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BAG 14.12.2023 - 6 AZR 155/21 (B)
BAG 14.12.2023 - 6 AZR 155/21 (B) - Massenentlassung - Aussetzung
Vorinstanz
vorgehend ArbG Osnabrück, 16. Juni 2020, Az: 1 Ca 79/20, Urteil
vorgehend Landesarbeitsgericht Niedersachsen, 24. Februar 2021, Az: 17 Sa 890/20, Urteil
Tenor
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Das Verfahren wird bis zur Entscheidung des Zweiten Senats des Bundesarbeitsgerichts über die Anfrage des Sechsten Senats des Bundesarbeitsgerichts im Verfahren - 6 AZR 157/22 (B) - ausgesetzt.
Gründe
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A. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer im Rahmen einer Massenentlassung erklärten ordentlichen betriebsbedingten Kündigung des seit 1981 bei der Schuldnerin beschäftigten Klägers.
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Auf Antrag der Schuldnerin eröffnete das Insolvenzgericht mit Beschluss vom 1. Oktober 2019 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin in Eigenverwaltung und bestellte den Beklagten zum Sachwalter. Mit Beschluss vom 29. Mai 2020 hob das Insolvenzgericht die Eigenverwaltung auf und bestellte den Beklagten zum Insolvenzverwalter.
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Infolge der am 17. Januar 2020 beschlossenen vollständigen Einstellung ihres Geschäftsbetriebs spätestens zum 30. April 2020 übermittelte die Schuldnerin dem Betriebsrat am gleichen Tag den Entwurf eines Interessenausgleichs, der die Kündigung sämtlicher Mitarbeiter der Schuldnerin zum Gegenstand hatte. Ausweislich dessen Regelungen sollten mit den Interessenausgleichsverhandlungen die aufgrund der beabsichtigten Massenentlassung erforderlichen Konsultationen mit dem Betriebsrat verbunden und durchgeführt werden. Entgegen Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 2 der Richtlinie 98/59/EG (im Folgenden MERL) sowie § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG übermittelte die Schuldnerin der zuständigen Agentur für Arbeit Osnabrück keine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat.
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Am 22. Januar 2020 einigten sich die Betriebsparteien auf einen Interessenausgleich mit Namensliste sowie einen Sozialplan. Der Betriebsrat erklärte in seiner abschließenden Stellungnahme gleichen Tages, dass er keine Möglichkeiten sehe, die beabsichtigten Entlassungen zu vermeiden.
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Nach Erstattung der Massenentlassungsanzeige am 23. Januar 2020 kündigte die Schuldnerin ua. das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 28. Januar 2020 zum 30. April 2020. Hiergegen hat der Kläger fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben.
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Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei ua. deshalb unwirksam, weil es aufgrund der unterbliebenen Übermittlung einer Abschrift der das Konsultationsverfahren mit dem Betriebsrat einleitenden Mitteilung an die Agentur für Arbeit an einer wirksamen Massenentlassungsanzeige fehle.
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Der Kläger hat beantragt
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festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Schuldnerin vom 28. Januar 2020 nicht zum 30. April 2020 aufgelöst worden ist.
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Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Er hält die Kündigung für wirksam. Insbesondere führe ein Verstoß gegen die Übermittlungspflicht nach § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung.
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Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Das vom Kläger angestrengte Revisionsverfahren hat der Senat mit Beschluss vom 27. Januar 2022 (- 6 AZR 155/21 (A) -) ausgesetzt und den Gerichtshof der Europäischen Union - EuGH - nach Art. 267 AEUV um Vorabentscheidung über die Frage ersucht, welchem Zweck Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 2 der MERL dient. Diese hat der EuGH mit Urteil vom 13. Juli 2023 (- C-134/22 -) beantwortet.
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Mit Beschluss vom 14. Dezember 2023 hat der Sechste Senat in dem Verfahren - 6 AZR 157/22 (B) - eine Anfrage an den Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts gestellt, ob dieser an seiner Rechtsprechung festhalte, wonach ein Fehler im Anzeigeverfahren gemäß § 134 BGB zur Unwirksamkeit der Kündigung des betroffenen Arbeitnehmers führe.
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B. Das Verfahren wird bis zur Entscheidung des Zweiten Senats des Bundesarbeitsgerichts über die Anfrage des Sechsten Senats im Verfahren - 6 AZR 157/22 (B) - in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO ausgesetzt. Gegenstand der Anfrage ist die Rechtsprechung des Zweiten Senats des Bundesarbeitsgerichts, wonach die den Arbeitgeber im Anzeigeverfahren obliegenden Pflichten, überhaupt eine Anzeige zu erstatten, gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2, Satz 3 KSchG die Stellungnahme des Betriebsrats beizufügen bzw. den Stand der Beratungen mit dem Betriebsrat darzulegen sowie in die Anzeige die sog. Muss-Angaben gemäß § 17 Abs. 3 Satz 4 KSchG aufzunehmen, Verbotsgesetze iSd. § 134 BGB sind, deren Verletzung zur Unwirksamkeit einer im Rahmen der Massenentlassung erklärten Kündigung führt. An dieser Rechtsprechung, die auch dieser Senat seinen bisherigen Entscheidungen zugrunde gelegt hat, möchte er nicht festhalten, da er - wie in der Anfrage ausgeführt - das Sanktionssystem für Fehler im Anzeigeverfahren insgesamt für inkohärent und unverhältnismäßig hält. Zwar gehört die Bestimmung des Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 2 der MERL, dessen nationaler Umsetzung § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG dient, zu Teil II der Richtlinie, der das Konsultationsverfahren regelt (EuGH 13. Juli 2023 - C-134/22 - [G GmbH] Rn. 28). Die Anfrage des Senats nimmt jedoch auch die Rechtsfolgen für Fehler im Konsultationsverfahren in den Blick. Die Beantwortung der Anfrage kann sich daher auch auf die Entscheidung des Senats im vorliegenden Verfahren auswirken.
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