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BSG 01.09.2021 - B 12 KR 27/21 B
BSG 01.09.2021 - B 12 KR 27/21 B - Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Divergenz - Darlegung der Sachaufklärungsrüge - Verfahrensmangel
Normen
§ 103 SGG, § 128 Abs 1 S 1 SGG, § 159 Abs 1 Nr 2 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG
Vorinstanz
vorgehend SG Halle (Saale), 18. Juli 2019, Az: S 16 KR 204/18, Gerichtsbescheid
vorgehend Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, 12. Mai 2021, Az: L 6 KR 60/19, Urteil
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 12. Mai 2021 wird als unzulässig verworfen.
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Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
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I. In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens über die Versicherungs- und Beitragspflicht des Klägers in der landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegeversicherung in den Jahren 2008 und 2009.
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Der Kläger bezog seit Oktober 2004 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Durch Bescheid vom 6.2.2006 stellte die Rechtsvorgängerin der Beklagten fest, dass der Kläger bei ihr ab 1.11.2004 als landwirtschaftlicher Unternehmer mit einem die Mindestgröße (4 ha) erreichenden Unternehmen kranken- und pflegeversichert ist. In der Folge ergingen zT im Wege des Überprüfungsverfahrens weitere Bescheide. Mit Bescheid vom 12.5.2015 wurden die Beiträge für die Jahre 2008 und 2009 neu festgesetzt. Rechtsbehelfe blieben erfolglos (SG Urteil vom 13.10.2010; LSG Urteil vom 14.9.2016; BSG Beschluss vom 12.4.2017 - B 12 KR 106/16 B).
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Am 26.10.2017 beantragte der Kläger im Überprüfungsverfahren die Aufhebung des Bescheids vom 12.5.2015, die die Beklagte ablehnte (Bescheid vom 5.1.2018; Widerspruchsbescheid vom 26.3.2018). Die Klage ist mit Gerichtsbescheid vom 18.7.2019 abgewiesen worden. Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen. Der Kläger sei bei der Beklagten krankenversichert, weil sein Unternehmen trotz einer Verpachtung (Pachtvertrag vom 17.1.2008) mit den (zumindest) verbleibenden 7,56 ha die Mindestgröße erreicht habe. Unerheblich sei, ob der Kläger sein Unternehmen ohne Gewinnerzielungsabsicht betrieben habe. Auch eine als Rentner bestehende Pflichtversicherung stehe der Beitragserhebung nicht entgegen. Durch die physischen und psychischen Leistungseinschränkungen des Klägers würde keine "globale Erwerbsunfähigkeit" bedingt. Für die tatsächliche Flächenbewirtschaftung spreche der Erhalt landwirtschaftlicher Subventionen in den Jahren 2008 und 2009. Für die soziale Pflegeversicherung gelte, dass der Kläger den Nachweis berücksichtigungsfähiger Kinder jedenfalls nicht vor Ende 2010 erbracht habe, sodass er für die Jahre 2008 und 2009 keine Wirkung habe. Durch die Höhe der geforderten Beiträge sei der Kläger jedenfalls nicht beschwert (Urteil vom 12.5.2021).
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Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG.
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II. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG). Der Kläger hat entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG die geltend gemachten Zulassungsgründe der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) und des Verfahrensfehlers (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht hinreichend bezeichnet.
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1. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschlüsse vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN). Eine solche Abweichung hat der Kläger nicht hinreichend dargetan.
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Er behauptet eine Divergenz zu der Entscheidung des BSG vom 5.5.1993 (BSG Urteil vom 5.5.1993 - 9/9a RVs 2/92 - SozR 3-3870 § 4 Nr 5). Darin sei der Rechtssatz aufgestellt worden, dass die Rüge der Anmaßung medizinischer Kenntnisse grundsätzlich geeignet sei, das Beweisergebnis in der Revision anzugreifen.
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Der Kläger legt jedoch nicht schlüssig dar, dass das LSG mit einem eigenen Rechtssatz davon abgewichen sei. Der Kläger zitiert als vermeintlichen Rechtssatz aus dem Urteil des LSG: "Soweit der Kläger schließlich auf die Ausführungen der Ärzte K, W und J verweist, bestehen nach diesen bei ihm zwar physische und psychische Leistungseinschränkungen. Diese werden vom Kläger nicht reflektiert und bedingen überdies gerade keine globale Erwerbsunfähigkeit, wie K und J ausdrücklich betont haben." Er schlussfolgert daraus, dass sich das LSG medizinische Kenntnisse angemaßt habe. Die tatsächlichen Feststellungen des LSG würden für dessen Wertung nicht ausreichen.
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Damit wird jedoch kein Rechtssatz des LSG sondern dessen Beweiswürdigung im Einzelfall wiedergegeben und angegriffen. Mit der Behauptung, das Urteil des LSG entspreche nicht den Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung und sei rechtsfehlerhaft, lässt sich die Zulassung der Revision aber nicht erreichen. Ebenso wenig kann die im Kern darin enthaltene Rüge der fehlerhaften Beweiswürdigung zum Gegenstand einer Nichtzulassungsbeschwerde gemacht werden (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 iVm § 128 Abs 1 Satz 1 SGG). Es würde dem gesetzlichen Ausschluss zuwiderlaufen, wenn ein derartiger Verstoß im Rahmen einer Divergenzrüge geltend gemacht werden könnte, um auf diese Weise eine Nachprüfung des Berufungsurteils hinsichtlich der Beweiswürdigung zu erreichen (vgl BSG Beschluss vom 5.2.1980 - 2 BU 31/79 - juris RdNr 6).
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2. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Die Begründung des Klägers erfüllt diese Darlegungsanforderungen nicht.
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a. Der Kläger rügt die Verletzung des § 159 Abs 1 Nr 2 SGG. Das SG habe unzulässigerweise und unter Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör durch Gerichtsbescheid entschieden. Er habe mitgeteilt, dass er mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid nicht einverstanden sei, da die Voraussetzungen des § 105 Abs 1 SGG nicht vorlägen und er dadurch seinem gesetzlichen Richter entzogen werde. Das LSG habe daher nicht selbst entscheiden dürfen und an das SG zurückverweisen müssen. Er habe vorgetragen, dass er nur Mittel für stillgelegte Flächen erhalten habe. Dies sei keine Führung eines Unternehmens. Es sei daher eine Beweisaufnahme dazu erforderlich gewesen, dass auf den stillgelegten Bodenflächen nur Disteln gewachsen seien.
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Insoweit fehlt es bereits an dem Vortrag, dass der Kläger in der Berufungsinstanz statt eines Sachantrags auch die Zurückverweisung der Sache an das SG beantragt habe (vgl zu diesem Erfordernis BSG Beschluss vom 14.2.2006 - B 9a SB 22/05 B - juris RdNr 6 mwN).
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Aber selbst wenn der Gerichtsbescheid des SG an einem wesentlichen Verfahrensmangel gelitten haben sollte, würde der Vortrag des Klägers nicht ausreichen, die Zulassung der Revision mit einem Verstoß des LSG zu begründen. Seit der Änderung des § 159 SGG durch das Vierte Gesetz zur Änderung des SGB IV und anderer Gesetze vom 22.12.2011 (BGBl I 3057) ist eine Zurückverweisung nach Abs 1 Nr 2 der Norm durch das LSG nur möglich, wenn aufgrund des erstinstanzlichen Verfahrensmangels eine umfassende und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Dies ist der Fall, wenn sie einen erheblichen Einsatz von personellen und sächlichen Mitteln erforderlich macht (vgl BT-Drucks 17/6764 S 72). Die Notwendigkeit einer solchen Beweisaufnahme hat das LSG jedoch verneint. Soweit der Kläger entgegen der Auffassung des LSG eine weitere Aufklärung hinsichtlich des Zustands der Bodenflächen für erforderlich hält, rügt er damit inzident eine Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 103 SGG). Deren besondere Darlegungsvoraussetzungen können aber nicht durch die Rüge des § 159 SGG umgangen werden. Eine solche Sachaufklärungsrüge erfordert die Darlegung, dass das LSG einem bis zuletzt in der mündlichen Verhandlung aufrechterhaltenen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt sei (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Dies zeigt der Kläger in seiner Beschwerdebegründung nicht auf.
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b. Auch die Rüge einer Verletzung der §§ 13, 14 SGB I und der Amtsermittlung nach § 103 SGG wegen der fehlenden Ermittlung seiner Elterneigenschaft kann nicht zur Zulassung der Revision führen. Der Kläger trägt dazu vor, dass der Beklagten eine erhebliche Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes (§ 20 SGB X) vorzuwerfen sei, die zur Rechtswidrigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts führen müsse. Außerdem sei wegen der strittigen Elterneigenschaft die Beratungspflicht gemäß § 14 SGB I verletzt worden, sodass die Möglichkeit der Geltendmachung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs bestehe.
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Insoweit handelt es sich jedoch nicht um die Rüge eines Verfahrensmangels iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG. Ein solcher Mangel liegt nur vor, wenn infolge einer unrichtigen Anwendung oder infolge Nichtanwendung einer verfahrensrechtlichen Vorschrift das Verfahren des LSG fehlerhaft geworden ist (vgl bereits BSG Urteil vom 29.11.1955 - 1 RA 15/54 - BSGE 2, 81 - juris RdNr 4). Der Kläger behauptet mit seinem Vortrag keinen prozessualen Verstoß des LSG, sondern bemängelt vielmehr das verfahrensrechtliche Vorgehen der Beklagten. Soweit er hierdurch rügen will, das LSG habe zu Unrecht das Vorgehen der Beklagten gebilligt, würde es sich um die Geltendmachung der vermeintlichen inhaltlichen Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung handeln. Hierauf kann aber eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden.
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c. Soweit der Kläger schon bei der Darstellung des Tatbestandes in seiner Beschwerdebegründung weitere Rügen hinsichtlich der Ermittlung, Aktenführung und Prozessvertretung der Beklagten erheben wollte, hat er auch insoweit keinen Verfahrensmangel des LSG aufgezeigt, auf dem die Entscheidung beruhen könnte.
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d. Soweit der Kläger auf Seite 3 der Beschwerdebegründung "hiermit beantragt", die Forderung der Beklagten niederzuschlagen oder zu erlassen, kann der Senat darüber nicht entscheiden. Hierzu ist die Beklagte berufen.
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Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
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