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BSG 03.01.2022 - B 1 KR 45/21 B
BSG 03.01.2022 - B 1 KR 45/21 B - Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Verletzung rechtlichen Gehörs - Antrag auf Reiseentschädigung - Darlegung und Nachweis der Mittellosigkeit
Normen
§ 160a Abs 1 S 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG
Vorinstanz
vorgehend SG München, 11. Juni 2018, Az: S 18 KR 159/15, Gerichtsbescheid
vorgehend Bayerisches Landessozialgericht, 8. Oktober 2020, Az: L 4 KR 396/18, Urteil
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 8. Oktober 2020 wird als unzulässig verworfen.
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Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
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I. Der Kläger, der freiwillig versichertes Mitglied der Beklagten war, hatte mit seiner ua auf Gewährung uneingeschränkten Versicherungsschutzes, Niederschlagung von Beiträgen und Teilnahme an einem Bonusprogramm gerichteten Klage vor dem SG keinen Erfolg (Gerichtsbescheid vom 11.6.2018). Im Berufungsverfahren hat das LSG den Kläger ohne Anordnung des persönlichen Erscheinens zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 8.10.2020 geladen. Mit Schreiben vom 13.8.2020 hat der Kläger die Verlegung des Termins "auf einen Termin nach dem 27. Oktober 2020" beantragt, da er vorher verhindert sei. Außerdem fehle noch die Entscheidung über die beantragte Prozesskostenhilfe (PKH) für die Berufung und die Beiordnung eines Fachanwalts für Sozialrecht. Vorsorglich hat der Kläger einen Vorschuss auf seine Reisekosten zur An- und Abreise mit dem PKW zur mündlichen Verhandlung iH von 298 Euro beantragt. Mit weiterem Schreiben vom 13.8.2020 hat der Kläger Akteneinsicht durch Übersendung an seine Privatanschrift beantragt und darauf hingewiesen, dass für den Fall, dass das Gericht diesen Anspruch nicht erfüllen sollte, schon aus diesem Grund PKH gewährt werden müsste, damit ein Anwalt die Aktenbände kopieren könne. Mit Schreiben vom 19.8.2020 hat das LSG die Verlegung des Termins abgelehnt, da bereits kein erheblicher Verlegungsgrund mitgeteilt worden sei. Eine Anordnung des persönlichen Erscheinens sei ebenfalls nicht erfolgt. Außerdem sei weder ein Antrag auf PKH gestellt noch ein Rechtsanwalt benannt worden. Mit weiterem Schreiben vom 20.8.2020 hat das LSG auch den Antrag auf Zahlung eines Vorschusses für die Reisekosten zum Termin abgelehnt, da das persönliche Erscheinen des Klägers zum Termin nicht angeordnet sei. Aufgrund der mündlichen Verhandlung am 8.10.2020, zu der der Kläger nicht erschienen ist, hat das LSG die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 8.10.2020).
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Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.
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II. Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des allein geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes des Verfahrensmangels.
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Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB BSG vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - SozR 1500 § 160a Nr 36 mwN; BSG vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 16 mwN). Daran fehlt es.
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1. Sofern der Kläger seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) durch die Ablehnung seines Terminverlegungsantrages verletzt sieht, hat er nicht hinreichend dargelegt, dass er aus einem erheblichen Grund iS des § 227 Abs 1 Satz 1 ZPO iVm § 202 Satz 1 SGG an der Teilnahme an dem Termin zur mündlichen Verhandlung verhindert war und dies gegenüber dem LSG auch hinreichend substantiiert geltend gemacht hat (vgl dazu BSG vom 13.11.2008 - B 13 R 277/08 B - juris RdNr 15). Sofern der Kläger nach seinem Vorbringen geltend gemacht hat, sich die Anreise zum Gericht aus finanziellen Gründen nicht leisten zu können, die Vertretung durch einen Rechtsanwalt zu wünschen und parallel einen Antrag auf Akteneinsicht gestellt zu haben, legt er nicht dar, warum diesen Begehren (nur) durch eine Terminverlegung hätte Rechnung getragen werden können, zumal die Ladungsfrist recht großzügig bemessen war und bis zum Termin noch fast acht Wochen Zeit gewesen wären, um eine Entscheidung über die Anträge auf Fahrtkostenvorschuss und PKH zu erwirken und Akteneinsicht zu nehmen.
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2. Der Kläger legt auch nicht hinreichend dar, dass sein Anspruch auf rechtliches Gehör dadurch verletzt wurde, dass das LSG seinen Antrag auf Gewährung eines Fahrtkostenvorschusses für die Anreise zur mündlichen Verhandlung abgelehnt hat.
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Das Übergehen des Antrags auf Bewilligung einer Reiseentschädigung zur - anders nicht möglichen - Teilnahme an der mündlichen Verhandlung stellt zwar bei einem mittellosen und nicht rechtskundig vertretenen Kläger eine Versagung rechtlichen Gehörs dar (vgl BSG vom 11.2.2015 - B 13 R 329/13 B - juris RdNr 11; BSG vom 19.12.2017 - B 1 KR 38/17 B - juris RdNr 5; BSG vom 29.1.2019 - B 5 R 286/18 B - juris RdNr 11; BSG vom 25.6.2021 - B 13 R 94/20 B - juris RdNr 8 ff; vgl vorliegend auch die Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz über die Gewährung von Reiseentschädigungen vom 14.6.2006 <JMBl S 90, 146>, zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 7.1.2014 <JMBl S 22>; sowie die Verwaltungsvorschrift über die Gewährung von Reiseentschädigungen an mittellose Personen und Vorschusszahlungen etc - VwV Reiseentschädigung - idF vom 20.1.2014, BAnz AT 29.1.2014 B1).
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Wer - wie hier der Kläger - die Verletzung des rechtlichen Gehörs rügt, muss aber auch darlegen, dass er seinerseits alles ihm Zumutbare getan hat, um sich Gehör zu verschaffen (BSG vom 13.11.2017 - B 13 R 152/17 B - juris RdNr 12 mwN; BSG vom 28.6.2019 - B 1 KR 50/18 B - juris RdNr 7). Denn eine Verletzung rechtlichen Gehörs kann nicht geltend machen, wer es selbst versäumt hat, sich vor Gericht durch die zumutbare Ausschöpfung der vom einschlägigen Prozessrecht eröffneten und nach Lage der Dinge tauglichen Möglichkeiten Gehör zu verschaffen (vgl BVerfG vom 18.8.2010 - 1 BvR 3268/07 - juris RdNr 28; BSG vom 9.8.2016 - B 9 V 36/16 B - juris RdNr 7; BVerwG vom 3.7.1992 - 8 C 58.90 - juris RdNr 9; BVerwG vom 7.4.2020 - 5 B 30.19 D - juris RdNr 32; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 62 RdNr 11d, jeweils mwN). Hierzu gehört es bei einem Antrag auf eine Reiseentschädigung für die Anreise zur mündlichen Verhandlung auch, die Mittellosigkeit substantiiert darzulegen und auf Verlangen des Gerichts nachzuweisen (vgl BSG vom 19.12.2017 - B 1 KR 38/17 B - juris RdNr 5; BSG vom 29.1.2019 - B 5 R 286/18 B - juris RdNr 11 f). In der Beschwerdebegründung muss dargelegt werden, dass diesen Anforderungen Rechnung getragen wurde bzw dass insoweit keine zumutbare Möglichkeit bestand (vgl BSG vom 17.12.2020 - B 1 KR 35/20 B - juris RdNr 5; BVerwG vom 7.4.2020 - 5 B 30.19 D - juris RdNr 32 mwN). Dem wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht.
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Der Kläger führt lediglich aus, er habe einen Antrag auf einen Vorschuss auf seine Reisekosten für die An- und Abreise zur mündlichen Verhandlung mit dem PKW gestellt und dabei auch angegeben, aus gesundheitlichen Gründen mit dem PKW anreisen zu müssen. Diesen Antrag habe das LSG mit Schreiben vom 20.8.2020 abgelehnt, weil das persönliche Erscheinen des Klägers nicht angeordnet sei. Der Kläger teilt aber nicht mit, dass er gegenüber dem LSG auch substantiiert dargelegt hat, nicht über die für die Anreise zur mündlichen Verhandlung erforderlichen finanziellen Mittel zu verfügen. Sofern er pauschal behauptet, er habe "ausdrücklich zu verstehen gegeben, dass er sich die Anreise zum Gericht aus finanziellen Gründen nicht leisten kann", genügt dies für die erforderliche substantiierte Darlegung seiner Mittellosigkeit nicht. Hierfür hätte er zumindest seine wesentlichen wirtschaftlichen Verhältnisse offenlegen müssen. Auch hat der Kläger nicht dargelegt, sich gegen die - mehrere Wochen vor der mündlichen Verhandlung ergangene - Entscheidung des LSG über die Ablehnung eines Reisekostenvorschusses mit dem ggf prozessual möglichen und nach Lage der Dinge tauglichen Rechtsbehelf zur Wehr gesetzt zu haben. Je nachdem, ob die Entscheidung durch den Vorsitzenden bzw die Berichterstatterin oder durch die Gerichtsverwaltung ergangen ist, wäre hier etwa eine formlose Gegenvorstellung (vgl BSG vom 17.12.2020 - B 1 KR 35/20 B - juris RdNr 6), ein Antrag auf gerichtliche Festsetzung nach § 4 Abs 1 Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz oder ein Widerspruch sowie ggf eine Klage und ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vor dem zuständigen Verwaltungsgericht (vgl dazu Bockholdt, NZS 2021, 281, 284 f) in Betracht gekommen.
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3. Schließlich hat der Kläger auch nicht hinreichend dargelegt, dass das LSG seinen Anspruch auf rechtliches Gehör dadurch verletzt hat, dass es vor der mündlichen Verhandlung keine Entscheidung über seinen Antrag auf Gewährung von PKH getroffen hat.
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Fehler bei der Ablehnung von PKH führen dann nicht zu einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, wenn zwar die Ablehnung verfahrensfehlerhaft zustande gekommen bzw - wie hier - unterblieben ist (vgl dazu, dass in der Rüge der Verweigerung von PKH ein eigenständiger PKH-Antrag zu sehen sein kann, BSG vom 17.2.1998 - B 13 RJ 83/97 R - SozR 3-1500 § 62 Nr 19, juris RdNr 25), in der Sache aber zu keinem Zeitpunkt eine Gewährung von PKH für das Berufungsverfahren in Betracht gekommen und die Ablehnung deswegen im Ergebnis nicht zu beanstanden ist (vgl BSG vom 4.12.2007 - B 2 U 165/06 B - SozR 4-1500 § 62 Nr 9 RdNr 10; BSG vom 25.7.2013 - B 14 AS 101/13 B - juris RdNr 9). Der Kläger hätte deshalb darlegen müssen, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von PKH für das Berufungsverfahren vorgelegen haben. Daran fehlt es.
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4. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Schlegel Scholz Bockholdt
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