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BSG 26.10.2017 - B 2 U 6/16 R
BSG 26.10.2017 - B 2 U 6/16 R - (Gesetzliche Unfallversicherung - Übergangsrecht - Arbeitsunfall - anerkannte Unfallfolgen - weitere Unfallfolgen - Bindungswirkung - keine Rücknahme - sozialrechtliches Verwaltungsverfahren - Zugunstenverfahren gem § 44 SGB 10 - Anwendbarkeit - Möglichkeit eines fristgemäßen Widerspruchsverfahrens - komplexes regionales Schmerzsyndrom als weitere Gesundheitsstörung)
Normen
§ 77 SGG, § 44 Abs 1 SGB 10, § 48 SGB 10, § 31 S 1 SGB 10, § 212 SGB 7, § 214 Abs 3 SGB 7, § 547 RVO, § 548 RVO, § 555 Abs 1 RVO
Vorinstanz
vorgehend SG Schwerin, 23. Juli 2009, Az: S 5 U 4/06, Gerichtsbescheid
vorgehend Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern, 30. September 2015, Az: L 5 U 35/09, Urteil
Leitsatz
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Selbst wenn ein Unfallversicherungsträger eine Gesundheitsstörung möglicherweise zu Unrecht als Unfallfolge festgestellt hat, ist - wenn diese Feststellung nicht aufgehoben worden ist - auch die durch sie wesentlich verursachte weitere Gesundheitsstörung als Unfallfolge festzustellen.
Tenor
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Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 30. September 2015 wird zurückgewiesen.
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Die Beklagte hat der Klägerin auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf Feststellung eines komplexen regionalen Schmerzsyndroms des linken Armes als weitere Folge eines Arbeitsunfalls und auf Zahlung einer höhere Verletztenrente hat.
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Die als Geschäftsführerin tätige Klägerin erlitt am 5.5.1995 auf dem Weg zu einer Schulungsmaßnahme mit dem Pkw einen Unfall. Der Durchgangsarzt stellte am Unfalltag eine Stauchung der Halswirbelsäule und eine leichte Prellung des Schädels fest. In der Folgezeit unterzog sich die Klägerin im November 1995, April 1996 und April 1997 Operationen der Halswirbelsäule in Höhe des Wirbelkörpers C 5/6. Infolge insbesondere der im April 1996 durchgeführten Operation entwickelte sich ein komplexes regionales Schmerzsyndrom (Complex Regional Pain Syndrom - CRPS) im Bereich des linken Armes. Die Beklagte lehnte die Gewährung einer Verletztenrente ab, weil der Bandscheibenvorfall in Höhe C 5/6 und die Arm- und Schulterbeschwerden keine Folgen des Arbeitsunfalls seien (Bescheid vom 10.8.2000 und Widerspruchsbescheid vom 14.11.2000). Unter Abänderung dieser von der Klägerin angefochtenen Bescheide verurteilte das SG die Beklagte, der Klägerin für die Zeit vom 7.11.1995 bis 1.2.1996, vom 23.4.1996 bis 23.7.1996 sowie vom 1.4.1997 bis 1.7.1997 Verletztengeld sowie für die Zeit vom 2.2.1996 bis 22.4.1996, vom 24.7.1996 bis 31.3.1997 Verletztenrente und ab 2.7.1997 Rente auf unbestimmte Zeit nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 vH zu zahlen. Soweit die Klägerin die Feststellung von Funktionsstörungen im Bereich des linken Armes als Unfallfolgen begehrt hatte, wies das SG die Klage ab (Urteil vom 25.2.2003). Zur Begründung führte es ua aus, die Klägerin habe am 5.5.1995 einen Arbeitsunfall erlitten, bei dem es zu einem Bandscheibenvorfall im Bereich der Halswirbelkörper C 5/6 gekommen sei. Der Bandscheibenvorfall habe zu einer Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule im Sinne einer Teilversteifung, einem posttraumatischen Zervikobrachialsyndrom, nämlich Schmerzen an der Halswirbelsäule, Schmerzausstrahlung, Komplexphänomene am linken Arm, bei abgelaufener Distorsion der Halswirbelsäule und zu einer fixierten Haltungsabweichung der Halswirbelsäule geführt. Die MdE betrage dauerhaft um 20 vH. Nicht durch das Unfallereignis verursacht seien die Funktionsstörungen im Bereich des linken Armes. Gegen dieses Urteil legte die Klägerin Berufung und die Beklagte nach Ablauf der Berufungsfrist Anschlussberufung ein. Der vom LSG beauftragte Sachverständige führte in seinem Gutachten vom 21.3.2004 ua aus, ein primärer Verletzungsbefund, der einen unfallverursachenden isolierten Bandscheibenvorfall im Halswirbelkörper C 5/6 belegen könne, sei nicht wahrscheinlich. Mit der Operation im November 1995 seien keine Unfallfolgen behandelt worden, die postoperativen Komplikationen und die nach den Folgeoperationen aufgetretenen Gesundheitsstörungen ließen sich deshalb nicht auf den Unfall zurückführen. Daraufhin nahm die Klägerin am 9.12.2004 ihre Berufung zurück.
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Die Beklagte erkannte mit Bescheid vom 24.3.2005 den Unfall vom 5.5.1995 als Arbeitsunfall und als dessen Folgen "Operativ versorgter Bandscheibenvorfall zwischen dem 5. und 6. Halswirbelkörper mit Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule i. S. einer Teilversteifung, posttraumatisches Zervikobrachialsyndrom nach HWS-Schleudertrauma II. - III. Grades, fixierte Haltungsabweichung der Halswirbelsäule" an und bewilligte eine unbefristete Verletztenrente nach einer MdE von 20 vH ab 2.2.1996.
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Am 13.5.2005 beantragte die Klägerin unter Verweis auf § 44 SGB X die Rücknahme des Urteils des SG Schwerin vom 25.2.2003 sowie Rücknahme eines nicht begünstigenden Verwaltungsaktes, weil das Urteil des SG fälschlicher Weise davon ausgehe, dass zwischen dem CRPS und dem Unfallereignis keine Kausalität bestünde. Die Beklagte lehnte die Rücknahme des Bescheides vom 24.3.2005 ab (Bescheid vom 4.8.2005 und Widerspruchsbescheid vom 6.12.2005). Das SG hat die dagegen erhobene Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 23.7.2009). Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG nach Anhörung eines weiteren Sachverständigen den Gerichtsbescheid des SG sowie den die Rücknahme ablehnenden Bescheid vom 4.8.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.12.2005 aufgehoben und die Beklagte unter teilweiser Rücknahme des Bescheides vom 10.8.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.11.2000 sowie des Bescheides vom 24.3.2005 verpflichtet, der Klägerin unter Anerkennung eines komplexen regionalen Schmerzsyndroms ihres linken Armes als mittelbare Folge ihres Arbeitsunfalls ab 1.1.2001 eine Verletztenrente nach einer MdE von 60 vH zu gewähren (Urteil vom 30.9.2015). Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte sei an die im Bescheid vom 24.3.2005 festgestellten Unfallfolgen gebunden. Unter Zugrundelegung dieser anerkannten Unfallfolgen hätte auch das CRPS als weitere Unfallfolge anerkannt werden müssen, weil dieser Gesundheitsschaden kausal auf die zur Behandlung der anerkannten Unfallfolgen durchgeführten Operationen im Bereich der Halswirbelsäule zurückzuführen sei, auch wenn nach der wohl zutreffenden Beurteilung des im ersten Gerichtsverfahren vom LSG gehörten Sachverständigen in den bildgebenden Aufnahmen zeitnah zum Unfall keine Begleitverletzungen zu erkennen gewesen seien, die die Anerkennung einer traumatischen Verursachung eines isolierten Bandscheibenvorfalles im Halswirbelkörper C 5/6 als Unfallfolge gerechtfertigt hätten.
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Die Beklagte rügt mit ihrer Revision die Verletzung des § 141 Abs 1 Nr 1 SGG, weil das LSG zu Unrecht den Urteilstenor des rechtskräftigen Urteils des SG vom 25.2.2003 abgeändert habe. Der Bescheid vom 24.3.2005 enthalte keine eigenständigen Regelungen. Aus § 44 SGB X folge kein Anspruch, rechtlich besser gestellt zu werden, als es der materiellen Rechtslage entspreche, wenn eine Unfallfolge - wie hier - zu Unrecht anerkannt worden sei. Dementsprechend habe sie am 12.4.2016 einen sog Abschmelzungsbescheid nach § 48 Abs 3 SGB X erlassen, der gemäß § 96 Abs 1 iVm § 171 SGG in den Rechtsstreit einzubeziehen sei. Anderenfalls müsse das Revisionsverfahren gemäß § 114 Abs 2 SGG bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Abschmelzungsbescheid ausgesetzt werden. Auch sei § 103 SGG verletzt, weil das LSG nur Teile des medizinischen Sachverhaltes in die Prüfung einbezogen habe.
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Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 30. September 2015 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Schwerin vom 23. Juli 2009 zurückzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend. Der nach § 48 Abs 3 SGB X erlassene Bescheid vom 12.4.2016 sei nicht Gegenstand des anhängigen Verfahrens geworden.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Zu Recht hat das LSG den klageabweisenden Gerichtsbescheid des SG sowie die angefochten Bescheide der Beklagten aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Bescheid vom 24.3.2005 teilweise zurückzunehmen, ein komplexes regionales Schmerzsyndrom des linken Armes als mittelbare Unfallfolge anzuerkennen und eine Verletztenrente nach einer MdE von 60 vH ab 1.1.2001 zu gewähren.
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Im Revisionsverfahren war nur noch über die zulässige kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4, § 56 SGG; vgl zur statthaften Klageart BSG vom 26.4.2016 - B 2 U 14/14 R - SozR 4-2700 § 90 Nr 4 RdNr 15 und vom 19.12.2013 - B 2 U 17/12 R - SozR 4-2700 § 73 Nr 1 RdNr 12) zu entscheiden, soweit die Klägerin unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 4.8.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.12.2005 die teilweise Aufhebung des Bescheides vom 24.3.2005, die Anerkennung eines komplexen regionalen Schmerzsyndroms des linken Armes als weitere Folge des Arbeitsunfalls und die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von 60 vH ab 1.1.2001 durch die Beklagte begehrte. Ihre Klage, die Beklagte auch zur Aufhebung des Bescheides vom 10.8.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.11.2000 zu verpflichten, hat sie zurückgenommen, sodass das Urteil des LSG insoweit gegenstandslos geworden ist.
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Ebenfalls nicht zu entscheiden war im Revisionsverfahren über die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 12.4.2016, mit dem die Beklagte die Verletztenrente nach einer MdE von 20 vH mit einem monatlichen Zahlbetrag von 271,01 Euro festgesetzt und bestimmt hatte, dass die Verletztenrente an künftigen Rentenanpassungen nicht teilnehme. Dieser Bescheid ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden. Dahinstehen kann, ob er den hier angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 4.8.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.12.2005 iS des § 96 SGG abänderte oder ersetzte, denn auch dann wäre er nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden, sondern würde gemäß § 171 SGG als mit der Klage am SG angefochten gelten.
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Der Senat konnte abschließend entscheiden, ohne das Verfahren nach § 114 Abs 2 S 1 SGG auszusetzen. Gemäß § 114 Abs 2 S 1 SGG kann das Gericht anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung eines anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsstelle auszusetzen ist, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsstelle festzustellen ist. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind entgegen der Auffassung der Beklagten nicht erfüllt. Insbesondere hing die Entscheidung nicht von der Entscheidung in einem Widerspruchsverfahren oder von einer gerichtlichen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 12.4.2016 ab, weil dessen Regelungen keine Auswirkung auf die hier angefochtenen Verwaltungsakte und geltend gemachten Ansprüche haben konnte. Dieser Bescheid, mit dem die Beklagte unter Hinweis auf § 48 Abs 3 SGB X die Verletztenrente nach einer MdE von 20 vH mit einem monatlichen Zahlbetrag von 271,01 Euro festsetzte und bestimmte, dass die Verletztenrente an künftigen Rentenanpassungen nicht teilnehme, regelte die Rentenhöhe nur für zukünftige Zeiträume nach Erlass des Bescheides vom 12.4.2016. Demgegenüber ist für die Entscheidung des Senats über die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide und die geltend gemachten Ansprüche der Klägerin auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem LSG am 30.9.2015 abzustellen.
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Die zulässigen Klagen sind begründet. Nach § 44 Abs 1 S 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Ist auf Antrag ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vom Beginn des Jahres, in dem der Antrag gestellt wurde, erbracht (§ 44 Abs 4 SGB X). Die Beklagte war nach diesen Vorschriften verpflichtet, den Bescheid vom 24.3.2005 teilweise zurückzunehmen, weil sie bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt, deshalb zu Unrecht nicht als weitere Unfallfolge ein komplexes regionales Schmerzsyndrom des linken Armes anerkannt und der Klägerin statt einer Verletztenrente nach einer MdE von 60 vH nur eine solche nach einer MdE von 20 vH bewilligt hatte. Die Klägerin hat Anspruch auf Feststellung dieser Unfallfolge und Gewährung einer Unfallrente nach einer MdE von 60 vH ab 1.1.2001.
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§ 44 Abs 1 SGB X ist hier anwendbar, weil der Bescheid der Beklagten vom 24.3.2005 nicht begünstigende Verwaltungsakte iS von § 31 S 1 SGB X enthielt, auch wenn er in Umsetzung des Urteils des SG vom 25.2.2003 erging. Bescheide zur Ausführung eines Urteils enthalten jedenfalls dann Verwaltungsakte, wenn sie eine über den Urteilstenor hinausgehende Entscheidung treffen (vgl BSG vom 18.9.2003 - B 9 V 82/02 B - juris RdNr 6). Nicht begünstigend iS des § 44 Abs 1 SGB X kann auch ein leistungsgewährender Verwaltungsakt sein, soweit er keine höheren Leistungen gewährt (vgl BSG vom 22.3.1989 - 7 RAr 122/87 - SozR 1300 § 44 Nr 38). Hier bedurfte es einer weiteren Konkretisierung über den Tenor des Urteils des SG hinaus, weil dieser keine Feststellungen der Unfallfolgen enthielt. Die für die Verurteilung zu einer Verletztenrente nach einer MdE von 20 vH aus Sicht des SG maßgeblichen Unfallfolgen konnten lediglich aus den Entscheidungsgründen entnommen werden und nahmen deshalb nicht an der Rechtskraftwirkung des Urteilstenors teil (vgl BSG vom 11.5.1999 - B 11 AL 69/98 R - SozR 3-1500 § 75 Nr 31). Da im Bescheid vom 24.3.2005 das CRPS des linken Arms nicht als Unfallfolge anerkannt und eine Verletztenrente lediglich nach einer MdE von 20 vH, nicht jedoch nach einer höheren MdE bewilligt worden war, enthielt der Bescheid insoweit die Klägerin belastende Regelungen.
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Die Anwendung des § 44 Abs 1 SGB X ist hier auch dann nicht ausgeschlossen, wenn die Klägerin gegen den Bescheid vom 24.3.2005 aufgrund des in ihm enthaltenen Hinweises, er sei durch Rechtsbehelf nicht mehr anfechtbar, noch fristgemäß hätte Widerspruch einlegen können (vgl § 66 Abs 2 S 1 Halbs 2 Alt 2 SGG). Der Anwendungsbereich des § 44 SGB X ist nach seinem Wortlaut nicht auf unanfechtbare Verwaltungsakte beschränkt (vgl Baumeister in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl 2017, § 44 SGB X RdNr 35; aA Schütze in von Wulffen/Schütze SGB X, 8. Aufl 2014, § 44 RdNr 3). Zwar bedarf es im Regelfall für den Leistungsberechtigten nicht eines Verfahrens nach § 44 SGB X, wenn er das Widerspruchsverfahren noch durchführen kann, weil fristgemäß Widerspruch eingelegt wurde oder noch eingelegt werden kann. Ggf ist ein dann gestellter Antrag des Leistungsberechtigten nach § 44 SGB X als Widerspruch auszulegen (vgl BSG Urteile vom 16.12.2014 - B 9 V 6/13 R - SozR 4-7945 § 3 Nr 1 und vom 27.7.2004 - B 7 AL 76/03 R - SozR 4-4300 § 330 Nr 2). Stellt der anwaltlich vertretene Leistungsberechtigte jedoch - wie hier - ausdrücklich einen Antrag nach § 44 SGB X, entscheidet der Versicherungsträger über diesen Antrag und haben auch die Vorinstanzen keinen Anlass gesehen, den Antrag als Widerspruch auszulegen, weil sie - wie hier - von der Unanfechtbarkeit des beanstandeten Bescheides ausgingen und der Versicherte ausdrücklich Leistungen rückwirkend nur in dem nach § 44 Abs 4 SGB X vorgesehenen Rahmen begehrte, ist kein Grund ersichtlich, das mit einem Antrag eingeleitete Verfahren nach § 44 SGB X als nicht statthaft zu behandeln. Insbesondere erfordert der Schutz des Leistungsberechtigten dies in Fällen wie dem vorliegenden nicht.
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Der Anwendung des § 44 SGB X stand auch nicht entgegen, dass das SG die Klage auf eine höhere Rente mit rechtskräftigem Urteil vom 25.2.2003 abgewiesen hatte. § 44 SGB X ist eine gesetzliche Bestimmung, die eine Durchbrechung der Bindungswirkung von gerichtlichen und behördlichen Entscheidungen zulässt. Die Vorschrift vermittelt einen einklagbaren Anspruch auf Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts unabhängig davon, ob dieser durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde (BSG vom 10.12.2013 - B 13 R 91/11 R - SozR 4-2600 § 249b Nr 1 RdNr 18; vom 5.9.2006 - B 2 U 24/05 R - BSGE 97, 54 = SozR 4-2700 § 8 Nr 18, RdNr 12; vom 23.5.2006 - B 13 RJ 14/05 R - BSGE 96, 227 = SozR 4-2600 § 315a Nr 3, RdNr 14).
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Die Beklagte hat das Recht iS des § 44 SGB X unrichtig angewandt, weil sie eine weitere Unfallfolge, nämlich das komplexe regionale Schmerzsyndrom des linken Armes der Klägerin, nicht anerkannte und ihr nur eine Rente nach einer MdE von 20 vH bewilligte. Abzustellen ist auf die bei Erlass des Bescheides maßgebliche Sach- und Rechtslage, wobei es nicht auf den Stand der Erkenntnisse bei Erlass des Verwaltungsakts, sondern im Zeitpunkt seiner Überprüfung ankommt und somit eine rückschauende Betrachtungsweise im Lichte einer eventuell geläuterten Rechtsauffassung zu der bei Erlass des zu überprüfenden Verwaltungsakts geltenden Sach- und Rechtslage zugrunde zu legen ist (BSG vom 4.6.2014 - B 14 AS 30/13 R - BSGE 116, 86 = SozR 4-4200 § 21 Nr 18, RdNr 14).
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Nach §§ 212, 214 Abs 3 SGB VII richtet sich die Anerkennung von Unfallfolgen und eines darauf beruhenden Anspruchs auf Verletztenrente vorliegend nach den Vorschriften der §§ 547 ff RVO. Nach § 212 SGB VII ist das SGB VII anwendbar auf Versicherungsfälle, die nach dem Inkrafttreten des SGB VII, dh nach dem 1.1.1997 eingetreten sind. In Ausnahme hierzu bestimmt § 214 Abs 3 SGB VII, dass die Vorschriften des SGB VII über Renten auch für Versicherungsfälle gelten, die vor dem 1.1.1997 eingetreten sind, wenn die Rentenleistungen nach dem 1.1.1997 erstmals festzusetzen sind. Maßgeblich ist, wann materiell-rechtlich der Anspruch entstanden ist, dh wann dessen Voraussetzungen erfüllt sind und der Versicherte einen Anspruch auf die Feststellung des Leistungsrechts hat (BSG vom 21.9.2010 - B 2 U 3/10 R - SozR 4-2700 § 214 Nr 1 RdNr 13). Danach sind hier nicht die Vorschriften des SGB VII, sondern die der RVO anzuwenden. Nach der bindenden Feststellung der Beklagten hatte die Klägerin am 5.5.1995 einen Arbeitsunfall erlitten. Aus den den Senat bindenden Feststellungen des LSG ergibt sich, dass das Schmerzsyndrom des linken Armes, dessen Anerkennung die Klägerin begehrt, nach dem zweiten operativen Eingriff im April 1996 auftrat. Ein auf dem CRPS beruhender Rentenanspruch wäre - soweit die hierfür erforderlichen Voraussetzungen vorlägen - bereits vor dem 1.1.1997 entstanden.
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Nach § 547 RVO gewährt der Träger der Unfallversicherung nach Eintritt des Arbeitsunfalls nach Maßgabe der Vorschriften der RVO Leistungen, insbesondere Verletztenrente. Die Versicherten haben einen Anspruch auf Feststellung einer Unfallfolge, wenn ein Gesundheitsschaden durch den Gesundheitserstschaden eines Versicherungsfalls rechtlich wesentlich verursacht wird (vgl zur ab 1.1.1997 geltenden Rechtslage: BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - BSGE 108, 274 = SozR 4-2700 § 11 Nr 1, RdNr 19). Danach hatte die Klägerin Anspruch auf die Feststellung eines komplexen regionalen Schmerzsyndroms des linken Armes als Unfallfolge. Dies ergibt sich zwar nicht aus § 555 Abs 1 RVO. Nach dieser Vorschrift gilt als Folge eines Arbeitsunfalls auch ein Unfall, den der Verletzte bei der Durchführung der Heilbehandlung erleidet. Anders als der nunmehr geltende § 11 SGB VII setzt § 555 Abs 1 RVO einen weiteren Unfall, also ein zeitlich begrenztes von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das einen Gesundheitsschaden herbeiführt, voraus, der hier nicht vorlag. Führt allein die Behandlung des Unfalls zu weiteren Gesundheitsstörungen, liegt darin kein Unfall (vgl BSG vom 27.6.1978 - 2 RU 20/78 - BSGE 46, 283 = SozR 2200 § 539 Nr 47). Gesundheitsstörungen, die durch ärztliche Eingriffe zur Behandlung eines Gesundheitserstschadens verursacht werden, können jedoch dem Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls iS der §§ 548, 549 RVO zuzurechnende festzustellende mittelbare Unfallfolgen sein. Dies setzt voraus, dass der durch den Arbeitsunfall verursachte Gesundheitserstschaden rechtlich wesentlich die Unfallfolge (Gesundheitsschaden) hervorgerufen hat, und deren Behandlung wiederum die weitere (mittelbare) Unfallfolge rechtlich wesentlich verursacht hat (vgl BSG vom 5.8.1993 - 2 RU 34/92 - HV-INFO 1993, 2388; vom 27.6.1978 - 2 RU 20/78 - BSGE 46, 283 = SozR 2200 § 539 Nr 47; BSG vom 30.10.1991 - 2 RU 41/90 - SozR 3-2200 § 548 Nr 13). Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass diese Voraussetzungen im Hinblick auf das komplexe regionale Schmerzsyndrom des linken Armes der Klägerin vorlagen.
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Nach den Feststellungen des LSG war das CRPS naturwissenschaftlich-kausal durch die Behandlung des von der Beklagten als Unfallfolge anerkannten operativ versorgten Bandscheibenvorfalls zwischen dem 5. und 6. Halswirbelkörper verursacht. Die im April 1996 zur Behandlung dieser Unfallfolge durchgeführte Operation verursachte nach den Feststellungen des LSG das danach aufgetretene CRPS. An diese Feststellungen ist der Senat gemäß § 163 SGG gebunden, da sie nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffen worden sind. Zwar rügt die Beklagte die Verletzung des § 103 SGG, weil das LSG nur Teile des medizinischen Sachverhaltes in die Prüfung einbezogen habe. Eine formgerechte Verfahrensgegenrüge liegt damit jedoch nicht vor. Aus welchen Gründen sich ein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz des § 103 SGG ergeben könnte, legt die Beklagte nicht dar. Vielmehr stützt sie ihre Rüge sinngemäß auf die Verletzung des Grundsatzes der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 S 1 SGG). Sie zeigt jedoch nicht hinreichend auf, dass das LSG das Gesamtergebnis des Verfahrens unzureichend berücksichtigt haben könnte. Soweit die Beklagte darauf hinweist, aus den medizinischen Gutachten ergebe sich, dass der Bandscheibenvorfall im Segment C 5/6 nicht Unfallfolge und damit auch das CRPS nicht Unfallfolge sein könne, legt sie nicht dar, woraus sich ergeben könnte, dass das LSG die Aussagen der Sachverständigen in ihren Gutachten unberücksichtigt gelassen haben könnte. Zutreffend ist das LSG auch davon ausgegangen, dass die Behandlung der anerkannten Unfallfolge das CRPS rechtlich wesentlich verursacht hat (vgl hierzu BSG vom 5.8.1993 - 2 RU 34/92 - HV-INFO 1993, 2388).
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Entgegen der Beklagten steht der Anerkennung des Schmerzsyndroms des linken Armes als mittelbare Unfallfolge nicht entgegen, dass die durch die Beklagte als Unfallfolgen anerkannten Gesundheitsschäden eines operativ versorgten Bandscheibenvorfalls zwischen dem 5. und 6. Halswirbelkörper mit Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule im Sinne einer Teilversteifung, eines posttraumatischen Zervikobrachialsyndroms nach HWS-Schleudertrauma II. bis III. Grades sowie einer fixierten Haltungsabweichung der HWS möglicherweise nicht ursächlich auf das Unfallereignis vom 5.5.1995 zurückzuführen sind. Ob dies zutrifft, kann dahinstehen, denn die Beklagte hat für die Beteiligten bindend im insoweit nicht aufgehobenen oder abgeänderten Bescheid vom 24.3.2005 diese Gesundheitsstörungen als Unfallfolgen anerkannt. Hieran ist sie gebunden (§ 77 SGG). Die Beklagte hat den mit seiner Bekanntgabe wirksam gewordenen Bescheid (vgl § 39 SGB X), den die Klägerin hinsichtlich dieser Feststellung nicht angefochten hat, insoweit nicht aufgehoben. Eine solche Aufhebung erfolgte auch nicht mit dem Bescheid vom 12.4.2016.
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Die Bindungswirkung des § 77 SGG in Bezug auf die von der Beklagten festgestellten Unfallfolgen ist auch im Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X zu berücksichtigen. Sinn und Zweck des § 44 Abs 1 SGB X stehen dem nicht entgegen. Zwar kommt eine Änderung eines Bescheides nur insoweit in Betracht, als sich bei der erneuten Überprüfung der Sach- und Rechtslage ergibt, dass die Behörde zu Ungunsten des Antragstellers fehlerhaft gehandelt hat. Dem Leistungsberechtigten ist die Leistung zu gewähren, die ihm nach materiellem Recht bei von Anfang an zutreffender Rechtsanwendung zugestanden hätte (BSG vom 4.2.1998 - B 9 V 16/96 - SozR 3-1300 § 44 Nr 24). Dies rechtfertigt es jedoch nicht, die die Beteiligten bindenden Feststellungen des Vorliegens eines Arbeitsunfalles sowie der Unfallfolgen außer Acht zu lassen und insoweit erneut die Rechtmäßigkeit dieser Feststellungen im Verfahren nach § 44 SGB X, das auf die Feststellung weiterer Unfallfolgen gerichtet ist, zu überprüfen. Das Gesetz sieht zur Beseitigung der Bindungswirkung rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte allein die Rücknahme nach § 45 SGB X sowie - soweit die Rücknahme nicht möglich ist - die Begrenzung der Leistung gemäß § 48 Abs 3 SGB X vor. Vorliegend erscheint dies entgegen der Auffassung der Beklagten nicht unbillig, weil sie die Möglichkeit hatte, selbst fristgemäß Berufung einzulegen, um eine Verurteilung zur Rentengewährung aufgrund einer nach ihrer Auffassung nicht vorliegenden Unfallfolge zu verhindern. Stattdessen hatte sie sich entschlossen, das Urteil des SG vom 25.2.2003 gegen sich gelten zu lassen, und hatte im Bescheid vom 24.3.2005 den operativ versorgten Bandscheibenvorfall als Schädigungsfolge anerkannt.
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Zu Recht hat das LSG auch einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer Rente nach einer MdE von 60 vH ab 1.1.2001 bejaht. Gemäß § 580 Abs 1 RVO erhält ein Versicherter eine Rente, wenn die zu entschädigende MdE über die 13. Woche nach dem Arbeitsunfall hinaus gemindert ist. Als Rente wird nach § 581 Abs 1 Nr 2 RVO der Teil der Vollrente gewährt, der dem Grad der MdE entspricht, wenn diese um wenigstens ein Fünftel gemindert ist. Nach den nicht mit zulässigen und begründeten und damit für den Senat bindenden Feststellungen des LSG bedingten die anerkannten Unfallfolgen sowie das komplexe regionale Schmerzsyndrom des linken Armes seit dem 1.5.1996 eine Gesamt-MdE von 60 vH. Unerheblich ist, ob und welche abweichende Regelung die Beklagte in dem Bescheid vom 12.4.2016 traf, weil diese nur Rechtswirkungen für die Zukunft entfalten konnte. Zutreffend ist das LSG auch davon ausgegangen, dass gemäß § 44 Abs 4 SGB X der Klägerin ein Anspruch auf Rente nach einer MdE von 60 vH ab dem 1.1.2001 zusteht, weil der Antrag nach § 44 SGB X im Jahre 2005 gestellt wurde.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
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