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BFH 14.10.2010 - I B 74/10
BFH 14.10.2010 - I B 74/10 - Darlegung grundsätzlicher Bedeutung: Änderung eines europarechtswidrigen Verwaltungsakts
Normen
§ 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 116 Abs 3 S 3 FGO, § 172 Abs 1 AO
Vorinstanz
vorgehend FG Düsseldorf, 14. April 2010, Az: 7 K 4268/07 E, Urteil
Leitsatz
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NV: Wird die grundsätzliche Bedeutung der Frage geltend gemacht, ob ein mit dem Europarecht unvereinbarer Verwaltungsakt auch nach Eintritt der Bestandskraft aufgehoben oder geändert werden kann, so muss zur Darlegung dieses Zulassungsgrunds auf die insoweit einschlägige Rechtsprechung des EuGH eingegangen werden.
Tatbestand
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I. Die Beteiligten streiten darüber, ob italienische Steuer auf die deutsche Einkommensteuer angerechnet werden muss.
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Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war in den Streitjahren (1987 bis 1991) Geschäftsführer der italienischen Firma Z. Diese erhielt auf Grund eines Handelsvertretervertrags in den Streitjahren von einer norwegischen Kapitalgesellschaft (X) Zahlungen, die das damals zuständige Finanzamt (FA N) als für den Kläger bestimmte verdeckte Lohnzahlungen ansah und der Einkommensteuer unterwarf. Eine deshalb erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) zunächst abgewiesen. Nachdem der beschließende Senat das Urteil des FG aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen hatte, wurde im zweiten Rechtsgang im Verlauf des Jahres 2005 die Klage hinsichtlich der Streitjahre 1987 und 1990 zurückgenommen. Die weiter gehende Klage hat das FG erneut abgewiesen; die daraufhin erhobene Nichtzulassungsbeschwerde hatte keinen Erfolg (Senatsbeschluss vom 8. Mai 2007 I B 12/06, BFH/NV 2007, 1679).
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Am 2. März 2006 beantragte der Kläger beim FA N eine Anrechnung italienischer Steuer auf die ihm gegenüber festgesetzte Einkommensteuer. Er trug vor, die von X geleisteten Zahlungen seien in Italien von Z versteuert worden. Dazu legte er eine entsprechende Bestätigung der Z vor. Das FA N lehnte die Anrechnung ebenso wie die vom Kläger begehrte Einleitung eines Verständigungsverfahrens mit Italien ab. Eine wegen der Anrechnung erhobene Klage gegen den inzwischen für den Streitfall zuständig gewordenen Beklagten und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) hat das FG abgewiesen, ohne die Revision gegen sein Urteil zuzulassen.
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Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde trägt der Kläger vor, dass die Revision nach § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen sei.
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Das FA tritt der Nichtzulassungsbeschwerde entgegen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Der Kläger hat keinen Grund für eine Zulassung der Revision dargelegt.
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1. Nach § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision gegen ein FG-Urteil zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), wenn die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert (Nr. 2) oder wenn das Urteil auf einem geltend gemachten und vorliegenden Verfahrensmangel beruhen kann (Nr. 3). Wird auf einen dieser Gründe eine Nichtzulassungsbeschwerde gestützt, so muss der Grund in der Beschwerdebegründung dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Ist das angefochtene Urteil auf mehrere eigenständig tragende Überlegungen gestützt, so muss hinsichtlich jedes einzelnen dieser Begründungsansätze ein Zulassungsgrund herausgearbeitet werden (BFH-Beschlüsse vom 1. Juli 2009 VII B 78/09, BFH/NV 2009, 1781; vom 19. September 2008 IX B 23/08, BFH/NV 2010, 43; vom 7. April 2010 I B 108/09, BFH/NV 2010, 1298, m.w.N.). Eine Nichtzulassungsbeschwerde, deren Begründung diesen Anforderungen nicht genügt, ist unzulässig.
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2. Zur Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO muss aufgezeigt werden, dass im konkreten Fall eine Rechtsfrage entscheidungserheblich ist, die im Interesse der Allgemeinheit der Klärung bedarf. Daran fehlt es im Streitfall:
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Das FG hat u.a. ausgeführt, dass die Klage schon aus verfahrensrechtlichen Gründen keinen Erfolg haben könne. Im Hinblick auf die Streitjahre 1987 und 1990 seien die maßgeblichen Festsetzungsfristen abgelaufen, und zudem seien hinsichtlich aller Streitjahre keine abgabenrechtlichen Änderungsvorschriften einschlägig. Der Kläger trägt dazu zwar vor, es sei entscheidungserheblich und bislang nicht höchstrichterlich entschieden, "ob bei europarechtswidrigen Entscheidungen auch im Steuerrecht eine Durchbrechung der Bestandskraft möglich ist". Seine dazu gemachten Ausführungen genügen jedoch den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO nicht.
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Insbesondere setzt sich der Kläger nicht mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) auseinander, nach der ein Verstoß gegen Europarecht nur unter bestimmten Voraussetzungen zur Aufhebung oder Abänderung einer bestandskräftig gewordenen Verwaltungsentscheidung zwingt (EuGH-Urteile vom 13. Januar 2004 C-453/00, "Kühne & Heitz", Slg. 2004, I-837; vom 12. Februar 2008 C-2/06, "Willy Kempter", Slg. 2008, I-411). Zu diesen Voraussetzungen zählt u.a., dass die Behörde nach nationalem Recht zur Rücknahme eines bestandskräftigen Verwaltungsakts befugt ist, was im Hinblick auf Steuerbescheide nur unter bestimmten Umständen der Fall ist (§ 172 Abs. 1 der Abgabenordnung). Der Kläger erwähnt die genannte Vorschrift zwar, führt aber nicht aus, weshalb trotz der dort getroffenen Regelung im Streitfall eine Situation bestehen könnte, in der im Licht der EuGH-Rechtsprechung eine Änderung der unanfechtbaren Einkommensteuerbescheide zulässig sein könnte. Eine Auseinandersetzung mit den einschlägigen Normen und mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung gehört indessen zu einer Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung (BFH-Beschluss vom 16. Juni 2010 X B 91/09, BFH/NV 2010, 1844), die deshalb im Streitfall nicht vorliegt.
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3. Im Ergebnis dasselbe gilt im Hinblick auf § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO; auf eine nähere Begründung wird insoweit verzichtet, da eine solche nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen für die Zulassung der Revision beizutragen (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO). Die übrigen in der Beschwerdebegründung als grundsätzlich bedeutsam bezeichneten Fragen stellen sich auf der Basis der hiernach hinzunehmenden verfahrensrechtlichen Überlegungen des FG im Streitfall nicht. Ebenso gehen vor diesem Hintergrund die Verfahrensrügen des Klägers fehl, was wegen § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO erneut keiner Begründung bedarf.
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