausgleich, Kommentar, Fach D, I. Kommentierung, Art. 72 der VO Nr. 1408/71 Rz 5). Die VO Nr. 1408/71 soll also grundsätzlich für alle Personen gelten, die im Rahmen der für Arbeitnehmer und Selbständige bereitgestellten Systeme sozialer Sicherheit oder aufgrund der Ausübung einer Arbeitnehmer- oder Selbständigentätigkeit versichert sind (vgl. ihren Erwägungsgrund Nr. 3).
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bb) Für die Frage, ob der persönliche Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 eröffnet ist, kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer bzw. Selbständige auch die Voraussetzungen erfüllt, die in ihrem Anhang I Teil I Buchst. E aufgeführt sind. Denn die in dieser Bestimmung enthaltenen Einschränkungen gelten, wie sich bereits aus dem Wortlaut der Bestimmung ergibt ("Ist ein deutscher Träger der zuständige Träger für die Gewährung der Familienleistungen gemäß Titel III Kapitel 7 der Verordnung, ..."), nur für die Vorschriften des Titels III Kapitel 7 der VO Nr. 1408/71, d.h. bei Anwendung ihrer Art. 72 ff. (z.B. EuGH-Urteile vom 12. Mai 1998 C-85/96, Martinez Sala, Slg. 1998, I-2691 Rdnrn. 35 ff., 43 f., und vom 4. Mai 1999 C-262/96, Sürül, Slg. 1999, I-2685 Rdnrn. 89 ff.; ferner EuGH-Urteile vom 30. Januar 1997 C-4/95 und C-5/95, Stöber und Pereira, Slg. 1997, I-511 Rdnrn. 26 ff.; vom 12. Juni 1997 C-266/95, Garcia, Slg. 1997, I-3279 Rdnrn. 21 ff., und vom 5. März 1998 C-194/96, Kulzer, Slg. 1998, I-895 Rdnrn. 35 f., jeweils zu Art. 73 der VO Nr. 1408/71; ferner EuGH-Urteil Schwemmer in ZESAR 2011, 86 Rdnr. 34; Vorlagebeschluss des Senats vom 30. Oktober 2008 III R 92/07, BFHE 223, 358, BStBl II 2009, 923 Rz 16 ff.). Das setzt voraus, dass die Eröffnung des persönlichen Geltungsbereichs nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 bereits bejaht wurde.
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Sollte sich dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 13. August 2002 VIII R 54/00 (BFHE 200, 204, BStBl II 2004, 869) zum Anwendungsbereich des Anhangs I Teil I Buchst. D (zuletzt Buchst. E) der VO Nr. 1408/71 etwas anderes entnehmen lassen, könnte der Senat dem aus den oben dargelegten Gründen nicht folgen. Eine Anfrage beim VIII. Senat wäre schon deshalb nicht erforderlich, weil dieser Senat nach dem Geschäftsverteilungsplan des BFH für Fragen betreffend Kindergeld (§§ 62 bis 78 EStG) nicht mehr zuständig ist.
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cc) Erforderlich, aber auch ausreichend für die Eröffnung des persönlichen Geltungsbereichs der VO Nr. 1408/71 ist, dass eine Person nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 in irgendeinem der von ihrem sachlichen Geltungsbereich erfassten Zweige der sozialen Sicherheit in irgendeinem Mitgliedstaat der EU versichert ist. Dass eine Person die Voraussetzungen des Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 in Bezug auf ihre in Deutschland ausgeübte Tätigkeit nicht erfüllt, bedeutet daher noch nicht, dass sie dem persönlichen Geltungsbereich dieser Verordnung nicht unterfällt, denn dieser kann aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu dem System der sozialen Sicherheit eines anderen Mitgliedstaats eröffnet sein.
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Die VO Nr. 1408/71 gilt personen- und nicht tätigkeitsbezogen. Ihr Ziel ist die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit. Für Arbeitnehmer und Selbständige, die innerhalb der EU zu- und abwandern, soll jeweils das System der sozialen Sicherheit nur eines Mitgliedstaats gelten, so dass eine Kumulierung anzuwendender innerstaatlicher Rechtsvorschriften und die sich daraus möglicherweise ergebenden Komplikationen vermieden werden (vgl. ihren Erwägungsgrund Nr. 8). Um dieses Ziel zu erreichen, ist daher in einem ersten Schritt zu ermitteln, ob eine Person die Versicherteneigenschaft nach den für die soziale Sicherheit geltenden Rechtsvorschriften (irgend) eines, ggf. auch mehrerer, Mitgliedstaaten besitzt (vgl. auch EuGH-Urteil Sürül in Slg. 1999, I-2685 Rdnr. 85). Ist danach der persönliche Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 für eine Person eröffnet, ist in einem zweiten Schritt das auf sie anzuwendende Recht nach den Art. 13 ff. der VO Nr. 1408/71 zu ermitteln. Einer Vorlage an den EuGH bedarf es angesichts des insoweit eindeutigen Wortlauts insbesondere des Art. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 und der bereits ergangenen Entscheidungen des EuGH zu ihrem persönlichen Geltungsbereich nicht.
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dd) Bezogen auf den vorliegenden Fall ist daher zunächst zu prüfen, ob der Kläger in Polen und/oder in Deutschland als Arbeitnehmer und/oder Selbständiger i.S. des Art. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 gilt.
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(1) Da der Kläger in Bezug auf seine in Deutschland ausgeübte Tätigkeit hier nicht versicherungspflichtig und auch nicht versichert ist, gilt er insoweit nicht als Arbeitnehmer bzw. Selbständiger i.S. des Art. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71. Wie dargelegt, reicht es für die Eröffnung des persönlichen Geltungsbereichs der VO Nr. 1408/71 jedoch aus, wenn der Kläger in irgendeinem Mitgliedstaat der EU als Arbeitnehmer oder Selbständiger i.S. ihres Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Buchst. a gilt.
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(2) Die bisherigen Feststellungen des FG ermöglichen jedoch keine Beurteilung, ob der Kläger wegen einer Mitgliedschaft im polnischen System der sozialen Sicherheit als Arbeitnehmer bzw. Selbständiger i.S. des Art. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 anzusehen ist.
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In seinem Tatbestand nimmt das FG Bezug auf ein Schreiben der Zaklad Ubezpieczen Spolecznych (ZUS), der polnischen Sozialversicherungsanstalt, vom 21. Juni 2007. Den genauen Inhalt dieser Bescheinigung hat das FG bislang nicht festgestellt. Eigenen Angaben des Klägers zufolge wird darin nicht bescheinigt, dass er, wie es in der von der Familienkasse eingeholten Übersetzung des Schreibens heißt, seit dem 5. Februar 2006 "Versicherungsleistungen zwecks Leitung einer Wirtschaftstätigkeit erhalten" habe, sondern dass er seit dem 5. Februar 2006 in der polnischen Sozialversicherung versichert sei und Beiträge zur Kranken-, Alters- und Berufsunfähigkeitsversicherung zahle.
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Um beurteilen zu können, ob und ggf. in welchem Umfang der Kläger im Streitzeitraum Mitglied des polnischen Systems der sozialen Sicherheit war und ob er deshalb als Arbeitnehmer bzw. Selbständiger i.S. des Art. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 gilt, sind daher Feststellungen zum polnischen System der sozialen Sicherheit und zum konkreten Versichertenstatus des Klägers im Rahmen dieses Systems erforderlich. Dabei ist insbesondere auch zu ermitteln, ob es sich bei der Versicherung des Klägers um eine Pflichtversicherung oder um eine freiwillige (ggf. Weiter-)Versicherung handelt.
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3. Sollten die noch erforderlichen Ermittlungen des FG ergeben, dass der Kläger vom persönlichen Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 erfasst ist, ist das auf ihn anzuwendende Recht nach den Vorschriften des Titels II dieser Verordnung (Art. 13 ff.) zu bestimmen.
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a) Soweit es nach den Art. 13 ff. der VO Nr. 1408/71 darauf ankommt, in welchem Mitgliedstaat die abhängige Beschäftigung bzw. die selbständige Tätigkeit ausgeübt wird (so z.B. in Art. 13 Abs. 2 Buchst. a und b der VO Nr. 1408/71), bestimmt sich dies entgegen der Auffassung der Familienkasse grundsätzlich nicht danach, in welchem Land die Versicherung besteht, sondern --entsprechend dem insoweit eindeutigen Wortlaut der jeweiligen Bestimmung-- danach, in welchem Mitgliedstaat die Person abhängig beschäftigt ist bzw. eine selbständige Tätigkeit ausübt.
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Anzuknüpfen ist dabei allerdings nur an diejenige(n) Tätigkeit(en), hinsichtlich derer die betreffende Person als Arbeitnehmer bzw. Selbständiger i.S. des Art. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 gilt. Die Vorschriften des Titels II der VO Nr. 1408/71 beziehen sich zwar ihrem Wortlaut nach auf Personen, die abhängig beschäftigt sind bzw. eine selbständige Tätigkeit ausüben, und nicht auf Arbeitnehmer oder Selbständige. Eine kohärente Auslegung des persönlichen Geltungsbereichs dieser Verordnung und des durch sie geschaffenen Systems von Kollisionsregeln gebietet es aber, die fraglichen Begriffe des Titels II dieser Verordnung im Lichte der Definitionen ihres Art. 1 Buchst. a auszulegen (vgl. EuGH-Urteil vom 30. Januar 1997 C-221/95, Hervein, Slg. 1997, I-609 Rdnr. 19 f.). Für den Kläger kann sich die Anwendung der deutschen Rechtsvorschriften daher nicht aus Art. 13 Abs. 2 Buchst. b der VO Nr. 1408/71 ergeben, denn hinsichtlich seiner in Deutschland ausgeübten Tätigkeit gilt er nicht als Selbständiger i.S. des Art. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71.
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b) Sollte die Prüfung der Art. 13 ff. der VO Nr. 1408/71 gleichwohl ergeben, dass auf den Kläger deutsche Rechtsvorschriften anzuwenden sind, müsste --neben der Frage, ob die Kinder des Klägers auch die Voraussetzungen nach § 63 Abs. 1 Sätze 1 und 2 i.V.m. § 32 Abs. 3 bis 5 EStG erfüllen-- noch geklärt werden, ob und ggf. für welche Monate des Streitzeitraums für die Kinder in Polen ein Anspruch auf Familienleistungen bestand. Soweit ein solcher Anspruch bestand, wäre die dann gegebene Anspruchskumulierung nach den Antikumulierungsvorschriften der VO Nr. 1408/71 bzw. der VO Nr. 574/72 zu klären. Dabei wären bei Anwendung des Art. 76 der VO Nr. 1408/71 bzw. des Art. 10 der VO Nr. 574/72 die Einschränkungen des Anhangs I Teil I Buchst. E der VO Nr. 1408/71 zu berücksichtigen.
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c) Sollten nach den Bestimmungen der Art. 13 ff. der VO Nr. 1408/71 die deutschen Rechtsvorschriften nicht anzuwenden sein, stellte sich die Frage, ob Deutschland als der nach der VO Nr. 1408/71 dann nicht zuständige Mitgliedstaat gleichwohl befugt wäre, Kindergeld nach den §§ 62 ff. EStG zu zahlen, und ob in einem solchen Fall der Anwendung des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG unionsrechtliche Vorschriften entgegenstünden. Insoweit handelte es sich um die gleichen Fragestellungen, die bereits Gegenstand der Vorabentscheidungsersuchen des Senats vom 21. Oktober 2010 III R 5/09 (BFHE 231, 183) und III R 35/10 (BFHE 231, 194) sind, so dass eine Aussetzung des finanzgerichtlichen Verfahrens bis zur Entscheidung des EuGH in den bei diesem anhängigen Verfahren C-611/10 und C-612/10 in Betracht kommen könnte.
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4. Sollte der persönliche Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 für den Kläger nicht eröffnet sein, richtete sich sein Kindergeldanspruch allein nach den §§ 62 ff. EStG. Insoweit wäre, worauf das FG bereits selbst hingewiesen hat, insbesondere noch zu klären, ob und ggf. für welche Monate des Streitzeitraums für die Kinder des Klägers in Polen ein Anspruch auf Familienleistungen bestand, der einen Anspruch des Klägers auf deutsches Kindergeld nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ausschließen würde. Dabei wäre das FG an die ggf. fehlerhafte Beurteilung einer polnischen Behörde über die Anwendbarkeit der VO Nr. 1408/71 nicht gebunden (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2002, 1581, unter II.1.). Zudem müsste noch ermittelt werden, ob die Kinder des Klägers auch die Voraussetzungen nach § 63 Abs. 1 Sätze 1 und 2 i.V.m. § 32 Abs. 3 bis 5 EStG erfüllen.
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5. Die Streitsache wird nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO an das FG zurückverwiesen. Soweit der Senat sich in seinem Urteil vom 2. Juni 2005 III R 66/04 (BFHE 210, 265, BStBl II 2006, 184; vgl. ferner Senatsurteil vom 24. Februar 2010 III R 73/07, BFH/NV 2010, 1429) an einer entsprechenden Zurückverweisung an das FG gehindert sah, weil das FG --auch bei rechtlich gebundenen Entscheidungen-- von der Verwaltung bisher noch nicht geprüfte Sachverhalte nicht aufgreifen und durch eigene Ermittlungen klären dürfe, hält er daran im Hinblick auf die Amtsermittlungspflicht des FG (§ 76 Abs. 1 FGO) nicht mehr fest.
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