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BFH 23.09.2010 - XI B 97/09
BFH 23.09.2010 - XI B 97/09 - FG muss Schlussfolgerungen nicht im Voraus andeuten - im Ausland ansässiger Zeuge von Beteiligten zu stellen
Normen
§ 115 Abs 1 Nr 3 FGO, § 96 Abs 2 FGO, § 76 Abs 1 S 4 FGO, § 90 Abs 2 AO, Art 103 Abs 1 GG
Vorinstanz
vorgehend FG Hamburg, 1. Oktober 2009, Az: 3 K 119/09, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Der Anspruch auf rechtliches Gehör verlangt nicht, dass das Gericht den Beteiligten die einzelnen für die Entscheidung erheblichen Gesichtspunkte oder das Ergebnis einer Gesamtwürdigung im Voraus anzudeuten oder mitzuteilen hat. Das FG war daher nicht verpflichtet anzudeuten, welche Bedeutung es dem Umstand ggf. beimessen werde, dass sich der Kläger an zentral wichtige und leicht zu merkende Gesichtspunkte bereits nach zwei Jahren nicht mehr erinnern konnte.
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2. NV: Nach ständiger Rechtsprechung ist ein im Ausland ansässiger Zeuge vom FG nicht zu laden, sondern vom Beteiligten, der die Vernehmung beantragt, zu stellen. Kommt der Beteiligte seiner erhöhten Mitwirkungspflicht nicht nach, darf das FG ohne Berücksichtigung dieses Beweismittels den ihm vorliegenden Sachverhalt nach freier Überzeugung würdigen.
Gründe
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Die Beschwerde ist unbegründet.
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Nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Die Rüge fehlerhafter Rechtsanwendung vermag eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO demnach nicht zu begründen (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 24 und § 116 Rz 34, jeweils m.w.N).
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Nach § 116 Abs. 3 FGO müssen die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision innerhalb der Begründungsfrist dargelegt werden.
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1. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) macht zwar geltend, das Finanzgericht (FG) habe den Sachverhalt unzureichend ermittelt und das rechtliche Gehör verletzt. Diese geltend gemachten Verfahrensmängel liegen jedoch nicht vor.
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a) Das FG genügt seiner Verpflichtung, den Beteiligten rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) im Rahmen der mündlichen Verhandlung zu gewähren, in der Regel dadurch, dass es eine mündliche Verhandlung anberaumt, die Beteiligten ordnungsgemäß lädt und die mündliche Verhandlung zu dem festgesetzten Zeitpunkt durchführt (vgl. BFH-Beschluss vom 9. Mai 2005 VI B 187/04, BFH/NV 2005, 1364). Der Anspruch auf rechtliches Gehör verlangt nicht, dass das Gericht den Beteiligten die einzelnen für die Entscheidung erheblichen Gesichtspunkte, Schlussfolgerungen oder das Ergebnis einer Gesamtwürdigung im Voraus anzudeuten oder mitzuteilen hat (BFH-Beschluss vom 14. Oktober 2009 IX B 86/09, BFH/NV 2010, 222).
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Es stand dem fachkundig vertretenen Kläger frei, die bei dem Erörterungstermin am 20. August 2009 erkennbar gewordenen Erinnerungslücken von sich aus zum Anlass zu nehmen, eine Begutachtung des Erinnerungsvermögens des Klägers durch einen Sachverständigen bis zur mündlichen Verhandlung am 1. Oktober 2009 zu beantragen, wenn es hierfür aus seiner Sicht Anhaltspunkte gegeben haben sollte. Das FG war nicht verpflichtet anzudeuten, welche Bedeutung es dem Umstand ggf. beimessen werde, dass sich der Kläger an für das von ihm vorgeblich geführte Unternehmen zentral wichtige und leicht zu merkende Gesichtspunkte bereits nach zwei Jahren nicht mehr erinnern konnte.
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b) Die weitere Rüge des Klägers, das FG habe den Sachverhalt unter Verletzung seiner Pflicht zur Ermittlung von Amts wegen nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO unzureichend aufgeklärt, kann keinen Erfolg haben, weil sie entweder schon nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO begründet worden oder nicht gegeben ist.
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aa) Soweit vorgetragen wird, das FG hätte eine sachverständige Begutachtung des Erinnerungsvermögens des Klägers veranlassen müssen, hätte u.a. dargelegt werden müssen,
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- warum der fachkundig durch einen Prozessbevollmächtigten vertretene Kläger nicht von sich aus einen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat,
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- warum sich andererseits dem FG diese Beweiserhebung auch ohne besonderen Antrag hätte aufdrängen müssen,
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- welches Ergebnis die Begutachtung aller Voraussicht nach gehabt hätte und
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- inwieweit die als unterlassen gerügte Ermittlungsmaßnahme nach der insoweit maßgebenden materiell-rechtlichen Auffassung des FG zu einer anderen Entscheidung durch dieses hätte führen können (vgl. BFH-Beschluss vom 22. Januar 2008 X B 185/07, BFH/NV 2008, 603; vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 48, § 120 Rz 66 ff., m.w.N.).
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bb) Entsprechendes gilt, soweit der Kläger rügt, das FG hätte die vollständigen Gewerbeunterlagen beiziehen müssen. Es fehlt insbesondere an der notwendigen Substantiierung, um welche Unterlagen es sich hierbei gehandelt haben sollte, die dem Gericht noch nicht vorlagen, ob deren Vorhandensein umstritten war und welche Schlussfolgerungen das FG aus diesen Unterlagen im Einzelnen hätte ziehen können.
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cc) Das FG war schließlich auch nicht verpflichtet, den im Ausland ansässigen Zeugen A zu vernehmen. Aus der Sitzungsniederschrift über die mündliche Verhandlung vom 1. Oktober 2009 geht hervor, dass das FG den Zeugen nicht vernommen hat, weil er vom Kläger zur mündlichen Verhandlung nicht gestellt worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung ist ein im Ausland ansässiger Zeuge vom FG nicht zu laden, sondern vom Beteiligten, der die Vernehmung beantragt, nach § 76 Abs. 1 Satz 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 der Abgabenordnung zu stellen. Kommt der Beteiligte, der sich auf einen im Ausland lebenden Zeugen beruft, seiner erhöhten Mitwirkungspflicht nicht nach, darf das FG ohne Berücksichtigung dieses Beweismittels den ihm vorliegenden Sachverhalt nach freier Überzeugung (§ 96 Abs. 1 FGO) würdigen (BFH-Beschluss vom 6. November 2006 V B 107/05, BFH/NV 2007, 467, m.w.N.).
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2. Mit seinem Vortrag, das FG hätte angesichts der vorliegenden Unterlagen und unter Berücksichtigung der auf den Kläger ausgestellten Ausfuhrgenehmigung nicht zu der Auffassung gelangen dürfen, das Unternehmen sei nicht von ihm, sondern von seinem Schwager geführt worden, und das Gericht habe für seine Ansicht auch keinen überzeugenden Grund benannt, wendet sich der Kläger gegen die Sachverhaltswürdigung und tatrichterliche Überzeugungsbildung des FG bzw. gegen die Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts durch das FG. Die Rüge materiell-rechtlicher Mängel der Vorentscheidung führt aber --selbst wenn solche vorliegen sollten-- nach § 115 Abs. 2 FGO nicht zur Zulassung der Revision.
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