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BFH 19.05.2011 - III R 41/09
BFH 19.05.2011 - III R 41/09 - Kein Abzug von Beiträgen des Kindes zur VBL-Pflichtversicherung im Rahmen der Grenzbetragsprüfung
Normen
§ 32 Abs 4 S 2 EStG 2002, Art 3 Abs 1 GG, § 2 EStG 2002
Vorinstanz
vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 12. Mai 2009, Az: 5 K 1239/06 (Kg), Urteil
Leitsatz
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NV: Beiträge eines gesetzlich rentenversicherten Kindes zur tarifvertraglich vorgesehenen VBL-Pflichtversicherung sind bei der Grenzbetragsprüfung nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht von dessen Einkünften und Bezügen abzuziehen .
Tatbestand
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I. Die im Jahr 1983 geborene Tochter der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wurde im Streitjahr --2004-- von einer kommunalen Gebietskörperschaft zur Kauffrau für Bürokommunikation ausgebildet. Während der Ausbildung, die bis zum 31. August 2006 dauern sollte, war sie Mitglied der gesetzlichen Rentenversicherung. Aufgrund des § 25 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst in Verbindung mit weiteren tarifvertraglichen Regelungen hatte sie Anspruch auf Versicherung zum Zwecke einer zusätzlichen Altersversorgung. Die Entgeltabrechnung des Arbeitgebers weist neben der Grundvergütung für Auszubildende auch die an die Zusatzversorgungskasse abgeführte Umlage in Höhe von 464,90 € aus.
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Die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) lehnte die Festsetzung von Kindergeld ab, weil die Einkünfte der Tochter den für das Streitjahr geltenden Jahresgrenzbetrag in Höhe von 7.680 € überschritten hätten. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
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Das Finanzgericht (FG) errechnete Einkünfte und Bezüge der Tochter in Höhe von 7.952,40 € und wies daher die Klage ab. Es entschied, die vom Arbeitsentgelt der Beschäftigten einzubehaltenden Umlagebeiträge beruhten auf Vereinbarungen der Tarifparteien und seien der Tochter zugeflossen. Sie könnten auch nicht von den Einkünften abgezogen werden, denn sie seien nicht mit den Beiträgen zur gesetzlichen Sozialversicherung vergleichbar. Die Tochter habe sich der Beitragspflicht zwar nicht entziehen können, dafür aber Ansprüche auf eine über die gesetzliche Mindestversorgung hinausgehende Altersversorgung erhalten.
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Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer Revision vor, die Beiträge zur Zusatzversorgungskasse seien den Beiträgen zur gesetzlichen Sozialversicherung gleichzusetzen.
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Die Klägerin beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und die Familienkasse unter Aufhebung ihres Ablehnungsbescheides vom 9. November 2005 und der Einspruchsentscheidung vom 9. Juni 2006 zu verpflichten, Kindergeld für ihre Tochter für das Jahr 2004 festzusetzen.
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Die Familienkasse beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet und zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
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1. Nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr 2004 geltenden Fassung (EStG) besteht für ein volljähriges Kind Anspruch auf Kindergeld, wenn das Kind Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 7.680 € im Kalenderjahr hat.
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2. Der Begriff der Einkünfte i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG entspricht dem in § 2 Abs. 2 EStG gesetzlich definierten Begriff und ist je nach Einkunftsart als Gewinn oder als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu verstehen. Erzielt das Kind --wie im Streitfall-- Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, sind daher von den Bruttoeinnahmen die Werbungskosten abzuziehen (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsurteil vom 29. Mai 2008 III R 33/06, BFH/NV 2008, 1664).
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Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- (Beschluss vom 11. Januar 2005 2 BvR 167/02, BVerfGE 112, 164, BFH/NV 2005, Beilage 3, 260) verstößt jedoch die Berücksichtigung der --einkommensteuerrechtlich den Sonderausgaben zuzurechnenden-- Sozialversicherungsbeiträge als Einkünfte des Kindes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), weil Eltern mit sozialversicherungspflichtigen Kindern, deren Einkünfte und Bezüge den Jahresgrenzbetrag nur wegen der als Einkünfte behandelten Sozialversicherungsbeiträge überschritten, gegenüber Eltern mit nicht sozialversicherungspflichtigen Kindern benachteiligt seien, deren Einkünfte und Bezüge den Jahresgrenzbetrag nicht überstiegen. Daher seien im Wege verfassungskonformer Auslegung des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG Einkünfte --ebenso wie die Bezüge-- nur zu berücksichtigen, soweit sie zur Bestreitung des Unterhalts und der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet seien. Offen bleiben könne, "in welchen Fällen der Relativsatz im Einzelfall auf Einkünfte anzuwenden" sei. Jedenfalls seien diejenigen Beträge, die --wie die gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge-- "von Gesetzes" wegen dem Einkünfte erzielenden Kind oder dessen Eltern nicht für den Unterhalt zur Verfügung stünden und deshalb die Eltern finanziell nicht entlasten könnten, nicht als Einkünfte anzusetzen.
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Daher ist jeweils im Einzelfall zu prüfen, welche Teile der Einkünfte i.S. des § 2 Abs. 2 EStG wegen eines sonst vorliegenden Grundrechtsverstoßes im Wege verfassungskonformer Einschränkung nicht angesetzt werden dürfen.
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3. Bei den Umlagezahlungen zur Zusatzversorgungskasse handelt es sich um zugeflossenen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 EStG) Arbeitslohn, der nicht gemäß § 3 Nr. 62 EStG oder § 3 Nr. 63 EStG steuerfrei ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7. Mai 2009 VI R 8/07, BFHE 225, 68, BStBl II 2010, 194, betr. VBL-Beiträge).
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4. Beiträge an die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) für die sog. VBL-Pflichtversicherung mindern, wie der Senat bereits mit Urteil vom 17. Juni 2010 III R 59/09 (BFHE 230, 142, BStBl II 2011, 121) entschieden hat, die Bemessungsgröße des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht, wenn das Kind in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert ist. Die Einbeziehung der VBL-Pflichtversicherungsbeiträge in die Bemessungsgröße für den Jahresgrenzbetrag (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG) verstößt dann nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest; sie gilt auch für die streitgegenständlichen Beiträge an die Zusatzversorgungskasse.
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a) Eine gesetzliche Versicherungspflicht bei der Zusatzversorgungskasse bzw. eine gesetzliche Verpflichtung zur Entrichtung von Beiträgen für die zusätzliche Altersversorgung besteht nicht. Für die Entscheidung, ob Einkünfte dem Kind von Gesetzes wegen nicht zur Verfügung stehen, ist maßgeblich, ob sich das Kind der Zahlung aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung nicht entziehen kann. Nicht entscheidend ist, ob die fraglichen Beträge vom Arbeitgeber einzubehalten sind (Senatsurteil vom 16. November 2006 III R 74/05, BFHE 216, 69, BStBl II 2007, 527, betr. Beiträge zur freiwilligen gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung).
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Im Streitfall beruhen die Versicherungspflicht und damit auch die Entrichtung der Beiträge nicht auf einer gesetzlichen Verpflichtung, sondern auf tarifvertraglichen Vorschriften. Diese Tarifvereinbarungen werden im Interesse der Beschäftigten ausgehandelt, so dass die Tochter der Klägerin sie sich zurechnen lassen muss.
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b) Die Versicherungsbeiträge zur Zusatzversorgungskasse waren auch nicht unvermeidbar wie z.B. Aufwendungen für einen existenziell notwendigen Versicherungsschutz, der zur Absicherung gegen existenzgefährdende Wechselfälle des Lebens dient (vgl. Senatsurteil vom 14. Dezember 2006 III R 24/06, BFHE 216, 225, BStBl II 2007, 530, betr. Beiträge zu einer privaten Kranken- und Pflegeversicherung).
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Die durch die Zusatzversorgungskasse gewährte Altersversorgung ist eine gegenüber der gesetzlichen Rentenversicherung zusätzliche Absicherung. Ihre Leistungen bestehen nach den Feststellungen des FG in der Zahlung von Alters- und Erwerbsminderungsrente. Die Zusatzversorgungskasse deckt also im Grundsatz dieselben Risiken ab wie die gesetzliche Rentenversicherung.
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c) Auch nach den zivilrechtlichen Unterhaltsregelungen sind Eltern, deren Kinder sich in Ausbildung befinden, nicht verpflichtet, die Kosten für die Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenvorsorge zu zahlen. Eine solche über das gesetzliche Maß hinausgehende Vorsorge gehört nicht zum Lebensbedarf des Kindes i.S. des § 1610 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (vgl. die Nachweise im Senatsurteil in BFHE 230, 142, BStBl II 2011, 121).
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d) Nur durch die Einbeziehung der Umlage an die Zusatzversorgungskasse in die Bemessungsgröße für den Jahresgrenzbetrag (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG) wird eine mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbare Ungleichbehandlung mit den Fällen vermieden, in denen sich das Kind in Berufsausbildung befindet, in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert ist und sich --unabhängig von einer tarifvertraglichen Vorschrift-- zusätzlich privat gegen dieselben Risiken versichert, wie sie die Zusatzversorgungskasse abdeckt. Die Beiträge zu einer derartigen privaten Rentenversicherung sind bei der Prüfung, ob die Einkünfte und Bezüge des Kindes den Jahresgrenzbetrag überschreiten, nicht abziehbar (Senatsurteil vom 26. September 2007 III R 4/07, BFHE 219, 112, BStBl II 2008, 738). Wenn für die Abziehbarkeit von Rentenversicherungsbeiträgen im Ergebnis allein der Inhalt des betreffenden Tarifvertrags maßgeblich wäre, würden Eltern ungerechtfertigt benachteiligt, deren Kinder ohne eine entsprechende tarifvertragliche Vorschrift eine private Altersvorsorge treffen.
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