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BSG 12.01.2017 - B 8 SO 68/16 B
BSG 12.01.2017 - B 8 SO 68/16 B - Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Versäumung der Beschwerdefrist - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - Mittellosigkeit - Versäumung der Einreichung eines PKH-Antrags einschließlich einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse innerhalb der Beschwerdefrist - Verschulden - fehlende Rechtskenntnisse
Normen
§ 160a Abs 1 S 1 SGG, § 160a Abs 1 S 2 SGG, § 64 Abs 2 SGG, § 67 Abs 1 SGG, § 73 Abs 4 SGG, § 73a Abs 1 S 1 SGG, § 117 Abs 2 ZPO, § 117 Abs 4 ZPO
Vorinstanz
vorgehend SG Leipzig, 28. August 2013, Az: S 5 SO 15/13, Gerichtsbescheid
vorgehend Sächsisches Landessozialgericht, 17. Mai 2016, Az: L 8 SO 83/13, Urteil
Tenor
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Der Antrag des Klägers, ihm zur Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 17. Mai 2016 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Urteil wird als unzulässig verworfen.
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Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
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I. Das Sächsische Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 28.8.2013 diesen teilweise abgeändert, die Beklagte zur Zahlung weiterer Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) in Höhe von 2943,52 Euro verurteilt, die Berufung im Übrigen zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen (Urteil vom 17.5.2016). Gegen diese, ihm am 28.5.2016 zugestellte Entscheidung hat der Kläger selbst, vertreten durch seinen Vater und gesetzlichen Betreuer, am 1.9.2016 Beschwerde eingelegt und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt; die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen hat er am 16.9.2016 nachgereicht. Zur Begründung des späten Vorgehens gegen das Urteil des LSG führt er aus, seine Muttersprache sei das Aserbaidschanische; ihm sei die Entscheidung aber nicht entsprechend übersetzt übersandt worden. Mit dem von ihm verwendeten Übersetzungsprogramm habe er den juristisch komplizierten Text nicht verständlich übersetzen können; er habe deshalb das Urteil am 7.6.2016 an Freunde in Baku mit der Bitte um Übersetzung gesandt und deren Antwort erst am 30.7.2016 erhalten. Für die Analyse des Urteils habe er zwei Wochen aufwenden müssen; vom 15.8.2016 an stehe ihm eine Beschwerdefrist von zwei Monaten zu.
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II. Der PKH-Antrag des Klägers ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (vgl § 73a Abs 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG> iVm § 114 Abs 1 Satz 1 Zivilprozessordnung <ZPO>). Die Monatsfrist für eine formgerechte Einlegung der Beschwerde, die am 28.6.2016 endete, ist abgelaufen (§ 160a Abs 1, § 64 Abs 2 und 3, § 63 Abs 2 SGG, § 177 ZPO). Zwar kann eine spätere Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (vgl § 67 SGG) in Betracht kommen, wenn ein Beteiligter infolge seiner Mittellosigkeit gehindert war, eine Beschwerde fristgerecht durch einen beim Bundessozialgericht (BSG) zugelassenen Rechtsanwalt einzulegen, und die Beschwerde dann von einem zugelassenen Bevollmächtigten nachgeholt wird. Dieses gilt allerdings nur dann, wenn innerhalb der Beschwerdefrist sowohl ein PKH-Antrag als auch eine Erklärung iS des § 117 Abs 2 ZPO über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem gemäß § 117 Abs 4 ZPO vorgeschriebenen Formular eingereicht werden, es sei denn, er war auch hieran ohne Verschulden verhindert (BSG SozR 1750 § 117 Nr 1 und 3; BSG, Beschluss vom 3.4.2001 - B 7 AL 14/01 B; BGH, Beschluss vom 9.7.1981 - VII ZR 127/81 -, VersR 1981, 884; vgl auch BVerfG SozR 1750 § 117 Nr 2 und 6 sowie BVerfG, Beschluss vom 7.2.2000 - 2 BvR 106/00 -, NJW 2000, 3344); innerhalb der Beschwerdefrist muss der Beschwerdeführer allerdings alles ihm Zumutbare getan haben.
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Das ist hier unter Berücksichtigung seines Vortrags nicht geschehen; der Kläger hat den PKH-Antrag erst am 1.9.2016 gestellt und das Formular über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erst am 16.9.2016 vorgelegt, obwohl er vom LSG in der Rechtsmittelbelehrung ordnungsgemäß belehrt worden ist. Die vorgetragenen mangelnden Sprachkenntnisse können allein die verspätete Einreichung nicht entschuldigen. Gerichtliche Entscheidungen ergehen in deutscher Sprache (vgl § 184 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz); eine Übersetzung ist von Amts wegen auch dann nicht beizufügen, wenn der Betroffene die deutsche Sprache nicht versteht (BSG, Urteil vom 22.10.1986 - 9a RV 43/85 -, MDR 1987, 436). Der vom Kläger für sich in Anspruch genommene Art 6 Abs 3 Europäische Menschenrechtskonvention regelt Abweichendes nur für Strafprozesse. In anderen Gerichtsverfahren erfordern bestehende Sprach- und Verständigungsschwierigkeiten zwar eine angemessene Berücksichtigung; unzureichende Sprachkenntnisse entheben aber nicht jeglicher Sorgfaltspflicht in der Wahrung eigener Rechte (vgl: BVerfGE 42, 120, 126 f; BVerfGE 86, 280, 285).
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Letztlich kann offen bleiben, ob nach den konkreten Umständen des Einzelfalls die Sorgfaltspflichten wegen einer erforderlichen Übersetzung erfüllt sind oder ob im Inland zügig für eine Übersetzung des Urteils durch einen Übersetzungsdienst hätte gesorgt werden müssen. Jedenfalls hat der Kläger bzw sein Betreuer nach Erhalt der Übersetzung (30.7.2016) nicht innerhalb eines Monats den PKH-Antrag gestellt und damit alles ihm Zumutbare in angemessener Frist getan. Die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem gemäß § 117 Abs 4 ZPO vorgeschriebenen Formular hat er sogar erst weitere zwei Wochen danach (auf Aufforderung des Senats) eingereicht. Längere Handlungsfristen als einem nicht wegen zu geringen Einkommens/Vermögens an der rechtzeitigen Beschwerdeeinlegung und -begründung verhinderten Beschwerdeführer sind ihm nicht zuzugestehen. Mangelnde Rechtskenntnisse - die fehlerhafte Annahme für die Stellung des PKH-Antrags gelte eine 2-Monats-Frist beginnend ab Prüfung des angegriffenen Urteils - stellen allein kein unverschuldetes Hindernis dar; ein juristisch nicht vorgebildeter Bürger muss bei ihm nicht geläufigen Rechtsfragen juristischen Rat einholen (vgl nur BVerwG Buchholz 310 § 120 VwGO Nr 6). Mit der Ablehnung der Bewilligung von PKH entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts (§ 73a Abs 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
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Die vom Kläger selbst eingelegte Beschwerde entspricht nicht den zwingenden gesetzlichen Vorschriften. Der Kläger muss sich vor dem BSG gemäß § 73 Abs 4 SGG durch einen zugelas-senen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Er kann eine Prozesshandlung rechtswirksam nicht vornehmen, folglich nicht selbst Beschwerde einlegen. Schon die Beschwerdeschrift muss von einem nach § 73 Abs 4 SGG zugelassenen Prozessbevollmächtigten unterzeichnet sein. Auch hierauf ist der Kläger ausdrücklich hingewiesen worden. Die nicht formgerecht eingelegte Beschwerde ist schon deshalb nach § 160a Abs 4 Satz 1 SGG iVm § 169 SGG ohne Beteiligung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
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