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BFH 25.11.2010 - III R 111/07
BFH 25.11.2010 - III R 111/07 - Verfassungsmäßigkeit des Ausbildungsfreibetrags
Normen
§ 13 BAföG, § 32 Abs 6 EStG 2002, § 33a Abs 2 EStG 2002
Vorinstanz
vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 15. November 2007, Az: 4 K 17/05, Urteil
Leitsatz
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Die Frage, ob der Mehrbedarf für ein auswärtig zu Ausbildungszwecken untergebrachtes, volljähriges Kind in ausreichendem Maße steuerlich berücksichtigt wird, ist nicht isoliert am Maßstab des Ausbildungsfreibetrags nach § 33a Abs. 2 EStG zu prüfen. Die Prüfung der Verfassungskonformität ist vielmehr unter Zusammenrechnung der Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG sowie des Freibetrags nach § 33a Abs. 2 EStG vorzunehmen (Anschluss an das BFH-Urteil vom 17. Dezember 2009 VI R 63/08, BFHE 227, 487, BStBl II 2010, 341) .
Tatbestand
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I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute. Ihre im Jahr 1981 geborene Tochter studierte auswärts an der Universität X, ihr im Jahr 1990 geborener Sohn lebte im gemeinsamen Haushalt. Die Kläger bezogen für beide Kinder Kindergeld. Bei der Einkommensteuerveranlagung 2003 wurden keine Freibeträge nach § 32 Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung des Streitjahres 2003 (EStG) angesetzt, da die Vergleichsrechnung nach § 31 EStG ergab, dass das Kindergeld für die Kläger vorteilhafter war. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid vom 17. Mai 2004 wegen der auswärtigen Unterbringung der Tochter einen Betrag nach § 33a Abs. 2 EStG von 924 €.
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Mit ihrem Einspruch machten die Kläger geltend, sie seien durch den Wegfall des Ausbildungsfreibetrags von 4.200 DM (§ 33a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG a.F.) benachteiligt. Bei der Günstigerprüfung nach § 31 EStG müsse der Betreuungsfreibetrag neben dem Kindergeld gewährt werden. Der Rechtsbehelf hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) wies die anschließend erhobene Klage durch Urteil vom 15. November 2007 4 K 17/05 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 836) ab.
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Zur Begründung der Revision tragen die Kläger vor, bis zum Veranlagungszeitraum 2001 sei in § 33a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG a.F. ein Ausbildungsfreibetrag für ein auswärtig untergebrachtes, volljähriges Kind von 4.200 DM vorgesehen gewesen. Ab 2002 werde nur noch ein Freibetrag von 924 € gewährt, der offensichtlich nicht realitätsgerecht sei. Bei einer auswärtigen Unterbringung fielen Unterkunftskosten, höhere Verpflegungsaufwendungen, Fahrtkosten usw. an, die auch unter Berücksichtigung des im eigenen Hausstand ersparten Aufwands in aller Regel ein Mehrfaches des steuerlichen Freibetrags ausmachten. Entgegen der Rechtsansicht des FG sei eine isolierte Beurteilung des Freibetrags nach § 33a Abs. 2 EStG möglich, da dessen Zielrichtung die Abgeltung des zusätzlichen Aufwands sei, durch den andere Steuerpflichtige ohne volljährige, auswärts untergebrachte Kinder nicht belastet seien. Das Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) sehe bei der auswärtigen Unterbringung eines Kindes einen um 133 € höheren Monatsbetrag vor, somit nahezu das Doppelte dessen, was steuerlich angesetzt werde. Ein Betrag von 2.148 €, der sich am früheren höchstmöglichen Ausbildungsfreibetrag von 4.200 DM orientiere, wäre verfassungsrechtlich unbedenklich.
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Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 2003 vom 17. Mai 2004 sowie der Einspruchsentscheidung vom 7. Dezember 2004 die Einkommensteuer unter Berücksichtigung eines Freibetrags von 2.148 € für weiteren Ausbildungsbedarf herabzusetzen.
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Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet und wird deshalb zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Kläger können für die Unterhaltsaufwendungen, die ihnen wegen ihrer auswärts studierenden Tochter entstanden sind, keine Abzugsbeträge beanspruchen, die über die gesetzlich vorgesehenen hinausgehen.
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1. Nach § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG wird bei der Veranlagung zur Einkommensteuer für jedes zu berücksichtigende Kind ein Freibetrag von 1.824 € für das sächliche Existenzminimum des Kindes (Kinderfreibetrag) sowie ein Freibetrag von 1.080 € für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vom Einkommen abgezogen. Bei Ehegatten, die --wie die Kläger-- zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, verdoppeln sich die Beträge, wenn das Kind zu beiden Ehegatten in einem Kindschaftsverhältnis steht (§ 32 Abs. 6 Satz 2 EStG).
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2. Zur Abgeltung des Sonderbedarfs eines sich in Berufsausbildung befindenden, auswärtig untergebrachten, volljährigen Kindes, für das Anspruch auf einen Kinderfreibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder Kindergeld besteht, können Eltern einen Freibetrag von maximal 924 € je Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abziehen (§ 33a Abs. 2 EStG). Die Summe der (doppelten) Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG sowie des Freibetrags nach § 33a Abs. 2 EStG für ein Kind belief sich im Streitjahr 2003 auf 6.732 €. Damit ist der Bedarf der Tochter einschließlich des Sonderbedarfs für ihre auswärtige Unterbringung in ausreichendem Maße abgedeckt. Der Umstand, dass die Kläger aufgrund der Vergleichsrechnung nach § 31 EStG nicht den Abzug der Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG beanspruchen können, weil für sie das Kindergeld günstiger ist als die Steuerminderung, die sich bei Ansatz der Freibeträge ergäbe, ändert hieran nichts.
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3. Es ist verfassungsrechtlich nicht geboten, den Aufwand, der den Klägern wegen der auswärtigen Unterbringung ihrer Tochter erwachsen ist, weitergehend steuerlich zu entlasten. Die Beschränkung des Abzugs nach § 33a Abs. 2 EStG auf 924 € ist verfassungskonform.
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a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) müssen Aufwendungen für die Berufsausbildung von Kindern, insbesondere für deren auswärtige Unterbringung, von Verfassungs wegen nicht genauso behandelt werden wie Aufwendungen für die Sicherung des Existenzminimums (Beschluss vom 26. Januar 1994 1 BvL 12/86, BVerfGE 89, 346, BStBl II 1994, 307). Wählt der Gesetzgeber den Weg der einkommensteuerlichen Absetzbarkeit solcher Aufwendungen (§ 33a Abs. 2 EStG), so liegt ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes) jedenfalls dann nicht vor, wenn er die Absetzbarkeit auf die Hälfte der üblicherweise anfallenden Kosten begrenzt. Eine solche Begrenzung ist verfassungskonform, da es sich nicht um Aufwendungen für die Sicherung des Existenzminimums im engeren Sinne handelt, die der Gesetzgeber in realitätsgerechter Höhe zum Abzug zulassen muss (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 89, 346, BStBl II 1994, 307).
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b) In der späteren Entscheidung vom 10. November 1998 2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91, 2 BvR 980/91 (BVerfGE 99, 216, BStBl II 1999, 182) gab das BVerfG dem Gesetzgeber auf, den finanziellen Bedarf, der Eltern für die Betreuung ihrer Kinder entsteht, zusätzlich zum Freibetrag für das sächliche Existenzminimum zu berücksichtigen und bis zum Jahr 2000 eine entsprechende gesetzliche Regelung zu treffen.
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c) Der Gesetzgeber schuf daraufhin zunächst durch das Gesetz zur Familienförderung vom 22. Dezember 1999 (BGBl I 1999, 2552, BStBl I 2000, 4) einen Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungsbedarf von 1.512 DM für unter 16 Jahre alte Kinder, der durch das Zweite Gesetz zur Familienförderung vom 16. August 2001 (BGBl I 2001, 2074, BStBl I 2001, 533) ab dem Veranlagungszeitraum 2002 durch einen einheitlichen Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf von 1.080 € abgelöst wurde; die Beschränkung auf Kinder unter 16 Jahren wurde aufgehoben. Gleichzeitig wurde der Ausbildungsfreibetrag nach § 33a Abs. 2 EStG auf die Fälle beschränkt, in denen ein volljähriges Kind, das sich in Berufsausbildung befindet und für das ein Anspruch auf einen Kinderfreibetrag oder auf Kindergeld besteht, auswärtig untergebracht ist. Der frühere Freibetrag von 4.200 DM wurde auf 924 € abgesenkt.
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d) Der Sonderbedarf für eine auswärtige Unterbringung nach § 33a Abs. 2 EStG ist demnach seit 2002 nur noch eine (einzelne) Komponente der steuerlichen Entlastung von Eltern, deren Kinder sich in Ausbildung befinden. Bei Beurteilung der Frage, ob die steuerliche Entlastung von Eltern mit volljährigen, zu Ausbildungszwecken auswärtig untergebrachten Kindern ausreichend hoch ist, sind alle Bestandteile des Familienleistungsausgleichs einzubeziehen. Eine isolierte Betrachtung des Freibetrags nach § 33a Abs. 2 EStG ist nicht zulässig (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 17. Dezember 2009 VI R 63/08, BFHE 227, 487, BStBl II 2010, 341; ebenso Hufeld, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, EStG, § 33a Rz C 2). Wird eine verfassungswidrig zu niedrige Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit aufgrund von Unterhaltszahlungen geltend gemacht, so ist das gesamte betroffene Normengeflecht in den Blick zu nehmen (BVerfG-Beschluss vom 7. Juli 2009 2 BvR 1966/04, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2010, 173). Bei der Prüfung einer ausreichenden steuerlichen Entlastung von Eltern mit auswärts studierenden Kindern ist somit von einem Gesamtbetrag von 6.732 € (Streitjahr 2003) auszugehen, der sich aus einer Addition der (doppelten) Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG und des Freibetrags nach § 33a Abs. 2 EStG ergibt.
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e) Der Hinweis der Kläger auf die nach dem BAföG vorgesehenen Förderbeträge führt zu keiner abweichenden rechtlichen Beurteilung. Das BVerfG hatte im Beschluss in BVerfGE 89, 346, BStBl II 1994, 307, der zu einer Rechtslage ergangen war, in der noch kein Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsfreibetrag gesetzlich vorgesehen war, ausgeführt, dass als Vergleichsregelung, zu der die zur verfassungsrechtlichen Prüfung gestellten steuerlichen Höchstbeträge in Beziehung zu setzen sind, auch die Sätze nach dem BAföG in Betracht kommen. Bei einer Addition der (doppelten) Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG und des Freibetrags nach § 33a Abs. 2 EStG übersteigen diese die im Streitjahr nach dem BAföG anzusetzenden Beträge: Im Jahr 2003 belief sich der Bedarf für Studierende an einer Hochschule auf 333 €; der Betrag erhöhte sich um 133 € auf 466 €, wenn der Studierende nicht bei den Eltern wohnte (§ 13 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 BAföG a.F.). Der sich hieraus ergebende Jahresbetrag von 5.592 € liegt unter der Summe der (doppelten) Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG und des Freibetrags nach § 33a Abs. 2 EStG, die sich auf 6.732 € beläuft. Auch hieraus ist zu ersehen, dass die steuerliche Entlastung der Kläger ausreichend ist.
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