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EuGH 19.07.2012 - C-44/11
EuGH 19.07.2012 - C-44/11 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer) - 19. Juli 2012 ( *1) - „Richtlinie 2006/112/EG — Art. 56 Abs. 1 Buchst. e — Art. 135 Abs. 1 Buchst. f und g — Befreiung von Umsätzen der Vermögensverwaltung mit Wertpapieren (Portfolioverwaltung)“
Leitsatz
In der Rechtssache C-44/11
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 28. Oktober 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 31. Januar 2011, in dem Verfahren
Finanzamt Frankfurt am Main V-Höchst
gegen
Deutsche Bank AG
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. N. Cunha Rodrigues sowie der Richter U. Lõhmus, A. Rosas (Berichterstatter), A. Ó Caoimh und A. Arabadjiev,
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: R. Şereş, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 1. März 2012,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
des Finanzamts Frankfurt am Main V-Höchst, vertreten durch M. Baueregger als Bevollmächtigten,
der Deutsche Bank AG, vertreten durch P. Farmer und P. Freund, Barristers,
der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze als Bevollmächtigten,
der niederländischen Regierung, vertreten durch C. M. Wissels und M. K. Bulterman als Bevollmächtigte,
der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch C. Murrell als Bevollmächtigte im Beistand von R. Hill, Solicitor,
der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Soulay, L. Lozano Palacios und B.-R. Killmann als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 8. Mai 2012
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 56 Abs. 1 Buchst. e und Art. 135 Abs. 1 Buchst. f und g der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1, im Folgenden: Richtlinie 2006/112).
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Finanzamt Frankfurt am Main V-Höchst (im Folgenden: Finanzamt) und der Deutsche Bank AG (im Folgenden: Deutsche Bank), bei dem es insbesondere um die rechtliche Einordnung der von der Deutschen Bank getätigten Vermögensverwaltung mit Wertpapieren (im Folgenden: Portfolioverwaltung) im Hinblick auf die Befreiung von der Mehrwertsteuer geht.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Art. 56 der Richtlinie 2006/112 bestimmte im entscheidungserheblichen Zeitraum:
„(1) Als Ort der folgenden Dienstleistungen, die an außerhalb der Gemeinschaft ansässige Dienstleistungsempfänger oder an Steuerpflichtige, die innerhalb der Gemeinschaft, jedoch außerhalb des Staates des Dienstleistungserbringers ansässig sind, erbracht werden, gilt der Ort, an dem der Dienstleistungsempfänger den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, für welche die Dienstleistung erbracht worden ist, oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen Niederlassung sein Wohnsitz oder sein gewöhnlicher Aufenthaltsort:
…
Bank-, Finanz- und Versicherungsumsätze, einschließlich Rückversicherungsumsätze, ausgenommen die Vermietung von Schließfächern;
…“
Art. 135 der Richtlinie 2006/112 bestimmt:
„(1) Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:
Versicherungs- und Rückversicherungsumsätze einschließlich der dazugehörigen Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden;
…
Umsätze – einschließlich der Vermittlung, jedoch nicht der Verwahrung und der Verwaltung –, die sich auf Aktien, Anteile an Gesellschaften und Vereinigungen, Schuldverschreibungen oder sonstige Wertpapiere beziehen, mit Ausnahme von Warenpapieren und der in Artikel 15 Absatz 2 genannten Rechte und Wertpapiere;
die Verwaltung von durch die Mitgliedstaaten als solche definierten Sondervermögen;
…“
Deutsches Recht
§ 3a Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes 2005 (im Folgenden: UStG) lautete in seiner im entscheidungserheblichen Zeitraum geltenden Fassung:
„Ist der Empfänger einer der in Absatz 4 bezeichneten sonstigen Leistungen ein Unternehmer, so wird die sonstige Leistung abweichend von Absatz 1 dort ausgeführt, wo der Empfänger sein Unternehmen betreibt. Wird die sonstige Leistung an die Betriebsstätte eines Unternehmers ausgeführt, so ist stattdessen der Ort der Betriebsstätte maßgebend. Ist der Empfänger einer der in Absatz 4 bezeichneten sonstigen Leistungen kein Unternehmer und hat er seinen Wohnsitz oder Sitz im Drittlandsgebiet, wird die sonstige Leistung an seinem Wohnsitz oder Sitz ausgeführt.“
§ 3a Abs. 4 Nr. 6 Buchst. a dieses Gesetzes bestimmte:
„Sonstige Leistungen im Sinne des Absatzes 3 sind: …
die sonstigen Leistungen der in § 4 Nr. 8 Buchstabe a bis h und Nr. 10 bezeichneten Art sowie die Verwaltung von Krediten und Kreditsicherheiten …“.
§ 4 Nr. 8 Buchst. e und h UStG sieht vor:
„Von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 fallenden Umsätzen sind steuerfrei:
…
die Umsätze im Geschäft mit Wertpapieren und die Vermittlung dieser Umsätze, ausgenommen die Verwahrung und die Verwaltung von Wertpapieren,
…
die Verwaltung von Investmentvermögen nach dem Investmentgesetz und die Verwaltung von Versorgungseinrichtungen im Sinne des Versicherungsaufsichtsgesetzes;
…“
In einem vom Bundesfinanzministerium stammenden Schreiben, einer norminterpretierenden Verwaltungsanweisung, die für die Gerichte nicht bindend ist, heißt es:
„§ 3a Abs. 3 und 4 Nr. 6 Buchst. a UStG ist für die Ortsbestimmung bei einer Vermögensverwaltung nicht anzuwenden. Auch eine unmittelbare Berufung auf Art. 56 Abs. 1 Buchst. e [der Richtlinie 2006/112], wonach sich der Leistungsort in bestimmten Fällen bei ‚Bank-, Finanz- und Versicherungsumsätzen‘ nach dem Sitz oder der Betriebsstätte des Leistungsempfängers bestimmt, ist nicht möglich. ‚Bank-, Finanz- und Versicherungsumsätze‘ sind Begriffe des Gemeinschaftsrechts und als solche auszulegen. Die [Richtlinie 2006/112] – und bis 31. Dezember 2006 auch die [Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1)] – definier[t] zwar nicht, was darunter im Einzelnen zu verstehen ist. Jedoch enthält die [Richtlinie 2006/112] in Art. 135 Abs. 1 Buchst. a bis f … dezidierte Aussagen zur Auslegung dieser Begriffe. Die Vermögensverwaltung ist in diesen genannten Vorschriften nicht aufgeführt. Aus Art. 56 Abs. 1 Buchst. e [der Richtlinie 2006/112] … ergibt sich auch nicht, dass die Vorschrift darüber hinaus weitere Bank-, Finanz- und Versicherungsumsätze umfassen soll.
Die einheitliche Leistung ‚Vermögensverwaltung‘ ist steuerpflichtig. Die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG kommt nicht in Betracht, weil die Vermögensverwaltung (Portfolioverwaltung) nicht zu den nach den genannten Vorschriften begünstigten Umsätzen gehört. …“
Sachverhalt und Vorlagefragen
Im Jahr 2008 erbrachte die Deutsche Bank selbst und über Tochtergesellschaften Dienstleistungen der Portfolioverwaltung an Kunden, die Anlagen tätigen wollten (im Folgenden: Anleger). Die Anleger beauftragten die Deutsche Bank, Wertpapiere unter Berücksichtigung der von ihnen ausgewählten Anlagestrategievariante nach eigenem Ermessen und ohne vorherige Einholung ihrer Weisung zu verwalten sowie alle hierfür zweckmäßigen Maßnahmen zu treffen. Die Deutsche Bank war berechtigt, über die Vermögenswerte (Wertpapiere) im Namen und für Rechnung der Anleger zu verfügen.
Die Anleger zahlten eine jährliche Vergütung in Höhe von 1,8 % des Werts des verwalteten Vermögens. Diese Vergütung setzte sich aus einem Anteil für die Vermögensverwaltung in Höhe von 1,2 % des Werts des verwalteten Vermögens und einem Anteil für den Kauf und Verkauf von Wertpapieren in Höhe von 0,6 % des Vermögenswerts zusammen. Sie umfasste auch die Konto- und Depotführung sowie die Ausgabeaufschläge für den Erwerb von Anteilen einschließlich der Anteile an Fonds, die durch Unternehmen der Deutschen Bank verwaltet wurden.
Jeweils zum Ende eines Kalendervierteljahrs sowie zum Jahresende erhielt jeder Anleger einen Bericht über den Verlauf der Verwaltung seines Vermögens. Die Anleger hatten das Recht, den Verwaltungsauftrag jederzeit mit sofortiger Wirkung zu beenden.
Bei Abgabe ihrer Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Voranmeldungszeitraum Mai 2008 wies die Deutsche Bank das Finanzamt darauf hin, dass sie davon ausgehe, dass ihre Leistungen im Rahmen der Portfolioverwaltung, wenn sie an Anleger im Inland und im übrigen Gebiet der Europäischen Union erbracht würden, nach § 4 Nr. 8 UStG steuerfrei seien. Wenn diese Leistungen an Anleger im Drittlandsgebiet erbracht würden, seien sie ihres Erachtens nach § 3a Abs. 4 Nr. 6 Buchst. a UStG nicht steuerbar.
Das Finanzamt folgte dieser Argumentation nicht und erließ am 29. April 2009 einen Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid für den Voranmeldungszeitraum Mai 2008, in dem es die Umsätze der Portfolioverwaltung für die betreffenden Anleger als steuerbar und steuerpflichtig behandelte.
Der von der Deutschen Bank gegen diesen Vorauszahlungsbescheid eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht gab der von der Deutschen Bank hiergegen erhobenen Klage hingegen statt. Das Finanzamt legte gegen das Urteil des Finanzgerichts sodann Revision beim Bundesfinanzhof ein.
Der Bundesfinanzhof ist sich insbesondere nicht sicher, wie die Portfolioverwaltung im Hinblick auf Befreiungen von der Mehrwertsteuer einzuordnen ist. Er hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Ist die Portfolioverwaltung, bei der ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt aufgrund eigenen Ermessens über den Kauf und Verkauf von Wertpapieren entscheidet und diese Entscheidung durch den Kauf und Verkauf der Wertpapiere vollzieht,
nur als Verwaltung von Sondervermögen für mehrere Anleger gemeinsam nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112 oder
als individuelle Portfolioverwaltung für einzelne Anleger nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 (Umsatz, der sich auf Wertpapiere bezieht, oder als Vermittlung eines derartigen Umsatzes) steuerfrei?
Welche Bedeutung kommt bei der Bestimmung von Haupt- und Nebenleistung dem Kriterium, dass die Nebenleistung für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen, im Verhältnis zur gesonderten Berechnung der Nebenleistung und der Erbringbarkeit der Nebenleistung durch Dritte zu?
Erfasst Art. 56 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2006/112 nur die in Art. 135 Abs. 1 Buchst. a bis g der Richtlinie 2006/112 genannten Leistungen oder auch die Portfolioverwaltung, selbst wenn dieser Umsatz nicht der zuletzt genannten Bestimmung unterliegt?
Zu den Vorlagefragen
Zur zweiten Frage
Mit seiner zweiten Frage, die an erster Stelle zu prüfen ist, möchte das vorlegende Gericht wissen, welche Bedeutung bei der Bestimmung der Haupt- und der Nebenleistung im Rahmen einer Portfolioverwaltung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden – d. h. einer entgeltlichen Tätigkeit, bei der ein Steuerpflichtiger aufgrund eigenen Ermessens über den Kauf und Verkauf von Wertpapieren entscheidet und diese Entscheidung durch den Kauf und Verkauf der Wertpapiere vollzieht – dem Kriterium, dass eine Nebenleistung für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen, im Verhältnis zur gesonderten Berechnung der Nebenleistung und der Erbringbarkeit der Nebenleistung durch Dritte zukommt.
Zunächst ist festzustellen, dass eine Portfolioverwaltung wie die von der Deutschen Bank im Ausgangsrechtsstreit getätigte mehrere Elemente umfasst.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist bei einem Umsatz, der verschiedene Einzelleistungen und Handlungen umfasst, eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, um zu bestimmen, ob dieser Umsatz zwei oder mehr getrennte Leistungen oder eine einheitliche Leistung umfasst (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 27. Oktober 2005, Levob Verzekeringen und OV Bank, C-41/04, Slg. 2005, I-9433, Randnr. 19, sowie vom 10. März 2011, Bog u. a., C-497/09, C-499/09, C-501/09 und C-502/09, Slg. 2011, I-1457, Randnr. 52).
Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass eine einheitliche Leistung insbesondere dann vorliegt, wenn ein Teil die Hauptleistung, ein anderer Teil aber eine Nebenleistung darstellt, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilt (vgl. Urteil vom 15. Mai 2001, Primback, C-34/99, Slg. 2001, I-3833, Randnr. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Allerdings ist zu beachten, dass im Hinblick auf die Mehrwertsteuer auch unter anderen Umständen eine einheitliche Leistung vorliegen kann.
Wie der Gerichtshof entschieden hat, liegt eine einheitliche Leistung auch dann vor, wenn der Steuerpflichtige für den Verbraucher – wobei auf einen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist – zwei oder mehr Elemente liefert oder Handlungen vornimmt, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre (Urteil Levob Verzekeringen und OV Bank, Randnr. 22).
Angesichts dieser Ausführungen und um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben, ist davon auszugehen, dass es dem Gericht mit seiner zweiten Frage darum geht, die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Leistung der Portfolioverwaltung – eine entgeltliche Tätigkeit, bei der ein Steuerpflichtiger aufgrund eigenen Ermessens über den Kauf und Verkauf von Wertpapieren entscheidet und diese Entscheidung durch den Kauf und Verkauf der Wertpapiere vollzieht – mehrwertsteuerrechtlich einzuordnen und insbesondere zu klären, ob diese Tätigkeit als eine einzige wirtschaftliche Leistung anzusehen ist.
Nimmt man im Einklang mit der in Randnr. 18 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung eine Gesamtbetrachtung dieser Leistung der Portfolioverwaltung vor, wird deutlich, dass sie im Wesentlichen eine Verbindung aus der Leistung der Analyse und Beaufsichtigung des Vermögens des Anlegers zum einen und der Leistung des eigentlichen Kaufs und Verkaufs von Wertpapieren zum anderen darstellt.
Zwar können diese beiden Teile der Leistung der Portfolioverwaltung getrennt erbracht werden. Möglicherweise wünscht ein Anleger nämlich nur eine Beratungsleistung und zieht es vor, selbst über die Anlagen zu entscheiden und sie auch selbst zu tätigen. Dagegen kann ein Anleger, der es vorzieht, selbst über die Anlagen in Wertpapiere zu entscheiden und allgemeiner sein Vermögen zu strukturieren und zu beaufsichtigen, ohne Kaufs- und Verkaufshandlungen vorzunehmen, für die letztgenannte Art von Umsätzen einen Mittler heranziehen.
Dem durchschnittlichen Anleger geht es im Rahmen einer Leistung der Portfolioverwaltung wie der von der Deutschen Bank im Ausgangsrechtsstreit erbrachten jedoch gerade um die Verbindung dieser beiden Elemente.
Wie die Generalanwältin in Nr. 30 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, wäre eine Entscheidung über das optimale Vorgehen bei dem Erwerb, der Veräußerung oder dem Halten von Wertpapieren für die Anleger im Rahmen der Leistung der Portfolioverwaltung nicht von Nutzen, wenn sie nie umgesetzt würde. Sinnlos wäre es auch, ohne Fachkenntnisse und ohne vorherige Marktanalyse Verkäufe oder Käufe je nach Fall zu tätigen oder nicht zu tätigen.
Im Rahmen der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Leistung der Portfolioverwaltung sind diese beiden Elemente nicht nur untrennbar, sondern auch als gleichrangig anzusehen. Beide sind nämlich für die Erbringung der Gesamtleistung unerlässlich, weshalb nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine als Hauptleistung und die andere als Nebenleistung anzusehen ist.
Folglich ist davon auszugehen, dass die genannten Elemente so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre.
Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass eine Leistung der Portfolioverwaltung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, d. h. eine entgeltliche Tätigkeit, bei der ein Steuerpflichtiger aufgrund eigenen Ermessens über den Kauf und Verkauf von Wertpapieren entscheidet und diese Entscheidung durch den Kauf und Verkauf der Wertpapiere vollzieht, aus zwei Elementen besteht, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige wirtschaftliche Leistung bilden.
Zur ersten Frage
Mit seiner ersten Frage, die an zweiter Stelle zu prüfen ist, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 135 Abs. 1 Buchst. f bzw. g der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen ist, dass eine Portfolioverwaltung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende gemäß dieser Bestimmung von der Mehrwertsteuer befreit ist.
Zu der in Art. 135 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112 vorgesehenen Befreiung ist festzustellen, dass der Begriff der Verwaltung von Sondervermögen in der Richtlinie 2006/112 nicht definiert ist. Der Gerichtshof hat jedoch klargestellt, dass es sich bei den Umsätzen, für die diese Befreiung gilt, um diejenigen handelt, die für die Tätigkeit der Organismen für gemeinsame Anlagen spezifisch sind (Urteil vom 4. Mai 2006, Abbey National, C-169/04, Slg. 2006, I-4027, Randnr. 63).
Hierzu ergibt sich aus Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 85/611/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) (ABl. L 375, S. 3) in der durch die Richtlinie 2001/108/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Januar 2002 (ABl. L 41, S. 35) geänderten Fassung, dass es sich um Organismen handelt, deren ausschließlicher Zweck es ist, beim Publikum beschaffte Gelder für gemeinsame Rechnung nach dem Grundsatz der Risikostreuung in Wertpapieren und/oder anderen liquiden Finanzanlagen zu investieren, und deren Anteile auf Verlangen der Anteilinhaber unmittelbar oder mittelbar zulasten des Vermögens der Organismen zurückgenommen oder ausgezahlt werden.
Wie die Generalanwältin in den Nrn. 14 und 15 ihrer Schlussanträge erläutert hat, handelt es sich konkret um gemeinsame Vermögensfonds, in denen zahlreiche Anlagen gebündelt und auf ein Spektrum von Wertpapieren verteilt sind, die sich zur Optimierung der Ergebnisse wirksam verwalten lassen und in deren Rahmen die einzelnen Anlagebeträge verhältnismäßig geringfügig sein können. Derartige Fonds verwalten ihre Anlagen im eigenen Namen und für eigene Rechnung, während der einzelne Anleger einen oder mehrere Anteile an dem Fonds, nicht aber die Anlagen des Fonds als solche besitzt.
Dienstleistungen wie die im Ausgangsverfahren von der Deutschen Bank erbrachten beziehen sich dagegen im Allgemeinen auf das Vermögen einer Einzelperson, das einen verhältnismäßig hohen Gesamtwert haben muss, damit seine Verwaltung rentabel ist. Der Portfoliomanager kauft und verkauft Anlageprodukte im Namen und für Rechnung des Anlegers, der während der gesamten Dauer des Vertrags und auch bei dessen Beendigung Inhaber der einzelnen Wertpapiere bleibt.
Folglich entspricht die von der Deutschen Bank im Ausgangsverfahren getätigte Portfolioverwaltung nicht dem Begriff „Verwaltung von … Sondervermögen“ im Sinne von Art. 135 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112.
Zur Reichweite von Art. 135 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 hat der Gerichtshof festgestellt, dass die Umsätze, die sich auf Aktien und andere Wertpapiere beziehen, Umsätze sind, die auf dem Wertpapiermarkt bewirkt werden, und dass der Wertpapierhandel Handlungen umfasst, die die rechtliche und finanzielle Lage zwischen den Parteien ändern (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. Juni 1997, SDC, C-2/95, Slg. 1997, I-3017, Randnrn. 72 und 73, sowie vom 5. Juli 2012, DTZ Zadelhoff, C-259/11, Randnr. 22).
Die in dieser Bestimmung enthaltene Wendung „Umsätze, … die sich auf … Wertpapiere beziehen“ betrifft daher Umsätze, die geeignet sind, Rechte und Pflichten der Parteien in Bezug auf Wertpapiere zu begründen, zu ändern oder zum Erlöschen zu bringen (vgl. u. a. Urteile vom 13. Dezember 2001, CSC Financial Services, C-235/00, Slg. 2001, I-10237, Randnr. 33, und DTZ Zadelhoff, Randnr. 23).
Wie in Randnr. 23 des vorliegenden Urteils festgestellt worden ist, besteht die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Leistung der Portfolioverwaltung im Wesentlichen aus zwei Elementen, und zwar zum einen aus der Leistung der Analyse und Beaufsichtigung des Vermögens des Anlegers und zum anderen aus der Leistung des eigentlichen Kaufs und Verkaufs von Wertpapieren.
Während die Leistungen des Kaufs und Verkaufs von Wertpapieren unter Art. 135 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 fallen können, gilt dies nicht für die Leistungen der Analyse und Beaufsichtigung des Vermögens, da diese Leistungen nicht zwingend die Bewirkung von Umsätzen voraussetzen, die geeignet sind, Rechte und Pflichten der Parteien in Bezug auf Wertpapiere zu begründen, zu ändern oder zum Erlöschen zu bringen.
Die Deutsche Bank und die Europäische Kommission sind der Ansicht, dass das Wesen der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Leistung der Portfolioverwaltung im aktiven Umsatz des Kaufs und Verkaufs von Wertpapieren bestehe und dass diese Leistung daher gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 von der Mehrwertsteuer zu befreien sei. Das Finanzamt, die deutsche und die niederländische Regierung sowie die Regierung des Vereinigten Königreichs sehen in der genannten Portfolioverwaltung hingegen eine Leistung der Analyse und Beaufsichtigung, für die die in dieser Bestimmung vorgesehene Befreiung nicht gelten könne.
Aus Randnr. 27 des vorliegenden Urteils geht jedoch hervor, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Elemente, aus denen diese Dienstleistung besteht, zum einen eine Hauptleistung und zum anderen eine Nebenleistung sind, da diese Elemente als gleichrangig anzusehen sind.
Nach ständiger Rechtsprechung sind die Begriffe, die zur Umschreibung der in Art. 135 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 genannten Steuerbefreiungen verwendet werden, eng auszulegen, da sie Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt (vgl. u. a. Urteile vom 20. November 2003, Taksatorringen, C-8/01, Slg. 2003, I-13711, Randnr. 36, und DTZ Zadelhoff, Randnr. 20).
Da die genannte Leistung im Hinblick auf die Mehrwertsteuer nur als Ganzes berücksichtigt werden kann, kann sie somit nicht von Art. 135 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 erfasst werden.
Diese Auslegung wird durch die Systematik der Richtlinie 2006/112 bestätigt. Wie die deutsche und die niederländische Regierung vorgetragen haben, betrifft nämlich die nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112 befreite Verwaltung von „Sondervermögen“ durch spezielle Kapitalanlagegesellschaften eine Form der Verwaltung von aus Wertpapieren bestehendem Vermögen. Wenn diese Form der Vermögensverwaltung mit Wertpapieren bereits unter die in Art. 135 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie festgelegte Steuerbefreiung für auf Wertpapiere bezogene Umsätze fiele, wäre es nicht notwendig gewesen, insoweit eine Befreiung in Art. 135 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie aufzunehmen.
Schließlich ist festzustellen, dass der Grundsatz der steuerlichen Neutralität diese Schlussfolgerung nicht in Frage stellt. Wie die Generalanwältin in Nr. 60 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, erlaubt dieser Grundsatz nicht, den Geltungsbereich einer Befreiung ohne eindeutige Bestimmung auszuweiten. Dieser Grundsatz ist nämlich keine Regel des Primärrechts, die für den Umfang eines Befreiungstatbestands bestimmend sein könnte, sondern ein Auslegungsgrundsatz, der neben dem Grundsatz der engen Auslegung von Ausnahmen anzuwenden ist.
Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 135 Abs. 1 Buchst. f bzw. g der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen ist, dass eine Portfolioverwaltung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nicht gemäß dieser Bestimmung von der Mehrwertsteuer befreit ist.
Zur dritten Frage
Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 56 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen ist, dass er nur die in Art. 135 Abs. 1 Buchst. a bis g der Richtlinie 2006/112 genannten Leistungen umfasst, oder ob er auch die Leistung der Portfolioverwaltung erfasst, selbst wenn dieser Umsatz nicht der zuletzt genannten Bestimmung unterliegt.
Art. 56 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2006/112 bestimmte, dass als Ort der Dienstleistungen der Bank-, Finanz- und Versicherungsumsätze, einschließlich Rückversicherungsumsätze, ausgenommen die Vermietung von Schließfächern, die an außerhalb der Gemeinschaft ansässige Dienstleistungsempfänger oder an Steuerpflichtige, die innerhalb der Gemeinschaft, jedoch außerhalb des Staates des Dienstleistungserbringers ansässig sind, erbracht werden, der Ort gilt, an dem der Dienstleistungsempfänger den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, für welche die Dienstleistung erbracht worden ist, oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen Niederlassung sein Wohnsitz oder sein gewöhnlicher Aufenthaltsort.
Nach ihrem Wortlaut sollte diese Vorschrift den Ort bestimmen, an dem unter dem Gesichtspunkt der Mehrwertsteuer Bank-, Finanz- und Versicherungsumsätze, einschließlich Rückversicherungsumsätze, bewirkt werden. Die genannte Bestimmung enthielt keine Bezugnahme auf die in Art. 135 Abs. 1 Buchst. a bis g der Richtlinie 2006/112 genannten Leistungen. Vielmehr sah sie eine einzige Ausnahme vor, nämlich für die Vermietung von Schließfächern.
Die Deutsche Bank, das Finanzamt, die niederländische Regierung, die Regierung des Vereinigten Königreichs und die Kommission sind der Ansicht, dass der Geltungsbereich von Art. 56 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2006/112 nicht auf den des Art. 135 Abs. 1 Buchst. a bis g dieser Richtlinie begrenzt werden könne.
Die deutsche Regierung vertritt unter Hinweis auf die Randnrn. 31 und 32 des Urteils vom 22. Oktober 2009, Swiss Re Germany Holding (C-242/08, Slg. 2009, I-10099), die gegenteilige Auffassung. Der Gerichtshof habe in diesem Urteil festgestellt, dass das ordnungsgemäße Funktionieren und die einheitliche Auslegung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems es verböten, die Begriffe „Versicherungsumsätze“ und „Rückversicherungsumsätze“ in den Bestimmungen der Sechsten Richtlinie, die Art. 56 Abs. 1 Buchst. e und Art. 135 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 entsprachen, unterschiedlich zu definieren, je nachdem, ob sie in der einen oder der anderen Vorschrift verwendet würden. Dies müsse entsprechend auch für den Begriff „Finanzumsätze“ gelten.
Wie die Generalanwältin in Nr. 69 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, hängen jedoch die Ausführungen im Urteil Swiss Re Germany Holding damit zusammen, dass in Art. 56 Abs. 1 Buchst. e und Art. 135 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 für den Bereich der Versicherung im Wesentlichen identische Formulierungen verwendet wurden, nämlich „Versicherungsumsätze, einschließlich Rückversicherungsumsätze“ bzw. „Versicherungs- und Rückversicherungsumsätze“.
Dagegen besteht zwischen den Begriffen „Bankumsätze“ und „Finanzumsätze“ in Art. 56 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2006/112 und den in Art. 135 Abs. 1 Buchst. b bis g dieser Richtlinie genannten Umsätzen keine entsprechende Verbindung. In keiner der letztgenannten Bestimmungen kamen die Begriffe „Bank-“ oder „Finanz-“ vor. Die dort genannten Umsätze waren finanzieller Natur, und viele von ihnen wurden wahrscheinlich von Banken getätigt, jedoch nicht ausschließlich. Zudem stellten sie bei Weitem keine erschöpfende Auflistung aller Umsätze dar, die von einer Bank getätigt oder als Finanzumsätze angesehen werden können.
Da die von der Deutschen Bank im Ausgangsverfahren getätigte Portfolioverwaltung eine Leistung finanzieller Natur ist und Art. 56 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2006/112 nicht eng ausgelegt werden darf (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 26. September 1996, Dudda, C-327/94, Slg. 1996, I-4595, Randnr. 21, sowie Levob Verzekeringen und OV Bank, Randnr. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung), ist davon auszugehen, dass diese Tätigkeit als Finanzumsatz in den Geltungsbereich von Art. 56 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2006/112 fällt.
Nach alledem ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 56 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen ist, dass er nicht nur die in Art. 135 Abs. 1 Buchst. a bis g dieser Richtlinie genannten Leistungen umfasst, sondern auch die Leistungen der Portfolioverwaltung.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:
Eine Leistung der Vermögensverwaltung mit Wertpapieren wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, d. h. eine entgeltliche Tätigkeit, bei der ein Steuerpflichtiger aufgrund eigenen Ermessens über den Kauf und Verkauf von Wertpapieren entscheidet und diese Entscheidung durch den Kauf und Verkauf der Wertpapiere vollzieht, besteht aus zwei Elementen, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige wirtschaftliche Leistung bilden.
Art. 135 Abs. 1 Buchst. f bzw. g der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass eine Vermögensverwaltung mit Wertpapieren wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nicht gemäß dieser Bestimmung von der Mehrwertsteuer befreit ist.
Art. 56 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2006/112 ist dahin auszulegen, dass er nicht nur die in Art. 135 Abs. 1 Buchst. a bis g dieser Richtlinie genannten Leistungen umfasst, sondern auch die Leistungen der Vermögensverwaltung mit Wertpapieren.
Unterschriften
( *1)Verfahrenssprache: Deutsch.
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