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BSG 30.03.2021 - B 8 SO 73/20 B
BSG 30.03.2021 - B 8 SO 73/20 B - (Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Zurückweisung der Berufung durch Beschluss nach § 153 Abs 4 SGG unter Mitwirkung eines abgelehnten Richters - maßgeblicher Zeitpunkt für die Erledigung des Ablehnungsgesuchs - Heilung durch Zustellung des Beschlusses über die Verwerfung des Ablehnungsgesuchs)
Normen
§ 160a Abs 1 S 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 153 Abs 4 SGG, § 60 Abs 1 SGG, § 202 S 1 SGG, § 47 Abs 1 ZPO, § 547 Nr 3 ZPO
Vorinstanz
vorgehend SG Köln, 12. Oktober 2018, Az: S 27 SO 346/17, Urteil
vorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 15. Juli 2020, Az: L 12 SO 44/19, Beschluss
Tenor
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Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 15. Juli 2020 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
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Die Beschwerde des Klägers gegen den bezeichneten Beschluss wird als unzulässig verworfen.
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Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
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I. Im Streit ist die Gewährung Tagesgestaltender Leistungen als Geldleistung der Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (SGB XII).
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Der Kläger ist seelisch behindert (GdB von 100; Merkzeichen G und B). Er bezieht eine Rente wegen voller Erwerbsminderung und ergänzend Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach dem Vierten Kapitel des SGB XII. Er lebt allein in einer Wohnung und erhält vom beklagten überörtlichen Träger der Sozialhilfe Leistungen des ambulant Betreuten Wohnens. Zudem erhielt er seit September 2012 wöchentlich 17,50 Euro als Tagesgestaltende Leistung, die er zu seiner Freizeitgestaltung einsetzte. Die Geldleistung Tagesgestaltende Leistung (17,50 Euro pro Tageseinheit) hat der Beklagte 2008 modellhaft eingeführt, um Menschen mit Behinderung, die selbstständig in der eigenen Wohnung leben, mehr Möglichkeiten zu einer selbstbestimmten Lebensform zu eröffnen. Dieses Modellvorhaben hat der Beklagte zum Ende des Jahres 2016 beendet, weil das verfolgte Ziel auch durch die Gewährung eines Persönlichen Budgets oder Teilbudgets erreicht werden könne (Beschluss vom 18.11.2016; Vorlage-Nr. 14/1609). Der Beklagte erkannte den Anspruch des Klägers auf Tagesgestaltende Leistungen bis zum 31.7.2017 an, lehnte einen darüber hinausgehenden Anspruch aber ab (Bescheid vom 1.2.2017; Widerspruchsbescheid vom 10.5.2017). Die Klage hiergegen hat keinen Erfolg gehabt (Urteil des Sozialgerichts <SG> Köln vom 12.10.2018; Beschluss des Landessozialgerichts <LSG> Nordrhein-Westfalen vom 15.7.2020).
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Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem bezeichneten Beschluss wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde und beantragt zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Rechtsanwalts.
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II. Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist nicht begründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig er-scheint (§ 73a Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG> iVm § 114 Zivilprozessordnung <ZPO>); daran fehlt es hier. Hinreichende Aussicht auf Erfolg wäre nur zu bejahen, wenn einer der drei in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe durch einen zuge-lassenen Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 4 SGG) mit Erfolg geltend gemacht werden könnte; denn nur diese Gründe können zur Zulassung der Revision führen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
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Der Rechtssache kommt nach Aktenlage keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Solche Fragen wirft der vorliegende Rechtsstreit nicht auf. Eine Tagesgestaltende Leistung als pauschale Geldleistung wird vom Beklagten zur Deckung von Bedarfen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zwischenzeitlich nicht mehr gewährt; das Modellvorhaben, das solche Leistungen für den Zuständigkeitsbereich des Beklagten geregelt hatte, ist bereits zum 31.12.2016 beendet worden. Die entsprechenden Bedarfe waren zwar bis zum 31.12.2019 weiterhin mit Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII zu decken, allerdings stand es dem Beklagten frei, dafür nicht mehr eine Tagesgestaltende Leistung zu zahlen. Ob und welche Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nach dem SGB XII dem Kläger wegen der von ihm geltend gemachten Bedarfe vom 1.8.2017 bis zum 31.12.2019 zustanden, ist aber eine Frage des Einzelfalls. Mit dem Inkrafttreten der Regelungen in Teil 2 des Sozialgesetzbuchs Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) mit dem Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz <BTHG> vom 23.12.2016, BGBl I 3234) richten sich seine Ansprüche wegen Eingliederungshilfe seit dem 1.1.2020 ohnehin nicht mehr nach dem SGB XII, sodass auch von daher eine grundsätzliche Bedeutung nicht erkennbar ist. Anhaltspunkte dafür, dass eine Divergenzrüge (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) Aussicht auf Erfolg versprechen könnte, bestehen nach dem Vorstehenden ebenso wenig.
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Es ist auch nicht erkennbar, dass ein zugelassener Rechtsanwalt mit Erfolg einen Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) geltend machen könnte. Zwar hat das LSG unter Mitwirkung der zuvor vom Kläger wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnten Vorsitzenden Richterin K und der Richterin S entschieden, bevor das Ablehnungsgesuch erledigt war. Insoweit ist entscheidend für das Ende des Handlungsverbots abgelehnter Richter (vgl § 60 SGG iVm § 47 Abs 1 ZPO) nicht der Tag der Beschlussfassung wegen des Ablehnungsgesuchs (hier am 14.7.2020), sondern die Bekanntgabe des Beschlusses (hier mit seiner Zustellung am 23.7.2020); denn erst mit seiner Bekanntgabe wird der (unanfechtbare) Beschluss rechtskräftig und das Ablehnungsgesuch ist erledigt (vgl etwa Bundesgerichtshof <BGH> vom 15.6.2010 - XI ZB 33/09 - NJW-RR 2011, 427 RdNr 17 mwN). Hat ein abgelehnter Richter gleichwohl an einem urteilsersetzenden Beschluss nach § 153 Abs 4 SGG mitgewirkt, wird dieser Verfahrensfehler durch die Zustellung eines zuvor gefassten Beschlusses über die Verwerfung des Ablehnungsgesuchs aber geheilt (BSG vom 1.8.2000 - B 9 SB 24/00 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 29 S 55; BSG vom 3.2.2020 - B 14 AS 302/19 B - juris RdNr 3).
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Ein § 202 SGG iVm § 547 Nr 3 ZPO (Mitwirkung eines abgelehnten Richters bei erfolgreichem Ablehnungsgesuch) entsprechender Fall könnte deshalb nur angenommen werden, wenn das LSG über das Ablehnungsgesuch des Klägers nicht entschieden oder es für begründet erklärt hätte oder die Verwerfung des Ablehnungsgesuchs auf willkürlichen Erwägungen beruhte (vgl BSG vom 1.8.2000 - B 9 SB 24/00 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 29 S 55). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor; denn es ist nicht erkennbar, dass die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs, die ohne die Beteiligung der abgelehnten Richterinnen erfolgt ist und sich im Einzelnen mit den vorgebrachten Einwänden auseinandersetzt, auf willkürlichen Erwägungen beruhte.
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Es ist auch nicht erkennbar, dass ein Verstoß gegen § 153 Abs 4 SGG mit Erfolg geltend gemacht werden könnte. Nach § 153 Abs 4 Satz 1 SGG kann das LSG, außer in den Fällen, in denen das SG durch Gerichtsbescheid (§ 105 Abs 2 Satz 1 SGG) entschieden hat, die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind gemäß § 153 Abs 4 Satz 2 SGG vorher zu hören. Die Entscheidung, die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß § 153 Abs 4 Satz 1 SGG zurückzuweisen, steht in pflichtgemäßem Ermessen des Berufungsgerichts und kann nur auf fehlerhaften Gebrauch, dh sachfremde Erwägungen und grobe Fehleinschätzung, überprüft werden (BSG vom 2.5.2001 - B 2 U 29/00 R - SozR 3-1500 § 153 Nr 13; BSG vom 12.2.2009 - B 5 R 386/07 B - SozR 4-1500 § 153 Nr 7). Für einen Ermessensfehlgebrauch ist hier nach Lage der Akten aber nichts erkennbar.
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Nach Ablehnung der Richterinnen durch den Kläger war auch die vorgeschriebene Anhörungsmitteilung nicht verbraucht. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist eine erneute Anhörung gemäß § 153 Abs 4 Satz 2 SGG erforderlich, wenn sich nach der ersten Anhörungsmitteilung die Prozesssituation entscheidungserheblich ändert. Eine solche Änderung liegt nicht für sich genommen in der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch; selbst bei einer Änderung der Besetzung des Gerichts müsste nicht erneut nach § 153 Abs 4 SGG angehört werden (BSG vom 15.7.2009 - B 13 RS 46/09 B - juris RdNr 8). Eine neue Anhörung ist ferner erforderlich, wenn ein Beteiligter nach der Anhörungsmitteilung substantiiert neue Tatsachen vorträgt, die eine weitere Sachaufklärung von Amts wegen erfordern (vgl etwa BSG vom 10.10.2017 - B 12 KR 37/17 B - juris RdNr 9). Dass sich aus dem Vortrag im Ablehnungsgesuch, das der Kläger damit begründet hatte, in einer für ihn so wichtigen Angelegenheit dürfe nicht durch Beschluss ohne ehrenamtliche Richter entschieden werden, ein Grund für eine erneute Anhörung ergibt, ist aber nicht erkennbar. Inhaltlich hat der Kläger seine Auffassung lediglich wiederholt.
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Mit der Ablehnung der PKH entfällt auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 ZPO).
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Die vom Kläger ohne zugelassenen Prozessbevollmächtigten eingelegte Beschwerde entspricht nicht den zwingenden gesetzlichen Vorschriften. Der Kläger muss sich vor dem BSG gemäß § 73 Abs 4 SGG durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Er kann eine Prozesshandlung rechtswirksam nicht vornehmen, folglich auch nicht selbst Beschwerde einlegen. Schon die Beschwerdeschrift muss von einem nach § 73 Abs 4 Satz 2 SGG zugelassenen Prozessbevollmächtigten unterzeichnet sein. Die nicht formgerecht eingelegte Beschwerde ist schon deshalb nach § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
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